Montag, 29. September 2014

Rezension: Montsegur 1244

Cover: Montsegur 1244
Narrativa-Reihe
Verlag: Ulisses Spiele
Mit der Reihe der Narativa hat Ulisses zur RPC 2014 einen Versuchsballon gestartet: „Klassische“ Erzählspiele, welche zu einem Großteil aus den Entwicklungskanälen der Forge entsprungen sind, werden in kleinen Luxusauflagen herausgebracht. Ich betrachte hier jetzt eines der PDFs aus dieser Reihe.
Diesmal handelt es sich um Montsegur 1244. Und dabei haben wir es mit einem ungewöhnlichen Aspekt zu tun: Zum einen ist es in seiner Geschichte der jüngste Titel von der Ursprungsausgabe her (das Original erschien 2009) und der grundlegende Zopf der Rollenspielszene wurde hier abgeschnitten: Bei Montsegur 1244 handelt es sich um ein spielleiterloses Spiel.

Ein bisschen was zur formalen Aufmachung: Wer zuerst die Datei einfach so aufschlägt mag für den Augenblick sehr überrascht sein, weil er mit einer PDF-Datei „erschlagen“ wird, die auf 113 Seiten zurückgreift. Das stimmt so nicht: Eigentlich arbeitet man „nur“ mit 57 Seiten, die zum eigentlichen Regelwerk gehören. Der Rest sind zusätzliche Materialien – größtenteils normalgroßes Spielkarten - welche ebenfalls in das PDF-Dokument eingepflegt worden sind, um das Spiel spielbar zu machen.
Problematisch bei dieser Geschichte ist allerdings folgender Punkt: Jede Karte wird als einzelne Seite gehandelt. Das mag jetzt nicht so stark zu Gewicht fallen, aber: Man wird hier ein wenig am Drucker mit den Einstellungen spielen müssen, um nicht ständig mit zentriert gehaltenen abbildungen zu kämpfen müssen. Ohne die Kritik an diesem Punkt in der Handhabung des PDFs zu hoch schießen zu lassen (ich weiß nicht wie die limitierte Edition von Montsegur ausgesehen hat, was diese zusatzkarten anbelangt), aber: Das hätte man für den normalen Hausgebraucht besser lösen können. (Letzten Endes wird jeder von uns mit einer Schere an die einzelnen Karten herangehen müssen. Von daher hätte man die Handlungskarten durchaus in einem speziell für dieses PDF ausgelegten Seiten-Layout zusammenfassen können.)

Huch? Handlungskarten? Was ist das? Und genau da beginnen wir uns langsam in die Verstrickungen des Spiels zu verlieren. Wo fange ich also am besten für diese Rezension an?

Wie ich bereits festgehalten habe: Das eigentliche Regelwerk besteht aus 57 Seiten. In denen wird die Geschichte der Kartarer, um die es ausschließlich in Montsegur geht. Um Genau zu sein: Es geht um die Belagerung der Burg Montsegur, die vom Mai 1243 bis in den März 1244 anhielt, nachdem die Katharer zuvor in einer nahegelegenen Gemeinde den örtlichen Inquisitor Guillaume Arnaud umbrachten. Das Spiel selbst ist in vier Akten (Plus Prolog und Epilog) aufgeteilt. Der Prolog ist das Attentat von Avignonent (Quasi als Einstimmung in den folgenden Verlauf des Spiels und der Epilog beschreibt das große Ende der Kartharer, die sich in ihrem historischen Original zu einem Großteil gegen eine Amnestie durch den Papst und für den Scheiterhaufen entschieden hatten, um ihrem Glauben treu zu bleiben, der als Häresie galt. (Bis auf streng regulierte Ausnahmen, natürlich.)

Den größten Teil des Spielgeschehens aber stellt die eigentliche Belagerung von Montsegur dar, beginnend bei den ersten Monaten, wo noch ein gewisser Wohlstand herrschte und das leben auf der Burg durchaus Lebenswert war, bis in den Winter hinein, wo man immer mehr mit der Knappheit an Vorräten und der restlichen Demoralisierung der kompletten Situation zu kämpfen hat.
Dafür stellt das Spiel 12 Hauptcharaktere zur Verfügung, welche Tatsächlich von den Spielern übernommen werden. (Ja, das habt ihr richtig gehört: Es gibt keine Charaktererschaffung im klassischen Sinn, weil diese 12 Figuren auf historischen Vorbildern aufbauen.) Dafür ist aber auch eine direkte Beziehungskarte dabei, die aufzeigt, wie welche Figur zu einer anderen steht.
Um allerdings eine Möglichkeit der Individualisierung trotzdem aufrecht zu erhalten, steht auf jedem Charakterblatt, neben einem Portrait der Spielfigur und einer kurzen Aufklärung des Hintergrundes ein Satz aus drei Fragen, welche der Spieler beantworten muss. (Der Sinn dahinter ist es, ein wenig mehr tiefe in die Figur zu bekommen, um die jeweilige Interpretation des Spielers seiner Figur sichtbar zu machen. Und dem Spieler hinweise zu geben, was er da eigentlich für eine Schablone in der Hand hat.)

Wie funktioniert das Ganze also? Im Grunde genommen: Reihum. In jedem Akt bereitet ein Spieler eine Szene vor, in die er seinen Charakter (und hinzugezogene Charaktere) einbringt. Dafür werden Szene und Handlungskarten verteilt, die gewisse Elemente ins Spiel bringen können.
Szenekarten sind kurze, prägnante Einsätzer, welche als Inspirationshilfe dienen können und zu Beginn einer Szene von dem Spieler gezogen werden, der die entsprechende Szene vorbereitet. (Hier sollte man erwähnen, dass Montsegur von einer Idealanzahl von 3 Spielern ausgeht. Falls das nicht der Fall sein sollte, werden aber entsprechende Hinsweise geliefert, wie man mit größeren Runden umgehen kann/sollte.) Außerdem kann man durch die Abgabe von Szenekarten das Erzählrecht eines anderen Spielers übernehmen.

