Mittwoch, 23. Oktober 2019

Review: Joker



Ich weiß ich weiß: Das US-Militär warnt davor, dass männliche, beziehungunfähige Mitglieder unserer Gesellschaft von diesem Film inspiriert werden könnten.

Wer ist der Joker? Das könnte man als so ziemlich die zentralste Frage im kompletten Batman-Kosmos bezeichnen. Und hierbei muss man eventuell ein wenig weiter ausholen: Denn eine wirkliche Antwort gab es in der Hinsicht im Comic-Umfeld eigentlich nie. Sicher: Es gab die Graphic-Novel „The Killing Joke“, auf die die meisten Filme dann auch irgendwie ihren Bezug genommen haben. (Gerade wenn wir uns dafür den von Jack Nicholson gespielten Joker in Tim Burtons Batman oder die entsprechenden zentralen Szenen aus der Origin von Harley Quinn aus Suicide Squad ansehen, hat man das Gefühl, dass hier sehr viele Gemeinsamkeiten bestehen müssten.) Andererseits gibt es aber auch die Idee, dass es noch nie einen Joker gab, sondern immer Drei verschiedene Personen „Der Joker“ zeitgleich sind, welche bei Bedarf ihren Wahnsinn über Gotham ausschütten. Und wir dürfen die eindrucksvollen Szenen von Heath Ledger aus „The Dark Knight“ nicht vergessen, in denen der Joker immer wieder eine andere Origin der Narben seines „Glasgow Smiles“ erzählt. Und auch die Serie „Gotham“ erzählt die Geschichte zweier Zwillingsbrüder, die über ein besondere Gas sich gegenseitig in den Wahnsinn treiben. (Wobei einer von Beiden von Anfang an psychopathische Charakterzüge zeigt.) In sofern ist die Idee, dass der Joker eigentlich keine Person, sondern viel mehr eine Art die Persönlichkeit überschreibendes Mem, eine Gehirn-Virus des Wahnsinns ist, irgendwo immer schon Teil des Film-Kosmos neueren Datums gewesen.

Der Film Joker erzählt uns die Geschichte von Athur Fleck. Einem erfolglosen Clown, der davon Träumt als Comedien durchzustarten. Zeitgleich hat er einen Gehirnschaden, der ihn immer wieder in den unpassensten Momenten dazu bringt, lauthals loszulachen. Zeitgleich kümmert er sich um seine pflegebedürftige Mutter, die ständig nachfragt, ob eine Antwort auf ihre Briefe an Thomas Wayne angekommen sei. Und das Ganze in einem Gotham, dass stilistisch irgendwo in den 70ern angelegt sein müsste.
Auslöser für die Geschichte dieses Films sind jetzt im Grunde zwei Szenen: Die erste ist die bereits aus den Trailern bekannte Szene, in der dem auf der Straße arbeitendem Athur das Schild von Jugendlichen gestohlen wird und er daraufhin zusammengeschlagen wird, als er versucht das entsprechende Schild wieder zurückzuholen. Die zweite Szene findet in der U-Bahn statt. Drei mittzwanziger Wall-Street-Juppies versuchen eine Frau zu belästigen, wobei Athur einen seiner Lachanfälle bekommt und anschließend beinahe von den dreien erneut Krankenhausreif getreten wird. Nur dass er diesmal mit einem Revolver bewaffnet ist und alle drei erschießt und anschließend vom Tatort flieht.
Was anschließend folgt ist eine Mediale Überrepräsentation des von den Medien als Moster dargestellten Killerclowns sowie einigen Bemerkungen von Personen wie Thomas Wayne, die dazu führen, dass immer mehr sozial abgehängte Individuen sich auf eine hochgradig anarchistische Art zu einer Clown-Bewegung formieren, die durch die Straßen zieht und Slogans wie „Kill the Rich“ skandiert.

