Cover: James O'Barr The Crow Special Edition Verlag: Gallery Books |
Was so absurd im kleinen Anfängt ist der ausgewachsene Rachestreifzug des Wiedergängers Eric, stehts in schwarz gekleidet, bekannt für die Harlkin-Maske und mit einer Liste von fünf Namen im Gepäck, die er alle etwas mit dem Tot seiner Verlobten Shelly zu tun haben. Durchzogen wird diese Geschichte dabei immer wieder durch kurze Episoden, die Erinnerungen an glücklichere Zeiten sind, sowie Visionen aus der Zwischenwelt, die von den sarkastischen Kommentaren und Ratschlägen der titelgebenden Krähe, deren Name als Pseudonym aber auch von Eric in dieser Form selbst genutzt wird, begleitet werden.
Was hier vorliegt ist im Grunde klassischste Kult-Comic-Kultur, deren Geschichte jeder auf die eine oder andere Weise schon mal gehört haben sollte. Immerhin ist das Graphik Novel „The Crow“ nicht zuletzt durch den spektakulären Tod des Hauptdarstellers Brandon Lee während der Dreharbeiten der Verfilmung letzten Endes unvergesslich geworden.
Während James O'Barr mit der Story, die ihm dabei helfen sollte den Tod seiner Verlobten zu verarbeiten, bereits 1981 begann, liegt mir jetzt die Special Edition aus dem Jahr 2010 vor. (Laut vorwort des Autors erweitert und um die letzten fehlenden Szenen ergänzt, die er Anfangs aus unterschiedlichen Gründen nicht umsetzen konnte.) Man muss diesen Hintergrund von The Crow im Hinterkopf bewahren, weil einiges was in der Geschichte passiert, sehr stark mit einer nicht unbedingt immer ganz nachvollziehbaren Privatsymbolik spielt, die vermutlich auf dem einen oder anderen Bereich durchaus nicht sofort erkennbar ist.
Für sich betrachtet ist die Geschicht von Erics Handlungen nämlich erst einmal nur ein klassischer Rachefeldzug einer trauernden, verlorenen Person, die mehr oder weniger Hilflos mitansehen musste, wie fünf vollgedröhnte Irre sowohl an ihr Selbst, als auch an der geliebten Person Akte äußerster Gewallt vollführten. Das verbindende Element in dieser Geschichte sind dabei die Visionen einer sprechenden Krähe. Visionen deswegen, weil der entsprechende Vogel – anders als in der Verfilmung – nicht Teil der Realität ist, sondern seine Aufgabe als Transporteur der Seele ins Jenseits eben auf einer anderen Ebene erfüllt. Jedoch trägt dies in gewisser Weise zur Stimmung bei, weil Eric eben nicht ständig in Begleitung eines Vogels ist, sondern auf dieser Ebene dann eben doch eher einfach „nur“ ein seltsamer Mensch ist, der wirklich eine Menge überlebt (und dabei den Verstand verloren hat).
Stilistisch bemerkt man dabei die mehrfache Überarbeitung des Stoffes dabei sehr gut. Der größte Teil der einzelnen Panels ist in einem klaren Schwarz-Weiß-Ink gehalten, das keinerlei Grautöne zulässt. (Auch hier erfährt man einiges aus dem extra für diesen Band geschriebenen Vorwort von James O'Bar, der sehr gut erklärt, wie die ersten Hefte damals bei Caliber Press 1989 gedruckt worden sind. Die Special Edition ist sehr stark mit Grautönen durchzogen, die eindeutig anders gestalltet sind, als die ursprünglichen Seiten. Größtenteils handelt es sich dabei um sehr weiche, fast schon an schwindende Erinnerungen gemanende Zeichnungen, die so fein sind, dass sie vermutlich nicht mit der Druckertechnologie der 80er-Jahre des letzten Jahrtausends umsetzbar waren. (Man kann hierbei vergleiche ziehen, wenn man sich den Sammelband der „Watchmen“ ansieht, welcher, für mich zumindest, einen sehr typischen Printstil wiedergiebt, was die Comics der frühen 90er anbelangt.) Diese punktuellen Stilbrüche, welche das neuere Material auszeichnen, bereichern aber gerade dadurch dass sie nicht in die restliche Bildsprache schon allein handwerklich passen, den gesamten Band aber ungemein. Das flüchtige in den jeweiligen Momenten ist dabei so ungemein Ribend zur brutalen „Wirklichkeit“ der übernatürlichen Gegenward der Geschichte von The Crow, das man fast schon meint, hier sei mit Absicht so gearbeitet worden, dass alle diese Bilder eine Art Weichzeichner-Effekt bekommen haben.
Sehr passend ist dabei, dass diese Geschichte eben nicht coloriert wurde, sondern eben im Schwarz-Weiß eines Indie-Comics gehalten wurde. Insgesamt widerspricht das zwar aktuell-verwöhnten Sehgewohnheiten, festigt aber nur den Noir-Effekt und das deutlich dreckige, fast schon hoffnungslos wirkende, Stimmungselement der gesammten Geschichte. Erics psychischer Verfall mit jeder einzelnen Gewalttat, sowie den Ratschlägen der Krähe, die ihn immer wieder hinterfragt und den Hinweiß gibt, nicht zu sehr hinzusehen, werden dadurch sehr markant unterstrichen.
Fazit
Zugegeben: Ich habe jetzt sehr lange gebraucht, um die Vorlage eines Filmes, den ich um 2002 herum lieben gelernt habe, endlich zu lesen. Dafür ist die gewählte Ausgabe aber vermutlich die Vollständigste, die es von dieser Story jemals geben wird. Der doch sehr andere Weg das Ganze zu erzählen, ohne das dabei der Film als solcher sich vollständig wiederspiegelt ist dabei ein sehr schöner Aha-Effekt, der einiges in einem neuen Licht erscheinen lässt. Insgesamt ist „The Crow“ aber auch weiterhin eine Revenge-Storyline mit übernatürlichen Elementen, die für sich betrachtet aber eine mWn doch sehr untypische Methode im westlichen Kultur-Kreis sind. (Irgendwie verbinde ich mit dieser speziellen Thematik zumindest in der Film-Welt das asiatische Kino spontan viel mehr.)
Die schwarz-weiße Ästhetik mit ihren klaren, schwarzen Linien ist dabei ein deutlicher Bruch mit den heute eigentlich verbreiteteren Lesegewohnheiten, tut dem Ganzen aber keinen Abbruch und unterstützt die Geschichte für sich betrachtet sogar. Zusätzlich dazu kommt der nicht zwingend immer auf Realismus-Getrimmte Stil, der aber irgendwie doch schon wieder urtypisch für die Darstellungsweise der Comics im Bereich der späten (wohl dann auch frühen) 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist, allerdings regelmäßig auch durch das ergänzte, neue Bildmaterial wieder irgendwo unterbrochen wird, dass aber immer wieder dann andere Stimmungen in diese spezielle Geschichte einfließen lässt. (Als währe es von Anfang an so gewollt und geplant gewesen.)
Ich könnte wahrscheinlich einfach nur fröhlich weiterblättern und dabei am laufenden Band immer wieder neue Elemente finden, die mich nochmal aufs neue begeistern können. Zusammenfassend lässt sich daher eigentlich nur eines zu diesem doch sehr speziellem Klassiker sagen: Diese sehr spezielle Special Edition ist definitiv ein guter Ansatz, sowohl um einen Klassiker insgesamt neu kennen zu lernen, aber vermutlich auch, um ihn neu zu entdecken.
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