Handlungskarten sind besondere Karten, die zusätzliche Elemente ins Spiel bringen können. Diese können bestimmte Ereignisse sein, aber auch besondere Gegenstände. (Hierbei geht es um zusätzliche Fragen, wie was mit besonderen Reichtümern geschieht, die sich während der Belagerung auf der Burg befinden.) Das heißt, dass auf diese Weise neue zusammenhänge ins Spiel gebracht werden, die anschließend zu tragenden Handlungsfäden werden, welche im Verlauf die Verknüpfungen zwischen den einzelnen Szenen darstellen, die in einem Akt vorkommen.

Als Orientierungshilfe dafür existiert in den Anhängen ebenfalls eine Art Spielbrett, auf dem man markieren kann, an welcher Stelle des Spiels man sich befindet und welche grundsätzlichen Gegebenheiten (in Form von Karten) das Geschehenzusätzlich mitbestimmen.

So weit so unverständlich. Tatsächlich handelt es sich bei Montsegur um das vermutlich „Brettspieligste“ spiel der Narativa Reihe, weil es mit seinem Gestellten, extrem engen Setting einen unglaublichen Fokus auf eine bestimmte Situation legt, welche genaue, grundlegende Seitenhandlungen bereits festschreibt. (Alles findet weitestgehend innerhalb der Burgmauern statt. Die Welt drumherum Interagiert maximal mit einem Pfeilhagel mit uns, wenn wir die Nase kurz aus dem Burgtor stecken.) In diesem Sinne hat man hier Quasi das klassischste Szenario einer Sandbox, das man sich nur Vorstellen kann. Um allerdings Spielern dabei eine Hilfestellung für das Setting zu geben gibt es in den Anhängen noch entsprechend kurze Beschreibung der soziologischen Lage der Zeit damals. (Wie spielen keine Fantasy, sondern bewegen uns in einem relativ genau erforschten historischen Setting. Trotzdem dürften die wenigstens mit dem Mittelalter wirklich etwas anfangen können, sondern sich eher mit der modernen Denke von Fantasysettings mit mittelalterlichem Anstrich beschäftigen. Um sich darin zurechtzufinden und entsprechend passende Rollenklischees zur Hand zu haben (oder überhaupt Geschlechterrollen treffend erkennen zu können) ist dieser Bereich wirklich bitter notwendig – wie ich schon sagte: Das Problem mit der unvertrauten Vertrautheit.)

Fazit

Ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll: Ich kann gerade bei spielleiterlosen Spielen alle Gründe verstehen, warum man für einen schnellen Einstieg ins Spiel ein möglichst eng gefassten Setting aufstellt. Viele Dinge, die bei der Erstellung eines losen Settings schon mal für sich betrachtet einen kompletten Spielabend für sich einnehmen können (ein vergleich wäre hier Vampire City) entfallen, wodurch man mehr Zeit für das eigentliche Spiel hat. (Montsegur für sich betrachtet ist gerade darauf ausgelegt, dass nur die gröbsten Details noch geklärt werden müssen und anschließend anhand des Recht freien Mechanismus mit den auf Assoziationen ausgelegten Karten als Hilfsmittel einfach gespielt wird.
Angesichts der Tatsache aber, dass gerade das historische Mittelalter eben nicht zu den vertrauten Settings unseres Hobbys gehört, bleibt aber die Notwendigkeit der zusätzlichen Kapitel, die ursprünglich für die italienische Ausgabe produziert worden sind, bitter Notwendig. (Und die Tatsache, dass einer diese Kapitel sich dermaßen aneignet, dass er/sie als Berater für die entsprechenden Verhältnisse dienen kann. Oder aber man hat eh einen Historiker mit von der Partie.) Schon allein deswegen kann es sein, dass die Zugänglichkeit zum Spiel etwas problematisch wird. Wir haben keine passenden Vorstellungen für diese Zeit. (Zumindest nicht unter normalen Umständen.) Somit sind wir tatsächlich auf jede weitere Hilfestellung angewiesen, die hier geboten wird.
Dann ist das Problem natürlich vorhanden, dass die Natur von Erzählspielen, denen gerne auch mal der brettspielige Charakter vorgeworfen wird, in diesem Zusammenhang ganz besonders stark ausgeprägt, weil die Konzentration auf eine Rolle hier so präzise Vordefiniert wird, dass die Kontrolle über Wertverteilungen hier auf das absolute Minimum reduziert wird. Aber: Im Rahmen der vorhandenen Bedingungen bekommt man dadurch das absolute Maximum an Freiheiten, das noch zur Verfügung steht. (Immerhin spielt man hier die Fiktion eines konkreten, historischen Ereignisses, nicht das historische Ereignis selbst.)
Unter diesen Bedingungen muss man sagen, dass wir hier sicherlich das Paradebeispiel an Erzählspiel haben: Eine konkrete Idee, für die ein treffender Mechanismus gebaut wurde. Das Problem dabei ist nur, dass Aufgrund der sehr eng gefassten Bedingungen bei diesem Spiel in seiner Gesamtheit den Anreiz schmälern könnte, was die Option des Wiederspielen wollens betrifft.
Insofern hat Montsegur tatsächlich ein gewaltiges Problem. Es ist insgesamt beinahe zu experimentell.
Aus diesem Grund muss man schon leider sehr genau darüber Nachdenken, ob dieses Spiel einem liegt. Andererseits: Eventuell hat das Spiel trotz allem einen Wiederspielwert, solange man den gefühlten Brettspielcharakter als zentrales, äesthtisches Moment an der gesamten Konzeption sieht. Immerhin werden auch in diesem Bereich einige sehr eng fokussierte, sehr linear und repetitiv verlaufende Spiele seid Jahren aufrecht erhalten und ständig erneut herausgekramt. Das muss sich in der Praxis erweisen.

