Hallo und herzlich willkommen zu meinem
ersten Beitrag im Ramen des
Karnevals der Rollenspielblogs. (Warum
ich für Einstiege aller Art immer solch verquere Themen wie
romantische Ambitionen oder Ähnlichem aussuche ist mir selbst nicht
mehr so ganz klar.)
Jetzt muss ich, bevor ich diesen
Artikel ausführe, noch ein kurzes Geständnis machen: Ich nutze
diesen Auftakt nicht, um einen konkreten Fokus von Artikel zu
schaffen, sondern halte erst einmal ein paar basale Meta-Überlegungen
fest, die ich eventuell zu einem späteren Zeitpunkt weiter
ausschmücken werde. (Sprich: Das hier sollte eher als potentieller
Auftakt für weitere Artikel verstanden werden, als ein tatsächlich
reiner Schnellschuß, der ins Blaue gezielt wurde.)
Das Problem der Beziehung
Ich will nicht behaupten, dass ich hier
jetzt einen empirisch Nachgewiesenen, 100% abgesicherten
Themenkomplex aufgreife. Viel mehr geht es mir um eine persönliche
Beobachtung, die auf eine mögliche Tendenz innerhalb der
Gruppenlandschaft hinweist. Meine Ausgangsthese hier lautet also:
Romantische Ambitionen der Charaktere werden vermieden. (Dabei spielt
es noch nicht mal eine Rolle, ob es sich dabei um eine entsprechende
Ambition zu einem SLC oder zwischen zwei Spielercharakteren geht.)
Dazu gibt es jetzt zwei mögliche
Erklärungsansätze:
1. Sex ist ein Witz
Seien wir mal ehrlich: Das Thema ist
uns tendenziell nur unangenehm. Das komplette Spiel mit und um den
Akt ist eine Anhäufung von Stolperfallen, peinlich berührten
Errötungen und anderen Mitteln, mit denen man am liebsten im Boden
versinken würde. Insofern ist das Klischee des soziophoben
Rollenspielers durchaus bis zu einem bestimmten Grad aufrecht
erhalten. Insofern wird dieser für die meisten romantischen
Beziehungen vermutlich eher essentielle Part aus unterschiedlichen
Gründen ausgeklammert oder zur Lachnummer am Tisch werden. (Und auch
wenn man es nicht unbedingt immer zugeben wird: Ziel sehr vieler
Spieler ist dann doch das emulieren bestimmter Erfolgserlebnisse im
Kopfkino. Schon allein deswegen wird die eigene Betroffenheit in
diesem Bereich sehr schnell zu pubtärem Gekicher verkommen.)
Aber das nur am Rande. Wichtiger ist da
eigentlich Punkt Zwei:
2. Machtdispositive
Und dieser ist
dann doch deutlich schwieriger zu begreifen. Ich nutze den Begriff
des Machtdispositivs, wie ihn der französische Philosoph Michelle
Foucault geprägt hat, deswegen hier, weil er eine ganze Menge sehr
eng verketteter Beziehungsgeflechte umschreibt, die direkt
aufeinander einwirken und dadurch aufeinander einwirken. (Man könnte
es noch platter eventuell so Formulieren, dass mehrere „Willen zur
Macht“ aufeinander Einwirken. Denn letzten Endes ist jede Beziehung
eine Verflechtung derartige Dispositionen.)
Was bedeutet das?
Kurz ausgedrückt: Jeder Spieler verfolgt am Spieltisch bestimmte
Interessen, um „sein Spiel“ voranzutreiben. (Der Spielleiter –
ob man ihn jetzt Meister, Storyteller oder Fischbrötchen nennt –
hat in diesem Bereich die gleichen Ambitionen, wie jeder andere
Spieler auch.) Der Spielleiter hat in diesem Fall zusätzlich neben
seinem eigenen Spaß aber auch eine sehr komplexe zusätzliche Rolle
im Rahmen der Aufmerksamkeitsverteilung: Innerhalb der
Rollenspieltheorie spricht man von Spotlights und der Verteilung von
eben diesen.
Spotlights sind
die jeweiligen Situationen, in denen ein Spieler auf der einen oder
anderen Weise „glänzen“ kann, weil ihm die Aufmerksamkeit
gebührt. Im Idealfall sind diese Situationen aber so beschaffen,
dass auch andere Spielercharaktere in diesen Momenten nicht zu kurz
kommen.
