Montag, 18. Januar 2016

Rezension: Lady Death. Origins Volume 1

Cover: Lady Death
Origins Volume 1
Verlag: Boundless
Irgendwann Mitte der 90er bin ich während eines kurzen Aufenthalts in einem Bahnhofskiosk während eines Urlaubs beim Stöbern durchs dortige Comicregal über eines dieser dünneren Comic-Alben gestolpert, die damals mehr oder weniger „in“ waren, um ein paar US-Hefte mehr zusammenzufassen. Damals hatte ich nicht zugeschlagen, aber die Hauptfigur, eine weiße Frau in einer Art Bikinidress, die in einer dunklen Welt gegen absonderliche Monster kämpfte hatte mich nach dem kurzen durchblättern irgendwie nicht mehr losgelassen. (Was ich erst später erfuhr war, dass diese Dame auf den Namen „Lady Death“ hörte und in Wirklichkeit direkt in der Hölle kämpfte.) Einige Jahre sollten ins Land gehen, zwischendurch ging ein Verlag, der die blasse Dame erzählte Pleite und ein anderer nahm sich des Namens an, nur um entsetzt festzustellen, dass die entsprechende Figur dahinter unglaublich viel Horror und Sexappeal miteinander verband, was so gar nicht zu den eher konservativen Werten dieser Trottelhochburg passte. Auch diese Comicanstalt ging Pleite und 2005 nahm sich das kleine Verlagslabel „Avatar Press“ der Marke Lady Death an. So wirklich vollständig funktional gerecht konnten auch diese ihrem Schützling nicht werden, aber was immerhin griffen sie das ursprüngliche Konzept noch einmal auf und erzählten die Geschichte auf eine anderen Weise mit neuer Interpretation wieder. Letzten Endes war Brian Polido, der Erfinder hinter Lady Death also dazu gezwungen, sein Brainchild mindestens dreimal neu zu erfinden. Und da ich „Medievil Lady Death“ von Cross Gen nie gesehen habe, ist die gute Hope dabei zweimal „zur Hölle“ (im wörtlichen wie übertragenen Sinn) gefahren.

Aber warum diese lange Vorgeschichte jetzt eigentlich? Nun: Vor mir liegt jetzt der erste Sammelband des Verlagslabels Boundless, welches eine Tochter von Avatar-Press ist. (Zumindest sagt mir das die Wikipedia.) Wichtig ist das deswegen zu wissen, weil in diesem Band die ersten Hefte der Avatar-Origin-Story von Lady Death zusammengetragen werden und somit nach der eher schwierigen Veröffentlichungspolitik Seitens Avatar-Press im ganzen zugänglich gemacht werden. (Stellenweise hatte Avatar Monate bis zu einem halben Jahr nichts neues mit dem Charakter angestellt und maximal Sondereditionen des Covers herausgebracht. Irgendwann wurde das unübersichtlich für jemanden, der einfach nur die Geschichte lesen wollte.)

Doch wie wird hier jetzt die bereits bekannte Geschichte Neuerzählt: Lady Death ist immer noch Hope, allerdings diesmal die Tochter von Marius, einem Kreuzfahrer, dessen Körper von einem untoten Hexer besessen wird. Als dies herauskommt flieht das Wesen, dass sich selbst Sagos nennt, in eine andere Welt und einzig Hope bleibt zurück, welche des erzürnten Dorfbewohnern als Sündenbock auf dem Scheiterhaufen dienen soll.

Jedoch erinnert sich Hope auf dem Scheiterhaufen an eine besondere Zauberformel, die ihr „Vater“ genannt hatte, um besondere Totengeister (in der Geschichte „Wraith“ genannt) zu beschwören und vereinbart mit diesen im austausch gegen ihre Menschlichkeit freihe Passage in die Welt, welche als „The Labyrinth“ bezeichnet wird.
Und irgendwo in dieser Welt setzt die Geschichte des Sammelbandes ein: Hope, die sich jetzt Lady Death nennt, ist auf der Suche nach ihrer Mutter in den Blacklands unterwegs. Begleitet wird sie dabei von Wargoth der selbst noch eine Rechnung mit Sagos offen hat, der ihr als Mentor diehnt, um diese Welt zu überleben und Satasha, die ihr das Handwerk der Zauberei beibringen soll.
Wargoth hat eigenwillige Methoden, um seine Schülerin das zu lehren, was sie wissen muss und stürzt sie auf diesem Weg in jede mögliche Gefahr, immer darum bemüht, sie möglichst nahe dem Tod zu bringen, damit sie wirklich eine Chance gegen Sagos haben kann, wenn sie sich ihm gegenüber stellen sollte.

