Dienstag, 24. September 2013

Rezension: Pathfinder Abenteuerpfad: Scherben der Sünde (Der zerbrochene Stern: Abenteuerpfad Teil 1 von 6)

Cover: Scherben der Sünde
Der zerbrochene Stern Teil 1 von 6

Verlag: Ulisses Spiele
Mit „Der zerbrochene Stern“ veröffentlicht Ulisses Spiele so etwas wie einen eigenen, kleinen Jubiläumserfolg der deutschen Pathfinder-Übersetzung. Wie im Vorwort groß verkündet wird handelt es sich hierbei um die 25ste Veröffentlichung des Konzeptes Abenteuerpfad, soweit es uns hier in Deutschland betrifft.

Dafür hat man sich etwas besonders herausgepickt, das man in gewisser Weise – hier ein kleines Wortspiel – als Zirkelschluss betrachten mag. Und zwar spielt die Handlung des Abenteuerpfades erneut in Varisia . (Ob man in diesem Zusammenhang jetzt von „alle Wege führen nach Varisia“ umschreiben soll, oder mit „Varisia sehen und sterben“, sei erst mal jedem selbst überlassen. Als Handlungsort hat Paizo mit Varisia die Abenteuerpfade begonnen und Ulisses zelebriert diesen Umstand jetzt in diesem Zusammenhang nochmal.)

Doch genug in diesem Zusammenhang von dem Meta-Hintergrund des Produktes. Sehen wir uns einfach erst einmal das gesamte Spiel hierbei an.

Das Abenteuer des Bandes Der Zerbrochene Stern ist wie so oft für Startcharakter der ersten Stufe ausgelegt, die sich im Verlauf des Abenteuers bis kurz vor die 5te Stufe hocharbeiten sollen.

Innerhalb dieses Bandes bewegen sich die Charaktere größtenteils durch Teile der Stadt Magnimar. Sie alle sollen dabei Mitglieder einer Loge der Gesellschaft der Kundschafter sein, der sie in diesem Fall noch nicht lange genug angehören, um sich einen Namen gemacht zu haben.

Diese Chance bietet sich natürlich in dem Augenblick, wo sie im Auftrag eines Höherrangingen Mitgliedes dieser Gruppierung Namens Scheila Heidemark eine vermisste Doppelagentin wiederfinden sollen, welche im Auftrag der Gilde der Kundschafter die Turmschwestern, eine Gruppe der Sczarni, einer örtlichen Schurkenorganisation, unterwandern soll.

Was als Suche nach einer Vermissten beginnt und dabei durch die untiefen der Gesellschaft Magnimars führt, welche allerlei skurrile und abstoßende Individuen beinhaltet, entwickelt sich schnell zur Schnitzeljagd, in der es um die Suche nach verschiedenen Artefakten geht, welche nur Teile eines größeren Ganzen aus längst vergangenen Tagen sind, und ihren jeweiligen Besitzer nicht unbedingt in seinem besten Licht dastehen lassen.

Dabei stellt das große Finale natürlich einen größeren Dungeoncrawl in bis dahin unbekannten, geheimen Gewölben dar, die sich irgendwo unter der Stadt winden und mit allerlei Viehzeug eine Herausforderung darstellen.

Gefolgt wird das Ganze von einer NSC-Gallerie, in der die wichtigsten NSC innerhalb dieses Abenteuers mit ihren Fähigkeiten und Beweggründen dargestellt werden. Das gleiche gilt für die üblichen, nicht zu geizig gesäten besonderen Gegenstände, welche die SC während des Abenteuers aufsammeln könnten.

Wichtig neben dem eigentlichen Abenteuer wird da eher das darauf folgende Kapitel „Der zerbrochene Stern“, welches über den Hintergrund des Sihedron aufklärt. Eines Sternförmigen Artefaktes, das vor langer Zeit im Königreich der Azlanti geschaffen wurde und die „Sieben Tugenden der Herrschaft“ widerspiegeln sollte. Da das Ziel des gesamten Abenteuerpfades das Zusammenfügen der einzelnen Scherben dieses Artefaktes ist, wird hier in sehr ausführlicher Weise darauf eingegangen, was die einzelnen Scherben sind, welche Effekte sie haben, und was unter bestimmten Zusammenhängen das für die SC bedeutet.

„Alte Freunde“ ist schließlich der unausweichliche erste Teil der üblichen Kurzgeschichten Sammlung, welche sich durch alle Abenteuerpfade zieht und nur dann komplett gelesen werden kann, wenn man alle 6 Bände in seinem Besitz hat. In diesem Fall geht es um die Erlebnisse einer Elfin, welche inmitten von Magnimars Hafen eine gnomische Bekannte wieder antrifft, die Ärger bedeutet.

Das Bestiarium enthält diesmal den Agathion Bischof, einen Fischmenschen; die Fleischbrut, ein Monster das nur aus Maul und Beinen zu bestehen scheint; das Melfeschmonster, eine bizarre,

pflanzenartigen Kreatur mit glühend roten Augen und verkrümmten Gliedmaßen
; den Skvander, ein Chimäre aus Hase und Auerhuhn; den Wolpertinger, der Aussieht wie ein Hase, der riesige Schwingen besitzt und darüber hinaus mit Reißzähnen und einem Hirschgeweih ausgestattet ist; sowie den Snoligoster, der eine Art zyklopische, fliegende Echse zu sein scheint.

Die Geheimnisse der Vergangenheit ist schließlich ein reiner SL-Teil. Hier werden die Hintergründe der Ereignisse des Abenteuerpfades noch einmal mit zusätzlichen Informationen aufbereitet, die allesamt unter den grundsätzlichen Begriff „das ist wirklich passiert“ fallen und damit für Spieler langfristig ein Problem werden, wenn sie nicht getrennt abgehandelt werden.

Den Abschluss bilden dann wieder einige Karten und ein kurzer Ausblick, was die Runde im nachfolgenden Band erwarten wird.

Das alles ist dabei auf einem Umfang von 96 Buchseiten enthalten. (Auch wenn die PDF-Datei selbst faktisch 100 enthält. Hierbei handelt es sich um die üblichen, unterschiedliche Seitenzählung, die dann zum Tragen kommt, wenn zusätzliche Layout-Geschichten Sinnvoll untergebracht werden.)

Optisch muss man „Der zerbrochene Stern“ aber wieder einmal hervorheben: Die hier präsentierte Auswahl an Illustrationen gehört zu den Runderen der Pathfinderserie, was heißt, dass sie stilistisch wie aus einem Guss wirken, fast so als kämen alle Bilder aus derselben Quelle.

