Montag, 12. Dezember 2011

Rezension: Pathfinder Orakel der Türme. Turmdeutungen und Kartenspiel

Cover: Pathfinder - Orakel der Türme
Verlag: Ulisses Spiele
„Für die varisischen Wahrsager der Pathfinder Kampagnenwelt stellen die Turmkarten seit vielen Generationen ein heiliges Werkzeug dar. Mithilfe der Karten vermögen sie anderen mitzuteilen, ob diese auf das Beste hoffen oder das Schlimmste erwarten sollen“

Oder wenn ich doch nur wüsste, was die Spieler am Ende anstellen würden…

Wieder mal halte ich ein Kartenpack von Ulisses Spiele in Händen, das sich in irgendeiner weise mit dem Rollenspiel beschäftigt. Dieses mal geht es um das Rollenspiel Pathfinder und das Deck der Turmkarten. Grob gesagt: der Karton enthält 54 Karten, die verschiedene Motive darstellen und dazu passend noch eine Gebrauchsanweisung in Form eines kleinen, 31 Seiten starken Heftchens, dass die zwei Bedeutungsebenen dieser Karten in ihrem Nutzen wiedergibt.

Im Falle der Weissagungen sieht das so aus, dass die Karten durch spezielle Symbole den sechs Attributen (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Weisheit und Charisma) aber auch den neun Gesinnungen, die Pathfinder beinhaltet (also von Rechtschaffen Gut bis Chaotisch Böse) zugeteilt werden kann.
Dies läuft in etwa folgendermaßen ab: Ein ratsuchender Charakter stellt ein Anliegen an die Karten, das er in einer Frage zusammenfassen muss. Diese Frage wird einem der Attributen untergeordnet und anschließend werden die neun Karten dieses Attributs gemischt und in drei Dreierreihen übereinander aufgedeckt ausgelegt.
Die entspricht dann jeweils der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Groben. Die Deutung läuft anschließend über den entsprechend der Attributen zugeteilten „Hofkarten“ und ihrer jeweiligen Deutung in diesem Bereich und was dies dann im weiteren Sinne für den Verlauf der Geschichte des entsprechenden Charakters bedeutet. (Oder bedeuten mag.)

Zeitgleich stellt Orakel der Türme aber auch den Kartensatz für das Glücksspiel Türme dar. Hierbei geht es darum Türme aus den Symbolen auf den Karten zu bauen, indem man diese an- und nebeneinander legt und weiter aufbaut. Der Spieler mit den wenigstens Schulden gegen Ende gewinnt.

In gewisser Weise hat man hier also ein Handout der etwas anderen Art vor sich liegen. Da jede Fantasy-Welt mit dem glauben an übernatürliches noch stärker im Hintergrund verwoben ist und dadurch dem Schicksal zumindest aus Sicht der Charaktere eine gewisse, nennenswertere Rolle zugestanden wird, bringt ein Tarot-ähnliches Deck in diesen Bereich einen gewissen Stimmungsbogen mit ein, den der SL auch als zusätzliche Anregung für den weiteren Verlauf des Spieles nutzen kann, indem er die vorhergesagten Ereignisse in in sein Abenteuer mit einwebt. Auf der anderen Seite bekommt der Tavernenabend durch das Kartenspiel Türme auch noch einen eigenen Aspekt, der Gemütlichkeit, Beisammensein und Charakterlichen Smalltalk fördern könnte.

Wie auch immer man die Karten einsetzen mag, letzten Endes bekommt man hier ein kleines Mittel um das Spiel am Tisch bunter zu gestallten, ohne dabei gleich auf altbekanntes zurückgreifen zu müssen.
Ob man das Spiel braucht, muss zwar jeder für sich ausmachen, aber zumindest das man es gebrauchen kann steht fest. Es ist eine kleiner Farbtupfer, der auf seine, haptische Weise, ein kleines Mehr des Erlebnisses erzeugen kann und bringt auf diese Weise, wenn es vom SL richtig ins Geschehen verzahnt wird einen besseren Ansatz mit sich, als es unter anderen Umständen „nur“ simple, normale Karten in dem Verwendungszweck bringen würden. (Dies hängt allerdings damit zusammen, dass z.B. Tarotkarten tatsächlich auch wirklich nur Tarotkarten sind. Wenn man also auf solche begriffe wie Immersion wert legt, kommt es mit diesen Karten nicht so schnell zu einem Bruch im Kopf der Spieler.)

