Montag, 12. Dezember 2011

Rezension: Pathfinder Orakel der Türme. Turmdeutungen und Kartenspiel

Cover: Pathfinder - Orakel der Türme
Verlag: Ulisses Spiele
„Für die varisischen Wahrsager der Pathfinder Kampagnenwelt stellen die Turmkarten seit vielen Generationen ein heiliges Werkzeug dar. Mithilfe der Karten vermögen sie anderen mitzuteilen, ob diese auf das Beste hoffen oder das Schlimmste erwarten sollen“

Oder wenn ich doch nur wüsste, was die Spieler am Ende anstellen würden…

Wieder mal halte ich ein Kartenpack von Ulisses Spiele in Händen, das sich in irgendeiner weise mit dem Rollenspiel beschäftigt. Dieses mal geht es um das Rollenspiel Pathfinder und das Deck der Turmkarten. Grob gesagt: der Karton enthält 54 Karten, die verschiedene Motive darstellen und dazu passend noch eine Gebrauchsanweisung in Form eines kleinen, 31 Seiten starken Heftchens, dass die zwei Bedeutungsebenen dieser Karten in ihrem Nutzen wiedergibt.

Im Falle der Weissagungen sieht das so aus, dass die Karten durch spezielle Symbole den sechs Attributen (Stärke, Geschicklichkeit, Konstitution, Intelligenz, Weisheit und Charisma) aber auch den neun Gesinnungen, die Pathfinder beinhaltet (also von Rechtschaffen Gut bis Chaotisch Böse) zugeteilt werden kann.
Dies läuft in etwa folgendermaßen ab: Ein ratsuchender Charakter stellt ein Anliegen an die Karten, das er in einer Frage zusammenfassen muss. Diese Frage wird einem der Attributen untergeordnet und anschließend werden die neun Karten dieses Attributs gemischt und in drei Dreierreihen übereinander aufgedeckt ausgelegt.
Die entspricht dann jeweils der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Groben. Die Deutung läuft anschließend über den entsprechend der Attributen zugeteilten „Hofkarten“ und ihrer jeweiligen Deutung in diesem Bereich und was dies dann im weiteren Sinne für den Verlauf der Geschichte des entsprechenden Charakters bedeutet. (Oder bedeuten mag.)

Zeitgleich stellt Orakel der Türme aber auch den Kartensatz für das Glücksspiel Türme dar. Hierbei geht es darum Türme aus den Symbolen auf den Karten zu bauen, indem man diese an- und nebeneinander legt und weiter aufbaut. Der Spieler mit den wenigstens Schulden gegen Ende gewinnt.

In gewisser Weise hat man hier also ein Handout der etwas anderen Art vor sich liegen. Da jede Fantasy-Welt mit dem glauben an übernatürliches noch stärker im Hintergrund verwoben ist und dadurch dem Schicksal zumindest aus Sicht der Charaktere eine gewisse, nennenswertere Rolle zugestanden wird, bringt ein Tarot-ähnliches Deck in diesen Bereich einen gewissen Stimmungsbogen mit ein, den der SL auch als zusätzliche Anregung für den weiteren Verlauf des Spieles nutzen kann, indem er die vorhergesagten Ereignisse in in sein Abenteuer mit einwebt. Auf der anderen Seite bekommt der Tavernenabend durch das Kartenspiel Türme auch noch einen eigenen Aspekt, der Gemütlichkeit, Beisammensein und Charakterlichen Smalltalk fördern könnte.

Wie auch immer man die Karten einsetzen mag, letzten Endes bekommt man hier ein kleines Mittel um das Spiel am Tisch bunter zu gestallten, ohne dabei gleich auf altbekanntes zurückgreifen zu müssen.
Ob man das Spiel braucht, muss zwar jeder für sich ausmachen, aber zumindest das man es gebrauchen kann steht fest. Es ist eine kleiner Farbtupfer, der auf seine, haptische Weise, ein kleines Mehr des Erlebnisses erzeugen kann und bringt auf diese Weise, wenn es vom SL richtig ins Geschehen verzahnt wird einen besseren Ansatz mit sich, als es unter anderen Umständen „nur“ simple, normale Karten in dem Verwendungszweck bringen würden. (Dies hängt allerdings damit zusammen, dass z.B. Tarotkarten tatsächlich auch wirklich nur Tarotkarten sind. Wenn man also auf solche begriffe wie Immersion wert legt, kommt es mit diesen Karten nicht so schnell zu einem Bruch im Kopf der Spieler.)

Insofern ist Orakel der Türme eine nette Idee aus dem Bereich des „unnützen Plunders, den man haben will“ mit dem man seine Spielrunde ein klein wenig aufpeppen kann.

Montag, 5. Dezember 2011

Rezension: Karl-Heinz Tuschel - Kurs Minosmond

Cover: Karl-Heinz Tuschel
Kurs Minosmond
Verlag: Neues Leben
Ich habe ja schon einmal einen Roman von Tuschel vorgestellt, und das hier wird auch nicht der Letzte sein. Das Problem ist jetzt, dass ich mit Kurs Minosmond im Grunde einen der wenige Nachwende-Romane des Autors rezensiere und dann irgendwie wieder doch nicht. Das Problem in dem Bereich ist, dass Tuschel Kurs Minosmond in einer “offiziell” überarbeiteten Fassung unter dem Titel „Aufbruch zu den Sternen“ für die BRD noch einmal herausbringen konnte, wobei diesen beiden Romanen nicht wirklich irgendein Unterschied dann anzumerken ist. (Außer der Seitenzahl, Schriftsatz und dergleichen vielleicht.) Die Frage hier ist jetzt aber dann doch, worum es hier geht?

Technisch sind in Kurs Minosmond zwei Erzählstränge vorhanden. Der Eine beginnt inmitten Europas, wo Pauline, Ordner im Vorwerk von Altenessow sich mit der Entdeckung des Toten Otto Mohrs zurechtfinden muss, der inmitten seiner Blutlache liegend, scheinbar mit einem gläsernen Werkzeug in den Hals erstochen worden ist. Das Problem ist nur: Gewaltverbrechen hat es in dieser Welt seid der großen Harmonisierung nicht mehr wirklich gegeben. Die Frage ist also, was hier passiert ist?

Der zweite Erzählstrang dreht sich um Ruben Madeira, Raumfahrer, der gerade von einer längeren Mission zu einem Trabanten des Sonnensystems zurückgekommen ist und jetzt davon träumt einen der Monde dieses Planeten – den Minosmond Esther – zu besiedeln. Einziges Problem dabei ist für ihn direkt derzeit nur: Die Menschheit verpönt geradezu derartig überflüssige und jegliche Jahrespläne sprengende Fantasien, die keinerlei bestimmenden Zweck außer unsinniges Abenteuer zu sein haben. Dementsprechend kümmert er sich zuerst einmal um eine nähere Entdeckung, die seinen wissenschaftlichen Drang und den seiner Kollegen extrem fordert: Ein Verfahren namens EGI, das der Erforschung von Subteilchenkollektiven dient die Bläschen genannt werden.

Was das Gewaltverbrechen an Mohr mit einem Experiment verbindet, dass in einer Umlaufbahn zwischen Erde und Merkur geschieht, ist dann allerdings ein Weg, der durch eine schon seid langem zum positivem gewandelte Welt führt: Der große Schritt war in der Geschichte dieses Romans ein Zeitalter der Harmonisierung, dessen direkte Folge eine Befriedung der gesamten Menschheit unter dem wachenden Augen sogenannter Konräte auf kontinentaler und deren Vertretern auf kommunaleren Ebene, die sich hier in einem Zeitalter aus Frieden und allgemeinem Wohlstand ihren Berufungen hingeben kann: Jeder Mensch verfolgt drei Berufe, einen als Künstler, einen als Handwerker und einen als Wissenschaftler. Wobei die Wissenschaft tatsächlich diesem speziellen Begriff nur noch entspricht: Sie wird betrieben um das Wissen zu mehren, neue Erkenntnisse zu bringen. Jedoch ohne praktischen Nutzen in direkter Linie. Wissen ist insoweit Allgemeingut geworden, was direkt genau das bedeutet: Man kann jederzeit und überall auf sämtliche Informationen, Versammlungen und ähnliches in Protokollform zurückgreifen und sich dadurch fortbilden. Genauso wie auf diesem Gebiet kollektiv jederzeit entsprechende Anmerkungen bereitgestellt werden können. Und dadurch das jeder in irgendeiner Weise Künstler ist, wird das Maximum an Kreativität eines jeden Individuums gefördert, gefordert und freigesetzt.
Der Traum der Kolonisierung ist in diesem Sinne dann allerdings auch ausgeträumt in gewisser Weise. Für Forschungszwecke sind zwei Kolonien entstanden. Mehr aber auch nicht. (Ob man jetzt von kurios oder weitblickend reden will in einer Angelegenheit sei jedem Selbst überlassen: Religiosität wird als überwunden dargestellt. Wenn auch nicht ausgestorben. Innerhalb der Welt tauchen immer wieder kleinere Bewegungen auf, die abstrakte Konzepte anbeten.)

Diese Welt entfaltet Tuschel langsam und mit bedacht. Die Geschichte ist eine Art Reise durch die Wissenschaften verschiedenster Kolör. Von der Astrophysik über die Psychologie geht es durch die Soziologie, Medizin bis direkt in die Hirnforschung. (Jedoch ohne unappetitlich dabei zu werden.) Das Ganze ist dabei vielmehr eine anthropologische Suche nach der Identität eines jeden Menschen, eines jeden einzelnen Antriebsimpulses: Bis hin zum dringenden Bedürfnis der unerklärlichen Selbstvernichtung als empfundene Einheit. Denn jeder dieser neuen Menschen weißt eine ungewöhnlich stark ausgebildete Sensibilität auf.

