Mittwoch, 31. Juli 2013

Rezension: Pathfinder Ausbauregeln II: Kampf

Cover: Ausbauregeln II: Kampf

Verlag: Ulisses Spiele
Was macht Pathfinder eigentlich aus? Die Frage kann man sicherlich auf mehrere Arten beantworten, aber letzten Endes sind die Regeln in ihrer klassischen Auslegung doch sehr einfach mit einem einzigen Wort erklärt: Kampf. Das Aufeinandertreffen zweier Gegner in einer Kompetitiven Situation, in der es letzten Endes ums nackte überleben geht. (Zumindest des jeweils gespielten Charakters.)

Dementsprechend ist auch das Grundregelwerk mit verschiedenen Klassen ausgelegt, die eher bewaffnet, als Magisch aufeinander treffen. Und dementsprechend wird auch in dem zweiten Band der Ausbauregeln genau dieses Thema noch einmal aufgegriffen.

Das Cover, welches den Kampf zweier Samurai gegen einen Yeti inmitten von Eis und Schnee zeigt, gibt dabei auch noch einen ziemlich genauen Hinweis darauf, was im speziellen als Schwerpunkt hier vor allem vorgefunden wird.

Der Beginn macht dabei ein Kapitel, das Kapitel Klassen, in dem einige neue Klassen vorgestellt werden und ein paar alte bekannte noch einmal Variiert werden.

Die neuen Klassen sind dabei:

Der Schütze: Hierbei handelt es sich um Leute, die in gewisser Weise Pionierarbeit in einer Fantasy-Welt leisten. Sie sind ausgestattet mit den eher seltenen Feuerwaffen und verfügen über die Geheimnisse des Schwarzpulvers. Das besondere dabei ist, dass sie aufgrund ihres Schneids (der sich in Punkten im System ausdrückt) besondere Tricks vollführen, die ihren auf dem Schlachtfeld das Überleben sichern sollen.

Da diese Schneitpunkte die besondere Stärke des Schützen sind gibt es eine Reihe mehr oder weniger genau geregelter Fälle, mit denen ein Schütze seine Ausgaben wieder hereinholen kann.

Der Ninja ist… ein Ninja. (Ich weiß, dass dieser Satz nicht sonderlich intelligent klingt, aber irgendwie hat diese Klasse nichts an sich, was nicht schon so oder so allgemein mit dem Begriff Ninja assoziiert werden dürfte. Aber besonders verschlagen sein, sich durch Schatten schleichen und einen Pool japanischer Waffen führen ist wirklich keine gesonderte Zusatzerwähnung wert.)

Der Samurai ist eine Ritter-Variante. Ähnlich wie der Ninja, braucht man wohl auch hier wenig ins Detail zu gehen, weil dieser Krieger bereits mit dem Begriff an sich im Weitesten umschrieben ist.

Wichtig ist dabei, dass hier zwei Kasten für die Samurai im Buch mit enthalten sind: Die Krieger-Kaste und die Ronin. (Wobei extra erwähnt wird, dass sämtliche Ritterorden aus den Expertenregeln ebenfalls für die Samurai zur Auswahl stehen.) Die Kriegerkaste sind die normalen Samurai mit dem Treueschwur an einen Herrn. Die Ronin sind die Herrenlosen Kämpfer, welche entweder Freiwillig diesen weg wählten, oder aber ihren Herrn verloren haben. (Warum auch immer.) Beide Kasten haben bestimmte Vor- und Nachteile, welche sich direkt auf bestimmte Fähigkeiten auswirken.

Diese drei Klassen werden in der kürze von wenigen Seiten vollständig aufgeführt, mit allen wichtigen, Lesenswerten Sonderregeln umschrieben und können somit von jedem Spieler, der über Regelkenntnisse zu Pathfinder verfügt ohne größere Probleme eingesetzt werden.

Der darauf folgende Abschnitt „Archetypen“ stürzt sich auf die Basisklassen, welche aus dem Pathfindergrundregelwerk bekannt sind. Die Idee dabei ist eine neue Lesart für eben diese speziellen Klassen zu finden, welche durch ganz spezielle und gezielte Veränderungen neue, buntere Interpretationen und damit eine andere Sicht auf die Spielwelt liefern.

Ein paar Beispiele gefällige: Die Alchemisten haben mit dem Wildwandler einen Vertreter bekommen, der durch ein spezielles Mutagen die Fähigkeiten von Kreaturen auf sich überträgt. Die Barden haben den „tanzenden Derwisch“ in ihren Reihen entdeckt, dessen performende Tanzdarbietungen magische Effekte auf den Tänzer übertragen, anstelle auf anderes. (Ein sich im Kreisel drehender Kukri inklusive.)