Und das ist eigentlich auch schon das meiste, was hier erzählt werden muss. Denn technische ist der „dramaturgiebogen“ innerhalb dieses Comics nicht wirklich vorhanden, weil man die meiste Zeit eigentlich nur auf aktuelle Schlachtenereignisse blickt, die gelegentlich von Rückblenden unterbrochen werden, um den Hintergrund zu erläutern, welchen Lady Death in dieser Inkarnation hat. Und da bemerkt man auch den größten Unterschied überhaupt: Denn auch wenn Lady Death bei Avatar wieder zu ihrem wohlpropotioniertem Selbst in einer gewalltherrlichen, blutigen Umgebung voller Monster gefunden hat, so handelt es sich bei den Blacklands nicht um eine erneute Höllendimension wie noch zu Chaos-Zeiten, sondern um ein „Sword and Sorcery“-Inspiriertes Setting, das seine Hauptinspiration vermutlich bei Conan von Robert E. Howard gesucht und gefunden hatte. Den Abschluss bildet dann noch eine einzelne Story um die Zauberin „Pariah“, welche Lady Death in einem übernatürlichen Schlaf gefangen hält und zu Unterhaltung von einem Alptraumszenario zum nächsten hetzt, damit sie auf diese Weise wieder und wieder dem Tod ins Auge blicken kann.

Den Abschluss des 160 Seiten umfassenden Paperbacks bilden dann noch einige reine „Art“-Seiten, welche vermutlich Titelbilder weidergeben. Allerdings ist nirgendwo festgehalten – soweit ich das sehe – ob es sich dabei um reguläre Cover handelt, oder um eine gesondert kuratierte Auswahl der doch recht überbordend von Avatar-Press produzierten Special-Editions.

Fazit.

Zugegeben: Lady Death ist erst einmal nur eine sehr plumpe Konzeption mit unglaublich sexistischen Darstellungen, welche auf ungemein plumpe Weise die niedrigsten Triebe des männlichen Publikums unterhalten soll. Technisch ist sie die finstere Mistress, welche in einer eindeutig von Männerfantasien dominierten Welt den Fanservice stellt und dabei noch die Rolle der barbarischen Kriegstreiberin an forderster Front der Heldenlegenden darstellt. Und wisst ihr was: Das funktioniert ganz herrlich. Das ist nämlich genau das, was man erwartet, wenn man mit ein wenig Hintergrundwissen und Fanboytum aus den 90ern den Titel dieser Figur liest und sofort zugreift. Es gibt aufgrund des Hintergrundes mit der „Höllenfahrt“ eine minimale Tragik in der Figur, die allerdings dann mit der ganzen oppulenz ihres Albinoblassen Körpers ihre Feinde zerschmettert und auf diesem Weg der Welt das fürchten lehrt. Technisch gesehen ist Lady Death hier wieder mal die weibliche Version des nietzschianischen Übermenschen. (Und wir wissen, was die Rolle der Frau in diesem Konzept ist: Sie treibt das Weibliche aus sich aus.)
Man muss dabei allerdings hinzufügen, dass die Zeichner von AvatarPress als eher schlecht galten, solange es um Lady Death ging. Und das ist so ein Punkt den ich persönlich nicht verstehen kann. (Hier kommt also sehr stark wieder mal der jeweils persönliche Geschmack zum Urteil.) Was hier an Zeichnungen zum tragen kommt ist ein optisch sehr solider Stil, der äußerst Stimmungsvoll das wiedergibt, was die fiktionale Welt von Lady Death dann letzten Endes ist. Es handelt sich hier nicht um Fotorealismus, sondern um einen sehr guten amerikanischen Comicstil, der in seiner darstellungsweise für mich persönlich schon zu stark in der Art von Comics verwurzelt ist wie sie um das Jahr 2000 hin am meisten vertreten waren. (Ich persönlich bevorzuge da schon mehr früheren 90er, aber das ist halt eben alles subjektiver Geschmack.) Im Grunde genommen heißt es bei sowas also: Selbst reinschauen und ein eigenes Urteil bilden.
Wer also an seine eigene Lektüre nicht nur tiefgehendste, philosophische Ansprüche stellt und manchmal Spaß an leichten Gewaltorgien in barbarischeren Zeiten hat und darüber hinaus nicht vor übernatürlichen, weiblichen Rundungen abschreckt dürfte gerade hier in dieser neuen Serie von Lady Death gute Unterhaltung finden. (Und für mich ist es einfach das, was ich wirklich über alles Liebe: Endlich eine Möglichkeit möglichst schnell hintereinander die Geschichte zu erfahren, die mir „meine“ Lieblingsinkarnation der blassen Avatarin des Todes wieder zurückgebracht hat.)

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