Montag, 22. September 2014

Rezension: „Stets zu Diensten, Meister.“

Cover: Stets zu Diensten, Meister!
(Narrativa-Reihe)
Verlag: Ulisses Spiele
Mit der Reihe der Narrativa hat Ulisses zur RPC 2014 einen Versuchsballon gestartet: „Klassische“ Erzählspiele, welche zu einem Großteil aus den Entwicklungskanälen der Forge entsprungen sind, werden in kleinen Luxusauflagen herausgebracht. Ich betrachte hier jetzt eines der PDFs aus dieser Reihe.
„Stets zu Diensten, Meister.“ ist die Übersetzung von „My Life with Master“ von Paul Czech.

In „Stets zu Diensten, Meister.“ spielt man die Handlanger eines despotischen Meisters in einem nicht näher bestimmten europäischen Dorf irgendwann im frühen 19. Jahrhundert. Inhalt des Spielgeschehens ist es, die vom Meister aufgetragenen Befehle, welche in der Regel das nahe gelegene Dorf betreffen, zu erfüllen. Hierbei muss man sich einer besonderheit zuerst im klaren sein, welche so nicht ganz Typisch für die meisten Forge-Titel ist: Das System ist in seinen Mechanismen auf eine Minikampagne ausgelegt. Sprich: Der zwar durchaus Zielgerichtete Fokus dieses Systems stellt die Möglichkeit für mehrere Spieleabende auf. Zwar immer noch im Sinne des häufig den Forgespielen vorgeworfenen One-Trick-Pony-Charakters, aber mit längerer Ramenhandlung.

Dieser Meister ist ein Konsenskonstrukt der gesammten Runde und wird (weil er auch die Natur der Spielercharaktere definiert) gemeinsam am Tisch erstellt, bevor die Charakter erschaffen werden. Dabei bestimmt Grob gesagt eine Klassifizierung, die aus Aspekt und Typus besteht, seine Wünsche und Bedürfnisse hervorhebt und sich noch auf Werte in Schrecken und Vernunft konzentriert.
Diese für den Uneingeweiten sehr Abstrakten begriffe betreffen gleich mehrere Funktionen des Meisters im Spiel. (Und damit verbunden sind sie letzten Endes auch die Kathegorien, welche umschreiben wie der Meister am Ende im Spiel sich verhällt und Auftritt. Handelt es sich z.B. um den Typ verrückten Wissenschaftler, der eine tiefgreifende Erkenntnis über die finsteren Geheimnisse des Universums sucht und dafür bestimmte Proben braucht, welche seine Untergebenen ihm aus der Umgebung holen sollen, oder ist er eventuell doch die Bestie, welche als Vampir nach dem Blut junger Damen lechzt, aber Zeitgleich auch deren romantischen Gefühle zu erreichen sucht?)

Das ist in Sofern von Bedeutung, weil erst im zweiten Schritt über diesen Meister die Handlanger und damit die Spielercharaktere definiert werden. Sie erfüllen für den Meister bestimmte Aufträge, sind aber auch mit der Stadt, die sie für den Meister heimsuchen verzahnt. (Sprich: Jeder Spieler erschafft seine eigene Relationship-Map und steuert dem Spiel ein paar NSCs gleich mit bei, auf die im späteren Spiel zurückgegriffen wird.) Grundsätzlich spielt sich hierbei alles um eine Aneinanderreihung von Werten, die bestimmte Pools aus W4 bilden, die anschließend dabei helfen, den Ausgang verschiedener Szenen mechanisch zu bestimmen.
Scs stellen sich dabei aus verschiedenen, zentralen Werten zusammen: Zum einen gibt es die jeweilige Eigenschaft, in der sie jeweils besser oder schlechter als ein Mensch sind. Das sind besondere Charakteristiken, die sehr zentral auffällig sind.
Dann gibt es noch die Variablen Werte, Selbstverachtung und Ermattung, die im Verlauf des Spiels als Auslage aus den einzelnen Szenen steigen und fallen können und einen direkten Einfluss auf die Möglichkeiten bieten, wie der SC im weiteren Verlauf gegen den Meister aufbegehren kann, oder überhaupt Handlungsfähig ist.
Als dritter variablen Wert gibt es noch den Wert der Liebe: Diesen steigert man als konsequente Handlung durch die Interaktion mit bestimmten NSCs. Dieser besondere Wert ist deswegen von gesonderter Bedeutung, weil er das Ziel des Spiels markiert: Die Überwindung des Meisters durch die Handlanger.

Den Abschluss dazu bilden dann noch einige allgemeine Hinweise und zusätzliche Spieltips. Genauso wie ein paar Ratschläge geboten werden, das Spiel entgegen der eigentlichen Intention dahinter an nur einem Abend zu verwirklichen.

Und natürlich wird hier noch eine Beispiel-Spielsitzung beschrieben, in der zwei Handlanger sich um ihren Meister bemühen, um seine Gunst zu gewinnen.

Auf den insgesamt 72 Seiten des PDFs sind natürlich auch wieder einige illustrationen im bewährten Schwarz-Weiß-Stil enthalten. Quelle dafür ist erneut die italienische Fassung, welche einen deutlich anderen Stil vorweist, als die ursprüngliche Fassung. In diesem Fall handelt es sich um einen sehr sauber, fast schon als klinisch zu bezeichnenden Inkstil, der eher durch seine Konturen den Eindruck erweckt, dass man hierbei auf lange Zeit eine kolorierte Ausgabe geplant hatte. Diese Funktion erinnert aber trotz alledem an einen eher noch nicht realistischen Comcistil, der aber sehr nahe an diesem Ziel dran ist und beinahe an den hierzulande vorherrschenden Comicstils erinnert, der sich an den US-Superheldencomics orientiert. Das ganze macht angesichts des sehr düsteren gesamteindrucks des Settings einen stimmigen Eindruck.