Innerhalb dieser ganzen Geschichte beginnt ein langsamer, aber stetig wachsender, geistiger Zerfall bei Athur, der sich stellenweise in Phantasien über eine Affäre mit einer Nachbarin flüchtet und irgendwann gar nicht mehr so genau weiß, wem er jetzt eigentlich noch glauben soll. Am Ende bleiben eigentlich nur noch zwei Wahrheiten übrig: Die Reichen verdienen ihrem Erfolg einem großen, kosmischem Zufall, anstelle harter Arbeit. Und auf der anderen Seite ist eigentlich jedes Leben nichts anderes als ein beschissener Witz, über den nur niemand mehr lachen kann. (Somit ist die gewaltige Pointe auch eigentlich ein Mord vor laufender Kamera, der dann durch sämtliche Nachrichten geistert und ständig wiedergekäut wiederholt wird.)
Und zeitgleich brennen die Straßen Gothams, weil die Clowns ausrasten.

Für sich betrachtet ist dieser Film auch keine klassische Erzählung, wie ihn so viele andere DC-Filme ausmachen. Denn technisch gesehen muss man diese Erzählung eigentlich „nur“ als eine Aneinanderreihung von einzelnen Szenen betrachten, die zu allem Überfluß eher auf dem klassischen „und dann“ basieren. Also einfach nur eine Aneinanderreihung von einzelnen Szenen, in denen etwas passiert. Nur dummerweise funktioniert diese Aneinanderreihung von Szenen in ihrer eigenen Logik dermaßen gut, dass trotzdem eine funktionierende Erzählung dabei rumkommt. Einfach deswegen, weil hier jegliche Logik, die der „normale“ Zuschauer als „gutes Storytelling“ bezeichnen würde eh nicht mit dem Charakter des Jokers harmonieren könnte.
Insofern lebt dieser Film eigentlich nur davon, dass man in einer Aneinanderreihung von einzelnen Szenen seine eigene, persönlich-vojoristische Ader am geistigen Verfall des Jokers abarbeitet, ohne jemals wirklich auf die Idee zu kommen, was die eigentliche Pointe dieses gewalltigen, kosmischen Witzes ist, bei dem niemand mehr lacht. (Und im Grunde stellt sich anhand der Ausgangsposition eine sehr zentrale Frage: Gibt es überhaupt eine Szene, in der der Joker ein ehrliches Lachen führt.)

Im Grunde möchte ich zum Abschluss für mich bei diesem Film, den ich wirklich jedem ans Herz legen möchte, ihn sich anzusehen, nur noch zwei Dinge für mich festhalten: Ich möchte wirklich glauben, dass wir am Ende des Films den Witz nicht verstehen. Und zum anderen glaube ich, dass auch dieser Film nicht die Origin-Story des Jokers erzählt, sondern zum großen Konglomerat des „Mems“ gehört, welches vermutlich vom Joker selbst verbreitet wird um aufzuzeigen, dass jegliches Interesse an seiner Herkunft auch nur ein einziger Witz ist, dessen Pointe hochgradig subjektiv verstanden werden muss.

Montag, 7. Oktober 2019

Vom Schauder einen Dorp-Cast zu hören.


Michael: Würdest du zwischen Horror und Grusel unterscheiden?
Thomas: Ich glaube dass das mehr eine linguistische als eine inhaltliche Frage ist.
Orakel: *Schreit seinen iPod an und beißt in die Tischplatte*

Okay, zugegeben: So ganz drastisch wahr meine Reaktion auf den Dorp-Cast 144 nicht. Aber wie sich einige Leute denken können ist gerade das Thema Horror etwas, in das ich in gewisser Weise über die letzten Jahre investiert geworden bin. (Soweit, dass ich während des Philosophiestudiums in einem Seminar durch ein paar steile Thesen zum Film „Funny Games“ dadurch aufgefallen bin, dass ich gesagt habe, dass der Film vermutlich am ehesten über die Tradition des Slasher-Films funktioniert und deswegen auch die beiden Identifikationsfiguren für den Zuschauer ganz klar die Beiden Täter Paul & Peter seien.) Der Punkt bei der ganzen Sache ist: So sehr ich die Ansichten der beiden Dorpcast-Stimmen Michael und Thomas auch in der Regel schätze: Hier haben sie mal einfach in Klo gegriffen. (Im darauffolgenden Dorp-Cast haben sie auch schon gesagt, dass ich eine von zwei Personen wahr, die nicht all zu begeistert von der Folge waren.) Und auch wenn ich bereits versucht hatte grob zum Umreißen, das die gefühlt sehr oberflächliche Herangehensweise an das Thema das Hauptproblem der Ganzen Sache wahr, sehr ich doch, dass hier mal wieder Klärungsbedarf herrscht, wenn wir über die finsteren Seiten des Rollenspiels sprechen.