Denn die tragende Frage hier ist immer: Was passiert mit einem Menschen, der wirklich alle seine natürlichen Bedürfnisse ausleben kann?

Fazit

Das die Zukunftsvisionen hinter dem s.g. eisernen Vorhang utopischer Natur in der Regel zu sein schienen, habe ich bereits häufiger festgestellt. Hier ist es ebenso. (Manche würden Sagen: Wieder einmal.) Man muss allerdings dabei mit einfügen, dass Kurs Minosmond vermutlich den intensivsten Blick auf eine gesellschaftliche Entwicklung von Seiten Tuschels unternommen worden ist, wobei er bei seinen anderen Romanen in dem Bereich mehr Andeutungen oder andren Themenschwerpunkte gesetzt hatte. Das für DDR-Zeiten verbindende Element ist dabei zwar immer gleich, jedoch spielen hier noch andere Hoffnungen mit hinein, die nicht so einfach mit „Sozialismus Propaganda“ weggewischt werden können. Insofern bin ich mir fast schon sicher, dass es sich bei Kurs Minosmond um den utopischen Roman handelt, bei dem Tuschel seine eigene Idealgesellschaft wirklich vorstellen wollte.
Auf der anderen Ebene zeigt sich hier allerdings dann etwas, das man so einfach nicht von der Hand weisen kann, indem es auffällt: die kulturelle Entwicklung ist nicht ausgearbeitet. Zwar bekommen die Künste als individuelle Ausdrucksform eines jeden Menschen hier in der Dreifaltigkeit der Berufsaufteilungen, jedoch bleibt es in der Benennung der Handwerksformen, die sich dahinter verbergen, sowie der entsprechenden Existenz von Artefakten, die im Verlauf der Handlung eine Bedeutung kurzzeitig erlangen. Westliche Autoren würden sich gerade in dem Bereich sicherlich wesentlich intensiver ausgetobt haben, was detailverliebte Beschreibungen anbelangt. In Kurs Minosmond bleibt es nur bei der Erwähnung der Existenz und einer Wertung im Sinne von Wohlgefallen. (Das sind aber Dinge, die jemandem, der mit einem Auge für die bildenden Künste durch die Weltgeschichte läuft auffallen und zuweilen dann doch Fragen stellen.)
Ich will damit nicht das Buch an sich in irgendeiner Weise schmälern. Es weiß in all seinen Aufbau sehr zu gefallen und regt in der einen oder anderen Weise dann doch zum Nachdenken an.
Negativ auf der anderen Seite ist dann aber, dass man beinahe mit einer unglaublichen Informationsflut an Details anderer Natur überschüttet wird, die einem manchmal durchaus dazu bringen Pausen beim Lesen einzulegen, weil das dann doch anstrengend werden kann.

Trotzdem bleibt Kurs Minosmond alles in allem weiterhin gut und empfehlenswert und dürfte jedem Science Fiction Fan eine interessante Ergänzung in seinem Bücherregal bieten.
Ob man sich dann aber für den Hardcover des Verlag Neues Leben entscheidet, oder aber für das Taschenbuch der Neuauflage bleibt jedem selbst überlassen.

Dienstag, 22. November 2011

Rezension: Erdenstern - Into the Light

Erdenstern - Into the Light
2010 dachte man – als man die Into the white erworben hatte – noch, das die Sammlung der Bibliothek der fantastischen Musik „endlich“ beendet hatte, nur um dann ein paar Monate stöhnend mit einem leicht grinsenden „Nein!“ auf den Lippen festzustellen, dass dem doch nicht so war. Die drei umtriebigen Musiker von Erdenstern hatten sich dazu entschlossen ein weiteres Album zu veröffentlichen, das den Titel „Into the …“ tragen sollte. Doch diesmal war da ein gewaltiger Unterschied zu den anderen Alben: Man wandte sich gezielt an die Rollenspielende Fanbase und fragte nach, welche Themen dieser noch fehlen würden. Wie man auf der Spiel dann erfuhr, waren es zu viele gute Vorschläge um sich nur für ein Thema zu entscheiden und damit war „Into the light“ geboren. Das achte Konzeptalbum von Erdenstern ist insofern konzeptfrei, weil es gleich vier verschiedenen Genres einen Klangteppich bieten soll und dafür dann mit gleich 38 Tracks eine Doppel-CD in Beschlag nimmt, die im limitiertem Digipack daherkommt um die 159:33 min irgendwie unter einen Hut zu bekommen, die sich in die Themengebiete „Alte Reiche“, „Sakrales“, „Steampunk“ und „Endzeit“ verirren. (Oder wie es im Pressetext zur Cd heißt: „Zuerst war da das Licht. Doch die Zeitmaschine war schon vorher da.“ – Insofern müssen diejenigen leider enttäuscht von dannen ziehen, die hier den perfekten Soundtrack für Rollenspielsitzungen um den Bereich „Nahtoderfahrungen“ sich erhofft haben.)

Optisch betrachtet ist das Cover der Into the light wieder mal ein Bruch mit dem Standard (das ist so bislang nur einmal in Form der „Into the grey“ passiert.) Das Zentrum bildet ein goldgelbes Zahnradkonstrukt, auf dem sich eine Monogramm befindet, dass mit der Alpha-Omega-Symbolik spielt. (Diesmal wohl ein Versprechen, dass dies wirklich das absolute und offizielle Ende der Bibliothek ist) Um das sich im Stiel alten Landkartenpapiers ein paar Einzelabbildungen positionieren, die in schlichter schwarz-weiß Manier die einzelnen Themengebiete mit winzigen Ikonen abbilden. (Pyramiden, Friedhofskreuz, eine Art Luftschiff und ein Gasmaskenkopf, wer es ganz genau wissen will.)

Zu den einzelnen Trackthematiken:

[B]Ancient Realms[/B]
Das Viertel der Antike wartet mit einer Reihe an Tracks auf, die zu einem Großteil aus sehr gediegenen, tragenden Tracks besteht. Assoziativ rufen diese Melodien dabei Bilder von alten Ruinen in tiefen Dschungel hervor und einen getragenen Aspekt von Wehmut ob der verlorenen alten Größe. Stimmungstechnisch ist das alles sehr nahe im Rahmen zwischen Bedrohung und Sehnsucht gehalten. Was man mit den meisten Adventure-Filmen die sich tief in den Urwäldern Südamerikas bewegen halt verbindet. (Insgesamt besteht dieser Part aus 11 Tracks.)

[B]Empire of faith[/B]
Der sakrale Teil des Albums ist da schon etwas schwieriger einzuordnen. Fängt der 12te Track der ersten CD (Feast of Sacrifice)noch mit reiner Jahrmarktsstimmung an, kommen dann langsam andere Stimmungen ins Spiel. Zum Teil experimentiert Erdenstern hier mit neuen Klangkörpern (in Vision ist eindeutig ein s.g. Regenmacherstab zu hören) geht es dann in Richtung kathedralem Chorgesangs weiter um später deutlich indifferenter zu werden. Tragendes Element bleibt der Chor, respektive: Stimmen, die irgendwie zu singen scheinen, ohne das man ein genaueres Wort dabei verstehen würde. Teilweise erinnert es fast an ein überlautes Flüstern (Temptation). Danach kommt zwar immer noch eine Menge Bombast herüber, jedoch fragt man sich im weiteren dann doch, ob nicht irgendwo das Thema eventuell leicht verfehlt ist. Allerdings kann dies in diesem Fall auch wie so oft an der subjektivem Sicht von Assoziationen liegen. Jeder verbindet mit bestimmten Themen andere Vorstellungen, die auf die eine oder andere Weise vorgeprägt sind. Stimmungsvoll sind die einzelnen Tracks auf jeden Fall. (Dieser Teil umfasst 9 Tracks.)

[B]Era of Steam[/B]
Steampunk könnte man als die Science Fiction der Fantasy bezeichnen. Der erste Track der zweiten CD (Machine City) wird damit auch schon mit dem Geräusch von Dampfgetrieben und Lokpfeifen eingeleitet. Dies geht weiter in Klangwelten, die einen gewissen Grundrhythmus aufrechterhalten, der entfernt an das Schnauben von Dampflokomotiven/-maschinen erinnert. Dieses Basisgeräusch geht schleppend auf mehr oder wenigen Ebenen weiter zwischen ruhig bis bedrohlich und lässt immer wieder mal das eindeutige Zischen ertönen, das hinweist, in was wir uns hier eigentlich bewegen. Das wird von der sanften Ruhe der Träghaftigkeit einmal abgelöst. Nur um danach wieder in einem leicht heroischen Pathos zu verfallen, der ein ständiges Gefühl von Bedrohung im Nacken wachruft (Master of the skies). Und abschließend mit einer sanften Dramatik einfach nur in die Weite davonzurauschen scheint. (9 Tracks)

