Montag, 9. März 2015

David Jones: Agent des Spind-Raumes. Ein SLC-Konzept für Unknown Armies

Wenn ein Schiff auf dem Meeresgrund versinkt, begeben sich die Seelen der ertrinkenden Seeleute in „Davey Jones Locker“. Ein Locker ist aber, wenn man es übersetzt auch ein Spind. Und in Spinde lagert man etwas zwischen, mit dem man noch indifferent ist, was den weiteren Gebrauch anbelangt. (Halten wir das Bitte im Hinterkopf, ehe ich weiter ausführe.)

Ich bin ein großer Fan des Filmes „Easy Rider“, der ja mehr oder weniger alles, was ein Road-Movie ausmacht in sich vereint. Jedoch weißt der Film auch einen sehr spezifischen Nachteil aus: Die Reise, welche die Wandlung des eigenen Ichs ausmacht (respektive, des Ichs der Protagonisten in dem Film) braucht explizit die Weite der Landschaft, in welcher man interagiert, um neue Erfahrungen zu machen. Das alles geht aber deutlich Weiter, als nur das Aufeinandertreffen mit Personen, die eine andere Perspektive auf die eigene Kultur zur Interaktion mit sich bringen. Die Wandlung findet auch in der obtischen Wahrnehmung der Landschaft statt. (Für jemanden, der jetzt nicht sofort versteht was ich meine: Werft mal einen Blick aus dem Fenster eines fahrenden Zuges, sofern ihr das nächste mal in absehbarer Zeit in einem solchen euch befindet.) Die Landschaft verzerrt sich. Wird, je mehr man den bloßen Eindruck auf sich wirken lässt zu einer Ansammlung von schnell verzerrenden Strichen. (Im Idealfall kann man eine Kamera mit sehr geringer Blendenzahl und etwas längerer Blendenzeit einmal aus dem Fenster des fahrenden Zuges einen Schnappschuß machen lassen. Das Phänomen, dass dabei entsteht unterstreicht die eigene Wahrnehmung nur noch einmal.) Was hier nicht unbedingt allen Personen sofort klar ist: Dadurch, dass sich entsprechende Person eines Reisenden innerhalb dieser Wahrnehmung befindet, wechselt er durch den Vorgang der Reise den Raum. Ist also innerhalb des dromologischen Raumes der Geschwindigkeit anzutreffen, wie es der französische Philosoph Paul Virilio einmal beschrieben hat. Bekannt geworden ist im Zusammenhang mit seiner Dromologie aber auch der Begriff des dromologischen Stillstandes, in dem es um eine Art von Selbstblockade geht.

Und jetzt sind wir fast an dem Punkt angelangt, den meine Gedanken genommen hatten, als ich auf die Idee für diesen speziellen SLC kam, um den es in diesem heutigen Artikel gerade geht.
Der Punkt bei der Sache ist, dass wir alle in unserem Leben mit bestimmten Problemen zu kämpfen haben, die von uns Entscheidungen verlangen, welche wir in der Regel vor uns her schieben. (Manche davon bis zur Katastrophe.) Jetzt gibt es allerdings in unserer urbanen Welt aus irgendeinem Grund zwei Figuren, die wir sehr häufig bei einer Reflexion solcher Dinge als zuhörendes Ohr heranzwingen: Den Barkeeper... und den Taxi-Fahrer.
Ich muss hinzufügen: Ich mag das uncanonische Gerücht das Kain in Los Angeles Taxi fährt und blutjungen Vampiren ihre Möglichkeiten aufzeigt, in welchem Namen sie das einmal gestartete Massaker zu Ende führen können. Sie in dieser Hinsicht zu einer entscheidung zwingt. Aber wie gesagt: Da dieses Gerücht letzten Endes bereits von offzieller Seite her Dementiert wurde, finde ich eher Notwendig, dass wenigstens eines meiner Lieblingssysteme seinen Taxi-Fahrer bekommt.