Fazit

Ich will hier nicht lange darüber diskutieren wie gut oder schlecht der Eindruck ist, den man vom One-Trick-Pony-Charakter der Forgespiele hat. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Schön ist es auf jeden Fall zu sehen, dass trotz der Philosophie der One-Shot-Systeme, welche eigentlich hinter den ganzen ursprünglichen Indie-Entwicklungen aufgebaut wurde, doch bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt (My life with Master stammt von 2003) bereits mit Minimalkapmpagnen-Ideen experimentiert wurde. (Man kann hier also bereits einen Wegbereiter für den derzeitigen „Abschluss“ der gesamten Diskussion, das Fate-System, sehen.)
Positiv ist die sehr abstrakt gehaltenen Mechanismen, welche sich bereits auf der Metaebene auf das Szenenbestimmen von Konflikten konzentrieren, die konkrete Ziele haben und durch einen, für diese Szene dann aber sehr zentralen (wenn auch manchmal vergleichenden) Würfelwurf bereits alles anschließend bestimmen. Die Vorstellung dahinter ist, dass die Interaktion zwischen den Charakteren und ihrer Umwelt als Konflikt verstanden ausgeschmückt und in Szene gesetzt werden sollte, wobei die Würfel zwar das zentrale Gestalltungsmedium, nicht aber die Zeitaufwendigste Handlung des Ganzen sein sollen. (Man erhält zwar das Würfelergebnis, aber dessen Bedeutung wird immer noch durch das Erzählen der Szene interpretiert, nicht – wie klassischen Systemen eher genutzt – umgekehrt.)
Insofern wird zwar gerade hier der forgetypische Brettspielcharakter nur zu deutlich in der Nutzung bewusst (das einzige, was mir in einem Forge-Spiel noch fehlt wäre eine s.g. Kramerleiste) aber dennoch bemerkt man den Fokus der erzählten Geschichte nur all zu deutlich in jedem einzelnen Wert, wenn man seine Funktionen innerhalb des ganzen Systems beobachtet.
Gewöhnungsbedürftig ist zwar die Idee, mit einem Mal Unmengen an W4 sich zulegen zu müssen, weil dieser Würfel für Pool-Systeme dann doch etwas unvertraut ist, aber letzten Endes gibt es in dem Bereich wohl schlimmeres, als das man sich plötzlich in der Wohnung an den vergessenen Überresten des letzten Spielabends verletzt.
Der ungewöhnliche Fokus des Spieles ist es dabei, der das Ganze besonders Interessant macht. „Stets zu Diensten, Meister.“ bewegt sich gerade eben weg vom häufig propagierten, überlegenen Heldentum und sucht eher in den psychologischen Untiefen des geschundenen Wesens nach dem Moment, wo alles nach einem Ventil sucht. Insofern handelt es sich hierbei vermutlich um den Titel der Narativa-Reihe, der trotz seiner seltsamen Voraussetzungen vermutlich das Potential hat die erinnerungswertesten Runden zu produzieren.

Montag, 15. September 2014

Rezension: The Walking Dead Band 5: Die beste Verteidigung

Cover: The Walking Dead Band 5:
Die beste Verteidigung
Verlag: Cross Cult
Es hätte ja im Grunde perfekt sein können: Nachdem die Gruppe Rund um Rick sich in dem Gefängnis niedergelassen hatte und „die Eingeborenen“ vertrieb, konnten sich Pärchen bilden und die Fläche von den letzten Zombies gereinigt werden. Und das dies natürlich nicht ausreichte, bleibt wohl jedem irgendwie gewiss. Im fünften Band der Reihe verändert man das gesammte Geschehen dadurch, dass ein winziger Schimmer an Hoffnung am Himmel auftaucht: In Form eines abstürzenden Militär-Hubschraubers. Ausgerüstet mit Bissfester Ausrüstung stürzen Rick, Glenn und Michonne deswegen ins Umland rund um ihr Gefängnis und stoßen dabei auf eine andere Kolonie von Überlebenden. Diese hat scheinbar ein wenig mehr Zivilisation aufrecht erhalten könne und ist dabei trotzdem einer deutlich finstereren Barbarei anheimgefallen, als es normalerweise den Anschein hätte haben können.
Die Überlebenden Rund um „den Gouverneur“ können nämlich immer Fremde gebrauchen, denn sie haben seltsame Haustiere und entsprechend abstruse Sitten. Und beides führt dazu, dass hinter einer Fassade der vermeintlichen Zivilisiertheit eigentlich nur noch brutale Triebe herrschen.

Dieser fünfte Band der Serie ist irgendwie Kompliziert. Wer sich an Hobbes Staatstheorie rund um den Leviathan erinnert kann sicherlich auch den Ausspruch „Homo hominem lupus est“ zuortnen. Und die dadurch resultierende Schlussfolgerung, dass ausgerechnet der vernunftbegabte Mensch sich der schlimmsten Tyrannei unterwirft, nur um selbst vor Schaden bewahrt zu bleiben. Ein ähnliches Verhältnis stellt die Siedlung des Governeurs im Grunde dar: Sie ist die Barbarei, vor der die Zivilisation eigentlich schützen soll. Und in gewisser Weise werden hier Frage in der Geschichte praktisch aufgezeigt, wie weit Mitgefühl einen Bringen kann... oder was das Gegenteil ausrichten mag.
Schön dabei ist auch, dass die Zombies, welche ja der passivste Part an der ganzen Tragödie, aus welcher die Serie besteht, sind, immer wieder dabei umgedeutet werden und somit langsam zu einer analogie Werden, die man nur als „Hunger aufs Leben“ deuten kann. Egal ob sie Zaungäste sind, welche das Leben beobachten oder (wie hier jetzt) mit einem mal sich in ihrem Verhalten mit den „gewöhnlichen“ Menschen vermengen, so das am Ende nur noch eine Ansammlung von niederen Instinkten übrig bleibt, welche die entsprechende Gesellschaft insgesamt auszumachen scheinen.