Auf diese und andere Arten bekommt jede der entsprechenden Basisklassen 4 bis 5 neue Ausrichtungen, welche einem Spieler ein paar neue Überlegungen an die Hand geben, was ein solcher Charakter noch alles anstellen kann.

Das Kapitel Talente muss man vermutlich nicht Großartig beschreiben. Talente sind die Eigenschaften eines Charakters, die sich irgendwie auf seine Möglichkeiten auswirken. Das kann auf normaler, kampforientierter Ebene passieren, aber auch auf metamagischer oder sonstiger Weise. (Alles bringt irgendwie Boni oder Mali und auf diesem Weg wirkt es sich irgendwie im Kampf aus.) Insgesamt sind 256 Einzelne Einträge in diesem Kapitel zu finden. Das heißt dann wiederum einmal, dass gerade Min-Maxer hier ihre helle Freude daran finden sollten noch ein paar besondere Quäntchen aus den Regeln herauszuquetschen, die dem Charakter ein wenig mehr Effizienz verschaffen könnten. Dieses Kapitel ist vermutlich das Kapitel, dessen schiere Existenz bei den Spielern am meisten polarisieren sollte, sofern unterschiedliche Spielphilosophien hierbei in einer Runde aufeinander treffen sollten.

Das dritte Kapitel heißt „Kampf meistern“. Hier werden zum einen kurze, vermutlich die eigenen Überlegungen Anregende Texte vorgestellt, welche sich in erster Linie damit beschäftigen, welche Waffen-Arten unter welchen Bedingungen ein Problem innerhalb der Vorstellungskraft mancher Spieler sein könnten. (Speziell sei hier das Stichwort Handfeuerwaffen hervorgehoben.)

Nur um dann direkt in die in diesem Band gerade besonderen, fernöstlichen Waffenarten und Rüstungen umzuschwenken. Darauf folgt dann ein Abschnitt, indem unterschiedliche Feuerwaffen vorgestellt werden, wie es sie auf Golarion fortan geben soll. (Hierbei werden überwiegend Frontlader aufgezählt. Zumindest währen sie das in unserer realen Welt.) Ebenso kommt ein typisch langer Eintrag über die unterschiedlichsten Munitionstypen. (Hierbei wird sowohl „konventionelle“ Munition aufgeführt, als auch Magisch.)

Außerdem findet man Gladiatorenwaffen und primitve Waffen hierbei aufgezählt.

Den Abschluss bilden dann hingegen schon wieder interessante Regelergänzungen für Duelle und Schaukämpfe. Das ist mitunter der faszinierendste Part dieses Kapitels, weil dadurch das Regelgerüst zumindest im Groben um ein paar veränderte Konventionen jenseits des üblichen „Haudraufstreits“ innerhalb von Pathfinder-Kämpfen ergänzt werden, die Spieler durchaus auch zusätzlich fordern könnten, ohne das diese sich dabei gleich in den nächsten Dungeon stürzen müssten, um die Knappe Reisekasse aufzufüllen.

Belagerungsgeräte sind dann die notwendigen Regeln und Werte für all die Ausrüstung, welche man auf die feindlichen Burgmauern loslässt, wenn der uneinsichtige Burgbewohner mal wieder nicht die Türe aufmacht. Was man damit allerdings will, ist mir ehrlich gesagt schleierhaft, weil ich in meiner eigenen, mehrjährigen D&D-Karriere nie wirklich eine Belagerung mit meiner Runde durchgespielt habe.

Das Kapitel Fahrzeuge ist wiederum genau das, was man hier vermuten kann: Was gibt es an Fahrzeugarten, so abstrakt wie möglich gesprochen? (Wobei hierbei Größeneinheiten eine Rollen spielen.) Wie kann man diese in einem Kampf einsetzen? Und welche Besonderheiten muss man dabei noch beachten? (Alles, so kompakt wie nur eben möglich ausgewalzt. Ich glaube, hierbei ist wirklich nichts unbedacht geblieben. Außerdem werden hier Werte für Fahrzeuge auf dem Land, zu Wasser und in der Luft abgedruckt.