Das sonstige Layout entspricht dem gewohnten Pathfinderstandart, der irgendwo zwischen einem Used-Look alter Seiten und der seltsamen Verzierung von Motivtapete liegt.

Und wie immer gilt das, was man an den Ulisses-PDFs hervorheben muss: Die Tatsache, dass der DRM-Standard „soft“ gehalten ist, was dafür sorgt, dass man die notwendigen Passagen für die jeweils eigene Aufbereitung, sei es als Spieler oder Spielleiter, direkt aus der Datei herauskopieren kann. (Ich kann diesen Punkt gar nicht häufig genug betonen.)

Fazit

Ich muss gerade ein wenig überlegen, wie ich dieses Abenteuer angehen würde. Grundsätzlich mag ich die Idee einer scheinbar eher „lockeren“, eindeutigen Zielsetzung, wie es das Jagen nach Fragmenten hier darstellt eigentlich schon. Es verspricht erst mal nicht zu viel politisches Ränkegeschmiede zu werden, wie es Teil zuletzt ein Teil von „Der Preis der Niedertracht“ als mitschwingendes, zentrales Nebenelement war. Ob der Abenteuerpfad diesen Punkt halten kann, muss man natürlich erst einmal Abwarten. Die Auftraggeberin „droht“, dass es ein wenig in diese Richtung gehen könnte.

Als besondere Stärke muss man hierbei allerdings etwas anderes betonen: Die Autoren haben eindeutig einen hohen Mut zur Hässlichkeit bei sehr vielen NSCs eingebaut. Gerade dies dürfte zu ein paar Äußerst interessanten Szenen führen.

Der Rest ist dann natürlich „normales Handwerk“. Wir haben hier die übliche Anhäufung von Monstern/Gegnern in (dunklen) Bauwerken. Das ist das, was man bei Pathfinder erwartet und daher auch mehr oder weniger einfordert. Man kann sich also dementsprechend an diversen Stellen austoben, wie man will.

Insofern stellt der „Zerbrochene Stern“ erst einmal einen sehr schönen und vielversprechenden Auftakt für einen Abenteuerpfad dar, der verspricht Spaß machen zu können, auch wenn er in diesem Abschnitt noch nichts vorweist, dass ihn Außergewöhnlich macht. Aber das ist auch nichts, was immer sein muss.

Mittwoch, 11. September 2013

Shadowrun 5: Pegasus macht eine Kampfansage.

Shadowrun 5 Grundregelwerk Cover
Pegasus Spiele
Irgendetwas läuft gerade ein wenig seltsam. Das Shadowrun 5 kommen soll ist ja nichts neues mehr. Die Nachricht hat schon seit ein paar Monaten durch die Foren gegeistert und damit mehr oder weniger große Begeisterungsströme verursacht.
Bisher schien dabei aber alles noch „ganz in Ordnung“ zu sein. Vor allen Dingen wenn man bedenkt, dass schon seid der RPC da draußen das Preview-Regelwerk rumgeistert, dass dem einen oder anderen Interessenten sicherlich ein wenig Einsichten in das Ganzen gebracht hat.

Jedoch scheint sich wohl die Pessimismus-Welle irgendwie dabei vergrößert zu haben. Oder aber es steht irgendetwas im Bereich Shadowrun 5 bevor, dass einigen Spielern nicht gefallen wird.
Pegasus Spiele haben heute jedenfalls unter dem Titel „Alles hat seinen Preis“, eine kleine Ankündigung für die Spiel '13 in Essen gemacht: Scheinbar wird das Grundregelwerk zu einem Preis von gerade einmal 19,95€ veröffentlicht werden. (Eine fast schon handelsübliche „limited Edition“ ist auch schon angekündigt, die dann etwas teurer wird.)
Um das ganze eingeordnet zu kriegen habe ich mal eben mein eigenes Shadowrun 4-Grundregelwerk rausgesucht: Die Friedberger haben demnach ihren Preis für die kommende Edition halbiert.

Jetzt könnte man natürlich Annehmen, dass dabei dann auf der anderen Seite irgendetwas eingespart würde. Sei es jetzt eine Rückkehr zum SW-Druck oder eine Halbierung der Seitenzahl. (Alternativ auch eine Taschenbuch-Bindung.) Laut Pressemitteilung ist da aber nichts dergleichen: Mit 488 Seiten sind es sogar mehr Seiten als in der letzten Edition und es bleibt beim bereits bekannten Vollfarbdruck im Hardcover. Falls sich das Ganze also nicht noch als verfrühter oder verspäteter Aprilscherz bewahrheiten sollte bin ich gespannt, was da jetzt als nächstes kommen wird: Eine Marktbereinigung dürfte der Szene wohl kaum gut tun. Auch wenn Shadowrun ziemlich allein in seinem Genre steht. (Seien wir Ehrlich: Frostzone, das als Einziges in eine ähnliche Kerbe schlägt, wurde an jeglicher Spielbarkeit vorbeidesighnt.)

Seien wir Ehrlich: Nach Jahren, in dehnen man uns Vorgejammert hat, dass solche Bücher ihren Preis kosten würden, wird ein solcher Kampfpreis rausgehauen? Wenn das nicht eine direkte Kriegserklärung an alle anderen Verlage in der Szene ist, dürften wir auf lange Sicht ein Problem als Kunden bekommen, wenn das geflügelte Pferd die bisherigen Kosten wieder reinbekommen will: Ein solcher GRW-Preis ist vermutich mit dem zu vergleichen, was in der Regel über den Konsolen-Markt erzählt wird: Nämlich das die Konsolen slebst für die Hersteller ein Verlustgeschäft sind, das sie anschließend mit überzogenen Spielepreisen wieder reinzuholen versuchen.

Ich bin gespannt, was da auf uns zukommen wird. Allerdings bleibt mein Gefühl bestehen, dass da irgendetwas nicht stimmen kann.