[B]The last days[/B]
Schließlich die Endzeitthematik. Was hier beginnt sind sehr klare, kaum verzehrt wirkende töne, die stark von Bläsern getragen werden. Oder auf einem fast schon verstörend sphärisch wirkendem Klanggebilde, das einen stark an entspannende Chillout-lounges denken lässt, schreitet es davon. Man hat zwar nicht direkt das Gefühl der Bedrohung, die man erwarten würde, aber halt die ganze Zeit das Gefühl, das etwas nicht stimmt. Bis dann urplötzlich dieser Punkt abreist und mit „They are coming“ doch ein leicht an 64-bit Töne teilweise erinnerndes Stück auftaucht, dass plötzlich Verfolgungsgefühle aufweckt. Und auf den letzten Tracks wechselt sich das dann ab mit einer eher versöhnlichen Melodie, die fast schon wieder Hoffnungsschimmer wachrütteln lässt. Als wäre eine egal wie marode Zukunft doch noch zu retten.
Und dann schließlich zum Abschluss das titelgebende Stück Into the light selbst. Dafür kann man letzten Endes noch einmal die Pressemitteilung selbst zitieren: „Am Ende ist da dieses verlockende Licht. Und wir erliegen seiner Versuchung.“ (9 Tracks)

Fazit
Ich habe schon in einer anderen Erdensternrezension geschrieben, dass Musik und die Assoziationsketten (respektive „Bilder im Kopf“, die sie wachrüttelt), nicht immer gleich den Intentionen entsprechen, die man haben soll. Ich habe „Into the light“ jetzt mehrmals Probeweise angehört und dreimal durchgehört. Und das Problem ist, dass ich hier (wie in den einzelnen abschnitten zu den jeweiligen Unterpunkten beschrieben) nicht unbedingt diese Assoziationen hatte, die in die entsprechende Richtung gehen sollten. Das mag auf den ersten Blick sich wie ein ästhetischer Schock lesen lassen, ist im Falle von Erdenstern aber nicht unbedingt weiter schlimm. Assoziationen (und Bewertungen) sind meistens extrem bockige, da hochgradig subjektive Maultiere. (Was auch daran liegen mag, dass jeder in Bereichen, die er auf irgendeine Weise als positiv oder negativ erlebt hat, sehr unterschiedliche Erwartungshaltungen einbringt.)
Und mir ist durchaus bewusst, dass ich gerade eine Menge Worte einfach so verschwende um hier ein Problem zu erklären, das vermutlich einige so nicht haben, oder nicht erwarten werden. Das Problem bei der Sache ist schlicht und ergreifend folgendes: Der Sakrale Teil versagt irgendwie hoffnungslos (für mich) bei der Erfüllung seines Themas. Dennoch sind die einzelnen Stücke auf ihre Weise gut. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich sie so wie gedacht am Spieltisch einsetzen würde (sollte ich Musik am Spieltisch einsetzen wollen).
Erdenstern sind bekannter Maßen verdammt gut und haben sich durchaus zurecht ihren Platz in der Rollenspielszene erkämpft (und ich gehöre durchaus auch zu den Fans der Bibliothek der fantastischen Musik) und auch hier haben sie eigentlich ein sehr sehr gutes Stück Arbeit hingelegt. Wenn auch zu einem Viertel halt am Ziel scheinbar vorbei. Die starke, stimmungsvolle Musik erfüllt weiterhin ihre Zwecke und sollte nicht verkannt werden und ich hoffe wirklich, das es mit der Sakralen Thematik nur mir so ergeht. Denn Erdenstern hatten im Grunde Recht: Into the light war eine wirklich bitter notwendige, das Projekt ihrer Bibliothek letzten Endes richtig rund abschließende Notwendigkeit.
Alles stimmt eigentlich und sollte damit auch jedem Fan der Erdenstern-Alben, als auch der normalen Nutzer noch das notwendige, fehlende Zusatzfutter liefern, das er braucht um seine Notwendigsten Fragen an Hintergrundmusik zu ergänzen.
Empfehlenswert ist das ganze also wie immer auf jeden Fall. Man sollte nur nicht unbedingt mit der „So ist das jetzt“-Erwartungshaltung an das Thema herangehen, sondern sich vielleicht noch einmal zurücklehnen und bei den problematischen Stellen lieber treiben lassen, seinen eigenen Ansatz findend. Und dann zuschlagen und nicht mehr loslassen.
Erdenstern haben einen riesigen Aufwand erbracht um sich zu verabschieden und durch die Jahre die Rollenspiellandschaft mit ihren Alben wunderbar ergänzt. Hier ist dies auch wieder der Fall.

Montag, 14. November 2011

Rezension: Edenstern - Into the Grey

Erdenstern - Into the Grey
Mit “Into the Grey” brachten Erdenstern 2009 das sechste Konzeptalbum ihrer Bibliothek der Fantastischen Musik heraus. Diesmal allerdings war das Thema etwas aus den bis dahin fantasynahen Konzeptalben herausgelöst und drehte stark sowohl an der Uhr, wie auch Unmengen Blätter aus dem Kalender gerissen wurden. Kein wunder, diesmal ist das Thema Science Fiction.

Diesem Umstand allein wird das Trio schon in der Covergestaltung gerecht: Handelt es sich diesmal bei dem fast schon archetypischen, zentral sitzenden Logo um einen goldenen Globus, der entweder als solcher, oder wegen seiner zusätzlichen Ausläufer als Solarmodell dienen soll und vor einem Hintergrund thront, dessen Muster die Oberfläche eines Dodekagons andeuten. Das alles weckt zumindest von der bildlichen Gestaltung her bereits Assoziationen (und Erwartungen) an Satellitenschüsseln und damit den Weltraum.

Und dort könnte bereits ein Problem liegen wenn man sich die Titel ansieht. Science Fiction beginnt ja nicht mit dem Verlassen der äußeren Luftschichten, sondern schon auf dem festen Boden unserer Erde. Into the Grey will demnach mit seinen 21 Stücken zwei Abenteuerbereiche abdecken: Die schmutzigen Abgründe in den hoffnungslos verfallenen Städten der nahen Zukunft des Cyberpunks wie auch die Leere und Schwerelosigkeit des Vakuums des Alls. Beide Bereiche sind für sich in der Hinsicht bereits keine leichte Aufgabe, da wir in der Erwartungshaltung jeweils eindeutig unterschiedlich vorgeprägt sind.

Bei direktem Hineinhören in den ersten Track “Interface” ist man dementsprechend dann auch zuerst einmal etwas irritiert: Beginnt das Stück doch mit dem weniger tragenden Piepsen eines Sputnik-Satelliten (oder etwas, das man in diesen Bereich einordnen möchte) um dann von dem rythmischen Klang noch recht alltäglicher Instrumente abgelöst zu werden. Das ganze geht dann ganz langsam in eine sehr tragende Melodie über, die aber nicht ihren Erdenstern-Charakter verliert. Insofern spielen sich hier noch klassische Erkennungswerte wieder, die man allgemein betrachtet für sich nicht sofort in dieses Genre packen will. Der Unterschied zu den anderen Stücken wird erst bei den nachfolgenden wirklich bewusst, die sich vom Titel her noch auf der Erde abspielen: Langsam kommen stärker abgehackte Klangbilder auf, die ihren elektronischen Hintergrund nicht verbergen und dabei eine bedrückende Stimmung wachrufen.
Insofern versuchen Erdenstern das Album über mit einem Spiel aus verschiedenen Elementen, einigen moderneren Aspekten, sowie stark abgehackt wirkenden Rhythmen dem Ganzen eine entsprechend dystopische Stimmung zu verleihen, was besonders stark beim Titelnehmendem Track “Into the Grey” schließlich einen gesonderten Höhepunkt findet.
Danach folgt im Klangteppich in sich langsam ein Bruch. Nach wie vor ist die Stimmung in “Downtown Blues” bedrückend, aber die Klänge verändern sich und bekommen etwas beschwinglicheres, nur um dann zwei Tracks weiter in “Pursuit Race” endgültig auszubrechen und eine gewisse Leichtigkeit zu erlangen, die man den doch sehr dunklen Klängen so nicht direkt zugetraut hätte.
Mit Mothership kippen die Stimmung endgültig in Richtung des Aufbruchs, die einen zumindest an die letzte Weite, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat erinnert. Sprich: hier ist endgültig der Wechsel in die Richtung, die jeder in erster Linie mit Science Fiction verbindet vollzogen, um dann mit “Capsule” wieder in eine stark abstrakte, abgehackte, sehr künstlich und beengende Soundkulisse abzugleiten. Auf dieser Ebene verläuft das Ganze danach weiter: Sehr schwere, tragende Klänge oder reine Rhythmik-Gebilde von bedrückender und verängstigender Natur bilden die Hauptelemente der weiteren Tracks, auch wenn diese in ihrer jeweiligen Art nicht ihren eigenen Zauber leugnen können. Insgesamt bleibt aber in so ziemlich allen einzelnen Stücken nicht das Gefühl der großen Mystik, wie es die Space Operas mit ihren zum Teil amerikanisierten Helden anlegen, sondern eher die schweigende, stille Bedrückung, die eher Filmen wie Bladerunner, Alien oder 2001: A Space Odyssey zu eigen ist. Der Sound in seiner Gänze erinnert eher an die großen Dystopien, als die Utopien. Hier treiben eher die Raumfahrer hoffnungslos verloren durch den Raum und die Raumschiffkapitäne ducken sich unter dem feindlichen Feuer, das die Hülle zu zerreißen droht.