Insofern ist Orakel der Türme eine nette Idee aus dem Bereich des „unnützen Plunders, den man haben will“ mit dem man seine Spielrunde ein klein wenig aufpeppen kann.

Montag, 5. Dezember 2011

Rezension: Karl-Heinz Tuschel - Kurs Minosmond

Cover: Karl-Heinz Tuschel
Kurs Minosmond
Verlag: Neues Leben
Ich habe ja schon einmal einen Roman von Tuschel vorgestellt, und das hier wird auch nicht der Letzte sein. Das Problem ist jetzt, dass ich mit Kurs Minosmond im Grunde einen der wenige Nachwende-Romane des Autors rezensiere und dann irgendwie wieder doch nicht. Das Problem in dem Bereich ist, dass Tuschel Kurs Minosmond in einer “offiziell” überarbeiteten Fassung unter dem Titel „Aufbruch zu den Sternen“ für die BRD noch einmal herausbringen konnte, wobei diesen beiden Romanen nicht wirklich irgendein Unterschied dann anzumerken ist. (Außer der Seitenzahl, Schriftsatz und dergleichen vielleicht.) Die Frage hier ist jetzt aber dann doch, worum es hier geht?

Technisch sind in Kurs Minosmond zwei Erzählstränge vorhanden. Der Eine beginnt inmitten Europas, wo Pauline, Ordner im Vorwerk von Altenessow sich mit der Entdeckung des Toten Otto Mohrs zurechtfinden muss, der inmitten seiner Blutlache liegend, scheinbar mit einem gläsernen Werkzeug in den Hals erstochen worden ist. Das Problem ist nur: Gewaltverbrechen hat es in dieser Welt seid der großen Harmonisierung nicht mehr wirklich gegeben. Die Frage ist also, was hier passiert ist?

Der zweite Erzählstrang dreht sich um Ruben Madeira, Raumfahrer, der gerade von einer längeren Mission zu einem Trabanten des Sonnensystems zurückgekommen ist und jetzt davon träumt einen der Monde dieses Planeten – den Minosmond Esther – zu besiedeln. Einziges Problem dabei ist für ihn direkt derzeit nur: Die Menschheit verpönt geradezu derartig überflüssige und jegliche Jahrespläne sprengende Fantasien, die keinerlei bestimmenden Zweck außer unsinniges Abenteuer zu sein haben. Dementsprechend kümmert er sich zuerst einmal um eine nähere Entdeckung, die seinen wissenschaftlichen Drang und den seiner Kollegen extrem fordert: Ein Verfahren namens EGI, das der Erforschung von Subteilchenkollektiven dient die Bläschen genannt werden.

Was das Gewaltverbrechen an Mohr mit einem Experiment verbindet, dass in einer Umlaufbahn zwischen Erde und Merkur geschieht, ist dann allerdings ein Weg, der durch eine schon seid langem zum positivem gewandelte Welt führt: Der große Schritt war in der Geschichte dieses Romans ein Zeitalter der Harmonisierung, dessen direkte Folge eine Befriedung der gesamten Menschheit unter dem wachenden Augen sogenannter Konräte auf kontinentaler und deren Vertretern auf kommunaleren Ebene, die sich hier in einem Zeitalter aus Frieden und allgemeinem Wohlstand ihren Berufungen hingeben kann: Jeder Mensch verfolgt drei Berufe, einen als Künstler, einen als Handwerker und einen als Wissenschaftler. Wobei die Wissenschaft tatsächlich diesem speziellen Begriff nur noch entspricht: Sie wird betrieben um das Wissen zu mehren, neue Erkenntnisse zu bringen. Jedoch ohne praktischen Nutzen in direkter Linie. Wissen ist insoweit Allgemeingut geworden, was direkt genau das bedeutet: Man kann jederzeit und überall auf sämtliche Informationen, Versammlungen und ähnliches in Protokollform zurückgreifen und sich dadurch fortbilden. Genauso wie auf diesem Gebiet kollektiv jederzeit entsprechende Anmerkungen bereitgestellt werden können. Und dadurch das jeder in irgendeiner Weise Künstler ist, wird das Maximum an Kreativität eines jeden Individuums gefördert, gefordert und freigesetzt.
Der Traum der Kolonisierung ist in diesem Sinne dann allerdings auch ausgeträumt in gewisser Weise. Für Forschungszwecke sind zwei Kolonien entstanden. Mehr aber auch nicht. (Ob man jetzt von kurios oder weitblickend reden will in einer Angelegenheit sei jedem Selbst überlassen: Religiosität wird als überwunden dargestellt. Wenn auch nicht ausgestorben. Innerhalb der Welt tauchen immer wieder kleinere Bewegungen auf, die abstrakte Konzepte anbeten.)

