Donnerstag, 10. März 2016

Fire-Emblem: Das Soleil-Debakel

Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich mal auf diesem Blog hier über ein Videospiel-Thema auslassen würde, aber ich bin da über ein Thema gestolpert, das mich jetzt eine ganze Zeit lang nachdenklich gestimmt hat und jetzt immer noch mit offenen Fragen zurücklässt.
Um es kurz zu machen: Aufmerksam wurde ich über ein Video des Youtubers Rainer Schauder auf einen Artikel der GamePro in dem es um eine wesentliche Änderung der westlichen Version des Video-Spieles Fire-Emblem: Fates geht, dass dieses Jahr herauskommen soll. (Und wenn man Google dazu anschmeist ist die entsprechende Debatte schon deutlich länger am laufen, als nur über diese beiden veröffentlichungen.) Außerdem, um meine Quellen noch halbwegs transparent zu halten, habe ich mir dieses Video angesehen, dass den Soleil-Storyarc wiedergibt. (Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass hier eventuell ein paar Szenen weggefallen sind, die nicht direkt über Dialoge funktionieren. Sollte ich also über irgendeinen Randdialog oder sonstigen Faktor bei der ganzen Angelegenheit aus unwissenheit gestolpert sein, wäre ich sehr dankbar bezüglich entsprechender Hinweise, die nicht nur aus ideologischem Gebasche bestehen.)
Also: Was kann man jenseits eines Anita Sarceesian-Vorwurfs der Objektivizierung des weiblichen Geschlechts zum lustgewinn männlicher, weißer, heterosexueller Jugendlicher aus der ganzen Geschichte ziehen?

Zum einen ist da dieses „kleine“ Problem, dass derzeit die amerikanischen Staaten in Form der Umerziehungslager für homosexuelle Jugendliche haben. Natürlich schwingt diese recht problematische Basis-Idee scheinbar Grundsätzlich im entsprechenden Storyarc mit. (Auch wenn der Umstand mit diesem speziellen, magischen Pulver dann letzten Endes doch anders Intendiert zu sein scheint.) Soleil wird das Pulver zwar intendiert heimlich verabreicht, aber eher um ihr zu helfen, nicht um sie zusätzlich zu verwirren. Zugegebenermaßen: Hierbei geht es nicht um einen gezielten Wandel des eigenen Empfindens. Nur um eine vorübergehende Veränderung der Wahrnehmung.  Männlich wird Weiblich, Weiblich wird Männlich.
Aber, um jetzt eine sexistische, wenn auch geschlechtsunabhängige Sichtweise ins Spiel zu bringen: Es geht dabei eher um einen „Aufreißkurs“ für das ansonsten scheinbar unbeholfene „Opfer“. (Opfer deswegen in Anfürhungszeichen, weil die Darstellung der westlichen Computerspielmedien in dem Bereich darauf hinausläuft, dass die Figur das hier angewendete Mittel kennt und aus eher wesentlich niedrigeren Beweggründen hintergangen wird.) Ich weiß, dass wir immer noch in einer Gesellschaft leben, in der Homosexualität und das Bekenntnis zu diesem Teil der eigenen Identität ein Problem darstellen. Allerdings, soweit ich die Story jetzt für mich erschließen konnte, stellt sich hier eine wesentlich anders fokussierte Frage in den Vordergrund: Kann man trotz einer eindeutigen Orientierung eventuell andere Eigenschaften an einem Menschen schätzen, die jenseits dieses Fokus liegen. Es ist natürlich etwas problematisch, dass für dieses Gedankenexperiment ausgerechnet ein homosexueller Charakter herhalten muss, aber letzten Endes lässt sich dieses Gedankenspiel in die andere Richtung, mit einem eigentlich heterosexuellen Charakter, der sich widererwarten in eine Person des eigenen Geschlechts verliebt noch schwieriger Vermitteln.

Auf der anderen Seite haben wir natürlich den Vorwurf des „unter Drogen setzens“. Und hier greift nochmal ein anderes Topoi ins Spiel hinein, dass wir in der einschlägigen Genre-Literatur wesentlich häufiger antreffen. Ich rede hier vom Liebestrank. (Und im verlängerten Denkweise dabei natürlich auch vom Liebeszauber.) Der Effekt dabei ist, dass die mit dem entsprechenden „Mittel“ „vergiftete“ Person tatsächlich zu einem willenlosem Lustobjekt einer anderen Person wird. (Allerdings gibt es in den refletierteren Varianten dieses speziellen Tropes sehr unterschiedliche Effekte, wie das Ziel festgehalten wird. Die bekannteste Parodie ist vermutlich der Moment, wo der Diener ausgerechnet in dem Moment den Raum betritt und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zieht, in dem der Trank, der dazu führt, dass man sich in die erste Person verliebt, die man ansieht, zu wirken anfängt.) Tendenziell muss man daher sagen, dass gerade dieser Trope auch hier wieder anders zu bewerten ist. Streng betrachtet geht es hierbei um ein „Date-Rape“-Mittel. Allerdings um ein Mittel, dass Grundsätzlich von beiden Seiten eingesetzt werden kann. (Und je nach Hintergrund auch innerhalb der jeweiligen Medien auch wurde.) Man kann jetzt natürlich ausschließlich den Männern vorwerfen, dass sie Frauen zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse ausnutzen wollen. Aber wenn wir den Spieß dann umdrehen und dann feststellen, dass Frauen auf dem selben Weg Männer dann innerhalb der entsprechenden Fiktion sich unterwerfen kommt die Frage auch: Welche Form von Respekt herrscht hier bei den entsprechenden Geschlechtern überhaupt dem jeweils anderen Part gegenüber? (Zumal auch noch das bekannte Klischee existiert, das Frauen sich in Wunschprojektionen von Männern verlieben und die Realität an dieses Projektionen mit aller Macht anzupassen versuchen.)

Beide Sichtweisen passen in diesem speziellen Fall aber gerade eben nicht. Den einzigen Vorwurf, den man hier machen kann, ist tatsächlich der Umstand, dass man entgegen des Wissens der entsprechenden Person dieses Mittel einsetzt. Das war dann aber auch schon alles.
Das Problem mit dem ganzen Liebeszauber/-trank-Gedöns ist aber, dass dieses spezielle Topoi kaum auf seinen wesentlich sexistischeren Inhalt hin angekreidet wird, sondern deutlich positiver erachtet wird. (Wenn ich mein Rollenspiel-Regal mir so ansehen fällt mir unter den wenigen Kaufabenteuern in meinem Besitz direkt „Elisera“ aus dem 13 Mann-Verlag auf, dass dieses Mittel als möglichen Lösungsansatz sogar direkt von Haus aus mitbring.)

Stattdessen offenbart sich aus den Dialogen eher ein anderes Bild, dass scheinbar aufgrund der jeweiligen ideologischen Agenda vollkommen ignoriert wird. (Und das macht die Geschichte in gewisser Weise subversiv.)

Das Mittel tauscht die Wahrnehmung des Geschlechts der betroffenen Person aus. Sie sieht Männer als Frauen. (Und umgekehrt.) Und vor allen Dingen ist diese Wirkung nur vorübergehend. Der Nutzen ist laut Storyverlauf ein anderer und entscheidende Dialogoptionen treten laut Storyverlauf erst zu einem Zeitpunkt ein, an dem die Wirkung nachgelassen hat.
Und um den entscheidenden Satz noch zu vervollständigen: „ich habe mich in die weibliche Version von Dir verliebt, aber liebe dich jetzt als Mann“

Die Story wird komplexer. (Und ist gerade deswegen Misbrauchbar, wenn man die feinen Unterschiede, die darin liegen übersieht.) Nur scheint die Nachricht, die man aus dem Zusammenhang ziehen kann, weniger „Homosexualität ist heilbar!(einself)“ zu sein als viel mehr die Frage: Kann man über bestimmte Äußerlichkeiten hinwegsehen, und eine Person für ihre Stärken lieben?

Es ist daher eher als Schade zu bezeichnen, dass hier eine ungemein interessante Geschichte, die einen extrem ungewöhnliche Pointe aufweist, einfach nur sehr undifferenziert einzig und allein in eine einzige Leseweise einer sehr konkreten politischen Agenda hineingepresst wird und dabei von vornhereich übersehen wird, was nicht in diese spezifische Deutung hineinpasst. Was erzählt wird ist eine ungewöhnliche Liebesgeschichte. Interpretiert wird sie allerdings nach möglichkeit als eine Art DateRape-Geschichte. (Und da gibt es deutlich andere Geschichten, die in ihrer Machart deutlich gruseliger sind, welche irrigerweise dann sogar als besonders romantisch gedeutet werden.)
Irgendwie fehlt mir bei der ganzen Sache ein differenzierter Blickwinkel. Und das hat jetzt dafür gesorgt, dass hierzulande eine gänzlich andere Story erzählt wird, wenn die Geschichte überhaupt in der westlichen Version erzählt wird.

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