Freitag, 3. September 2010

Rezension: Robin D. Laws - Gutes Spielleiten

Cover: Robin D. Laws - Gutes Spielleiten
Verlag: Pegasus Press
Wie lange ist das her? Ich glaube ungefähr fünf oder Sechs Jahre, dass ich zum ersten Mal den Namen Robin Laws gehört habe und damit verknüpft auch Aussagen über die Spielertypen, die dieser in seinem Buch „Robins Laws of good Game Mastering“ beschrieben hatte. Und dementsprechend hält sich der Name Laws und der Titel des Buches seit Jahren immer wieder wie ein großes Mysterium über den Köpfen der Personen. Die Meisten, die etwas davon mitbekommen haben konnten auch nur mit entsprechenden Zitaten aufwarten, die sie gelesen hatten. (Sprich: Das Buch, dass 2002 erschienen war ist im Laufe der Jahre ein großer Mythos geworden, der Ähnlich wie Black Sabbath-Platten, die rückwärts abgespielt werden, nur Leuten bekannt ist, die von Leuten gekannt werden, die Leute kannten, die einem was davon erzählt haben. Das übliche Kuriosum halt, bei dem man sich früher oder später Fragt, was überhaupt an der Sache dran ist – außer Lug und Trug.) Diesem Umstand brennender Unkenntnis schafft jetzt eine fanbetriebene Übersetzung, die im Pegasus-Verlag erschienen ist Abhilfe. (Ich sage deshalb „Fanbetrieben“ in diesem Fall, weil sich der Übersetzer eigenen Äußerungen nach einige Jahre lang in seiner Freizeit um die Übersetzung gekümmert hat, eher er sich auch nur im Ansatz darum scherte, ob der ins Deutsche übertragene Text überhaupt jemals das Licht der Welt in Gedruckter Form erblicken würde.)

Zum Gegenstand:

Auf den ersten Blick ist man ein wenig enttäuscht, wenn man einfach so das gerade mal 43 Seiten Text „starke“ Büchlein in Händen hält. (Gesamt hat es zwar 44 Seiten, aber die letzte ist ein linierter „Notizen“-Zettel“, in wieweit man so etwas zählen lassen will, sei jedem selbst überlassen.) Pegasus setzt bei diesem Hardcover auf das gleiche Format, dass sie auch schon „Kobolde“ spendiert haben: Klein, griffig und stabil.

Der Inhalt ist dann schon eher eine andere Geschichte. 44 Seiten sind sicher nicht viel mehr als gerade mal ein Aufsatz, aber dennoch weist dieser Aufsatz auf einige Dinge hin, die mittlerweile auf die eine oder andere Art ihre Berechtigung erlangt haben. Die Grundlage hinter dem Ganzen bilden natürlich die von Laws ausformulierten sieben Spielertypen (Power-Gamer, Kampfsau, Taktiker, Spezialist, Schauspieler, Geschichtenerzähler und Gelegenheitsspieler) und deren Charakterisierung, sowie die daraus folgenden Konsequenzen für die gesamte Gruppe. Im weiteren werden diese Punkte auf verschiedenem Weg sehr gut erklärt. (Manche Tips wie der, dass man Anhand der Vorlieben der eigenen Spieler auch auf das anzustrebende Abenteuer acht geben und gerade dabei auch die Vorlieben der Einzelnen mit einbeziehen sollte klingen erstmal banal. Da es aber häufiger zu Grenzkonflikten gerade bei den einzelnen Spielern kommen mag, wenn unterschiedliche Konsequenzen aufeinander prallen, geistern sie dennoch seit Jahren durch die Foren.) Und im Grunde geht es genau damit in den weiteren Umschreibungen immer weiter. Vom Rollenspielsystem selbst, bis zu dessen einzelnen Eigenschaften, die Laws unter dem Begriff von Crunchy-Bits aufführt. (Es geht dabei um Eigenschaften, die Charaktere repräsentieren können. Gemeint sind damit sowohl zentrale Charaktereigenschaften als auch Gimmiks im weitesten Sinne.)

Der nächste Schritt ist dann das, was den Spielleiter wohl mehr oder weniger zentral neben dem Leiten des Spielabends in seiner Arbeit ausmacht, das Kampagnen – Design. Den Anfang bilden dabei natürlich die leidlichen Settingfragen und der Umgang damit. Und weiter geht es mit vielen weiterhin banal wirkenden Äußerungen wie „Es ist keine Schande, einen etablierten Hintergrund zu benutzen“. Positiv in diesem Bezug fällt auf, dass Laws einen ganzen Absatz allein dem Thema der Stimmung widmet und dabei darauf aufmerksam macht, dass eben diese zu den wichtigsten Aspekten am Spieltisch gehört, insofern sie Spieler immer wieder an eben diesen zurückbringen kann.
Das alles geht schließlich bis zum „Unterpunkt“ des Abenteuerentwurfes, der sowohl für die Kampagne an sich, als auch für den jeweiligen Spielabend zu Grundlegenden Prinzipien gehört. Hierbei muss man sagen, dass er einen bestimmten Aspekt ganz zu Anfang ansetzt: Den Plotaufhänger. (Oder anders formuliert: Worum soll es überhaupt gehen?) Dem folgen dann verbreitete Tipps zur Struktur des Abenteuers und schließlich die Erwähnung, dass es sich dabei nicht nur um das Abenteuer an sich, sondern um die Verbindung des Plots mit den Interessen der Spieler handelt, bis das ganze schließlich in eine Methodik gipfelt. (Inklusive eines kurzen Abrisses über die Dungeon-Abenteuer und all ihrer Vor- und Nachteile. Entgegen der derzeitigen „Rückkehr zum Dungeoncrawl – Getue sieht Laws nämlich durchaus nicht nur den angeblichen „reinen Spaß“ bei dieser Sache.) Laws nutzt für das Feststellen von Strukturen einen Ablauf von Puzzleteilen, die aneinander gelegte Verlaufsszenen ergeben, die ein SL sich selbst setzen kann. Ähnlich verhält es sich auch mit den darauf folgenden Aspekten von Alternativwegen, die ebenfalls seitens der Spieler eingeschlagen werden könnten. (Hierbei sind Aspekte wie die Möglichkeit des Versagens der Spieler in bestimmten Szenen mit eingeschlossen, die aber nicht automatisch zu einem Ende des Abends führen müssen.) Laws greift dabei jetzt immer mehr auf im Vorfeld angezeigte Aspekte aus den Vorherigen Abschnitten zurück, wie die Bestimmung der Spielertypen und deren jeweiligen Zielsetzungen, die jetzt auch mit den Abenteuerelementen verwoben werden sollen um feststellen zu können, in wieweit man als Spielleiter dem jeweiligen Spieler entgegenkommt.