Diese Welt entfaltet Tuschel langsam und mit bedacht. Die Geschichte ist eine Art Reise durch die Wissenschaften verschiedenster Kolör. Von der Astrophysik über die Psychologie geht es durch die Soziologie, Medizin bis direkt in die Hirnforschung. (Jedoch ohne unappetitlich dabei zu werden.) Das Ganze ist dabei vielmehr eine anthropologische Suche nach der Identität eines jeden Menschen, eines jeden einzelnen Antriebsimpulses: Bis hin zum dringenden Bedürfnis der unerklärlichen Selbstvernichtung als empfundene Einheit. Denn jeder dieser neuen Menschen weißt eine ungewöhnlich stark ausgebildete Sensibilität auf.

Denn die tragende Frage hier ist immer: Was passiert mit einem Menschen, der wirklich alle seine natürlichen Bedürfnisse ausleben kann?

Fazit

Das die Zukunftsvisionen hinter dem s.g. eisernen Vorhang utopischer Natur in der Regel zu sein schienen, habe ich bereits häufiger festgestellt. Hier ist es ebenso. (Manche würden Sagen: Wieder einmal.) Man muss allerdings dabei mit einfügen, dass Kurs Minosmond vermutlich den intensivsten Blick auf eine gesellschaftliche Entwicklung von Seiten Tuschels unternommen worden ist, wobei er bei seinen anderen Romanen in dem Bereich mehr Andeutungen oder andren Themenschwerpunkte gesetzt hatte. Das für DDR-Zeiten verbindende Element ist dabei zwar immer gleich, jedoch spielen hier noch andere Hoffnungen mit hinein, die nicht so einfach mit „Sozialismus Propaganda“ weggewischt werden können. Insofern bin ich mir fast schon sicher, dass es sich bei Kurs Minosmond um den utopischen Roman handelt, bei dem Tuschel seine eigene Idealgesellschaft wirklich vorstellen wollte.
Auf der anderen Ebene zeigt sich hier allerdings dann etwas, das man so einfach nicht von der Hand weisen kann, indem es auffällt: die kulturelle Entwicklung ist nicht ausgearbeitet. Zwar bekommen die Künste als individuelle Ausdrucksform eines jeden Menschen hier in der Dreifaltigkeit der Berufsaufteilungen, jedoch bleibt es in der Benennung der Handwerksformen, die sich dahinter verbergen, sowie der entsprechenden Existenz von Artefakten, die im Verlauf der Handlung eine Bedeutung kurzzeitig erlangen. Westliche Autoren würden sich gerade in dem Bereich sicherlich wesentlich intensiver ausgetobt haben, was detailverliebte Beschreibungen anbelangt. In Kurs Minosmond bleibt es nur bei der Erwähnung der Existenz und einer Wertung im Sinne von Wohlgefallen. (Das sind aber Dinge, die jemandem, der mit einem Auge für die bildenden Künste durch die Weltgeschichte läuft auffallen und zuweilen dann doch Fragen stellen.)
Ich will damit nicht das Buch an sich in irgendeiner Weise schmälern. Es weiß in all seinen Aufbau sehr zu gefallen und regt in der einen oder anderen Weise dann doch zum Nachdenken an.
Negativ auf der anderen Seite ist dann aber, dass man beinahe mit einer unglaublichen Informationsflut an Details anderer Natur überschüttet wird, die einem manchmal durchaus dazu bringen Pausen beim Lesen einzulegen, weil das dann doch anstrengend werden kann.

Trotzdem bleibt Kurs Minosmond alles in allem weiterhin gut und empfehlenswert und dürfte jedem Science Fiction Fan eine interessante Ergänzung in seinem Bücherregal bieten.
Ob man sich dann aber für den Hardcover des Verlag Neues Leben entscheidet, oder aber für das Taschenbuch der Neuauflage bleibt jedem selbst überlassen.