Fazit

Eigentlich müsste ich insgesamt nur noch laut „Spoilers“ rufen um alles bis ins letzte Detail erklären zu können. Von den von mir bis hierhin insgesamt vorgestellten Bänden ist das „Die beste Verteidigung“ bisher sowohl der beste als auch der schwächste Band insgesamt.

Gut an ihm ist die Tatsache, dass er ein wenig mit der Problematik des doch stark verzerrten Selbstbildnis experimentiert, was moderne Gesellschaften gerne (zumindest soweit es die selbsternannte Elite betrifft) aufrecht erhalten wollen. Das tragende Bild dabei ist, dass gerade Machtmenschen dabei Wortwörtlich über Laichen gehen, um ziehle zu erreichen, die ihnen einen absoluten Nutzen geben würden. Das Schafft der Band dadurch, dass der hier aufgezeigte Abschnitt eben die Förmlichkeit der häufig eingeforderten Höflichkeiten einfach beseite lässt und das eigentlich brutale hinter solchen Personen, die mit ihrem Gebaren absolut Menschenverachtend sind, nur offen anzeigt. (Das die wichtigste, tragenste Person dabei einfach nur den Titel „der Gouverneur“ für sich beansprucht kann man dabei als absolut radikale, hochgradig sarkastische Gleichstellung für unsere realweltlichen Politiker verstehen. Und genau das gibt dabei einen so deutlich bitteren Beigeschmack, da erst vor kurzem von unsere allseits unbeliebten Kanzlerin ein entsprechend weltfremdes Zitat durch die sozialen Netzwerke als Mem gespukt hat.)

Schwach hingegen ist der Band deswegen, weil die Geschichte nicht ins Rollen kommt. Das ist in sofern verständlich, da keine sofortiger Paukenschlag der ganzen Sache gut getan hätte. (Im Grunde genommen wird hier eine Bedrohung aufgebaut und vorgestellt, die sich erst noch in einem weiteren Gewaltakt entladen muss. Auch wenn dabei die äußerste Trickkiste an psychischer wie physischer Grausamkeit aufgefahren wird, die wir kennen. Nicht so, dass man diese Handlungen tatsächlich sieht, sondern in dem man sieht, wie andere daran zerbrechen, weil sie ihren Kameraden in der Not nicht helfen können.)

Ich hatte ja bereits festgehalten, dass die Serie sich nach den Startschwierigkeiten des ersten Bandes wirklich ausgereift weiter entwickelt hat, aber: Das Problem, dass man/ich hier habe ist, dass zu viel aufgebaut wird, was mögliche Fragen anbelangt, und man am Ende mit der klammen befürchtung Alleingelassen wird, dass hier aus einem hochproblematischen Akt am Ende nur eine banale Lösung übrig bleibt. (Wir wissen zwar alle, dass die Serie Rund um die Walking Dead noch lange nicht von Cross Cult nach diesem Band beendet ist, immerhin weist die Serie bis jetzt ganze 22 Bände auf, aber: Durch die hier umschriebenen Ereignisse stellt sich am Ende halt doch die Frage, in wieweit die Überlebenden Rund um Rick wirklich „überleben“, oder überhaupt noch Leben.)
Die Geschichte weißt an dieser Stelle einfach zu viele Momente des zerbrechens auf, als das wirklich überzeugend noch irgendwas jenseits der totalen Hysterie übrig bleiben kann. Man kann zwar gespannt bleiben, aber die Weichenstellung für die weitere Zukunft der Serie ist dann doch mehr als Fragwürdig. Insofern kann ich mal wieder kein wirklich zufriedenstellendes Endurteil für diesen speziellen Band für sich abgeben, sondern müsste die daraus entstehenden, weiteren Entwicklungen abwarten, die mir natürlich zur Zeit noch gänzlich unbekannt sind.

Montag, 8. September 2014

Rezension: Hack/Slash Band 5: (Re)Animatoren. Special Guests: Die Suicide Girls

Cover: Hack/Slash Band 5
(RE)ANIMATOREN
Special Guests: Die Suicide Girls
Verlag: Cross Cult
Was Hack/Slash als Serie ist brauche ich nicht mehr erklären, dass hatten wir bereits. Warum aber jetzt der große Sprung von Band 1 zu Band 5? Das hat Persönliche Gründe des Rezensenten. Den Inhalt der Bände 2-4 kenne ich einigermaßen Leidlich, weil ich die Serie zu dem Zeitpunkt recht aktiv im US-Heftformat verfolgt habe und deswegen gerade keine Lust verspürt hatte, in chronologischer Reihenfolge vorzugehen. (Aber was noch nicht ist kann ja noch werden.)
Zum anderen vereint dieser spezielle Band ein paar besondere Problemfälle, die ich im Original nicht habe mitnehmen können. (Und die beide im Titel auftauchen. ^^ )

(Re)animatoren war eine auf zwei Hefte ausgelegte Geschichte, welche auf dem von Lovecraft inspiriertem Film Re-Animator von Stuart Gordon von 1985 basiert. Das Problem, mit dem sich Devils Due Publishing überraschend rumschlagen musste war der umstand, dass die Rechte am Titel aufgrund der amerikanischen Gesetzgebung nicht mehr bei Gordon lagen, sondern längst in der Hand einer anderen Gruppe von Leuten lagen, weswegen es für uns Europäer extrem kompliziert war, an das zweite Heft heranzukommen. (Aufgrund eines laufenden Gerichtsprozesses um die Namensrechte hatte sich Diamond Entertainment, welche den Vertrieb für DDP machten, dazu entschlossen das zweite Heft nicht in den Vertrieb aufzunehmen. Damit war man dann gezwungen direkt über die Verlagsseite von DDP zu ordern... und die hatten damals keinerlei Anbindungen an Paypal, sondern akzeptierten nur Kreditkarten.)