Das Kapitel Regelvarianten kümmert sich noch einmal um die Kampfregeln und verkompliziert sie ein wenig. Im Grunde handelt es sich hierbei um eine sehr spezifische Frage: Kann es einen Mehrwert für das Spiel ausmachen, wenn ich anstelle eines groben Gesamtwertes des Körpers oder der Rüstung eines Charakters einen etwas aufgedröselte Feinkörnig der spezifischeren Unterscheidung in Spiel bringe? (Oder auch: Macht es Sinn zu sagen ich haue auf seine Augen ein?)

Für ein Regelmonstrum wie Pathfinder es zuweilen sein kann ist das fast schon zu viel des guten, aber ich glaube das sich auch für die hier vorgestellten Regelvarianten einige Fans finden lassen.

Das sechste Kapitel „Zauber“, ergänzt die bisherigen Listen der einzelnen zauberwirkenden Klassen um einige Angriffszauber. Hierbei dürften alle Freunde der magischen Zünfte sich vermutlich gegenseitig Neidisch auf die Blätter schauen, weil der jeweils andere „so einen coolen Effekt“ zur Auswahl hatte.

Den Abschluss bilden mit Anhang und Index wieder die typischen Notwendigkeiten bei einem solchen Buch. Der Anhang umfasst sämtliche neuen Waffen, die in diesem Buch aufgeführt wurden und stellt tabellarisch ihre jeweiligen Werte dar. Das ist deswegen Praktisch, weil man auf diese Weise sich eben nicht durch die entsprechende Beschreibung des jeweiligen Kapitels kämpfen muss, sondern nur mal eben schnell den Wert für das Schwert nachlesen kann, den man eben dem Ork abgenommen hat, den man in den Arena-Sandboden unangespitzt getrieben hat.

Und der Index ist genau die Aufzählung all dieser nervttötenden Schlagworte, die man im Verlauf der Lektüre dieses immerhin 253 Seiten starken PDFs längst wieder vergessen hat und Nachschlagen muss, um sie anschließend in die PDF-Suche zu schmeißen.

Fazit

Oje. Was kann man jetzt zu einem solchen Konvolut an Regelschnipseln sagen? Auf den ersten Blick scheint es ja darauf hinauszulaufen, dass ein großer Haufen einzelner Tabellen mal wieder hierbei aufgestellt worden sind.

Bevor wir hier allerdings das große Geschimpfe über Detailreiche Regelsysteme einstimmen, muss man sich dabei eine Sache vor Augen führen: Pathfinder gehört seid je her gerade zu den Regelschwergewichten, die insbesondere auf eine spezielle Detailwut und damit verbunden auch zu einem speziellen ausschmücken im Bereiche der taktischen Auseinandersetzung mit dem Regelwerk bestehen. Das heißt auch, dass gerade diese Bände dazu tendieren, jeden Spieler dazu zu bewegen, nach Möglichkeit die effektivsten Kombinationen an Attributen und Waffen für den jeweils eigenen Charakter zu erschaffen. (Das dabei unter Umständen spezielle Dinge, die man als Fluff begreifen muss, auf der Strecke bleiben, sollte jedem klar sein. Das Schwert des Großvaters wird in Spielen wie Pathfinder von einem Charakter logischer Weise auf den Müll geworfen, wenn der Rostige Hundeschlitzer des gerade erlegten Goblins eine magische +5 Waffe auf Stärke ist.)

Diese Beispiel mag gerade Trivial wirken, aber genau mit diesem Faktor muss man sich auseinandersetzen, wenn man den die Ausbauregeln II: Kampf sich zu Gemüte führt.

Unabhängig davon geht es also hierbei in erster Linie um eines: Style over Substance. (Naja, so wirklich stimmt das auch nicht, aber es spricht schon einiges dafür.) In erster Linie versucht der Band also eine bestimmte Hintergrundstimmung aufzubauen, die weniger mit den normalen EDO-Fantasy-Welten zu tun hat (auch wenn Pathfinder schon allein aufgrund des Grundregelwerks natürlich immer damit verbunden sein wird) sondern vielmehr in Richtung der asiatischen Wuxia-Filme geht. (Oder anderer Filme, die in eine ähnliche, asiatische Richtung gehen. Schwertkampf juchhe!)

In diesem Rahmen werde natürlich sämtliche, für den asiatischen Kulturkreis (wobei ein starker Schwerpunkt auf dem japanischen Mittelalter liegt) wichtigen Ausrüstungsgegenstände, welche es in die Popkultur des westlichen Kulturkreises geschafft haben, aufgegriffen und entsprechend mit Werten jeweils einzeln beschrieben. Das dabei von den Werten her einige Dinge auftauchen, welche sich durchaus wiederholen, oder anderen, bereits bekannten Ausrüstungsgegenständen ähnlich sind, ist jedem Pathfinder-Spieler durchaus klar. (Und wird zu einem Großteil sogar erwünscht.)