In der
Spotlightverteilung verschiebt sich im Falle von Beziehungen jetzt
aber deutlich zu Ungunsten aller Spieler, die nicht Part der
Beziehung sind. (Natürlich nur, solange die entsprechende Beziehung
zwischen zwei Spielercharakteren stattfindet.) Das heißt, dass hier
zwei Spieler am Tisch sich automatisch besondere Momente schaffen und
schaffen müssen, um die angestoßene Thematik romantischer
Ambitionen sowohl zu verdeutlichen, als auch zu intensivieren. (Und
das bedeutet natürlich, dass beide Spieler sehr viele Momente
brauchen, die letzten Endes im Wechselspiel „ihren“ Charakteren
gehören. Das bedeutet, dass hier zusätzlich zu der
Spotlightverteilung des Abenteuerfokusses eben auch noch ein weiterer
Ressourcenräuber in Form der Beziehung mit ins Spiel kommt. Das kann
zu einem Problem werden, solange man die Praxis der ungeteilten Runde
am Spieltisch betreibt. (Zur Erklärung: Als ungeteilte Runde
bezeichne ich eben die Spielpraxis, welche auf den Aspekt der
physischen Rundentrennung in bestimmten Situationen verzichtet. Das
heißt, dass auf der Meta-Ebene jedes Geheimnis von Vornherein offen
den Spielern gegenüber besteht, wenn ein Charakter falsches Spiel
betreibt und seinen wahren Herrn aufsucht. Dies wird in einigen
Runden dadurch vermieden, dass Spieler und Spielleiter vorübergehend
des Raum verlassen, um gesonderte Aktionen außerhalb des
Bewusstseins der gesammten Runde zu thematisieren. Dies kann dann auf
lange Sicht Auswirkungen auf die Art haben, wie die Spielercharaktere
sich in der gesamten Konstellation der Gruppendynamik verhalten. Und
da solche Optionen sehr vielfältig gestaltet sein können, ist diese
Praxis für entsprechende Runden nichts ungewöhnliches. Das Problem
ist nur: Es gibt durchaus einige Runden, die aufgrund möglicher
toter Zeitpunkte diese Praxis vollständig vermeiden und eben auf der
Meta-Ebene mit offenen Karten „spielen“.*) Man muss also gerade
hier einen Mittelweg finden, um ein ungestörtes Miteinander eben
dieses doch etwas komplizierten Themenkomplexes zu finden, solange es
nicht um One-on-One-Sessions geht.
Die Thematisierung der Beziehung in
einer Spielwelteigenen Logik
Lustigerweise
bieten aber gerade die Systeme der World of Darkness in wenigstens
zwei Fällen grundlegende Lösungsansätze, wie das Beziehungsmoment
sogar sehr treffend thematisiert werden kann. (Hierbei muss man aber
im Hinterkopf behalten, dass die WoD nach White Wolfs eigenen
Äußerungen Systeme und Spielwelten schaffen wollte, in denen es um
das persönliche Drama geht. Etwas, dass von der „System does
Matter“-Fraktion bis heute gänzlich ignoriert wird, solange man
sich entsprechende Diskussionen über die Spielweise in den
einschlägigen Foren ansieht und den immer wieder auftauchende
Vorwurf der „Superheroes with Fangs“ vor Augen führt. Diese
Diskussion wird niemals abgeschlossen werden, weil hier zwei
grundverschiedene Welten von Einstellungen aufeinanderprallen, von
der die regelsystemseitigorientierte Fraktion mit einem unglaublichen
Mangel an Empathie aufwartet, der immer und immer wieder den
entsprechenden Faktor der „Cool Powerz“ als überbetonten Aspekt
hochhält, ohne davon abzukommen, dass gewisse Fähigkeiten in dieser
Spielweise eventuell zwar Notwendig sind, um das alienhafte der
Spielercharaktere zu betonen, nicht aber der ausschlaggebende
Motivator für diese Form von Spielen sind.) Ich werde hier jetzt auf
zwei Komplexe eingehen. Der eine betrifft beide Vampire-Linien
gleicher Maßen, der andere ist nur für Werewolf: The Apocalypse
stimmig. (Zumal ich Forsaken bislang auch nicht kenne.)
Vampire
Unabhängig davon, dass Vampire das Paradebeispiel ist, was die
WoD-eigene Thematik anbelangt, dass sich die Psyche eines Menschen
mit einem mal mit dem Schaden auseinandersetzen muss, etwas anderes
zu sein, hat gerade Vampire einen sehr interessanten Themenaspekt der
romantisierten Beziehung in sich vereint, der anscheinend vielen
Leuten gar nicht so bewusst ist.
Die Grundlegende Thematik des Spiels der Vampire-Charaktere ist ja
der Verlust der eigenen Sterblichkeit zu Gusten eines ewigen Lebens
in ständiger Wachsamkeit um die eigene Integrität durch den Kampf
gegen die eigene, innere Bestie. (Um jetzt Freud zu bemühen: Während
die sterbliche Gesellschaft eigentlich darum bemüht ist, dass
Überich zu kultivieren und zu einem dominanten Faktor zu machen, ist
das Vampirdasein ein ständiger Kampf gegen das Es, welches droht,
das Ich für sich vollständig zu beeinspruchen, während das Überich
depressiv in der Ecke hockt und kraftlos jammert.) In dieser Hinsicht
geht es in Vampire um ständige Selbstdisziplin und Kontrolle. Sowohl
des eigenen Ichs, als auch des eigenen Umfeldes. Zeitgleich sind die
Vampire-Spiellinien aber auch zu großen Stücken von Autorinnen wie
Ann Rice inspiriert. Sprich: Es geht hierbei auch um unerfüllte
Liebe und Sehnsucht. (Letzten Endes wurde der Vampir in seiner ewig
Gleichbleibenden Art nicht zuletzt spätestens ab Mitte der 90er
immer stärker zu einem Symbol ewiger Liebe umgedeutet.)