Selbst/Mord ist in gewisser Weise eine Kooperierende Geschichte mit der Website Suicide Girls, welche aufgrund ihres auf alternativer Erotik ausgerichteten Inhaltes habituell ziemlich deutlich mit der zynischen und zeitweise sarkastischen vorgehensweise in der Darstellung der einzelnen Charaktere rund um Cassie Hack und ihrer Entwicklung sehr deutlich passt.

Ähm... das war der Hintergrund. Wechseln wir zum Inhalt.

Worum geht es also? Prinzipiell muss man sagen, dass die wilde, an eine Art Roadmovie erinnernde Fahrt von Cassie Hakcund ihrem Gefährten Vlad in den letzten Ausgaben sich gewandelt hat. Zum einen hat Cassie sowas ähnliches wie die Liebe entdeckt und Vlad seine Eiversüchtige Seite. (Auch wenn die Beziehung zwischen Cassie und Magaret dann doch deutlich schwieriger als nur ein entspranntes Beisammensein ist. Außerdem hat Cassie noch zwei Dinge über ihre Vergangenheit herausgefunden: Sowohl ihre Mutter (wir erinnern uns: Die Lunchlady) als auch ihr Vater waren Teil eines Regierungsprojektes zur Erforschung der Slasher gewesen. Und jetzt sucht Cassie nach ihren unbekannten Wurzeln in Form ihres Vaters. Dabei jagen die beiden vielen falschen Spuren nach und versuchen immer wieder ihrem Job als die Killer der Slasher gerecht zu werden.

Das führt sie in einen Waschsalon, der Mittel zum Zweck ist, was das erlegen eines Digital gewordenen Slashers betrifft, der Rache an den bereits erwähtnen Suicide Girls nimmt, lässt sie auf dem Set einer Neuverfilmung der Zauberers von Oz einen Killerzwerg in Gestallt der Blechmanns erlegen und führt sie schließlich und letztendlich mit Dr. Herbert West, dem Reanimator zusammen, welcher die Vergangenheit mit seinem Serum einfach nicht im Grabe liegen lassen will.
Und am Ende muss sich Cassie wirklich der zentralen Frage stellen, was besser für ihren eigenen Seelenfrieden ist: Ein Stück Identität wiederzuerlangen, oder aber die gesamte Vergangenheit auf ewig im Schleier eben jener zu verlieren.

Das Hack/Slash ein etwas sarkastischer Blick auf die Jugendkultur ist und gerade mit allen Möglichen Tropes aus dem Popkulturellen Universum, welches die Grundlage der Slasher-Filme darstellt, ist, war ja schon im ersten Band offensichtlich. Doch anders als noch in „Gestorbene Mädchen“, was noch eine große Ziellosigkeit der Jugend (und damit wesentlich näher an den klassischen Themen und Opfern der Slasher-Movies sich beschäftigte) ist durch die inzwischen aufgebaute Kontinuität einer fortlaufenden Serie mit regulärer Nummerierung (die ersten Geschichten von Hack/Slash waren im Grunde nur einzelne Kurzgeschichten ohne großen Zusammenhang in denen Cassie und Vlad als verbindendes Element lediglich auftauchten) mitlerweile die Möglichkeit entstanden andere Geschichten mit ernsteren Themen zu beschreiben. (Der ursprünglich sarkastische Vergleich mit Buffy als Werbespruch wird hierbei also immer mehr erfüllt.) Das schöne dabei ist, dass dieses Leben eines Outsiders, der mehr oder weniger auf der Straße lebt und einer obsession Nachgeht dabei immer mehr in den Vordergrund gerückt wird. Und dabei durchaus ernstere Themen angegangen werden, wobei der typische tiefschwarze Humor kaum Nachlässt.

Dazu dann die für Cross Cult typische Aufmachung als A5-Hardcover. Von der handlichen Seite aus betrachtet ist das antürlich ein sehr schöner Ansatz, weil das Format gut in der Hand liegt und sich leicht blättern lässt. Das Problem dabei ist allerdings, dass es sich natürlich um eine verkleinerung des eigendlichen US-Comicformates handelt. Dies kann auch weiterhin kritisch beäugt werden und ist letzten Endes somit eine sehr große Geschmacksfrage.

Zur speziellen Aufmachung in diesem Fall, was Cover und „Inlay“-Seiten betrifft bemerkt man aber eindeutig den sehr hohen Anteil der Cooperation mit der durchaus passenden Erotik-Seite Suicide-Girls. Das Cover zeigt die Rückansicht auf das Hinterteil einer weiblichen Person im SG-Merchandising (hierbei in Form eines Slips.) Und natürlich soll diese mit Küchenmessern bewaffnete Dame Cassie sein. Die Inlay-Seiten zeigen nämlich in einem Layout, das der optik eines analogen Kleinformat-Films Nachempfunden wurde, die Bilder eines entsprechenden Photo-Sets im Stil der Suicide Girls, welches unsere Heldin nach getaner Arbeit in einem Waschsalon zeigt. (Und ja: Sie schneidet sich die Blutgetränkte Kleidung dabei direkt vom Laib. Man sieht also alles Notwendige. ^^ )

Fazit

Ich habe ja bereits meine Grundlegende Kritik an der in dieser Serie vorkommende Missinterpretation der Slasher als untote Wiedergänger in meiner Rezension zum ersten Band geäußert. Und diese bleibt natürlich auch weiterhin bestehen. Aber, wenn man darüber hinwegsehen kann handelt es sich bei Hack/Slash auch weiterhin um eine sehr lonenswerte Comic-Serie, die im hier präsentierten Format sowohl für sich selbst stehend, wie auch als düsterer Buffy-Ersatz einfach nur hervorragende Arbeit macht. Die Zeichnungen sind Solide, auch wenn der Stil in manchen Fällen nicht jedermann zu gefallen scheint, wobei hierbei eher die zuweilen ein wenig von der Grundstimmung der Geschichten her zu hell und fröhlich wirkende Koloration eher das Problem ist, als die tatsächliche Arbeit der Zeichner und Inker.
In meinen Augen bleibt Hack/Slash auf jeden Fall einer der kleinen „Leckerbissen“, von denen bis jetzt zu viele angekündigte Projekte leider noch nicht Umgesetzt worden sind. (Von der Verfilmung hört man seid einer halben Ewigkeit nichts mehr und was Eden Studios aus ihrer Lizenz machen wollen ist mir auch absolut unklar.)

