Dienstag, 12. Juni 2012

Rezension: Paranoia. Troubleshooter

Cover: Paranoia. Troubleshooter
Verlag: Mantikore Verlag
Ich hoffe sie haben einen schönen Tageszyklus noch, Bürger. Der Computer ist dein Freund! Unglücklichsein ist Verrat! Bitte melden sie sich in der nächsten Selbstmordzelle zwecks Terminierung.

Mit Paranoia ist der Manticore-Verlag wieder einmal seinem Ruf gerecht geworden, der Verlag für „alte“ Rollenspiele zu sein. Doch was verbirgt sich unter der Klassifizierung „Ein satirisches Rollenspiel“, dass sich Paranoia selbst seit jeher gegeben hat?

Hierfür muss man einen kleinen Blick in den Hintergrund der Welt von Paranoia werfen. Nunja: Eigentlich ist Welt übertrieben. Immerhin bewegen sich die Charaktere der Spieler fast ausschließlich innerhalb des s.g. Alpha Komplexes und dessen direkter Umgebung.

Der Alpha Komplex als Setting ist dabei ein wilder Mix, der aus Distopischen Szenarien von Brave New World über 1984 und Colossus: The Forbin Project ein paar anderen Vertretern alles bedient, was eine Schizophrene Gesellschaft kurz vor dem Zusammenbruch nur zu wünschen übrig lassen kann. Der Alpha Komplex ist im Grunde eine riesige Bunkeranlage in einer fernen Zukunft, die von einem absoluten Wesen kontrolliert wird „Dem Computer“. Der Computer hat in seiner übermächtigen Weisheit die Menschen vollständig von ihren ganzen negativen Eigenschaften befreit und dafür gesorgt, dass ihr Leben in absolut kontrollierten Bahnen verlaufen kann. Dafür wurden alle unnötigen Dinge abgeschafft und die einzige Art der Fortpflanzung folgt über riesige Klontanks, aus denen jeder Bürger mit jeweils mindestens 6 Kopien hervorgehen kann. Und das beste an der ganzen Sache ist: Wenn ein Bürger stirbt, wird seine Kopie mit dem letzten Backup aller seiner Erinnerungen innerhalb kürzester Zeit wieder aus einem anderen Klontank herausgeholt. (Bis die letzte Kopie aufgebraucht ist, versteht sich.) Außerdem kann jeder Bürger des Alpha Komplex jederzeit anhand seiner Kleidung sofort erkennen, wo er hingehört. Denn seine farbliche Zugehörigkeit wird anhand seiner Kleidung widergespiegelt. Und kann dadurch sofort an der Markierung der Wände in seiner Umgebung erkannt werden. Und dies alles passiert damit die Bürger des Alpha Komplex jederzeit Glücklich und zufrieden sind. Unglück währe Verrat. Und auf Verrat am Computer folgt die sofortige Terminierung.

Die Spieler stellen innerhalb dieses Szenarios sogenannte „Troubleshooter“ dar. Das sind Bürger des Alpha Komplex, die Verräter am Computer an selbigen ausgeliefert hatten und deswegen sein Vertrauen erlangt haben. Jetzt besteht ihre Aufgabe darin für die Sicherheit des Alpha Komplexes zu sorgen. Bewaffnet mit einem Lasergewehr stellen sie seitdem im Namen des Computers Verräter, Mitgliedern von Geheimgesellschaften, Kommunisten und Mutanten hinterher. Oder auch zwischenzeitlich mutierten Kommunisten-Verrätern. Oder irgendetwas sin der Art, so genau weiß das keiner. Verrat wird jedenfalls mit dem Tode bestraft.

Der springende Punkt bei der ganzen Sache ist jedenfalls: Jeder Troubleshooter in der Runde ist Mitglied in einer Geheimgesellschaft und verfügt über eine Mutantenfähigkeit. Und damit besteht ein großer Teil des Spiels der Charaktere darin sich gegenseitig zu überführen. Oder besser ausgedrückt: Sich gegenseitig auf möglichst kreative Weise umzubringen, damit am Ende eine Mission im Namen des Computers nur noch der eigene Charakter an der Endbesprechung teilnehmen kann. Dadurch kann der Überlebende dann nämlich seine 100% Loyalität gegenüber dem Computer zum Ausdruck bringen ohne das ihm jemand widerspricht. Immerhin hat er den Rest seiner Teammitglieder als Verräter überführt.

Wenn sich jemand bis hierhin die Frage stellt: Was ist eigentlich kein Verrat? So tut er das zurecht.

Paranoia ist überzogen bis zum Schluss. Aufgeteilt ist der schlappe 270 Seiten starke Hardcover in einer Spielerteil von 55 Seiten und einem Spielleiterteil, der den Rest umfasst. Das schöne dabei ist, dass jeder Abschnitt im Buch vom Computer höchstselbst mit einem passenden Kommentar versehen worden ist. Immerhin ist der Computer um seine zukünftigen Bürger sehr besorgt. Und die lesen schließlich gerade das Regelwerk.