Das Thema in der Vampire Spiellinie ist dann aber, solange es um
romantische Beziehungen geht, deutlich archaischer. Da das Problem
besteht, dass ein Vampir ständig die Kontrolle braucht, was sein
Umfeld anbelangt, zumal er seiner eigenen Art nicht trauen kann und
gegenüber der sterblichen Welt die Maskerade waren muss, ist
Romantik in letzter Konsequenz nur einer einzigen Gruppe überlassen,
was die Ambitionen eines Vampirs betrifft: Den Ghoulen. Sprich: Was
man sich hier erschafft ist nicht einfach ein Diener. Der Blutsklave
ist der devote Geliebte eines Vampirs. (Wie bereits gesagt: Aufgrund
des Kampfes gegen die innere Bestie ist das zentrale Merkmal, das
alle Charaktere in Vampire ausmacht, letzten Endes Kontrolle.) Der
Vampir muss dabei Dominant sein, der Ghoul devot/unterworfen.
(Ansonsten muss es langfristig in der Katastrophe enden.) Da Romantik
hierbei eher durch Aufmerksamkeit definiert wird, zieht der
unterworfene Ghoul hierbei eher aus den extremen Praktiken von
Belohnung und Bestrafung seine Wertschätzung. (Und für den Vampiren
ist das der Weg, seinem romantischen Konterpart die notwendige
Wertschätzung überhaupt auszudrücken.) Insofern ist dieser Vorgang
eher etwas, dass in der Praxis eher für die Spielweise der
vorübergehenenden Rundentrennung Sinnvoll ist.
Werewolf: The
Apocalypse
Ich sehe bei diesem Punkt schon die Fragezeichen: Romantische
Ambitionen bei Werewolf: Die Ökoterroristen? Und meine Antwort ist:
Ja, gerade hier sind romantische Ambitionen einer der zahlreichen
möglichen Nebenschauplätze, die das Spiel bietet. Das Schlagwort
lautet nämlich Metis in diesem Fall. Der Punkt, der hierbei eine so
zentrale Rolle spielt ist, dass eine Beziehung von zwei Werwölfen
eine direkte Folge in der Spielwelt zur Folge hat. Und das wiederum
bietet anderen Spielern die Möglichkeit zu reagieren und zu
interagieren. (Sprich: Da die Romanze zwischen zwei Werwölfen einen
Verstoß gegen die Litanei darstellt, bietet sich hier eine ziemlich
drastische Grundlage, um zumindest für die Garou der Gegenwart, eine
Reflexionsebene der „eigenen Wertevorstellungen“ zu geben. Und
das wiederum kann eine gute Grundlage der Interaktion mit den
einzelnen Gruppenmitgliedern darstellen, aber auch mit der Umwelt der
dargestellten Spielwelt.
Fazit
Wie bei vielen Dingen im Leben eines Rollenspielers ist es gerade bei
Romanzen also ein spezielles Thema, dass man sich als Spieler zuerst
bewusst macht, was man da eigentlich spielt. Die Bezihung muss
nämlich irgendwie Thematisiert werden, egal an welchem Punkt die
Spielhandlung letzten Endes einsetzt. (Sprich: Ist die entsprechende
Figurenkonstellation bereits von Anfang an in einer Beziehung, oder
ist einer der Nebenschauplätze der Kampagne, dass die Figuren
zusammenfinden.
Auf jeden Fall muss man sich darüber im Klaren sein, dass man mit
dem Beziehungsschild „Aufmerksamkeit“ schreit. Und man muss sich
darüber im klaren sein, welche Art die entsprechende Beziehung
letzten Endes ist. („Romantisch“ ist klar. Aber ich nutze nicht
umsonst WoD-Beispiele, um aufzuzeigen, dass es auch da sehr
drastische Unterschiede gibt.)
Und man muss sich im klaren sein, wann geeignete Zeitpunkte
geschaffen werden können, um den Ganzen Komplex für die Spielpraxis
der eigenen Runde sinnvoll zu thematisieren. (Auch wenn durchaus der
Störfaktor „der Rest der Truppe“ IT hin und wieder ein
nützliches Versatzstück zu bereicherung des Spiels sein kann.)
*Ich will hier
keine Wertung abgeben, welche Verfahrensweise die bessere sei. Ich
selbst gehöre zur Fraktion der Geheimniskrämer, weil ich darin
bestimmter Vorteile für den Spaß aller sehe, aber ich kann durchaus
verstehen, warum unter bestimmten Spielweisen die andere Methode als
akzeptabler wahrgenommen wird. Das ist letzten Endes eine reine,
subjektive Vorliebe also. Es wird nur für die Gruppenzusammenfindung
eventuell auf lange Sicht etwas problematisch, wenn diese beiden
Einstellungen miteinander kollidieren, weswegen man sich darüber
bewusst sein sollte, dass sie existieren und ihre gleichberechtigte
Koexistenz haben.
Danke an dieser Stelle an
Zeitzeugin Guddy, dass sie es erlaubt hat, den von ihr speziell für dieses Thema entworfenen Header zu benutzen.