Fazit

Ich weiß nicht ob es an der westlichen Mentalität liegt, oder ich einfach nur entsprechende Sichtweisen durch diese Lektüren aufgenommen habe: Die prägendsten Elemente innerhalb der Science Fiction machen diese dunkel, hoffnungslos und dystopisch. Es scheint fast schon ein ehernes Gesetz zu sein, dass man innerhalb eines guten Romans (oder überzeugenden Films) eine Ansammlung von Anti-Helden und skeptischen Zukunftsprognosen wahrnimmt. Aber letzten Endes geben auch die Soundtracks, die in diesen jeweiligen Bereichen angelegt sind immer wieder das entsprechende Klangbild her. Das verbindet “Into the Grey” mit vielen anderen Größen in diesem Bereich. Und das ist exakt das, was man letzten Endes in diesem Bereich auch stimmungstechnisch erwarten sollte.
Into the Grey erfüllt mit seinem (für Erdenstern-Verhältnisse) experimentalem Soundset von sehr starken Verzerrungen und deutlich künstlichen Klangkulissen, jenseits allen typischen Instrumentaleigenheiten eben diese Erwartung eines pessimistischen Zukunftsbildes, in dem sich die schlimmsten Befürchtungen und größten Zukunftshoffnungen wiederfinden lassen. Man kann mit diesem Album eine Menge unglaublicher Szenen durchaus bespielen (falls sich die Spieler darauf einlassen) jedoch muss man immer im Hinterkopf behalten, wessen Kind die Science Fiction-Abenteuer allgemein immer schon waren und sich daran orientieren. Insofern trifft das Album ziemlich deutlich meinen Geschmack, da ich jemand bin, dessen Herz für die großen der Science Fiction schlägt, die sich irgendwie fast alle immer wieder in den dunklen Weltbildern einer fernen Zukunft wiederfinden. Ob es sich dabei um Realisten oder Pessimisten handelt sei mal dahingestellt. Erdenstern haben hier auf jeden Fall ein wunderschönes Werk hingelegt, das von der musikalischen Untermalung her für einige wunderbare Szenen am Spieltisch sorgen wird. In dieser Hinsicht kann man “Into the Grey” nur weiterempfehlen und Jedermann wärmstens ans Herz legen, sich das Ganze anzuhören.

Rezension: Stanislaw Lem - Rückkehr von den Sternen

Cover: Stanislaw Lem
Rückkehr von den Sternen
Verlag: List
Ich vertraue nicht auf Versprechungen und glaube nicht an Versicherungen, die sich auf einen sogenannten Humanismus berufen. Gegen eine Technologie hilft nur eine andere Technologie. Der Mensch weiß heute mehr über seine gefährlichen Neigungen als noch vor hundert Jahren, und nach weiteren hundert wird sein Wissen noch vollkommener sein. Möge er dann davon Gebrauch machen.

Stanislaw Lem – Summa Technologiae

Die Geschichte von der Rückkehr von den Sternen ließe sich eigentlich relativ simpel zusammenfassen: Hal Bregg, ein Kosmonaut, ist nach einem 10-jährigen Flug durchs Weltall nach Hause zurückgekehrt und will hier wieder leben. Wenn da nur nicht irgendwann mal jemand die Gesetzmäßigkeit aufgestellt hätte, dass für einen Gegenstand, der annähernd mit Lichtgeschwindigkeit fliegt die Zeit deutlich langsamer vergeht als für jemanden, der ohne Lichtgeschwindigkeit lebt. Auf der Erde sind nämlich während Breggs Abwesenheit annähernd 123 Jahre vergangen und er findet sich nicht nur in einer technologisch weiterentwickelten Welt wieder, sondern in einer Welt, die sich gänzlich verändert hat und so ziemlich gar nichts mehr von dem vorweist, was er eigentlich erwartet hätte.
Eines der ärgsten Probleme der Menschheit ist nämlich auf radikalem Weg gelöst worden: Durch ein besonderes Verfahren sind sämtliche Menschen einem ihrer ureigensten, bestimmenden Triebe entledigt worden: Dem Hang zur Gewalt. Und dementsprechend hat sich die Gesellschaft auf die Bregg trifft, radikalst auf den Kopf gestellt. Er, der technische Neandertaler wird geradezu verabscheut und verzweifelt beinahe daran. Doch wie das so ist: Jetzt muss er sich in sein Schicksal fügen und versucht dies auch, wobei er weitestgehend den Problemen aus dem Weg zu gehen versuchen will. Das Problem wird nur in dem Moment verzwickt, als er sich in eines dieser unglaublich sanften, vor ihm teilweise ängstlich zurückweichenden Wesen verliebt.

Fazit:
Science Fiction ist für mich schon lange nicht mehr die Space Opera, wie sie von Star Trek, Star Wars oder auch (wenn wir aktueller sein wollen) Andromeda formuliert wird. Um genau zu sein haben mich die erstgenannten sogar eher langfristig für eine Zeit lang gänzlich von dieser Lektüre vertrieben. Das ich jetzt hier überhaupt über eben dieses Genre schreibe, ist Autoren wie Lem oder Gibson zu verdanken, die mit einem deutlich soziologischerem Auge an das Thema herangegangen sind. Das Problem dabei ist, dass die Geschichten dabei durch die Bank weg einen starken dystopischen Charakter haben. Bei “Rückkehr von den Sternen” handelt es sich um eben einen solchen dystopischen Roman, der sich zum einen mit der Frage beschäftigt was passiert, wenn jemand mit einem extrem niedrigen, technischen Hintergrund auf Technologien trifft, die für ihn bereits in die Natur der Magie fallen. Genauso wie mit der Frage nach der menschlichen Natur, was diese Ausmacht und was passiert, wenn man eine zentrale Charakteristika in eben diesem Wesen radikal verändert. Das ungewöhnliche bei dieser Sache ist, dass dabei eine ungewöhnliche Gesellschaft am Ende entsteht, die trotzdem irgendwie Lebensfähig ist, aber zeitgleich auf seine Weise nur deswegen existieren kann, weil sie keinerlei anderen Input mehr erhält. Anders ausgedrückt: Der Frieden, den man sich von der Zukunft wünscht und der alle miteinander verbinden soll, wird auf seine Weise hart erkauft sein und auf diesem Weg für eine entsprechend allgemeinere Vorstellung irgendwie erschütternd. Und genau hier spielt Lem auch mit verschiedenen Ebenen von Vorstellungen, die bis in die heutige Wissenschaftsethik aktuell geblieben sind: Das Problem, dass man die Bedeutung und die Wirkung eines technischen Prinzips nur schwierig abschätzen kann, wenn man es nicht einsetzt. Zeitgleich stellt sich hierbei auch dar, dass man lediglich auf den zweiten Blick eine scheinbar erfolgreiche Lösung wirklich richtig beurteilen kann. Auf diesem Weg bleibt meistens eine weit gehaltene Sichtweise aus verschiedenen Blickwinkeln wohl leider doch notwendig.
Rückkehr von den Sternen, oder wie es in früheren Übersetzungen noch hieß – Transit – ist ein sehr schön geschriebener, spannender Roman der mit seinen kritischen Gedankenspiel auf mehreren Ebenen zum Nachdenken anregt. Nicht nur über die Möglichkeiten und Albträume, die die Wissenschaft verursacht, sondern auch über gesellschaftliche Gegebenheiten und Konzepte. Jedoch muss man sich für diese spezielle Art der Science Fiction begeistern können, um damit etwas anzufangen.

Dienstag, 8. November 2011

Rezension: Spiel der Türme (Pathfinder Abenteuermodul)

Cover: Pathfinder Modul Spiel der Türme
Verlag: Ulisses Spiele
“Pathfinder Modul – Spiel der Türme – Ein Abenteuer für Stufe 9″ steht auf dem Cover des 32 Seitigen Hefts, das Ulisses Spiele zur Spiel 2011 herausgebracht hat. Das Cover selbst zeigt eine Magierin, die sich in einem Kampf gegen mehrere Rabenwesen der eigenen Haut erwehrt, alles im Pathfinder eigenen Bilderstil, der ja bereits weitestgehend durchs Web gegeistert sein könnte. Ein besonderes Schmankerl dabei ist, dass auch der Innenteil in eben diesem aufwendigen, vollfarbigen Druck weiterhin aufrecht erhalten worden ist und das Abenteuer auf der optischen Ebene schon mal durchaus Pluspunkte ergattern kann.

Worum geht es also? Zur Vorgeschichte des Abenteuers berichtet der Heftrücken: “In ganz Golarion nutzen varisische Wahrsager das mystische Turmkartendeck, um das Schicksal zu lesen und die Zukunft zu deuten. Nur wenigen ist es aber gelungen, die geheimnisvollen Karten im selben Umfang zu meistern wie die längst verstorbene Sonnorae, eine Bardin aus dem Zeitalter der Finsternis.

Aus Furcht, dass ihre Geschichtensammlung mit ihr sterben würde, erschuf Sonnorae innerhalb ihres Turmkartendecks eine Halbebene für ihre Erzählungen. Mit der Zeit entwickelten diese Geschichten ein Eigenleben und verschmolzen mit den Bildern der Karten. Doch nicht alle Geschichten haben ein gutes Ende und das Geschichtenvolk, das im Turmkartenreich wohnt, hat längst eigene Motivationen und Pläne entwickelt, strebt nach Macht und will sogar in die wahre Welt fliehen.“

Das Abenteuer selbst bietet als Auftakt, dass die Spielgruppe mit dem Auftrag einen vermissten Gelehrten zu suchen schließlich selbst in eben dieses Taschenuniversum gerät. Hier können sie dann den verschiedenen Figuren aus den Erzählungen der Bardin begegnen, die aber allesamt ein Problem für die Spieler vereinen: Wollen sie wieder aus der Turmwelt heraus, müssen sie irgendwie mit eben diesen Figuren klarkommen und sich auf die eine oder andere Art auseinandersetzen (Kampf inbegriffen).