Der Rest der darauf folgt sind Abschnitte rund um Spontaneität und Improvisation und wie man sich selbst als Spielleiter damit das ganze erleichtert. (Das bereithalten von Namenslisten z.B. gehört dabei zu Methoden, auf die man auch erst einmal kommen muss. Oder das man sich den Off-Topic-Unterhaltungen durchaus vor dem eigentlichen Spielanfang widmen sollte, da diese sonst das Spiel irgendwann endgültig abrutschen lassen werden). Am Ende zaubert einem eine der banalsten Alltagsweisheiten fast schon wieder ein sanftes Schmunzeln auf die Lippen: Reparier nicht, was nicht kaputt ist.

Fazit:

Seid ich Dominik Wäschs „Spielleiten“ in den Händen gehalten habe bin ich ein ziemlicher Skeptiker, was die Spielleiter-Ratgeber-Literatur anbelangt. (Das ist eine Private Meinung zu dem Thema. Ich will diese nicht zu sehr ausbreiten, aber man sollte sie im Hinterkopf behalten.) Andererseits muss ich sagen, schafft Laws es hingegen erfreulich Ideologiefrei zu bleiben.
Was mir das Buch darüber hinaus noch sehr Sympathisch macht ist der etwas lockerere Tonfall im ganzen Werk. Laws schafft es nicht zuletzt dadurch, dass er eine ganze Menge Binsenweisheiten zusammen kramt und unter bestimmten Gesichtspunkten zusammenfasst eine ganze Menge Tips zu verstecken, die gerade Neulingen und Anfängern eine ganze Menge Angst nehmen können. Ziel des Buches ist es klipp und klar aus einer angeborenen Fähigkeit auf lange Sicht ein erlernbares Talent zu machen, was immer mit Hindernissen verknüpft ist und auf diesem Weg das große Mysterium des Spielleitens in ein anderes Licht zu setzen. Tipps, wie die Möglichkeit des Experimentierrens und selber Findens und vor allem, das nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird, sind dabei in meiner Sicht zentral.
Und dennoch bleibt auch hier ein Wermutstropfen übrig: Der SL-Job wird weiterhin Arbeit bleiben und auch dieser Band wird nichts an dieser Tatsache Ändern. Genauso wenig, wie man ihn absolut unkritisch rezipieren sollte. Meiner Meinung nach befindet sich zumindest ein naturalistischer Fehlschluss in Laws Argumentation über einen Spielertypen (den Schauspieler) und dessen Zielsetzungen in Bezug auf den Umgang mit den „Crunchybits“. Wie ich außerdem erfahren habe, hat sich das Lektorat scheinbar ein paar abstrus wirkende Freiheiten gegönnt, wie die Aussage, das der Spielertyp des Taktikers bevorzugt Cthulhu spielen würde. (Im Original stand wohl an dieser Stelle mal Gurps, was vermutlich auch heute noch besser passen dürfte.)
Daneben kommt dann noch der eine oder andere Unglücklich gewählte Übertragungsbegriff, wie z.B. der Method Actor, der im deutschen jetzt zum Schauspieler gebrandmarkt wurde. (Ich will ja nicht behaupten, dass wir alle am Spieltisch Romeo und Julia aufführen, aber ein wenig Schauspielerei müsste doch eigentlich in jeden Spielstil gehören? Vielleicht möge sich da speziell die Dungeoncrawlerschaft zu Wort melden, die ja in erster Linie das Power Gaming und Taktieren hochhält.)

Trotz dieser kleineren Mängel (die mir sicherlich nicht alle aufgefallen oder bekannt gemacht worden sind) erhält der Leser mit Gutes Spielleiten ein kleines Werkzeug in die Hand, dass ihn mit einer ganzen Menge nützlicher, wenn auch allgemeiner Tips (die häufiger von mir erwähnten Binsenweisheiten), versorgt. Sofern man also bereit ist sich bei der Rezeption des Buches mit dem Inhalt kritisch auseinanderzusetzen, erhält man auf den 43 Seiten sicherlich einiges an Hilfreichen Aufforderungen das Spielleiten auch selbst zu versuchen. Es schafft insofern sicherlich nicht die perfekten Spielleiter, aber es verschafft die Möglichkeit sich ein Vokabular im Sinne von Werkzeugen anzuschaffen, die der Angst vor dem Umgang mit dem Spielleiten sicherlich einiges an den Mysterien nehmen kann, ohne dabei mehr Fragen aufzuwerfen, als es eigentlich beantworten kann.