Der Duisburger David


Ich sah mich gründlich um. Die Steingebäude waren schlicht und kubisch, aber verziert mit Säulen, Portiken und Basreliefs. Die meisten der letzteren zeigten Götter, Monster und Leute, die Schweinereien miteinander trieben. Mitten auf dem Platz stand ein ganzer Haufen überdimensionierter Statuen, die entweder die lokalen Götter und Göttinnen oder idealisierte Männer und Frauen darstellten, die meisten davon nackt und alle bunt bemalt. Ich gab meinem Erstaunen darüber Ausdruck, und Suzie verfiel sofort wieder ins Dozieren.
Simon R. Green: Spur in die Vergangenheit. Geschichten aus der Nightside Band 5

Wenn ich schon mal dabei bin über Kunst und ihre Möglichkeiten zu schreiben, kann ich das auch direkt richtig machen. Und warum ich dazu Greens Helden John Taylor bei seinem Trip durch die Zeit bemühe dürfte klar sein, sobald ich ein wenig ausgeholt habe, warum dieser Artikel jetzt zustande kommt. Ich fahre seid ein paar Jahren am liebsten mit den öffentlichen Verkehrmitteln. Die stärkste Antriebskraft ist dabei natürlich die Bahn, weil sie die beste Verbindugen einem bietet, wenn man zwischen den größeren Städten in NRW hin und her pendelt. Dabei hat man (zumindest in der 2ten Klasse) die Chance, das ein oder andere Gespräch zu belauschen. (Das muss nicht immer etwas Weltbewegendes sein, aber manchmal ist es dann doch recht interessant, was einzelne Personen jeweils so denken.)
Hans-Peter Feldmann: David (2006)
Foto: Hauke Weymann


In dem Beispiel, das ich jetzt gerade als Anstoß für diesen Artikel nutzen möchte, ging es um die David-Skulptur des Künstlers Hans-Peter Feldmann vor dem Lehmbruck-Museum im Duisburger Kantpark. Diese Skulptur wurde im April 2010 dort aufgestellt und hat (anscheinend) für ein ähnlich großes Aufsehen dabei gesorgt, wie es schon Nicki de Saint Phalles „Live Safer“ tat, der seid 1993 in der Duisburger Innenstadt steht, und mittlerweile ein Objekt ist, zu dem die Duisburger eine gewisse Hass-Liebe entwickelt haben.
Ich will hier jetzt natürlich nicht einen längeren Rant dazu verfassen, wie Kultur-Banausen nur eine solche Skulptur in Frage stellen können. Das Kunst nicht jedem liegt, ist mir schon länger bewusst. Die Ablehnung in dem Zusammenhang mit dem David bezog sich allerdings eher auf die Tatsache, dass ein nackter, bunt angemalter Mann da in der Innenstadt stünde und keiner wirklich wüsste, was es damit auf sich hat. (Ganz davon zu schweigen, dass man im Falle von Nacktheit doch viel besser eine Frauenfigur hätte nehmen sollen.) Im Grunde lautete die Kritik der kleinen, streitenden Gruppe gob wiedergegeben folgendes: Es ist nichts neues, es imitiert ja „nur“ etwas alt hergebrachtes, es sei teuer gewesen und im Grunde ist es (wegen der Männerfigur) auch noch eine Beleidigung fürs Auge.

Und an dieser speziellen Stelle muss ich jetzt aussteigen, was die ästhetische Wahrnehmung der Duisburger betrifft, und dazu übergehen, was hier eigentlich vorliegt. Wie ich bereits in meinem Startartikel zur geplant fortlaufenden Serie über die Kunst im allgemeinen habe verlauten lassen, vertrete ich durchaus eine Rezipienten einbeziehende Kunstthese. Eine solche Theorie, die den Rezipienten als Kunst erfahrenden Teil in der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk begreift, hört an dieser Stelle aber nicht auf. Vielmehr ist auch der Künstler als Produzent von Artefakten der Kunst jemand, der mit einer solchen Position rechnen kann (und damit zum Teil auch muss.)

David von Michelangelo
Foto: Rico Heil
Lizenz: GNU-FDL
Die Originaldatei ist hier zu fidnen.

Und hier kommt es jetzt zu einer gewissen Arbeitshypothese für diesen Artikel im Fortlaufenden: Wenn der Rezipient in der Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk sich selbst mit einbringt, dann will der Künstler natürlich auch dem Rezipienten etwas geben, mit dem er über sich selbst nachdenken kann. Und das ist (denke ich) ein sehr guter Ansatz, um den Duiburger David zu erklären. Denn der Vorwurf des „nichts Neuem“ meiner duisburger Mitreisenden muss man als taktisch kluge Maßname Seitens Feldmanns. Wenn wir nämliche über „klassische“ Skulpturen reden, müssen wir eine gewisse Kenntnis des Objekts voraussetzen. Das heißt, es muss eine Skulptur sein, welche dermaßen berüchtigt ist, dass sie selbst zu einer Ikone der Unterbewussten im Laufe der Jahrhunderte geworden ist. Im besten Falle ist das gerade einemal der David, den Michelangelo zwischen 1501 und 1504 in Florenz anfertigte. Das besondere an dieser Skulptur ist, dass sie im Vorstellungsrahmen an „alte“ Vorbilder aus der Antike angelehnt ist. Sie ist daher das Ideal der Kunst der Renaissance, wenn wir einen Stellvertreter für deren Überzeugungen heranziehen müssen. Die Renaissance sah ihre Aufgabe darin, die Ideale der Antike wiederzubeleben, was Wissenschaft und Kunstfertigkeit anbelangte.
Jetzt ist natürlich folgendes dabei zu beachten: Zwischen der Antike und der Renaissance lag das Mittelalter. Ein ziemlich langer Zeitraum, in dem viel an Wissen und Kenntnis verloren gegangen war und dementsprechend erst einmal wiedererlangt werden musste. (Für die Wissenschaften – allen voran die Philosophie – war der Auslöser dabei die Zugänglichkeit des Wissens, welches im byzantinischen Reich überlebt hatte. Die letzten Kopien alter Schriften waren dort gelagert gewesen und es hatte zumindest unter den Byzantinern einen regen kulturellen Austausch über diese Schriften auch weiterhin gegeben.)
Im Falle der Kunst war die Sache ein wenig komplizierter. Man konnte nur aufleben lassen, was man sah. Und zumindest im Rahmen der Bildhauerei war das ein ungeheurer Kult der (zumeist männlichen) Körperlichkeit. Dafür orientierte man sich an den Skulpturen und Plastiken, welche für die Verehrung der Götter zumeist errichtet worden waren. Und diese Skulpturen bestanden zu dem entsprechendem Zeitpunkt aus naturfarbenem Stein. (Zumeist wurde Mamor aber bereits in der antike Eingesetzt.) Für den Geist der Renaissance galt also, dass man neben dem Ideal des menschlichen Körpers auch die Erhabenheit des Materials hervorheben musste, um den Geist der antike zu zelebrieren. Diese Erhabenheit entsprang der (nach damaliger Ansicht) reinen Weiße des Mamors. Michelangelo fertigte also einem nach seinem Verständnis nach perfekten Mann, der die Ideale seiner antiken Vorbilder wiedergab. Diese Idee des erhabenen, weißen Mamors hat sich als Ideal bis in unsere Zeit rübergerettet und wurde dabei von den unterschiedlichsten „unfehlbaren“ Autoritäten wieder und wieder bestätigt. (Meines Wissens nach soll auch der olle Ghoete nach seiner Italienreise in das entsprechende Horn geblasen haben. Und das man Ghote nicht anzweifeln oder gar kritisieren darf haben wir alle während unserer Deutschkurse nur all zu schmerzlich erfahren müssen, oder?)
Fakt ist also, dass sich hier ein Mem durch unsere Kulturgeschichte geschlängelt hat, das unsere Sicht und unsere ästhetisches Empfinden bis heute fast schon reflexartig geprägt hat. (Und wer dieser Idee wiedersprach musste sich solange Vorwürfe anhören, bis er gefälligst dran zu glauben hatte. Zur Not weil doch solche eindeutigen Autoritäten wie Ghoethe nicht Lügen würden.)