Hier beginnt eigentlich das Problem der ganzen Geschichte: Das Abenteuermodul liefert einem eine Gruppe von einzelgängerischen Individuen, den sogenannten Verschwörern, die das Turmreich beherrschen, zusammen mit Werten, einigen wenigen aktuellen Beziehungsgeflechten und wenigen skurrilen Ortschaften, an denen man die Personen finden kann. Innerhalb dieser Beziehungen entsteht etwas, dass man als Microplot bezeichnen könnte. Und die wenigen Ortschaften sind dabei kaum großartig ausgestaltet. Es wirkt so, als wenn keine größeren Zwischenereignisse innerhalb dieses Szenarios geplant seien, und die Spieler einfach nur von Punkt a nach Punkt d über die Punkte b und c reisen sollten. Dazwischen herrscht ein größeres Vakuum ohne gesonderte Ereignisse (wenn man von ein paar wenigen Begegnungen an NSCs jenseits der Verschwörer absieht, die ein direktes Anhängsel zu den HauptNSCs sind, quasi die Vorzimmerdamen). Man weiß zwar was als Idee hinter dem Taschenuniversum des Turmkartenreichs steckt, wie seine Bewohner funktionieren und woher sie ursprünglich stammen, aber das war dann auch schon Alles.

Fazit:
Ich bin mir nicht wirklich sicher, wie ich dieses spezielle Abenteuer einordnen soll. In meinen Augen ist an der ganzen Geschichte eigentlich zu wenig dran, um wirklich als einzelnes Abenteuer zu funktionieren. Im Grunde genommen haben wir hier das Metagerüst für einen kurze Kampagne. Wir haben ein paar Kreaturen mit ganz besonderen Eigenschaften in verschiedenen Situationen und einen großen, bösen Obermotz am Ende. Eigentlich wäre das ja schon fast genug, wenn irgendwo ein wenig mehr Stringenz im Aufeinandertreffen der einzelnen Figuren läge. Der in diesem Sinne surrealistisch wirkende Charakter macht das Ganze zwar nicht unbedingt schlecht, weil die Art der Welt insgesamt eben ungewöhnlich ist, aber genau deswegen fehlt innerhalb des ganzen die alltäglich wirkende Komponente, die den Ausbruch aus diesem kunterbunten Flickwerk ermöglicht. Insofern muss der SL noch ein wenig mehr Arbeit in die ganze Geschichte stecken, indem er eventuell zwei bis drei zusätzliche Seitenlinien in diesen Hauptstrang mit einfließen lässt, aber danach sollte sich wohl auf jeden Fall eine ziemlich überragende Kampagne daraus zimmern lassen, die nur vor Verrücktheit so glänzen würde. Aber dazu bedarf es vermutlich wie so oft ein gewisses Gespür, was hineinpasst und dem Geschmack der Spieler entspricht.

Wie gesagt: Ich persönlich finde die Ideen, die in dem Abenteuermodul enthalten sind wirklich toll. Jedoch kann ich mir nur bedingt einen wirklich runden Charakter am Spieltisch vorstellen, wenn man nur das Material aus dem Heft aufgreift. Aber das sind dann wie so oft diese kleinen Probleme, die am Spieltisch entschieden werden.
Die Bestnote kann man dem Abenteuer sicherlich nicht geben. Aber aufgrund einer ganzer Menge interessanter Ansätze, die Ideen durchaus auch beflügeln können, ist das Spiel der Türme sicherlich sehr Nahe an dieser angesiedelt.

Montag, 31. Oktober 2011

Rezension: China Mieville - UnLunDun

Cover: Chine Mievile - UnLunDun
Verlag: Del Rey
Mit Lewis Carrolls “Alice im Wunderland” und Lyman Frank Baums “Der Zauberer von Oz” wurde eine Thematik in die Jugendliteratur gebracht und weiterentwickelt, die man als Entwicklungsreisen innerhalb von chaotischen Welten bezeichnen könnte. Mit Un Lun Dun hat Mieville sich selbst ebenfalls dieser Thematik verschrieben und seine eigene Interpretation an Möglichkeiten aufgezeigt.

Die Geschichte dreht sich um Zenna und ihre Freundin Deeba, welche zu Anfang des Buches feststellen, dass sich um sie herum immer wieder seltsame Ereignisse abspielen und merkwürdige Personen in ihrer näheren Umgebung auftauchen. Dabei dreht sich alles um das seltsame Wort “Shwazzy”, das hin und wieder fällt und wie Zenna meint, eine Rolle spielt. Jedoch die genaue Bedeutung ist erst ab dem Zeitpunkt wirklich verständlich, als ein lebender Regenschirm die beiden Mädchen auf einen Weg aufmerksam macht, der sie in eine Unstadt, Un Lun Dun, bringt. Ein Ort an dem sich ganze Urwälder in Häusern verbergen, Mülltonnen geheime Kampfeinheiten bilden, Fischschwärme sich kollektiv dazu entscheiden an Land zu leben und fleischfressende Giraffen die Straßen heimsuchen.
Zenna und Deeba scheinen dabei eine besondere Art Besucher darzustellen, denn wie sich herausstellt erfüllt ihre Anwesenheit in dieser Stadt eine alte Prophezeiung, die sie ins Zentrum eines Kampfes befördert, der die Stadt schon länger heimsucht. Mit dem Shmock, dem größten Feind dieser Welt, sollen sie es aufnehmen. Doch schon sehr bald passiert etwas, das nicht hätte sein dürfen und Deeba sieht sich darum bemüht diese Aufgabe allein zu erfüllen, im Kampf gegen eine Uhr, die sie ihre Umwelt vergessen lässt.

Das China Mieville für skurrile Welten und Geschichten steht sollte mittlerweile jedem bewusst geworden sein. Die Tatsache das er in diesem Umstand hier eine weitere Variation zu einem fast schon uralten Thema aufgreift und seine eigenen Gedanken beisteuert ist dabei der Punkt, den man näher betrachten muss. Basisidee des ganzen ist das Spiel der Sprache. Besser gesagt Sprachgebrauch und Verständnisprobleme die daraus erwachsen. Bis zu einem Missverständnis der Wiedergabe eines gänzlich verfremdeten Begriffs.
Im Rahmen solcher Irritationen spielt Mieville scheinbar mit der alltäglichen Mythologie verdrehter Wahrnehmungen und Fehlurteile, deren Grundlagen teilweise Hysterie, teilweise nur simple Ignoranz darstellen und auf diesem Weg Gefahren in etwas sehen, das so nicht gegeben ist. (Die Paradoxie des Bedürfnisses von Freiheit und Sicherheit wird auf diesem Weg zum Beispiel in einem sehr abstrusen und ironischem Kontrast aufgezeigt, wenn als Lebensraum Dächer gewählt werden, die nur wenige Zentimeter über dem Erdboden erhoben sind, ohne Häuser darunter.)

Auf diese Weise entsteht ein Spiel mit verschiedenen Elementen, die in reiner Form einen verwirrenden Eindruck machen solange man sich nicht vor Augen führt was hier eigentlich thematisiert wird. Das Basiselement sind immer verschiedene Punkte des “nicht-Wissens” von Allgemeinbildung und Ersatzkonstrukte, die den Standpunkt erklärend verdrehen. Mieville baut daraus dann in einer Überspitzung einen Moment tatsächlicher Lebendigkeit und Kultur. Das ganze ermöglicht sich nur deshalb indem es in eine Welt jenseits “des Spiegels” im Übertragenen Sinn verfrachtet wird, die unserer Vorstellung eines Ortes des Vergessens entspringt. Die gewaltige Müllhalde eines Kollektiven Nicht-Bewusstseins, wenn man so will. Einzig und allein zu Betreten durch die fantastischen Elemente innerhalb eines Kinderspiels, das Ortswechsel innerhalb der eigenen Vorstellungswelt jeweils überhaupt erst ermöglicht.

Anders als bereits erwähnte Vorbilder nutzt Mieville dabei allerdings nicht die konstruierte Vorstellung eines Fensters, sondern bemüht sich mehr um den Wechsel zwischen den Welten im Sinne einer größeren Anstrengung.

Alles in allem zusammengefasst schafft es Mieville zwar nicht mehr den Vorbildern gerecht zu werden, deren Ansätze zum Teil wesentlich aktiver auf Fragen der Metaphysik innerhalb der Philosophie zurückgreifen, baut aber immerhin einen Thematischen Spiegel zu unserer eigenen Zeit auf. In soweit ist das Spiel der Elemente in dieser “Alice”-Variation zwar nicht gleichwertig, aber immer noch spannend zu lesen und ausgereift genug um sich selbst ein deutliches Momentspiel mit der Kultur in der es erstand zu gewährleisten. Wer die Welten Mievilles mag kommt also auf seine Kosten und für Personen, die Mieville einfach nur kennen lernen wollen ist dies hier sicherlich ein hervorragender Einstieg, da sich bei allem positivem “Wahnsinn” hinter dem Ganzen in nur einem Band die große Bandbreite der Welten an Ideen, die Mieville konstruieren kann andeutet.

Das Mievilles Wahnsinn Methode hat ist insofern nichts Neues und spiegelt sich auch in diesem Buch nur zu gut wieder das den Leser wie immer fordert sich auf eine andere Sichtweise einzulassen, anstelle den ewig gleichen, teilweise abgeschmackten Standardbildern zu konsumieren. Das ist gut und schlecht zugleich dennoch bleibt es außergewöhnlich und sollte versucht werden.

Montag, 24. Oktober 2011

Rezension: Erdenstern - Into the White

Cover: Erdenstern - Into the White
Die Diskussion über das Für und Wider des Einsatzes an Musik während Rollenspielsitzungen dürfte bereits jedem über den Weg gelaufen sein. Und wie bei jedem anderen unbeantwortbaren Streitgespräch dieser Art, dürften die Gründe für und gegen einen solchen Einsatz grundsätzlich durch ihre Mannigfaltigkeit glänzen.