Und da währen wir jetzt an genau der Stelle angelangt, wo es interessant wird:

David Jones ist ein Agent des Hauses der Renunziation. Um genau zu sein: Es ist ein Agent des Locker Rooms, der von seinem Ausgewählten verlangt, dass sie ihren Opfern die Zeit geben, um überfällige Unentschlossenheiten in die endgültigen Gewissheiten von Entscheidungen zu verwandeln. Jedoch füllt Jones diesen Auftrag nicht ganz Freiwillig.

Ursprünglich war Jones ein kleiner Straßenkrimineller, der sich mit zum Teil schweren Gaunereien über Wasser hielt. Bis zu jenem verhängnisvollem Tag, wo er ein Taxi anhielt, den Fahrer mit der Waffe bedrohte, und um seinen Vorderungen Nachdruck zu verleihen in die Motorhaube des Wagens schoß. Ohne es zu wissen, hatte Jones damit nämlich eine symbiose zwischen Fahrzeug und Fahrer zerstört: Der Wagen fuhr, solange das Herz des Fahrers schlug. Und der Fahrer lebte, solange das Herz, welches in der Motorhaube des Taxis eingelassen war, anstelle eines Motors, unbeschädigt blieb. Jones unglücklicher Glückstreffer sorgte also dafür, dass er zu seiner Stellung kam. Denn mit einem mal erschien wie aus dem Nichts eine übergroße Garagentür, aus der einige seltsame Gestallten in gerade Legionenhafter Anzahl herauswangten, nach ihm griffen und das letzte, was er spürte, bevor Jones das Bewusstsein verlohr wahr, wie sich eine unerbittliche Pranke in seinen Brustkorb grub.

Er wachte inmitten eines geradezu unendlichen Raum aus Spinden auf. Er lag auf einer Holzbank, die sehr unbequem war, neben ihm das Tagebuch seines Vorgängers, dass eine ähnliche Geschichte erzählte, wie die, die Jones egrade erlebt hatte, und was danach passierte: Jones war jetzt der Taxi-Fahrer. Der Agent des Spind-Raumes. Seine Aufgabe würde es sein auf ewig durch die Gegend zu fahren und unentschlossene in den Temporaum zu locken. Wenn sie einmal das Taxi bestiegen hätten, würden sie es entweder nie verlassen, oder mit der Gewissheit, endlich einen Entschluss gefasst zu haben, den es umzusetzen gälte. Aber da einige Menschen dann doch zu sehr zum zögern neigen, holt sie eher der frühzeitige Tod ein, als dass sie ihre selbstgestellte Aufgabe ergreifen.
Die Opfer des Spindraums sind der Inhalt der Spinde. Hier liegen unzählige, ewig unentschlossene und warten auf den jüngsten Tag. Sie kommen nur raus, wenn der Motor des Taxis wieder einmal ausfällt und ersetzen in ihrer Zombieform den gerade frisch verschiedenen Fahrer durch seinen Nachfolger.

Jones bleibt nicht viel anderes Übrig, als jetzt genau dieser speziellen, neuen Bestimmung zu folgen. Verlässt er sein Herz (also das Taxi), indem er aus einem Radius tritt, welcher es ihm gerade mal erlaubt die notwendigsten Dinge wie einen schnellen Imbiß zu sich zu nehmen, erleidet er die Symptome eines schweren Herzinfarktes, die erst dann aufhören, wenn er sich mühsehlig und unter wimmernd zurück zu seinem Wagen geschleppt hat.

David Jones hat sich seitdem an seine Rolle gewöhnt. Er fährt durch die Straßen, hält an, wenn jemand seinen Wagen an die Straße winkt, und beginnt mit seinem Fahrgast eines dieser sehr langen Gespräche, die dazu führen sollen, dass dieser am Ende der fahrt sein Ziel kennt. Und falls das nicht der Fall ist: Nun, nach Feierabend steht rätselhafter Weise immer ein neuer, leerer Spind bereit.

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