Wie sich einige Leute erinnern, hatte ich vor ein paar Jahren schon mal im Rahmen des Vlogtaculums ein paar Sätze zum Thema Horror verloren. Damals wie Heute lautet meine Empfehlung zum einarbeiten in dieses Thema „The Philosophy of Horror“ von Noel Carrol, einfach weil hier einige sehr gute Gedankengänge drin verwoben worden sind, die sich zwar mit den Problemen des Horror-Films beschäftigen, welche aber im Kern immer auch die Probleme des Horrors im Rollenspiel irgendwie sind. Von daher werde ich jetzt nach und nach in diesem Artikel einfach mal meinen Gedanken hinterherjagen, die mir prinzipiell gerade kommen und versuchen etwas Struktur in dieses Missverständnis zu bringen.

Das „Unterhaltungsmodell Angst“

Das große Problem im Zusammenhang mit dem Thema Horror ist, dass es im Grunde erstmal ein widersprüchliches Konzept ist. Wann immer wir nämlich von Horror im Zusammenhang mit Filmen oder auch Rollenspielen reden, meinen wir eine Unterhaltungsform. Zeitgleich gibt es aber auch ungangssprachliche Redewendungen, wie „er hat im Krieg Horror erlebt“ oder aber auch umgangssprachliche Übersteigerungen wie den „totalen Horror“. Das zumindest die Schrecken des Krieges und die lauthals kreischenden Teenager, die von Jason Voorhees davonlaufen etwas miteinander zu tun haben scheint auf den ersten Blick etwas Wiedersprüchliches zu sein, handelt es sich bei dem einen doch um tatsächliche Ereignisse und bei dem anderen „nur“ um einen schlecht gemachten Slasher-Film aus den 80ern, der nur so vor Klischees trieft.

Und um das zu verstehen muss man vermutlich erst einmal etwas tiefer in die Evolutionsgeschichte des Menschen hereinblicken: Wenn ich der Wikipedia glauben schenke, sind die ältesten dem modernen Homo Sapiens zugeordneten Knochenfunde etwa 315.000 Jahre alt. Das heißt wir haben etwas über dreihunderttausend Jahre gebraucht um uns auf diesem Planeten auszubreiten, sämtliche potentiellen Gefahren zu beseitigen (und aktuell arbeiten wir ja halbwegs erfolgreich daran uns dieser Lebensgrundlage auch wieder selbst zu berauben.) Der Punkt bei diesem Modell des „schöner Scheiterns“ ist aber folgendes: Im Kern waren wir als Spezies seid damals keinem all zu großem biologischen Druck unterworfen, der eine wie auch immer geartete Weiterentwicklung im evolutionärem Sinne notwendig gemacht hätte. (Und auch die ganzen Atom-Bomben, die im letzten Jahrhundert gezündet worden sind haben noch keine allzu erfolgreichen Mutationen herbeigeführt.)
Das heißt aber auch, dass bestimmte Faktoren, die ein überleben des Individuums früher leichter begünstigt hatten heute immer noch Teil unserer Erbsubstanz sind. Und eines dieser losen Enden der Vergangenheit ist das Gefühl der Angst. Angst aktiviert Fluchtverhalten, gemahnt uns zu Vorsicht und kann somit schon mal über das Überleben entscheiden, wenn man ein komisches Geräusch hört, das sich anschließend als hungriger Säbelzahntiger erweisen mag. Der ängstliche gibt seine Gene an die nächste Generation weiter, während der Neugierige, der dass Geräusch interessant fand, einfach nur die nächste Mahlzeit für den Säbelzahntiger geworden ist.
Heute, dreihunderttausend Jahre später, haben wir sämtliche potentiellen Gefahren, die uns Angst machen können ausgelöscht. (Zumindest soweit es den hungrigen Säbelzahntiger betrifft.) Der Punkt ist aber: Bloß weil der Grund, Angst zu haben, in der modernen, zivilisierten Welt als solcher nicht mehr Existiert, bleibt der Instinkt als verkümmerter Nerf, der gelegentlich Impulse aussendet trotzdem erhalten. Und hier kommt dann das kulturelle Technik des Geschichtenerzählens ins Spiel.
Womit auch der Punkt mit der „Immersion“ im Grunde genommen zum tragen kommt. Ich beziehe jetzt das Modell der Gespenstergeschichte einfach mal als Beispiel hier ein. Im Grunde assoziieren wir mit bestimmten symbolen Angst heutzutage. Das liegt daran, dass man vermutlich irgendwann festgestellt hat, dass rund um bestimmte Ereignisse an unserem Körper Reaktionen auftreten, die eigentlich aus der Palette an Emotionen stammen, die die Angstreaktion mit hervorruft. Wenn wir jetzt das Spukschloß als Motiv einmal aufgreifen: Heutzutage weiß man, dass die meisten Geistererscheinungen sich vermutlich auf schlecht isolierte Räume zurückführen lassen, so das an bestimmten Stellen Kälte auftrat, die einem die Haare im Nacken zu Berge stehen ließ. (Was dann auch der Grund ist, warum der Topos des Spukhauses so weit verbreitet ist.) Eine Geschichte aus dem Bereich von Grusel und Horror erzeugt also nicht per se Angst. Sie ist erst einmal nur eine Geschichte über die Angst.