Was man aus dem Spielerteil entnehmen kann sind die Regeln für die Charaktererschaffung, das man einen W20 werfen kann und das man vom Ergebnis her unter diesem liegen muss. Vieles an Detailwissen, was ansonsten existiert steht im Spielleiterteil, der die Spieler absolut nichts angeht. (Wenn man Wissen aus diesem Teil des Regelwerks preisgibt begeht man verrat. Und sie wissen was das heißt, Bürger.) Und somit heißt die wichtigste Regel in diesem Bereich für Spieler gerade n Paranoia: Sei amüsant (und hau deine Mitspieler in die Pfanne, bevor sie es tun.)

Dem Spielleiter fällt somit eine Menge Möglichkeiten zu Verwirrungen und Fehlinformationen zu verbreiten, da er faktisch alles weiß. Wie funktioniert eine Mutantenkraft? Wofür stehen die Geheimgesellschaften? Warum hat mein Schuss den Putzroboter gerade nicht lahmgelegt? Tja, all diese Informationen stehen ihnen auf ihrer Sicherheitsfreigabe leider nicht zur Verfügung, Bürger. (Aber soviel sei gesagt: Man bekommt wirklich eine Menge Dinge in die Hand gedrückt, mit denen man seine erste Runde Paranoia leiten kann. Man muss sich als SL nur immer einer Sache bewusst sein: Dieses Spiel nimmt sich in keinster Weise ernst und deswegen ist alles erlaubt, was das eigene Amüsement am Spiel fördert. Je absurder und unglaublicher eine Szene sein mag: Sie ist hier in Paranoia gut aufgehoben. Und darüber hinaus noch einiges mehr an Ideen.

Fazit:

Zuallererst: Wer Paranoia spielen möchten kann hier unbedacht zugreifen. Er bekommt genau das, was viele Fans seid Jahren immer wieder so sehr ins Schwärmen geraten lässt. Allerdings in einer in vielen Details überarbeiteten und modernisierten Fassung. Das heißt als bereits eingeweihter in die Welt von Paranoia kann man diverse neue Aspekte durchaus erkennen, sobald man ihnen gegenüber steht und zeitgleich auch die Unterschiede zu früher dann fest machen. Aber das sind dann jeweils Details, die bestimmte Fragen besser beantworten können. Ein Beispiel in diesem Bereich währe: Warum rächt sich der gerade angelieferte Klon für das Schicksal seines gerade verschiedenen Vorgängers. Auf diese Weise sind Rachefantasien unter den Spielern durchaus möglich, solange sich jeder Spieler darüber im klaren ist, dass dies sogar absichtlich Teil des Spieles ist.

Und seien wir uns darüber im klaren: Paranoia will gar nichts anderes sein, als auf absurde Weise tödlich. Das heißt, dass hier jedes nur erdenkliche Klischee des klassischen Rollenspieles durch den Kakao gezogen wird. Und zwar so sehr, dass bereits die normale Einsatzbesprechung, bei der man seinen Auftrag erläutert bekommt als nichts anderes als eine Todesfalle beschrieben werden kann. (Wer also Gummibärchen auf dem Tisch liegen hat ist als SL herzlich dazu eingeladen diese als Farbcodierte Gegenstände der Freigabe der SCs zu betrachten.) Die Hauptsache ist halt eben, dass man sich selbst Amüsiert. (Also an den Spielern, für was anderes sind die ja laut Paranoia gar nicht da.)

Und in diesem Sinne ist die Aufgabe der Spieler gar nicht zu sehr an ihren Charakteren zu hängen sondern einfach mal Dampf abzulassen und jede durchgeknallte Idee abzufeuern, die einem jemals durch den Kopf geschossen ist. Der nächste Klon steht eh schon bereit.

Paranoia soll in diesem Sinne einfach nur eines: Spaß machen. Und zwar auf der absurden Art und Weise.

Ein Wermutstropfen ist für Fans älterer Editionen dann doch dabei: Das Regelwerk ist anders geschrieben als es noch in älteren Editionen der Fall war. (Oder ich selbst habe im Laufe der Jahre an Humor eingebüßt.) Was ich damit meine? Die Art und Weise wie das Regelwerk seinen Inhalt präsentiert ist deutlich Trockener geworden. In Paranoia:Troubleshooter wird ständig betont, dass es ein spaßiges Rollenspiel sei. (Ich erinnere mich irgendwie an den Satz „This is a serious game.“ der absolut trocken vorgetragen wird.) Ältere Rollenspieler waren da irgendwie freier darin absolut humorvoll seinen Inhalt zu präsentieren, dass man ständig während des Lesens lachen musste. Das heißt, dass entweder ich an Humor im Laufe der Jahre eingebüßt habe, oder aber die neueren Autoren ein wenig trockener vom Schreibstil her sind. Auf der anderen Seite habe ich bisher noch keine so gute Ausarbeitung der Beweggründe des Computers im Alpha Komplex bislang zu Gesicht bekommen.

Daher wird eventuell ein Teil des alten Spaßes genommen, dafür gewinnt man einiges dazu. Man kann mit diesem Spiel einfach jede Form von Humor durchziehen, solange sie Kohlrabenschwarz und Bitterböse ist. Und dafür lieben wir ja letzten Endes alle Paranoia.

In diesem Sinne: Es wieder soweit, Bürger. Ein weiterer Tag im Alpha Komplex an dem du deinem Freund dem Computer dienen kannst. Schultere deine Waffe, denn du bist ein Troubleshooter und wirst zu einer Mission gerufen. Bist du Glücklich, Bürger?

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