Freitag, 5. September 2014

Vreitag: Vlogtaculum Sep. 2014

Ich bastle gerade an meiner Youtube-Karriere rum, ich alte Fame-Hure und habe dafür schon seid eingier Zeit ein spezielles Format angedacht, von dem der Blog hier auch Provitieren könnte. Näheres erfahrt ihr, sobald ich mal wieder ein wenig Zeit hatte, um Meta zu werden. Solange das nicht geht: Den Auftakt des Vreitags macht mein Beitrag zum Vlogtaculum Sep. 2014. (Den ich hoffnungslos vergeigt habe. Die Schuldigen wurden aber bestraft.)

Edit:

Montag, 1. September 2014

Kübelweise Eiswasser

Ich denke mal, dass die letzte Woche einigen Leuten eine kalte Dusche beschert hat. Ja: Ich schreibe von der IceBucket-Challenge. Dieses Phänomen geht ja im Moment Viral über die Känäle der sozialen Netzwerke wie weiß was. (Zugegeben: An mir scheint der Kübel vorrübergegangen zu sein, aber Familienintern hat sich jemand der Geschichte stellen müssen.)
Grundsätzlich noch einmal die entsprechende Zusammenfassung: Die ganze Geschichte macht auf das bislang tötlich verlaufende Nerfenleiden Amyotrophe Lateralsklerose aufmerksam. Dabei verläuft das ganze unter folgenden Spielregeln: Entweder man spendet an die ALS Association einen Beitrag von 10 Dollar (in unserem Sprachraum dann natürlich 10 Euro... wir Europäer sind schließlich deutlich reicher als die Amerikaner) und kippt sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf. Dafür darf die entsprechend bewässerte Person dann drei oder mehr weitere Personen bestimmen, die sich ebenfalls dieser Challenge stellen sollen. Der Trick bei der ganzen Geschichte ist, dass man sich aus der Angelegenheit freikaufen kann, so man bereit ist, anstelle von 10 €/$/(macht Japan mit? Wiviel währe der Preis in Yen?) den zehnfachen Betrag, also einhundert Euro zu spenden.
Als Beweiß des eigenen Mutes wird nicht nur die Behauptung online gestellt, dass man sich den Eiskübel angetan hat, sondern auch eine Video-Aufname gemacht, die entsprechenden Vorgang des Nerfenschocks dokumentiert.
Und da kommt dann entsprechend der Witz ins Spiel, dass sowohl Prominente als auch Privatpersonen sich diesem Umstand stellen: Beispielsweise haben größen wie Amanda Palmer, Neil Gayman,George R. R. Martin oder auch Stephen King sich den Kübel über den Kopf gießen lassen. (Und ein deutscher Autor, dessen Video ich gerade nicht mehr wiederfinde.)
Im kleinen sind aber auch unzählige "normale" Personen oder halt auch bloggende Wesenheiten wie die Zeitzeugin oder die Chaosmacherin in die Dusche getreten. (Ich bin mir gerade nicht ganz sicher, wo ich LeFloid, die ewige Quatschnase unterbringen soll.)
Und das eine mysantrophe, selbstherrliche Person wie die Bundeskanzlerin natürlich mal wieder untermauert, dass sie alle Menschen hasst, sollte auch nicht weiter verwundern.

Anyway: Der Umstand, das man sich selbst vorrübergehend freiwillig einem Schock des eigenen Nerfensystems auf sich nehmen, der für sich selbst auch noch mal zum Exitus führen kann, wird sehr unterschiedlich aufgefasst. (Und das auch nicht jeder ehemalige Prominente an dieser Challenge teilnehmen sollte dürfte uns nur all zu bewusst sein, die wir in den 80ern groß geworden sind.)

Während der Postillion sich um die sinkenden Eisvorräte Weltweit sorgen macht, äußern einige andere Stimmen sich kritisch, wie man es nur wagen könnte einen Eimer Wasser sich über den Kopf zu gießen, während in Afrika Menschen verdursten. (Nur zur Erklärung: Der Postillion ist eine Satire-Seite. Aufreger bezüglich der schlechten Recherche solcher Artikel müsst ihr an die Bild schicken, die behaupten die Wahrheit zu schreiben. Der Postillion erfindet sowas frei Haus und gibt es auch offen zu. Der zweitere Punkt kommt noch, wenn ich zu meinem Ende hier langsam schreite.)

Zum Schluss hat mich ein Kommentar von Titus Dittman auf Facebook ein wenig nachdenklich gemacht. Er wolle die Position, hinter der er stehe nicht "verwässern". Zugegeben: Hier haben wir jemanden, der wirklich aktiv etwas im sozialen Bereich tut, und dessen Äußerung man nicht mir nichts dir nichts so wegwischen kann, aber ich nutze den deutschen Skatepabst nicht, um ihn hier durch den Schmutz zu ziehen, sondern um ein paar andere skeptische Äußerungen, die mir von weniger prominenten Personen zu Ohren gekommen sind und die einen ähnlichen Wortlaut auf die eine oder andere Weise nutzten, dabei aber eine andere Intention hatten noch einmal zu durchforsten.