Warum Gruselgeschichten am Lagerfeuer trotzdem funktionieren

Warum funktionieren aber Gruselgeschichten? Die Antwort an sich ist vermutlich ziemlich banal: Ich würde sie unter dem Stichpunkt „Herdenverhalten“ zusammenfassen. Wir kennen heutzutage einen Haufen beunruhigender Faktoren, die mit Angst einher gehen. (An)spannung und Stress, um nur zwei zu nennen, die zwangsweise mit unseren Fluchtimpulsen einhergehen.
Insofern ist das, was ein ästhetisches Empfinden aufgreift, welches mit der Angst der Beunruhigung spielt sehr stark auf dem atmosphärischen Moment bezogen. Das kann mit Licht zu tun haben. Allerdings auch mit der Qualität von Umgebungsgeräuschen. Oh und natürlich dem Erzähler selbst: Indem man begleitende Ersatzhandlungen nutzt, die man tatsächlich reproduzieren kann, ohne das eine tatsächliche Gefahr als solche Besteht, kommt es wirklich dazu, dass einem die Nackenhaare zu Berge stehen. Und auf diese Weise empfinden wir so etwas wie „Immersion“. Das heißt, wir gruseln uns nicht, weil eine Figur in einer Geschichte sich gruselt. Die Gesamtsituation ist ein Platzhalter, der unsere eigene Vorstellung aktiviert und uns somit in die Situation bringt, dass wir das Gefühl haben, in der Nähe von Bedrohung zu sein. Das ist in gewisser Weise die Projektion, das etwas unheimliches Geschehen könnte, was aus unserer eigenen Vorstellung dann uns Beunruhigt. Im Kern stellt also die Geschichte eine Einladung zu einem „so tun als ob“ dar. Und dieses so tun als ob ist letzten Endes im ästhetischen Empfinden das, was wir als Grusel begreifen. Und darauf baut auch das Rollenspiel an sich auf.

Der Übergang zum Horror. Oder: Warum funktioniert Todes-Angst am Spieltisch nicht?