Praktisch wird das ganze allerdings gerade deswegen, weil Zeitgleich mit den einzelnen Charakterklassen auch noch gespielt wird und die jeweiligen, interessierten Spieler dadurch neue Inspirationsquellen finden, wie sie ihren jeweils bereits liebgewordenen Modus-Operand noch einmal mit neuen Ansätzen versorgen können. (Zugegeben: Bei einem Elfen-Spieler wie mir ist das etwas anders dabei gemauert, aber ich kann damit leben und arbeiten.)

Das einzige Problem sehe ich irgendwann bei den langsam aber sicher dann doch unübersichtlich werdenden Listen im Bereich der Zaubersprüche und Talente. Hierbei kommt das Problem, das alle D20-Derivate sehr schnell unübersichtlich werden gerade zum tragen. Wie bereits erwähnt: Das ist sowohl die große Stärke, aber auch der große Nachteil von Pathfinder. Deswegen aber auch der große Vorteil. Ein Spieler muss sich in diesem Bereich wirklich absolut dazu bemüßigt fühlen sich soweit mit dem Grundkonzept seines Charakters auseinanderzusetzen, um bis zum Letzten einen Vorteil in welcher Hinsicht auch immer aus den Möglichkeiten herauszuholen. (Das dadurch auf jeder Ebene grundsätzlich alle Attribute in irgendeiner Weise einen besonderen Boost erhalten, ist natürlich klar. Aber auch, das in der Praxis manche Spieler sehr schnell mit ihrem Charakter ins Hintertreffen geraten. (Gerade dann, wenn die entsprechenden Personen nicht unbedingt dazu tendieren, sich bis ins letzte Detail mit dem Thema des Min-Maxen auseinandersetzen wollen.)

Man muss sich daher sehr genau darüber bewusst sein, was dieses Buch hier genau bietet: Einen sehr komplexen und Umfangreichen Katalog an neuen Option, welche das Thema des Kampfes ergänzen, erweitern und ausarbeiten. (Und das betrifft auch die übrigen Kapitel, welche nicht unbedingt die direkte Charakterbeschreibung in Werten, welchem Abstraktionsgrades auch immer, betreffen.) Und genau das ist auch die entsprechende Stärke des Bandes, gerade weil er sich im Rahmen der üblichen Tradition von Pathfinder bewegt und das Spiel noch komplexer macht.

Und gerade das Kapitel über Belagerungsgeräte ist dabei eine besondere Erleichterung/Bereicherung: Hier sind gerade die Dinge endlich einmal erwähnt, die man unter anderen Bedingungen sonst nur als Vorhanden beschrieb, ohne das man so wirklich darauf zurückgreifen konnte, um zu wissen, was sie dann für Auswirkungen hätten. (Das setzt zwar voraus, dass man innerhalb der eigenen Abenteuer genau eine solche Situation auch heraufbeschwören muss, aber letzten Endes ist das je nach Situation eben nicht zu selten. Man begegnet ihr.)

Wer also hinter den Ausbauregeln eine Erläuterung oder Vereinfachung der Kampfregeln von Pathfinder sucht, wird hierbei enttäuscht werden. Wer allerdings ein möglichst umfangreiches und zum Teil fremdartig wirkendes Erweiterungsprodukt im üblichen Pathfinder-Stil mit allen Schikanen vermutet, wird hierbei eindeutig auf seine Kosten kommen. Gerade unter diesen speziellen Bedingungen kann man also eine ganze Menge Farbe ins Spiel bringen, welche mit dem Hauch des Detailreichtums und Teilweise Fremden eine ganze Menge neuer Aspekte und WTF-Momente ins Spiel bringen könnten, die deswegen den jeweiligen Spielern eine Menge Spaß bereiten können.

Zum Thema „Taugt das PDF an sich?“ gibt es nichts zu vermitteln. (Respektive: Nichts negatives.) Eine Grundlegendes, anwählbares Inhaltsverzeichnis ist vorhanden. Die Suchfunktion greift und Textpassagen lassen sich für die eigenen Handouts sogar bis zu einem gewissen Grad aus dem Dokument heraus kopieren. (Was gerade im Zusammenhang mit der Frage nach Druckerfreundlichkeit nützlich sein könnte.) Grundsätzlich ist also hier nichts zu meckern.

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