Das Problem, dass sich mir nämlich gerade stellt ist folgendes: Der kritische Basiskommentar hinter solchen Aussagen (und dem Vergleich mit der Bierchallenge) ist der, dass die Ice Bucket Challenge als Hype nur deshalb betrieben würde, um ein sehen und gesehen werden daraus zu machen. Sprich: Eigentlich sei es ein soziales Ereignis, dem nur der wohltätigkeitsaspekt aufgepropft wurde. (Und bei dem die meisten gar nicht wissen, was sie da eigentlich anstellen.)
Wenn man jetzt willkürlich einzelpositionen aus der breiten Masse der Ice Bucket Challenges herauspickt, stimmt das sogar. Aber, wenn man genauer hinsieht gibt es immer wieder einzelne Personen, die nicht nur auf das Ereignis Ice Bucket Challenge hinweisen, sondern auch darüber hinaus den Hintergrund erneut aufgreifen. (Für Erklärungen ist also im Grunde gesorgt.)

Der zentrale Punkt, der die meisten hinter der Ice Bucket Challenge darüber hinaus stört ist vermutlich aber auch, dass hier ein Großereignis für einen längeren Zeitraum geschaffen wird, das aus subjektiv unhabhängigen, fraktalen Einzelereignissen besteht. (Man "erlebt" hierbei nicht ein einziges Ereignis in der Rückschau, wie es normalerweise im Zusammenhang mit Wohltätigkeitsereignissen stattfindet, sondern der gleiche Moment wiederholt sich wieder und immer wieder. In viraler Vermehrung über die Timelines von Twitter und Facebook verbreitet.)
Der Punkt der mir dabei auffällt ist eigentlich folgender: Wenn wir die Kritikpunkte einer verwässerten Aussage in Kombination mit dem gerade beschriebenen Zusatzmomenten und dem zu erziehlendem Zweck aufwiegen: Was bleibt letzten Endes eigentlich anderes übrig als die Ice Bucket Challenge mit einer Wohltätigkeitsgalaveranstaltung gleichzustellen?
Grundsätzlich laufen solche Galaveranstaltungen nämlich unter den gleichen Gesetzmäßigkeiten ab: Es gibt Kosten für die Ausrichtung der Veranstaltung, die dem betroffenem Endzweck ebensogut hätten zu Gute kommen können. Aufgrund von Pressemitteilungen wird nicht über die Veranstaltung als solche berichtet, sondern eher über die Gäste, so das entsprechende Ereignis wert auf Prominenz legt, in welcher Größe auch immer, die für die Regenbogenpresse von Bedeutung ist. (Sehen und Gesehenwerden sind also deutlich zentraler im Vordergrund einer solchen Veranstaltung, als es der vermeitliche Zweck dahinter dann tatsächlich ist.) Der einzige Unterschied zur Ice Bucket Challenge im Vergleich zu einer Wohltätigkeitsgala liegt in dem temporär konzentrierten Augenblick des entsprechenden Ereignisses. Und in dem dadurch auch entstehenden Moment konkreter, ästhetischer Forderung nach "angemessem" häßlicher Bekleidung. (Ihr wisst schon: Kragen, Sackos und kastrierte Henkersstricke.) Eben alles, was einen konservativen Geist ausmacht, um sich "wichtig" zu fühlen.

Das, was die fraktalität des Ereignisses Ice Bucket Challenge jetzt dem entgegensetzt (und dadurch wieder einmal die tatsache Untermauert, dass es keine Leitkultur eines selbsterklärten Mainstreams wirklich gibt, sondern nur eine subjektgebundene soziokulturelle Einzelästhetik unter vielen) ist die Tatsache, dass die Fraktalität der Einzelaugenblicke keinen Einblick in eine soziokulturelle Einzelgruppe gibt, die ein wie auch immer geartetes "Wir"-Gefühl verzweifelt zu propagieren versucht, sondern tatsächlich individuelle, ästhetische Momente einzelner Subjekte präsentiert, die auf diesem Weg ein Spiel mit ihrer jeweils eigenen Symbolik betreiben. Amanda Palmer bleibt in ihrem Video vollständig bekleidet. Neil Gaiman schreitet einen Strand entlang und reicht unterschiedlichen Inkarnationen des Todes seine Kleidung, bis er bereit ist vor seinen Schöpfer zu treten... oder halt eben eine kalte Dusche zu empfangen. Die Zeitzeugin bleibt vollkommen nüchtern und reduziert sich ohne jegliche Albernheiten auf den einen kleinen Moment in der Dusche. (Und wenn man weiter sucht stellt man sehr schnell fest, dass einige Leute mehr mit genau diesen kleinen Elementen jeweils spielen und sie für sich zunutze machen.)

Die Basiskritik an der Ice Bucket Challenge als solcher lässt sich also nur dadurch erklären, dass hier wieder einmal reines Beißverhalten ausbricht, sobald die entsprechende Hoffnung unterminiert wird, dass eine bestimmte Subkultur ganz bestimtmer Individuen sich wieder einmal als nicht dominant präsentiert. (Wer sich jetzt davon angesprochen fühlt, darf das gerne für sich entscheiden: Ich bin es nur langsam leid ständig zu wiederholen, dass soziokulturelle Bewegungen auch dank unserer zunehmend beschleunigten Gesellschaft ein immer stärkeres Standbein besitzen.)

Die Ice Bucket Challenge hatte einen unglaublichen Erfolg, so das man jetzt mittlerweile nachsehen sollte, welche Organisationen sie neben der ALS Association eventuell mit dem Thema beschäftigen. (Die dürfte dieses Jahr nämlich schon lange nicht mehr wissen, was sie mit den ganzen Geldern anstellen soll und dementsprechend vorrübergehend ein klein wenig gelähmt sein.)

EIn anderes Thema ist der Umstand, dass man sich nach der Ice Bucket Challenge etwas neues einfallen lassen muss, um mit etwas ähnlich Prominetem ins Gerede kommen zu können. Denn leider hat das Internet dann doch eine gewisse, postmansche Sensationsgier in sich, die irgendwie befriedigt werden können muss.