„Wir“ (selbst Heute noch) erwarten also, dass eine auf antik getrimmte Statue verfickt nochmal weiß zu sein hat. Das sehen wir ja sogar in den alten historien Streifen, die in den 80ern noch verstärkt im Fernsehen liefen. (Aber wohl selbst aus den 70ern dann stammten.)
Richtig?

Tja, ganz so einfach ist das natürlich nicht. Denn während unsere Popkultur noch fröhlich die Erhabenheit der Weiße zelebrierte stritten die Archäologen bereits seid dem frühen 20sten Jahrhundert über Erkenntnisse, die im später 19ten Jahrhundert gemacht worden waren: Da hatten nämlich ein paar Chemiker an weniger sonnenanfälligen Stellen einiger Statuen Pigmentspuren entdeckt, die eindeutig mit absicht da angebracht worden sein mussten. In den wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird dieser Diskurs gemeinhin als „Chromatographiestreit“ geführt.
Aus der Sicht eines Fachmanns eröffnet sich das Ganze heute folgendermaßen: Die antiken Tempelanlagen waren nicht von einem strahlenden Weiß erfasst, sondern viel mehr (schon allein aus praktischem Nutzen) in schreiend bunten Farben geziert gewesen. So wie wir heute Gartenmöbel aus Holz mit einer Lasur gegen die Witterung schützen, versahen die antiken Griechen und später auch die Römer in deren Nachfolge, ihre heiligen Städten mit einem farbigen Anstrich, der regelmäßig erneuert werden musste, damit es „nach etwas aussah“ und die Statuen eben erhalten blieben. Diese Tradition der Farbigkeit rettete sich (und hier schließt sich der Kreis) ins byzantinische Königreich als letzte Außenstelle des alten Roms.
Warum? Nun, irgendwann in der Mitte des 20sten Jahrhunderts (ich kann leider zur Zeit nicht genau feststellen wann) gab es einen kleinen Zusammenschluß von Architekten und Archäologen, die in einem rein praktischen Ansatz versuchten nach diesem rekonstruiertem, antiken Vorbild entsprechend ein paar entwürfe farbiger Häuser im antiken Stil nachzuempfinden. Die entsetzte Reaktion der Verfechter der „Reinheitsthese“ soll damals gewesen sein, dass diese Entwürfe ja alle so „orientalisch“ Aussehen würden. Die Farbigkeit des alten Roms ist also ein antiker Exportschlager geworden, der bei der Eroberung Byzanz übernommen worden ist.

Der Duisburger David stellt demnach also unsere Erwartungshaltung in Frage und erinnert uns daran, dass unser „antikes Ideal“ eigentlich nur ein sehr renaissanistisches Abziehbild reinen Missverständnisses ist. Wir müssen uns also auf unsere eigenen Geschmacksvorlieben dabei berufen und können nicht die Autoritäten jahrtausendealter Traditionen vorschieben, was die Frage nach der Weiße des Mamors anbelangt.

Simon R. Green ist daher eine ziemlich lustige Entdeckung meinerseits, weil er Eine der ersten popkulturellen Persönlichkeiten ist, die sich mit einem leicht sarkastischen Tonfall genau dieses Phänomens eines tradierten Fehlurteils angenommen haben.

Und um jetzt nocheinmal aus meiner persönlichen Perspektive das ganze Abzurunden: Natürlich ist eine solches Detail Ideal fürs Rollenspiel geeignet, um damit zu arbeiten. Auch wenn man dafür in bestimmte, spezielle Faktoren eingehen muss.
Zur Erklärung: Ich bin jetzt seid einigen Jahren aktiv in einer Live-Domäne nahc dem Hintergrund von Vampire the Masquerade unterwegs. Während dieser Spielzeit haben sich einige, zum Teil sehr skurile Verbindungen zwischen einzelnen Charakteren ergeben. Man muss dabei hinzufügen, dass mein Malkavianer vom Hintergrund her auf die eine oder andere Weise natürlich danach geschriehen hat, „etwas“ mit Clan Toreador zu tun zu haben. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, aber während dieser Zeit haben sowohl mein Charakter, als auch eine unserer Torris eine sehr enge Bindung zu einem speziellen Gebäude in Münster gehabt. Jetzt ergab es sich, dass die Torri IT die Staute eine barbusigen Venus von einem Ventrue geschenkt bekommen hatte, die sie anschließend in den Hinterhof des entsprechenden Gebäudes positioniert hatte. Diese Statue störte aus zwei Gründen natürlich meinen Malk-Kunsthistoriker: Sie war zum einen häßlicherster Kitsch. Zum anderen aber war sie „historisch Inkorrekt“. Gegen die Anwesenheit der Statue konnte er natürlich nichts unternehmen. Wohl aber gegen die historischen Fehler. Und so ergab es sich, dass in einer Nacht und Nebelaktion eine auf antiken Stil getrimmte Mamorstatue in knalligen Farben seitens „meiner“ Ghoule angepinselt worden ist, die eindeutig dem antiken Geschmack entsprochen hätten. (Man muss dabei hinzufügen, dass ich selbst den Duisburger David erst deutlich später zum ersten mal entdeckt habe.)

Dienstag, 10. September 2013

Arkanil startet in die Science Fiction... und ich hab Zahnschmerzen deswegen.

Image courtesy of the Image Science & Analysis Laboratory, NASA Johnson Space Center
Der Versuch einer Erklärung.

Okay, hin und wieder kommt es, dass auch ich mal nachsehe, was mir so im „Feindesland“ alles begegnet. Das heißt dann, dass ich mich auf Blogs herumtreibe, die Thematisch zwar ebenfalls mit dem Thema Rollenspiel zu tun haben, sich dann aber verstärkt eher mit Systemen beschäftigen, die ich nur dem Namen nach kennen muss. (Ihr wisst schon: DSA und so.)