Fakt ist aber ebenso, dass die Befürworter durch eine ständige Suche nach entsprechendem Material immer wieder auffallen und dabei im Laufe der Jahre einige Namen immer wieder auftauchen, wenn entsprechende Fragen im Netz gestellt werden. Erdenstern ist ein solcher Name, der mit der Reihe der Bibliothek der Fantastischen Musik in Deutschland seit mehreren Jahren mittlerweile fest im Sattel sitzt. 2010 erschien mit “Into the White” der damals als offizieller Abschluss der Serie geltende Tonträger, dessen Thematik in den kalten, weißen Norden den Zuhörer entführen sollte.

Rein äußerlich betrachtet ist es die übliche, grafische Qualität: Unter dem Album-Titel sieht man ein zentriert gehaltenes, diesmal beflügeltes Logo, das Assoziationen in Richtung Eis und Schnee wecken soll, wobei es sich auf einem weiß-gräulichem Grund befindet, der in die gleiche Richtung geht und durch eine leicht malerische Struktur in den Akzenten glänzt.

Der Inhalt besteht aus 21 Tracks in den gewohten Längen aus drei bis vier Minuten (und einigen Sekunden), welche eine hohe, qualitativ dichte atmosphärische Klangwelt mit sich bringen die vereinzelt durch gesang begleitet werden. Mal erinnert dies an indigene, folkloristische Klangwelten (Dog Sled), manchmal in seinem choralen Patos an etwas anderes (The white Guard). Wie immer liefert Erdenstern dabei auf der Rückseite ihres Booklets auch die dazugehörigen Hilfestellungen in Form von Schlagworten, welche Beschreiben sollen in welche Richtung das entsprechende Stück gerade gehen soll. (Und somit auch einem eher unvorbereiteten SL dabei geholfen werden kann, sich mit einem Blick auf die CD zu orientieren, welche Stimmung er gerade passenderweise wachrufen möchte).

Soviel zu den objektiv festhaltbaren Faktoren.
Jetzt zum Subjektivem.

Das Problem bei der Sache ist nämlich, dass wir hier immer noch von Musik reden. Von Musik, die Stimmungen wachrufen soll, während sie den Hintergrund einer Spielrunde beschallt. Und da ist Into the White ein Zwischending, das irgendwo zwischen den Stühlen sitzt. Denn eine der großen Grundfragen dürfte sicherlich sein: Was erwartet man vom hohen Norden? Und wie setzt sich dies dann in Klangwelten um? Und vor allen Dingen: Wie schafft man es, dass dieser Umstand sich dann auch bei allen gleichermaßen festsetzt? Eine 100%ig zufrieden stellende Übereinstimmung als Endergebnis wird es da sicherlich nicht geben. (Während ich dies hier schreibe läuft gerade der Track Nr. 12 – Cold Steel – und ich persönlich kriege die ganze Zeit über Bilder von Raumschlachten nicht vor dem inneren Auge vertrieben). Insofern ist die Winterthematik ein sehr undankbares Thema, aber durchaus auch ein Thema, dass halt immer spezielle, andersartige Querbedürfnisse braucht und daher durchaus auch Thematiken der anderen Alben Erdensterns noch einmal vereinzelt aufgreifen und neu interpretieren muss, damit sie in den speziellen Kontext passen. Insofern wecken ein paar der Tracks durchaus Assoziationen in die entsprechenden Richtungen von großer Weite, jedoch ist der Eis-Touch bei Dingen, die dann mystischer oder kriegerischer Natur sind nicht ganz so stark gegeben. (Auch wenn Snow Queen – Track 16 – durchaus in seiner verstörenden Art Weihnachtsstimmung wachrufen kann).

Fazit:

Taugt das Album was? Ja.
Schafft es das angekündigte Ziel zu erreichen? Jain.
Wie bereits im subjektiven Part angesprochen, handelt es sich bei dem Winterthema um einen gesonderten Sammelteil vieler verschiedener Themen, die bei jeder Person eine andere Sichtweise wachrütteln. Zwar schaffen es die meisten Stücke immerhin ein Gefühl von gehobener Weite, im Sinne einer weiten Reise wachzurütteln, jedoch ist das ein Thema der Reise, nicht der Kälte oder des Schnees. Insofern bleibt das Album in vielen Dingen ein problematischer Versuch. Man möchte fast freudestrahlend sagen: Gradios Gescheitert! Und Erdenstern für das Werk begeisterten Beifall zollen.
Die Stärke wie die Schwäche des Albums ist definitiv die Tatsache, das Eiswüsten keine prägenden Motive haben sondern letzten Endes Freiräume darstellen in denen Dinge stattfinden. Erdenstern füllen insofern diese Freiräume mit ihren ungeheuer dichten Klangwelten, laden aber den Zuhörer dazu ein, mit seiner eigenen Fantasie auf Streifzüge zu gehen, die ihn in die Irre führen.
Verloren inmitten von Eis und Schnee sozusagen.

Mittwoch, 19. Oktober 2011

Auf einen guten Start.

Tja, da treibe ich mich jetzt seid Jahren im Internet herum und stolpere immer wieder über das Problem der Frage: "Wo zur Hölle kann ich meine Überlegungen zu diesem oder jenem Thema unterbringen?"

Klar, Foren sind eine Möglichkeit. (Ebenso das gute alte Tagebuch, für ganz persönliche Gedanken, die niemanden was angehen.) Aber was ist mit verrückten Dingen, die ich wirklich irgendwo zentralisiert mal zusammengefasst sehen will? Das soll jetzt dieser Blog hier langfristig werden. Die kranken Ideen, die ein Rollenspieler nach Laune anhäuft. Vielelicht läuft das ganze nicht Automatisch jeden Tag oder jede Woche rund, aber wir werden sehen, was dabei rumkommt.

Wer ich bin? Nun, ich bin Orakel. Ein Student am Rande des Nervenzusammenbruchs. Ein Künstler aus Entschluss. Eine Leseratte und schlicht und ergreifend Wahnsinnig!

Und seid langen Jahren ein Rollenspieler. In diesem Sinne haben sich einige Bücher im Laufe der Zeit bei mir angesammelt und unmengen an Zeugs ist bis Heute einfach nur angelesen aber unbespielt ins Regal gewandert.)

Ich hoffe das ich mir hier eine Ausgangsplattform schaffen kann. Nach und nach diverse, interessante Notizen und Szenario-Schnipsel anbieten kann. Und wer weiß? Eventuell kann ich ja den einen oder anderen auch Inspirieren und zu guten eigenen Ideen verhelfen.

Ach ja: Wie man am Titel des Blogs sich eventuell denken kann bin ich ein Fan des Rollenspiels Unknown Armies. Es wird nicht nur darum gehen, aber ihr könnt durchaus damit rechnen, das einer der Schwerpunkte da zu finden ist.

Montag, 22. August 2011

Rezension: Stanislaw Lem - Solaris

Cover: Stanislaw Lem - Solaris
Verlag: Volk und Welt
Für diese Rezension liegt die Übersetzung von Kurt Kelm, 1983 beim Verlag Volk und Welt erschienen, vor.

In einer nicht näher bestimmten, aber immer noch fernen Zukunft hat die Menschheit nach den Sternen gegriffen, diese Berührt und nichts vorgefunden. Das einzig ungewöhnliche in dieser Zeit der Exploration war einzig und allein ein einziger Planet, der ein Doppelgestirn umkreist und von einem einzigen, lebendigem Ozean bedeckt ist. Seitdem ist dieser Spezielle Planet, “Solaris” genannt, intensiver Forschung unterzogen worden.

Die Geschichte des Romans selbst beginnt mit der Ankunft des Psychologen und Solarisforschers Kelvin auf der Forschungsstation des Planeten, nachdem er von Gibarian, dem einzigen ihm bekannten Forscher der Crew dazu gebeten wurde. Was ihn allerdings erwartet ist nicht ganz das, womit er gerechnet hatte. Gibarian hat kurz vor seiner Ankunft Selbstmord begannen, die meisten Forschungsanlagen der Station sind deaktiviert und die beiden verbliebenen Forscher, Snaut und Sartorius verhalten sich ungewöhnlich seltsam und weichen sämtlichen Fragen, die man ihnen stellt aus.

Das Kuriose an der ganzen Geschichte ist allerdings, dass sich ebenfalls noch andere, völlig fremde Personen auf der Station aufzuhalten scheinen. Dieser Umstand erklärt sich mehr oder minder in der darauffolgenden Nacht. Als Kelvin nämlich mitten in der Nacht aus einem Alptraum wieder zu sich kommt, sieht er sich mit einem Mal mit seiner eigenen Frau konfrontiert, die genauso alt ist wie er sie in Erinnerung hat, als diese vor Jahren Suizid verübt hatte. Doch kaum dass er sich dieser Erscheinung entledigt hat, bedarf es nur einer weiteren Nacht, bis ihm erneut und ohne jegliche Erinnerung an das vorangegangene Geschehen Harey erneut heimsucht. Dies bestimmt den weiteren Verlauf und sämtliche Beziehungen zwischen dieser Harey III, den Erfahrungen der beiden anderen Forscher und dem direkten Zusammenspiel des Ozeans von Solaris zu all diesen Ereignissen.

Fazit

Solaris ist ein Roman der sich Zeit lässt und viele Details über die Basisüberlegungen, Ereignisse der Vergangenheit und Rückblicke bietet. Insofern ist die Erzählgeschwindigkeit langsam und für manche Personen sicherlich langatmig wirkend. Das Grundthema innerhalb des Romans ist erst einmal die Reflektion über die Wissenschaft in ihrem Selbstverständnis alles klären zu wollen und dem Problem auf etwas zu stoßen das sie nicht erklären kann. Wobei gerade in diesem Zusammenspiel auch die Basisproblematik des gesamten Themas des Romans enthalten ist.