Und genau hier beginnt das Problem mit dem Begriff des „Horrors“. Denn während Angst uns in die Flucht treibt, ergibt sich daraus etwas, dass im Kern einen Keim Hoffnung enthält: Nämlich Sicherheit. Horror hingegen ist von der emotionalen Ebene her etwas deutlich drastischeres.
Das Problem bei der Sache ist, dass wir in einem ganz bestimmten Moment von Horror sprechen. Angst bietet eigentlich einen Ausweichreflex: Die Flucht in die Sicherheit.
Horror beginnt aber dann, wenn die Angst unausweichlich der einzige Bezugspunkt unseres kompletten Seins wird. Das kann man an sich schwierig Nachvollziehen, außer man betrachtet sich eventuell ein Bild, dass aus der Kriegsberichtserstattung stammt. Ich muss dabei hinzufügen: Ich habe Leute über das Bild reden gehört, nicht aber die Fotografie an sich gesehen. Angeblich gibt es ein Bild von einem Mann, der einen Stuhl über seinem Kopf trägt, und sich scheinbar davon irgendwelchen Schutz verspricht. Ähnliche Bilder gibt es auf die eine oder andere Weise immer wieder in unterschiedlichen künstlerischen Werken. Der verständliche Aspekt bei diesem „mit der Angst auf ängstem Raum konfrontiert zu sein“, bzw. der Reaktion darauf wird wohl dann klar, wenn man sich das entsprechende Konzept hinter den Geschichten von H.P. Lovecraft ansieht: In diesen Geschichten wird die Sicherheit der eigenen kleinen Welt des menschlichen Verstandes so weit wiedersprochen, dass die geistige Gesundheit zubricht.
Und das ist eigentlich auch ganz allgemein die Folge des Moments des Horrors: Dadurch das der entsprechenden Augenblick einem jegliche Sicherheit, auf die man sich überhaupt in irgendeiner Weise verlassen konnte, entreißt, zerbricht dabei der menschliche Geist und die Angst wird der einzige Bezugspunkt unseres kompletten Seins.
Und genau damit beginnt das Problem des „Horrors am Spieltisch“: Keiner will so etwas in irgendeiner Weise verspüren. Daher ist auch im Grunde das ästhetische Verlangen des empfundenen Horros an sich nicht vorhanden. (Und es entspricht auch nicht dem, was uns eigentlich berührt, wenn wir uns mit dem Themenfeld des Horrors auf die eine oder andere Weise unterhalten.)
Aber: Die Vorstellung der Handlung einer Person, die ein solches Erlebnis hat, hat trotzdem ihren eigenen, ästhetischen Reiz.
Aber: Das birgt jeweils auch immer seine eigenen Probleme mit sich: Im Film versucht man diese Momente durch die Verwendung des „Jump Scares“ aufzuzeigen, damit Symbolisch erklärt wird, warum die entsprechende Figur am Ende zerstört ist. Fürs Rollenspiel hingegen wird das immer eine sehr komplizierte Gradwanderung sein, in der es um eine Einladung eines „so tun als ob“ geht. Im Kern fokussiert man sich dabei dann sehr oft auf Symbole, im Sinne eines „das macht dir doch Angst!einself“. Trotz alledem gibt es durch die Geschichte immer wieder auch andere Versuche, die auf der einen oder anderen mechanischen Ebene Orientierungshilfen bieten: Die vermutlich zugänglichste Variante ist die Leiste für geistige Gesundheit von chaosiums „Call of Cthulhu“, die in teilweise weiterentwickelten Versionen immer wieder in verschiedenen, konventionellen Regelsystemen auftaucht. Dieses System des geistigen Verfalls mag einigen etwas Plump erscheinen. Allerdings bot es in seinem Ansatz immer eine sehr genaue Orientierung des Moments, an dem sich die Bespielte Figur nicht mehr in ihrer eigenen Sicherheitszone fühlte.
Es gibt zwar auch entsprechende Experimente, die sich auf eine Art der Immersion berufen (das bekannteste in dem Bereich dürfte immer noch der Jenga-Turm-Mechanismus von Dread sein) aber wie ich schon an anderer Stelle gemeint hatte: Die Immersion hier ist nicht Horror, sondern das Gefühl von Begleitfaktoren, die mit Horror verpartnert sind, jedoch für sich allein gestellt ebenfalls funktionieren.
Diesen Fokus des geistigen Verfalls, des Verlustes jeglicher Sicherheit, bis nur noch die Angst an sich das absolute Element ist, dass die eigene Persönlichkeit ausmacht, ist jedenfalls der Fokus, der am Ende Horror ausmacht.