Arkanil hat mit seinem Blog ja einen solchen Schwerpunkt. (und eigentlich sagt er mir nur deswegen etwas, weil er ansonsten bei Durchgeblättert ein klein wenig etwas beiträgt.)
Soweit so gut. Jetzt hat Arkanil aber (wohl aufgrund schierer Verzweiflung, weil in den nächsten drölfzigtausend Monaten eh nichts neues über DSA zu erwarten sein wird, außer der Tatsache, das mit DSA 5 alles noch schlimmer sein wird als jemals zuvor) eine neue Serie angefangen, die sich Thematisch tatsächlich mit einem meiner persönlichen Lieblingsgenres, der Science Fiction, dreht. (Hut ab, ich werde die Sache definitiv gespannt und interessiert verfolgen, soweit ich die Zeit zum Artikel-Lesen finden kann.)

Jetzt ist es natürlich immer eine gute Idee bei einer solchen Serie erst einmal damit anzufangen, eine wenigstens grobe Definition des Themas abzuliefern. (Solche Artikel haben zwei besondere Funktionen: Zum einen schindet man Zeilen, die man als Inhalt verkaufen kann. Zum anderen, und das ist der eigentlich praktische Nutzen dabei: Ein solcher Artikel schafft mehr oder weniger eine Diskussionsgrundlage, mit der man arbeiten kann. Das heißt sowohl, dass man hier seine eigene Position in Bereich des Themas andeuten kann, aber auch, dass man ein Wenig die Schwierigkeiten aufzeigt, die eine solche Position durchaus mit sich bringt. (Letzten Endes wird man eh zwischendurch, während man die nachfolgenden Artikel schreibt hier oder da ein weiteres Problem haben, wenn man auf die Grenzbereich stößt, wo es dann Überlappungen gibt, was andere Genre zum Beispiel betrifft.)

Und jetzt kommen wir zu dem Punkt warum ich Zahnschmerzen bei dem entsprechendem Artikel habe. Arkanil pickt sich nämlich aufgrund des Problems der Wahrnehmung von Science Fiction als Science Fiction folgende Definition heraus, welche für eine Grundlage herhalten soll, die dann bei späteren Betrachtungen anders abgeklopft wird. (Respektive: Es wird versprochen, dass eine solche Betrachtung folgen wird.):
Science Fiction ist alles, was als Science Fiction veröffentlicht wird.
Norman Spinrad
Ich weiß nicht, wie viele Leute jetzt gerade ähnliche Magenschmerzen haben wie ich. Denn der Satz stimmt nur zum Teil. Von daher möchte ich hier ein wenig versuchen zu erklären, was an der ganzen Geschichte stimmt, und was eventuell ein Problem darstellt. (Zumindest aus meiner etwas spezielleren Sicht.) Also, was bereitet mir an dieser Definition über Science Fiction gerade Kopfschmerzen?
Ersteinmal: Die Aussage bezieht sich auf den Markt der Literatur, nicht aber die Literatur als solche. Das kann, solange wir über die Frage der Wahrnehmung an die Definition der Science Fiction herangehen natürlich einen gewissen Vorteil haben: Dadurch, dass der Markt von Anfang an ein bestimmtes Label auf seine Buchcover drückt, schafft er natürlich einen gewissen Abgrenzungsraum, was die Erwartungen an ein bestimmtes Buch anbelangt. In diesem Bereich wird unsere Art, wie wir etwas Wahrnehmen können sehr direkt und durchaus Praktikabel auf die Aspekte hingeführt, welche für unsere jeweilige Wahrnehmung notwendig sind.
Das Problem an einer Solchen Ausgrenzung ist aber, dass es als rein formales, von Außen an das Genre herangetragenes Label, nichts über das Genre an sich aussagt, wenn man auf den Inhalt acht zu geben versucht. Das Problem hierbei ist nämlich, dass die Science Fiction als solche ein Untergenre der Phantastik darstellt und damit häufiger in Schnittmenge mit ihren „Schwestergenren“ wie dem Horror, dem Grusel oder auch der Fantasy gerät. Insofern ist der jeweilige Versuch einer reinen „Labeletikettierung“ an sich ein ziemlich problematisches Feld. Dieses spezielle Feld geht nämlich über das Genre selbst hinaus. Und urplötzlich befindet sich die Veröffentlichungspolitik, die über das „Label“ entscheidet, in einem taktischen Spiel, das auch durch die angestrebte Zielgruppe, das Ansehen des jeweiligen Autors (wir kennen die „Notwendigkeit“ mancher Autoren unter Pseudonymen oder veränderten Namen zu veröffentlichen, wenn er in einem Genre schreibt, das nicht für seine gewöhnliche Aufgabe steht) oder auch die Frage, ob man diesem Roman überhaupt das Ansehen des Labels der Science Fiction antun möchte. (Seien wir mal ehrlich: Es gibt zwar eine ganze Menge guter Science Fiction da draußen, aber dadurch, dass diese entsprechenden Geschichten im Genre der Science Fiction erschienen sind, bekommen diese Geschichten automatisch das „Geschmäckle“ des Trivialen. Und dieser Aspekt des Trivialen an der Science Fiction ist letzten Endes historisch begründet, da der Ursprung dieser Literaturgattung in den Pulp-Heftchen des 19 Jahrhunderts zu suchen sind.)
Damit dies ein wenig verständlicher wird, muss ich noch einmal auf die Episode 16 des Ausgespielt-Podcasts verweisen: Jens macht dort auf das Buch „Das Jahr der Flut“ von Margaret Atwood aufmerksam. Seinen Äußerungen nach wurde das Buch zuerst aufgrund der Identität der Autorin von keiner Person als Science Fiction bezeichnet, da es sich hierbei um eine kanadische Literatin handelte. Mittlerweile hat sich dieser Punkt zumindest im Netz soweit verändert, dass einige Personen innerhalb der Fortlaufenden Rezeption des Romans darauf bestanden haben, das hier Inhalte der Erzählung bemüht würden, die eindeutig in die entsprechende Richtung gehen. (Ich muss mich bei dem entsprechendem Punkt auf die im Podcast dargestellten Äußerungen verlassen, weil sich zumindest mir mittlerweile halt eine veränderte Darstellung im Netz tatsächlich aufzeigt.)
Worauf ich hierbei hinauswill ist letzten Endes der Punkt, dass die Rezipienten einer Geschichte jenseits der Behauptung eines Verlages bestimmte Qualitäten und Eigenschaften an einer Story festmachen können (und müssen), welche dann für die entsprechende Schublade zu einem einvernehmlichen Einverständnis treffen können. Das heißt, der Rezipient kann sowohl an Formalen, als auch Inhaltlichen Ansätzen einen entsprechenden Geschichte festmachen, dass diese einem Genre zutreffend zugerechnet wird. Das Bedeutet aber auch, dass gerade der Rezipient, also der Leser einer Geschichte, mündig genug ist für sich selbst zu entscheiden, ob etwas das Labe der Science Fiction zu tragen. (Wenn ich auf meiner Kopie von „Huckleberry Finn“ einen entsprechendes Beschriftungsetticket „Science Fiction“ drauf kleben würde, würde das Buch dadurch ja auch nicht das Genre wechseln.)
Das an diesem Anhaltspunkt etwas dran ist kann man an einer im entsprechenden Fandom (und darüber hinaus) seid Jahren ziemlich heftig geführten Diskussion festmachen: Star Wars.
Stark heruntergebrochen gibt es hier zwei Positionen: Die eine sagt, das es Science Fiction ist, die andere sagt, dass es sich um Fantasy handelt, die lediglich zwischen die Sterne verlegt worden ist.)
Beide Positionen haben dabei durchaus ihre jeweiligen Argumente, die für die jeweilige Theorie sprechen.
Heißt das jetzt, dass wir hier stehen bleiben und Brecht zitieren? Wenn ich meinen Grundansatz für diesen Artikel hier ansehen würde, würde ich gerade beinahe ja sagen. Ich wollte ja eigentlich nur erklären, warum ich mit der von Arkanil zitierten Definition eines erstellerkonzentrierten Definition meine Probleme habe. Aber das wäre, glaube ich, auch nicht sonderlich befriedigend. Daher versuchen wir mal diesen Formalismus ein wenig aufzubohren.
Ich habe bis hierhin einiges zusammengetragen, was gegen die rein Hersteller-Konzentrierte These spricht. Aber, diese Punkte liefern durchaus ein paar Hinweise dafür, wie man eventuell dann doch hier eine Arbeitsthese für einen eventuellen Abschluss nutzen kann.
Fassen wir also mal zusammen, was wir bis hierhin aufgestellt haben an Behauptungen:

  1. Science Fiction ist ein gesellschaftlich/veröffentlichungspolitisch umstrittenes Genre.
  2. Science Fiction enthält bestimmte Qualitäten, die Geschichten für dieses Genre zugehörig erkenntlich machen.
  3. Science Fiction als Label ist für die Wahrnehmung des Genres als solches hilfreich, wird aber unter bestimmten Absichten ignoriert.
  4. Nicht nur der Autor/Verleger, sondern auch der Leser als Rezipient bestimmt, ob eine Geschichte für das Genre der Science Fiction geeignet ist.

Ich denke, dass gerade dieser vierte Punkt hierbei sehr wichtig ist. Wir lösen damit nämlich die Science Fiction von irgendwelchen Absichten, die, wie wir an der gehäuften Diskussion über Grenzfälle erkennen, letzten Endes als zutreffend akzeptiert werden müssen.
Dafür spricht gerade die Geschichte hinter dem bereits erwähnten Romans „Das Jahr der Flut“. Das Bedeutet, dass auch als Nicht-Science-Fiction-Stories veröffentlichte Geschichten aufgrund ihrer Inhalte letzten Endes nachträglich als Science Fiction erkannt werden können. (Oder auch: Anerkannt werden können.)
Was jetzt genau diese aus dem Inhalt heraus entsprungenen Eigenschaften sind, müsste man nocheinmal im einzelnen festhalten. Das Problem dabei ist nämlich gerade, dass sich die Science Fiction, sofern sie über den Label-Begriff läuft noch einmal in verschiedene Subgenres aufspaltet. (Weswegen ja unter anderem auch die Theorie existiert, dass man Science Fiction „nur“ als Meta-Genre auffassen kann.)
Der springende Punkt hierbei ist dann meiner Ansicht nach, dass Science Fiction sehr viel über die Wahrnehmung letzten Endes läuft. Sowohl die Wahrnehmung der Produzenten, aber auch die Wahrnehmung der Rezipienten.
Wenn wir also auf eine formale Definition der Science Fiction uns konzentrieren sollten, die noch nicht über inhaltliche Fragestellungen Seitens der jeweiligen Geschichten im Einzelnen arbeitet, was die speziellen „Genre“-spezifischen Tropes anbelangt, bietet sich eigentlich eher ein konstruktivistischer Ansatz an, weswegen ich jetzt eher folgenden Satz für eine solche Diskussion nutzen würde:

Science Fiction ist, was als Science Fiction wahrgenommen wird.

Ich gebe hierbei offen zu: Sowohl die Definition von Spinrad, als auch mein Versuch einer Korrektur eröffnen dem Relativismus über die Science Fiction einen nicht zu knapp bemessenen Raum. Andererseits ist mein Versuch den Rezipienten mit einzubeziehen wesentlich Ehrlicher, weil ich den Dialog bezüglich des gesamten Genres (und damit verbunden dann auch der dazugehörigen Vorläufer wie Shellys „Frankenstein oder der moderne Prometheus“) nicht ausklammere, sondern vielmehr in das Selbstverständnis des Fandoms, aus dem letzten Endes ja auch immer wieder neue Impulse kommen, mit einbeziehe. (Ich sehe die Sache nämlich aus meiner heutigen Sicht eher so: Ohne eine gewisse Faszination für das Genre und damit den mehr oder weniger stetigen Austausch mit Gleichgesinnten, können auch keine neuen Geschichten entstehen, welche jeweils mit den Visionen und Neuerungen des dazugehörigen Jahrzehnts spielen. Sowohl der Produzent, als auch der Rezipient sind also in gewisser Weise mit dafür verantwortlich, wohin die „Moden“ innerhalb der Science Fiction letzten Endes gehen.)

Donnerstag, 5. September 2013

Abseitige Orte im Rollenspiel: Orte der Kunst und was sie bedeuten.

Dieser Artikel soll eine Artikelserie begründen, die ein gewisses Problem im Rollenspiel befasst, das eine kontemporere Problematik betrifft. Auch wenn das vermutlich keiner jemals bis ins letzte Detail zugeben möchte oder würde.
Wir alle kennen Museen und Galerien. Hin und wieder suchen die Spieler-Charaktere diese Orte auf. Und dann bleibt eigentlich nur die Möglichkeit über sich über diese speziellen Dinge jeweils Lustig zu machen, oder überhaupt nichts dazu sagen zu können außer „Ja, da hängen halt Bilder und stehen irgendwelche Objekte rum.“
Kommt das jemandem Bekannt vor? Tja: Besonders im Vampire steht man spätestens mit dem Schlagwort „Toreador“ sehr schnell in der Zwickmühle, wenn es darum geht, sich zu Kunst zu äußern. (Jaja: Nicht so wichtig und Clan Toreador besteht eigetnlich nur aus untergetauchten Tzimisken.)
Doch gehen wir doch einfach mal davon aus, jemand innerhalb einer Gruppe steht ein wenig auf Ambiente-Spiel. Was macht der SL dann, wenn man einen Kunstführer im Museum ausfragt? Oder ein Galerie-Besitzer dem entsprechenden SC etwas erklären soll?
Ich denke hier könnte es dann durchaus interessant werden, ein bisschen hinter dem Schleier der Kunstwelt sich zu bewegen.
Mein Plan dabei sieht folgendermaßen aus: Ich schreibe weniger darüber, was man über ein konkretes Kunstwerk denken soll (auch wenn ich dann und wann den einen oder anderen Hinweiß zu ein paar konkreteren Individuen der aktuellen Gegenwartskunst dabei liefere) sondern ich schreibe vielmehr etwas zur Theorie, den Gedankengängen hinter den Dingen, die häufig mit dem Oberbegriff „Das soll Kunst sein?“ abschätzig zurückgewiesen werden. Ich glaube sicherlich nicht daran, dass eine solche Artikelserie automatisch das Rollenspiel einer jeden Runde revolutioniert oder auch nur am Rande den absoluten Erkenntnisgewinn in neue, transzendente Sphaeren ermöglicht. Was ich hierbei machen möchte, ist lediglich der eine oder andere Gedankenanstoß, der vielleicht dazu führt, dass man sehr spezielle Dinge einmal anders betrachtet und dadurch vielleicht die eine oder andere Szene einmal neu angeht.

Soweit interessiert? Dann werde ich ab jetzt erst einmal aus dem Nähkästchen plaudern und die ganzen unsachgemäßen Banalitäten von mir geben, die so ziemlich jeder ständig schon mal gehört haben mag, aber wohl kaum jemand dabei wirklich bis ins letzte in irgendeiner Weise Beachtung geschenkt haben mag.

Wenn ich mich also mit der Frage der Kunst auseinandersetze, kommt natürlich immer die große Frage auf: Was ist Kunst? Und damit verbunden dann in aller Polemik der Zwiespalt mit dem Kunstmarkt. Worauf ich mich hier nicht konzentrieren werde ist die Frage nach dem „Warum soll das soviel kosten?“, also das, was in der Argumentation des „Das kann ich auch.“ immer mitschwingt. Hierbei geht es eher um das „Was bedeutet mir das?“.

Und genau da liegt gerade das, was immer zu einem großen Problem wird. Die Tatsache, dass niemand sich wirklich einem ganz bestimmten Punkt stellen will. In der Kunst gibt es so gesehen keine objektive Wahrheit, was ein „Das ist Kunst“ anbelangt. Außer einem einzigen Satz: Kunst ist, was gefällt.

Hierbei muss man einen kleinen Gedankengang aus der „Kritik der Urteilskraft“ von Kant aufgreifen. Kant geht im Zusammenhang mit dem von ihm ausgedrückten Begriff der „Erhabenheit“ davon aus, dass in jedem Menschen unter ganz bestimmten Umständen etwas auf der emotionalen Ebene passiert. Das Problem dabei ist, dass jeder Mensch für den entsprechenden Gegenstand, der eine derartige Reaktion des Erhabenen ausdrückt andere Worte zum Um- und Beschreiben nutzt. Das Bedeutet, wenn man es aufs Äußerste runterbricht, dass jeder Mensch andere Emotionen empfindet, wenn er sich mit einem entsprechenden Gegenstand auseinandersetzt. Und hier kommt es zu einem entsprechenden Bruch zwischen Subjektivität und Objektivität. Objektiv ist also, dass wir im Zusammenhang mit bestimmten Gegenständen, die wir Wahrnehmen etwas empfinden. Subjektiv ist aber der Tatbestand, was wir bei der Außeinandersetzung mit diesen Gegenständen empfinden.
Dies ist der Grundlegende Gedanke, den die Ästhetik als Wissenschaft über die Kunst vertritt. Man muss sich dabei nämlich gerade im Zusammenhang mit der Kunst in der weiteren Diskussion, wie sie seit Jahrzehnten geführt wird gerade einen ganz speziellen Bereich vor Augen halten: Die Behauptung, dass es in der Kunst um „Das Schöne“ ginge, kann nicht aufrecht erhalten werden. Das sowohl mit der Tatsache zu tun, dass Schönheit an sich ein seit Jahrhunderten ständigen Modeerscheinungen und sonstigen Sichtweisen unterworfenes Phänomen ist. Und sehr viele Künstler bewegen sich auch im verlauf dieser Jahrhunderte entgegensetzt zu der Frage nach dem Schönen, indem sie mit ihrer Kunst das Hässliche ausloten. Wenn Hegel also in seiner Geschichte der Ästhetik noch von der „Wissenschaft des Kunstschönen“ spricht, wirft er letzten Endes mehr Fragen auf, als er mit dieser Aussage irgendwelche Antworten liefern kann.
Vielmehr nutzt man heute den Begriff der Ästhetik wesentlich mehr aus Sicht seiner Wortherkunft. Ästhetik leitet sich nämlich vom altgriechischen Wort der aísthēsis ab, das so viel wie „Wahrnehmung“ heißt.
Mit diesem Umgang des Begriffes ist insofern schon mal einiges Gewonnen, weil wir auf diesem Weg uns selbst verstärkt in die Auseinandersetzung mit Kunst einbeziehen.
Als Beispiel, um die ein wenig verständlicher zu machen, möchte ich die Bilder von Jackson Pollock hier erwähnen. Gerade weil jeder irgendwann in seiner Schulkarriere einmal mit ihnen in Berührung gekommen sein müsste. Und weil sie aufgrund ihrer Machart ein klassisches Beispiel des „Das kann ich auch“ sehr gut wiedergeben.
Ist man mit einem Bild Pollocks konfrontiert herrscht bei vielen Menschen ein ziemlich großes Unverständnis dafür, dass andere Menschen diese übergroßen Leinwände, die scheinbar nichts anderes als chaotische Linienkritzeleien darstellen, überaus zu schätzen wissen.
Der Punkt bei der Sache ist, dass gerade diese Linien es sind, welche die Leute auseinanderspalten. Was Pollok mit seinen All-over-Paintings nämlich umgesetzte war die Tatsache, dass er bestimmte Qualitäten des Materials, dass er nutzte, sichtbar machte. Es geht also um die Farbe als Material, die bestimmte Fließeigenschaften auf dem genutzten Material, der ungrundierten Leinwand, vorzuweisen hatte. Keine als clever empfundenen Kompositionen, keinerlei besonderer Abbildcharakter. Nur die Farbe als solche.
Das für viele Leute irritierende bei einer solchen Vorgehensweise ist, dass man Zeitgleich eine andere Herangehensweise in die Betrachtung solcher Bilder stecken muss. Ich nutze Pollock hierbei als Beispiel für eine ganze Menge Einzelpositionen, die Zeitgleich auf ähnliche Weise gearbeitet haben. Worauf ich mich hierbei beziehe ist die Tatsache, dass wir, wenn wir ein Bild betrachten normalerweise davon ausgehen, dass wir den kompletten Rahmen von Anfang bis Ende betrachten müssten, um es zu erfassen. Das es sich dabei um eine tradierte Vorstellung handelt, ist dabei nur den wenigsten wirklich bewusst. Was Pollock (und seine Zeitgenossen betrifft) ist das aber eher als falsches Vorgehen zu betrachten. Man nimmt die stärken eines solchen Bildes nicht dadurch war, indem man sich von ihm entfernt, sondern indem man sich ihm nähert. Dadurch wird die eigene Wahrnehmung auf einen Bildausschnitt reduziert, der lediglich teile der gesamten Farbverteilung wahrnehmen lässt. (Von daher sind Personen, die mit zusammengekniffenen Augen sich einem Bild im Museum nähern keine Spinner, sondern eigentlich in solchen Fällen eher Personen, die durchaus „wissen“ auf was sie achten.
Der zentrale Punkt bei einer solchen Vorgehensweise ist letzten Endes folgender: Weil wir Dinge wahrnehmen ist es überhaupt erst möglich ein Kunstwerk zu erfassen. Es ist aber die Art, wie wir etwas wahrnehmen, was letzten Endes dafür sorgt, wie wir eine solche Sache wertschätzen.
Daher ist nicht nur die Frage „Was will uns der Künstler damit sagen?“ von Bedeutung. Vielmehr ist ein Betrachter ebenfalls aktiv mit ins Bild zu beziehen, insofern er sich die Frage stellen muss „Was bedeutet mir diese Wahrnehmung?“. Denn dadurch das „Ich“ als Betrachter eines Kunstgegenstandes diesen rezipiere, bringe ich mich selbst ebenfalls in die Erfassung dieses Gegenstandes mit ein. Ich beurteile einen Kunstgegenstand, indem ich eine eigene Mischung aus Wirkung, Erfahrung, Wissen und anderen Faktoren entsprechend zusammensetze, um meinem Eindruck über etwas einzuordnen. Das Bedeutet, dass ein Urteil über einen Kunstgegenstand nicht einfach nur an den Begriffen „schön“ oder „hässlich“ festgemacht werden könnte. (Ebenso sind andere, ebenfalls an einem Aspekt festgemachte Gegenstände dieser Art, nicht ausreichend als Erklärung.) Eher fällt eine ganze Menge anderer Faktoren hierbei zusammen, die auf diesem Weg ein Produkt aus unserer aktiven Wahrnehmung von etwas herstellen.
In der noch relativ jungen Bildforschung spricht man in diesem Zusammenhang übrigens von einem Perzept unserer Wahrnehmung. Nur damit hier kein Missverständnis aufkommt: Das Perzept ist das noch wertungsfreie Endergebnis unserer Wahrnehmung. Erst im nächsten, darauf aufbauenden Schritt kommt es zu einem Urteil. Und dieses Urteil am Ende ist es dann, was diese gesamte, übergreifende Polemik einbringt.
Das Gute bei diesem Umstand ist letzten Endes, dass man mit einer solchen, rein auf ästhetische Werte abzielende Erklärungen deutlich machen kann, warum für unterschiedliche Personen bestimmte Gegenstände, die ästhetischen Verfahren entspringen, unterschiedliche Werturteile wachrufen. (Da ich vorhin mit Pollock als einem Beispiel aus dem abstrakten Expressionismus gekommen bin, möchte ich also abschluss auf diesen Artikel noch ein ähnlich gelagertes Beispiel herausholen, das ich allerdings eher als Bild, denn als konkreten Fall bemühe.)

Dieses Bild ist ein DinA4-Blatt, dass auf einem x-beliebigen Küchentisch irgendwo in Deutschland liegt. Dieser Küchentisch gehört zu einer Wohnung, in der Familie Mustermann – frisch geschieden – Unterschlupf gefunden hat. Auf dem Blatt Papier sind mit Wachsmalkreiden wilde Striche verziert worden, die zum Teil auch auf der Tischplatte, auf der das Blatt lag, wiederzufinden sind.
Für den durchschnittlichen Otto-Normalverbraucher ist dieses Blatt Papier ein Ärgernis. Weil er die Spuren auf dem Tisch beseitigen muss. Weil das Blatt Papier für ihn eben nur das ist: Ein vollgekrizeltes Blatt Papier, dass er im besten Fall in den nächsten Mülleimer befördern muss. (Oder als Schmierzettel für den nächsten Einkauf noch nutzt.)
Nur Frau Mustermann wird dabei höchstwahrscheinlich ganz anders auf dieses Bild reagieren: Warum? Sie ist die Mutter der Erzeugerin des Bildes. Sie freut sich darüber, dass ihre kleine Tochter kreativ Versucht, die Welt zu erfassen. Und als Ausdruck dieser Erfassung wird sie das Bild mit all seiner unklaren Symbolhaftigkeit durchaus würdigen und entsprechend Behandeln. Indem sie es aufhängt oder in einem Sammelordner abheftet. (Versehen mit dem Datum der Entstehung des Bildes. Und eventuell einem „Titel“, der beschreibt, was dargestellt ist.)
Das passiert, weil Frau Mustermann eine Beziehung zu dem Bild aufgebaut hat, dass direkt aus ihrem eigenen Hintergrund entsprungen ist.

Ich hoffe zumindest, dass ich mit diesem Startartikel ein paar kleinere Einblicke bringen konnte, wohin diese Serie gehen soll und eventuell wird. Ich habe zwar ein paar grobe Ideen bereits, was ich machen will, kann aber langfristig durchaus auch anhand von klarerer Beispielen ein wenig „Futter“ liefern, wie das Ganze sich weiterhin aufbaut.

Wie gesagt: Mir geht es hierbei durchaus um Rollenspiel, aber mit einem sehr speziellen Blickwinkel auf die Thematik, die nicht unbedingt für jedermann automatisch nutzbar ist, sondern nur in speziellen Situationen.