Der Grundlegende Traum der SF ist ja seid eh und je die Erforschung des Weltalls und der Kontakt mit fremden Spezies auf anderen Welten. Lem hat in diesem Roman einen Schritt weiter gedacht und das Problem der Kommunikation bedacht. Der Ozean der Solaris ist in seinen Prinzipien nämlich ein Wesen jenseits der Vorstellungskraft des Menschen, welches darüber hinaus keinerlei Verständigungsformen nutzt, die diesem entsprechen.
Der dabei entstehende durchaus Lem-typisch philosophische Ansatz ist eine Abkehr von jeglichem Anthropomorphismus wie er zeitgleich dabei angenommen wird.
In diesem Rahmen weiterleitend sind also grundlegende Probleme zeitgleich die Frage nach der Kommunikation, Wertvorstellungen und dem Leben an sich.

Diese Geschichte von in diesem Fall 218 Seiten ist zwar insoweit langatmig und nicht unbedingt immer einfach zu lesen (es macht sogar durchaus Sinn den Band zwischenzeitlich mal beiseite zu legen und eine Zeit gar nicht mehr anzurühren), verdient aber durchaus seinen Ruf als Klassiker im Regal eines jeden SF-Fans.

Insofern ist die Stärke von Solaris eine für Lem typische, detailreiche Geschichte, welche sich für ihre Entwicklung die Zeit nimmt, die sie braucht. Zeitgleich ist genau das aber auch ihre Schwäche. Dadurch das der Text nicht durch übertrieben schnelle Aktionen besticht, wirken einige Passagen zeitweise durchaus langweilig nach dem Verständnis einiger Leser. Abseits davon ist die ganze Geschichte trotz allem ein Ansatz der die Stärken der Science Fiction im Sinne eines gesellschaftlichen Spiegels im Wiederspiel auf die Bedeutung einer jeden Entdeckung im Sinne eines Wandels auf die Sicht des Menschen im Zusammenspiel mit seiner Umwelt.

Meiner Meinung nach ein Muss für jeden Fan der Science Fiction, aber definitiv nicht ganz unstrittig.

Montag, 15. August 2011

Rezension: Don't rest your head

Cover: Don't rest your Head
Verlag: Evil Head Productions
Und damit sind wir jetzt an die Stelle gekommen, die immer wieder mal den einen oder anderen skeptischen Blick in den letzten Jahren erlangt hat, seit sie besteht. Zeitgleich aber auch die immer wieder an Rollenspiele gestellte Fragen auf eine andere Weise beantwortet hat: Was ist wichtiger? Die Geschichte oder die Regeln? Richtig ich rede von der Forge.

Don’t rest your Head (ab jetzt mit DryH abgekürzt) ist eines der Spiele, die aus dem Dunstkreis des Schlachtrufes “System Matters”, der für die Forge zum religiösen Dogma geworden ist, entstanden sind.

Worum es geht? Nun… das ist wieder mal eines dieser komplizierten Spielchen, denn ein klares, einfach zugängliches Setting ist es nicht. In DryH spielt man Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen schlaflos sind. Nicht im Sinne von eine Nacht hin und her wälzen. Eher schon tagelang ohne Unterbrechung ziellos durch die gegend wandeln, nicht mehr in der Lage auch nur ein Auge zu zu tun. Eben das was übrig bleibt, wenn alles den Bach runter zu gehen scheint. Und irgendwann macht es klick im metaphorischen Sinne und die Welt verändert sich endgültig. Eine Tür steht in der Wand, auf die man Jahrelang gestarrt hat und öffnet sich in eine andere Stadt. Gefüllt mit Gefahren und skurrilen Figuren. Und in dieser Welt, in dieser anderen Stadt, müssen die jetzt Erwachten um ihr überleben kämpfen. Denn wie es immer so schön heißt: Alles ist Dein Feind.

Die Charaktererschaffung ist in diesen Bereichen eine für Indi-Rollenspiele Typische Ansammlung von Minimal-Angaben. Die Persönlichkeit definieren sieben Fragen, die oberflächliche und verborgene Eigenschaften in Schlagwörtern fassen, sowie die Spielverlauf schaffenden Werte aus Discipline, Permanend Madness, Current Exhaustion, Responses: Fight or Flight, Exhaustion- und Madness Talents sowie Scars.

Diese sehr stark an noch stärker zusammengestrichene Ruleslight-Regelwerke erinnernde Kombination ist tatsächlich der komplette Charakterbogen-Inhalt, wenn man davon ausgeht, dass die meisten Punkte ebenfalls nur mit einem einzigen Schlagwort versehen werden, so keine Kästchen zum ankreuzen vorhanden sind. Jedoch muss man sich in diesen Rahmenbedingungen erst einmal auch über ein Detail klar werden: DryH ist ein “Storygame”. Das heißt der Schwerpunkt der Crunchanteile, der von den Regelmechaniken abgebildet wird ist nicht wie in den klassischen Rollenspielen normalerweise vertreten eine Bestimmung der Wirkung loser Einzelhandlung, sondern eine im Vorfeld ausgehandelte Szene in ihrer Gesamtheit. (Oder anders Ausgedrückt: Der Würfelwurf definiert nicht einen einzelnen Pistolenschuss, sondern gleich den gesamten Kampf, der den Konflikt darstellt.)

Und um dies Abzubilden gibt es mehrere Elemente, die ein Würfelwurf bestimmt: Basisausgang des Szenarios & Erzählrechte. (DryH hat zwar weiterhin einen “normalen” SL, aber dessen Kompetenzen werden bis zu einem bestimmten Grad von der Würfelmechanik beschnitten.)

Dies wird mit einer bestimmten Anzahl von Mechaniken durchgezogen.
Zuerst währen da die Würfel, die jeweils zu einem bestimmten Anteil in vorher festgemachten Farben definiert werden. Jeder Spieler hat einen Pool an Würfeln, auf die er Zurückgreifen muss, der folgendermaßen aussieht:
3 weiße Würfel für Disziplinen, 6 schwarze Würfel für Exhaustion, 8 rote Würfel für Madness.

Außerdem bedarf es noch einiger Marker als “pocket change”. (Das Buch schlägt Kleingeld vor.)

Dazu kommen noch zwei Schalen, eine hell und eine dunkel.

Dies wirkt sich im Falle eines Konfliktes (der sowohl sozialer auch physischer Natur sein kann) folgendermaßen aus:
Jeder Spieler wirft auf jeden Fall seine Disziplin-Würfel. Zusätzlich dazu kann er aus dem Pool für Exaustion neue Würfel beisteuern, die danach Grundsätzlich auch weiterhin in dem Würfelpool bleiben. Dieses Steigern der Erschöpfung liefert zwar mehr Würfel und dadurch die Möglichkeit, die Erzählrechte für sich zu bestimmen, bringt aber Zeitgleich auch noch ein Problem mit sich: Falls die Erfolge der Erschöpfungswürfel überwiegen, spürt die Spielfigur innerhalb der Szene nur zu stark, dass sie Tagelang übernächtigt ist (was bis zum unerwünschten Moment des Zusammenbruchs geht, der zusätzliche Gefahren im Anschluss mit sich bringt).
Gleiches gilt für die Madness-Würfel. Sie erhöhen die Chance eines Gewinns, aber bei einer überwiegenden Anzahl an Erfolgen nimmt die Spielfigur Schaden auf der psychologischen Ebene.

Demgegenüber kann der SL mit seinen Würfen die Ausgangslage zusätzlich einfärben. Ihm steht ein Pain-Pool zur Verfügung. Dieser liefert einen entsprechenden negativen Einschlag in die Szene, um deren Erzählrechte gebuhlt wird.

Als Abschluss dient dann noch der Pool aus Münzen. Eine Münze vom SL ausgegeben bringt einen eher negativen Touch in die Szene, während eine Münze von den Spielern ausgegeben diesen die Möglichkeit einräumt, Erschöpfung zu regenerieren oder die Szene für sich selbst noch ein wenig zu verbessern. Allerdings sind auch diese Münzen in ihrem Einsatz begrenzt und stehen nicht ständig zur Verfügung, sondern kommen nur unter bestimmten Umständen in die jeweiligen Hope- und Despair-Schalen.

In sofern ist ein Umdenken was die Bedeutung der Metaebene Anbelangt grundsätzlich notwendig.

Dazu werden anschließend noch ein paar Feste Orte in der Mad City, sowie deren vorherrschende Persönlichkeiten unter deren Schergen vorgestellt.

Fazit:

DryH ist wie die meisten Forge-Titel kein Kampagnen-System sondern dient eher der kurzen One-Shot-Abend-Unterhaltung zwischendurch wenn man sich gerade zwischen zwei Kampagnen befindet oder einen Auszeitabend nehmen muss. Das ist ein für manche unvorstellbarer Fakt, aber liegt in den Grundideen der Mechanik begründet.
Dadurch das jede Figur ihre eigenen Beweggründe mitliefert, ist ein Teil der Abenteuergrundlage durchaus auch schon in den Gründen mit inbegriffen, die aus der Schlaflosigkeit resultieren. Für das Basisverständnis muss man sich nämlich durchaus sowohl als Spieler, wie auch als Spielleiter darüber im klaren sein, dass ein Ansatz für die Lösung eines Problems bereits der Ansatz zur Geschichte des Spiels mit beinhaltet (die Bereitschaft zu improvisieren ist also auch beim SL notwendig). Die Mad City als solche liefert nämlich einen kuriosen Ort, der nicht umsonst den Film “Dark City” von 1998 als Inspirationsquelle sein Eigen nennt, aber keine direkten, klassischen Umstände, welche Abenteuer man in einem solchen Setting erlebt.
Dadurch ist das Spiel etwas für kreative Liebhaber des Dramas, die durchaus bereit sind sich selbst ins Unglück zu stürzen und ihre Charaktere eher im Bereich der Verlierer sehen.
Der Begriff einer Dramahandlung mit starken Szenen ist hier eher tragender für das Spielerlebnis, als ein überlegener Held.
Durch diese Punkte bekommt aber die Metaebene mit dem Verhandlungsansatz bei Konflikten, der im Anschluss den Würfelwurf definiert eine wesentlich tragendere Rolle, als sie im herkömmlichen Spielgebrauch sonst vorhanden ist. Klassisches Charakterspiel ist nicht unmöglich, aber der übliche Unterbrecher eines SLs mit “Wirf mal kurz auf Wahrnehmung” ist damit nicht mehr gegeben.
Wer also bereit ist in diesen Rahmenbedingungen sich auf ein Umdenken einzustellen, wird mit DryH eine sehr starke Setting-System-Spielzweck-Verzahnung in die Hände bekommen, mit der einiges Anzustellen ist. Jedoch, wie bereits erwähnt auch eine ungewöhnlich starke Herausforderung bekommen, die eher den negativen Enden in Konsolenspielen wie Silent Hill oder Project Zero als Spielziel nahe kommt. Insofern ist es also durchaus sinnvoll sich noch einmal derartige kaputte Szenarien als zusätzliche Inspirationsquelle anzusehen.

Montag, 8. August 2011

Rezension: Karl-Heinz Tuschel - Die blaue Sonne der Paksi

Cover: Die blaue Sonne der Pasi
Verlag: Neues Leben
West meets East? Verdrehte Welt? Auch wenn “wir” die DDR heutzutage als “absolut chaotische Institution der Ur-Bösen” gerne verteufelt gesehen hätten, gab es doch innerhalb der Staaten hinter dem Eisernen Vorhang eine für unsere Szene nicht ganz uninteressante Eigenkultur, die kaum Beachtung geschenkt bekommen hat. Ich bin vor ein paar Jahren durch Zufall über einen Umweg zu meinem ersten DDR-Science-Fiction-Roman gekommen und denke, dass man zumindest ein paar von diesen Büchern wieder Aufmerksamkeit schenken könnte.

Und um den Roman “Die blaue Sonne der Paksi” soll es in dieser Rezension gehen.

Die Geschichte beginnt mit einem seltsamen Fund auf einem fremden Planeten, wenige Stunden bevor die Crew der Forschungsmission den Abflug durch ihr Hyperraumfenster vorbereiten muss. Was die beiden Kosmonauten Utta und Tondo zuerst noch für ein verwundetes Tier hielten, erweist sich nach ein paar genaueren Untersuchungen als ein beschädigter Roboter, der wild und solarbetrieben nach einiger Zeit anfängt, versuchsweise durch seltsame Gebaren mit dem Schiffsroboter Kontakt aufzunehmen. Nach einem Überfall durch einen ganze Stamm wilder Maschinen und dadurch geweckter Neugierde, sieht sich die gesammte Crew dazu bemüßigt, noch einmal die Gegend genauer zu erkunden. Dabei stoßen sie auf einen ganzen Stamm wilder Roboter, ein seltsames Gebäude, das kein sich bewegendes Wesen in seine Nähe lässt, sondern direkt angreift und eine Gruppe kultivierter Roboter sowie deren “Rebellen”.

Diese Gruppe kultiverter Roboter ist dabei etwas Besonderes: Während die Technik der Paksi insgesamt einer frühen Epoche der Industrie-Robotik der Erde ähnelt, befindet sich das Gesellschaftssystem der Paksi in einer Feudalherrschaft. Eine Kultur also, die den Menschen der Forschergruppe fast schon befremdlich antiquiert erscheint und darüber hinaus auch noch in allen ihren Ausartung längst überwunden wurde. Und in diesen Rahmenhandlungen sehen sich die Kosmonauten letzten Endes gezwungen sich auf diese für sie fremden Wertesysteme einzustellen und sich in die politischen Intrigen des Robotregenten, dem Iskatoksi verwickeln zu lassen.
Allerdings immer um die zentrale Frage beantwortet zu kriegen: Was ist das große Geheimnis der Paksi und wie sind sie entstanden?

Fazit:
Bevor irgendwelche bosartigen Kommentare kommen: Ja, der Grundtenor des Buches enthält insgesamt ein dem Sozialismus positiv gegenüberstehendes Szenario parat, das auf die politische Situation innerhalb der DDR mitunter auch zurückzuführen ist. Darum geht es mir hierbei nicht.
Das Interessante an solchen utopischen Romanen kommt zwar ebenfalls durch solche Sichtweisen mit hinzu, jedoch ist es hier anders zu sehen. Die Basisüberlegung des Ganzen ist ja die Frage nach dem “Erstkontakt” mit einer anderen Spezies und den grundlegenden Gesetzmäßigkeiten des “Fremden”, wobei hier zu Grunde liegt, dass dieses Fremde in bestimmten Bereichen vergleichbaren Gesetzmäßigkeiten auf der gesellschaftlichen Ebene unterliegt, auch wenn die eigentliche Entwicklung außerhalb jeglicher Möglichkeit einer gegenseitigen Beeinflussung passieren. Insofern kann aus einem banalen Alltagsgegenstand wie dem Zahlungsmittel der Münze ein fremdes Artefakt werden, das man selbst nicht versteht, weil es nichts mehr mit dem eigenen kulturellen Wandel zu tun hat und dennoch vertraut sein sollte.
Eine weitere schöne Idee ist dabei die Überlegung, wie eine künstliche Lebensform funktionieren könnte, die in Form der VAZ-Schaltung dargestellt wird: erlernte Verhaltensweisen, Angst und Zorn sind dabei die Analogien, unter denen sich die Roboter prinzipiell ihren Aufgaben stellen und mit Lösungen aufwarten. (Und darüber hinaus wird gerade Bewegung als besonderes Prinzip in dem Ganzen wertgeschätzt.) Das Ganze ist also im Umkehrschluss durchaus als kleinere Analogie zu unserem Umgang mit “primitiveren” Kulturen zu sehen.

Wer sich also für utopische Romane interessiert und ein wenig abseits der gegenwärtig bekannten Autoren auch für etwas anderes begeistern kann, findet hier sicherlich einen kleinen Leckerbissen, der aber wohl gerade fürs westliche Publikum schwierig zugänglich gemacht werden kann. (Schwierig in soweit, das der Bestand an Büchern von Tuschel insgesamt endlich ist und nur noch via ebay überhaupt erhältlich sein dürfte.) In dem Sinne muss ich noch einen weiteren Punkt erwähnen: Die für diese Rezension verwendete Ausgabe ist der gebundene Band Nr. 142 aus der Reihe “Spannend Erzählt”. Es existiert aber auch noch eine Taschenbuchversion aus der Reihe der Kompass-Bücherei. Bis auf Bindung, Typen-Größe und Seitenzahl sind diese beiden Ausgaben identisch. Man findet also in beiden Bänden dieselben Illustrationen vor. Insofern verpasst man also nichts, wenn man gerade nur eine der beiden Ausgaben zur Auswahl hat und kann ruhigen Gewissens die 2-3€, für die das Buch durchschnittlich zu kriegen ist ausgeben.

Das ganze ist in soweit ein kleiner Geheimtip der vielleicht nicht jedem zusagen mag, aber dennoch lesenswert ist.

Montag, 23. Mai 2011

Rezension: Drachen über Larm (Abenteuer für Labyrinth Lord)

Cover: Drachen über Larm
Verlag: Mantikore Verlag
Aller guten Dinge sollen ja bekanntlich drei sein und so bringt mit Drachen über Larm der Manticore-Verlag jetzt seine dritte Veröffentlichung für sein Rollenspiel Labyrinth Lord heraus. Allerdings ist man erstmal ein wenig erschrocken, wenn man das im Vergleich zum Grundregelwerk und den Larm Chroniken geradezu magersüchtig-dünne Heftchen in der Hand hält. Wobei der geringe Umfang dieses Mal auch Programm ist: Es handelt sich nur um ein einziges Abenteuer, mehr nicht. Die knapp 32 Seiten sind mit einem Einband aus stabilem Karton versehen und weisen ein durchaus streitbares Cover in leichtem Comic-Stil auf, das einen der namensgebenden, mit Pfeilen gespickten Drachen beim Nachtflug zeigt. Moritz Mehlem wirft mal wieder ein Abenteuer für Charaktere der Stufen 1-2 in den Ring, das aber diesmal die volle Tödlichkeit des LabLord-Systems offenbaren soll und sich somit wohl eher an Spieler richtet, die entweder bereits anderweitig einige Abenteuer mit LabLord hinter sich gebracht haben, alte D&D-Veteranen sind, oder zumindest die Larm-Chroniken erlebt haben.

Aber worum geht es? Kurz gesagt: Der Aufhänger ist ein großer, weißer Drache, der das kleine Dörfchen Larm heimsucht um dort Schafe zu reißen, bis es den Dorfbewohnern zu bunt wird und sie sich zu wehren beginnen. Doch da dies nicht genug ist, fallen im Anschluß auch noch Echsenmenschen über die armen Herden her und verschleppen einzelne Schafe in die nahen Sümpfe. