Montag, 24. Juni 2019

Vom Rausch der Jagd (Karneval der Rollenspielblogs)



Okay, okay. Ich bin schon eine ganze Weile irgendwie träge und Ideenlos einfach so hier auf dem Blog dahinvegetiert, während sich mein ursprünglich mal für ein anderes Projekt erstellter Vorrat an Rezensionen wieder aufgebraucht hatte. (Ohne einen Handschlag in Richtung des Projektes, wohlgemerkt.) Von daher ist es auch im Moment irgendwo eine mittlere Qual sich überhaupt zu etwas aufzuraffen, um mal wieder die eigenen grauen Zellen in Bewegung zu bringen. (Wobei dieser Begriff der „grauen Zellen“ bekanntermaßen ja eigentlich auch einer Fhelinterpretation zugrunde liegt: Eigentlich sind die Zellen nicht grau, sondern in der Regel betrachtet man abgestorbene Gehirne… ich schweife schon wieder ab.)

Wir haben den Monat Juni und dieses mal fordert Talasu den Rausch heraus. (Man könnte jetzt natürlich sagen, dass ich gar nicht so viel trinken kann, wie ich kotzen will, aber das scheint mir wenig produktiv für den Augenblick zu sein. Machen wir uns also ein paar mehr Gedanken.)
Mein Problem mit dem Thema ist dabei der Fokus auf das Mittel zum Rausch, als den Rausch an sich. Im Grunde genommen scheint unsere Evolution als Spezies darauf zu fußen, dass wir einen bestimmten geistigen Zustand zu erreichen versuchen, der weniger auf der Vernunft, als viel mehr aus der Abwesenheit eben dieser besteht. Das „Problem“ wenn wir es mal so nennen wollen, ist dabei eben der bewusste Zugang zu diesem Erfahrungshorizont, den manche Menschen als Extase bezeichnen würden. Wobei eben nicht die Kontrolle über die Extase das Zentrale Symbol ist, sondern viel mehr jeglicher Kontrollverlust über das eigene Handeln. Nicht umsonst sind sehr viele beschreibungen über den Rausch eher auf eine animalische Ebene reduziert, in der der betroffene weniger agiert, als eher passiv erleidet. (Schaden ist auf die eine oder andere Weise nämlich auch immer zwangsweise in dieser ganzen Geschichte mit eingemischt.)
Und gerade da hört dann früher oder später für mich dieser spezielle Moment der Tragbarkeit im Rollenspiel selbst auf. Ich meine: Diejenigen, die mich kennen, wissen, dass ich eine sehr introvertierte Persönlichkeit bin und daher mit ein paar Dingen zu kämpfen habe, was den Umgang mit anderen Personen anbelangt. (Inklusive des Umstandes, dass ich am Spieltisch eher zu der stillen Sorte von Spielern gehöre.) Berauschte Charaktere hingegen sind etwas für die Downtime zwischen einzelnen Szenen, weil von ihnen nur bedingte Aktivität zu erwarten ist. (Jaja, mir ist bewusst, dass ich gerade von beruhigenden Mitteln ausgehe und man Leuten auf Speed eher nachsagt, dass sie plötzlich wie die bekloppten zu basteln anfangen.) Das Problem ist halt: In beiden Fällen ist der Rausch einhergehend mit dem Kontrollverlust. Und genau dieser Aspekt des Kontrollverlustes ist es am Ende, der Rauschmittel so schwierig einsetzbar macht.
Und selbst wenn wir das eigentliche Ziel des Rausches, die Extase, in den Vordergrund stellen ist da immer noch dieser Faktor des Kontrollverlustes das tragende Element. Wenn man also den Rausch, ob jetzt in Folge eines künstlichen Rauschmittels oder einer hysterischen Methodik, thematisieren will, bleibt eigentlich nur der Kater danach etwas, auf das man sich eigentlich fokussieren müsste.
Von daher ist es auch gar nicht so unverständlich, dass sich anthike Gottheiten wie Dionisos oder auch Hathor je nach Interpretation auf das Konzept von Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll runterbrechen lassen. (Wenn auch gelegentlich in einem blutigen Ereigniss.)

Von daher sehe ich im Kern fürs Rollenspiel außerhalb des Raumes von solchen Geschichten wie „Bluebooking“ am ehesten zwei Verwendungsmöglichkeiten, was das Thema Rauschsubstanzen angeht:

1.) Der Morgen danach: Die Charaktere erwachen aus einem Rauschzustand mit dem berüchtigten Filmriss. Das an sich währe jetzt nicht so Problemtisch, wenn sie nicht direkt neben der Leiche einer jungen Frau (oder wahlweise auch der präverierten Geschlechts des jeweiligen Charakters) erwachen würden. Dieser Umstand an sich währe jetzt nicht sofort ein Problem. Wenn man jetzt aber noch Hinweise hinzu konstruieren würde, die entweder auf sexuelle Aktivitäten mit oder z.B. die befriedigung kanibalistischer Bedürfnisse an der kürzlich verstorbenen Person beinhalten, würde der Verdachtsmoment automatisch auf die Spielercharaktere fallen. Und als weiteren Verlauf könnte man dann ein gewisser Spiel mit einer Katz und Maus Thematik aufbrechen, in der es die ganze Zeit um das Aufklären der Frage ginge, was in der Nacht an sich passiert war. (Wahlweise gilt es also einen Feind zu überführen, der einem etwas auswischen wollte und hier seine Chance genutzt hatte, oder aber auch darum, dass die Charaktere sich selbst überführen sollen. Was durchaus auch auf die eine oder andere Weise früher oder später passieren kann, indem man die Wunderwerke der Technik in Form einer Video-Aufnahme via Handycam mit ins Spiel bringt.)

2.) Survive the Party: Die Idee für dieses Szenario ist im Grunde aus der zweiten Staffel von True Blood geklaut, in der man den Gott Dionisos letzten Ende als eine Interpretation von Satan darstellt. Im Kern geht es daraum, dass bei einer Feier immer mehr und deutlich offenere Excesse zelebriert werden, weil irgendjemand eine Droge den Teilnehmern durch irgendein Lebensmittel verabreicht hat. Nur halt eben nicht den Charakteren. Und während diese Zeugen des immer triebgesteuerteren Treibens werden kippt mit einem mal die Stimmung und alle raubtierhafte Aufmerksamkeit liegt auf en Charakteren. Das anschließende Ziel sollte klar sein: Der wilden Jagd zu entkommen und ebend en Festplatz wieder zu verlassen. (Wahlweise kann man auch noch den Verursacher dieses esasters dentifizieren. Und ein gesondertes Ziel daraus machen ihn unschädlich zu machen.)

Und jetzt muss ich offen gestehen, dass solche Artikel wie dieser hier gelegentlich organisch entstehen und auf der Festplatte ihrer Vollendung harren, während in meinem alltäglichen Leben sich bestimmte Ereignisse auftun: Auf der Arbeit unterhielten eine Kollegin und Ich mich über die entstehung des Gremlin-Mythos, der sich ja ziemlich gut auf den ersten Weltkrieg zurückdatieren lässt. (Und damit zu den wenigen Monstermythen gehört, die man heutzutage ohne irgendwelche spekulativen Elemente tatsächlich herleiten kann.) Und während dieses Gespräches kam mir der Einfall, dass so etwas tatsächlich noch ginge. (Für alle, die mit dem Begriff Gremlin jetzt nur den Mowais aus der kultigen Horror-Komödie von 1984 verbinden empfehle ich die entsprechende Folge des Hoaxilla-Podcasts.)

Der Punkt bei der ganzen Sache ist folgender: Unter bestimmten Umständen fängt man unter Einfluß von Rauschmitteln/Drogen an, „Dinge zu sehen“. Das genau solch ein Moment von Hysterie und Massenhalluzinationen ein Ende wie in dem oben beschriebenen Szenario 1) hinauslaufen kann, zeigte ja schon der nicht wirklich gelungene Versuch des zweiten Teils der „The Blairwitch Project“-Reihe auf Basis eines schlechten Films weitere schlechte Filme zu produzieren (und mit deren jeweiligen Bedeutungsebenen zu spielen.) Ja: Ich bin kein Fan des Found Footage Genres.

Da wir diesen Punkt des Nachklangs allerdings schon abgehakt haben, macht es vielleicht mehr Sinn, sich mit der Frage der Bewusstseinserweiterung eines Rauschmittels zu beschäftigen, was ja im Grunde genommen der Inhalt des bereits oben erwähnten zweiten Teils, der nicht wirklich großartig weiter zu erwähnenden Filme ist, aber auch im Grunde auch im verlängerten Rahmen das Konzept hinter dem eher surrealistischem, aber ebenfalls an sich nicht wirklich gelungenem Horror Films „The Cell“.

Der Punkt bei diesem Gedankenspiel ist folgendes: Unsere Wahrnehmungen definieren ja letzten Endes unser Verständnis von Realistät. Rauschmittel verzerren hingegen diese Form der Wahrnehmung. Einer der berühmtesten Fälle eines s.g. „schlechten Tripps“, der immer wieder im Film dazu genutzt wird mögliche Folgen des Erlebnisses unter Drogen darzustellen, ist vermutlich Albert Hofmans absichtlich herbeigeführter LSD-Rausch, den man gelegentlich auch als Bycicle Day bezeichnet. Meine Überlegung währe jetzt eher: Was währe, wenn es eine Droge gäbe, die am Ende aus der Wahrnehmung tatsächlich die Wirklichkeit machen würde? Man könnte unter diesen Umständen tatsächlich gewisse Abenteuersequenzen schaffen, die das Genre jeweils durchbrechen, in dem man gerade spielt. (Wobei ich natürlich bei meiner Wahl an Beispielfilmen immer den Horror natürlich im Hinterkopf habe.) Der punkt bei der ganzen Sache ist halt eben der: Man sagt Psychotrophen Substanzen gerne kreativitäts-fördernde Eigenschaften nach. (Was bei nüchternem Betrachten aber nicht stimmt.) Wenn wir allerdings mal den schöpferischen Aspekt hineinnehmen, dann könnte man aufgrund eines Rauschmittels in einem bestimmten Szenario allerdings diesen auch für Kreativität genutzten Begriffs des „schöpferischen Funkens“ ein wenig anders auslegen:
Die Droge sorgt zwar dafür, dass das eigene Gehirn eine neue Welt erschafft, die zwar dadurch das sie Drogeninduziert ist, immer wieder mit der Realität kollidiert und dazu führt, dass sich die Frage stellt, ob der Rausch der Sinnestäuschung wirklich haltbar ist, aber weil in der realen Welt unter Umständen Verwundungen auftreten, die sich nicht ohne die Komponente „Rauschwelt“ mehr erklären lassen, kommt es immer wieder mal zu bestimmten Momenten, wo etwas aus der einen oder anderen Welt dann die Schranke zwischen den Bewusstseinszuständen überschreitet.
Spannend wird das in dem Moment, wo nach einem langen Abenteuer und den schmerzen des Enzugs der Charakter eigentlich wieder in der normalen Welt follkommen verankert sein sollte. Gebranmarkt natürlich als Verlierer und Junkie mit potentieller Rückfallquote, aber halt eben trotzddem irgendwie „Clean“. Und dann tritt mit einem mal ein Wesen aus der anderen Welt erneut an seinen Schöpfer heran, weil es irgendwann im Rausch die Barriere zwischen den Welten überschritten hatte und jetzt festsitzt. Das kann sowohl das Monster des Alptraums sein, vor dem du immer wieder davongelaufen bist und dem du dich jetzt stellen musst, um schlimmeres zu verhindern. Das kann aber auch einfach nur die sprechende, grüne Katze mit den violetten Stiefeln sein, die sich fragt, wie sie wieder nach Hause gelangen könnte, weil ihr diese Welt nicht gefällt und ihr „Schöpfer“ die einzige Person ist, die sie in dieser Welt kennt.

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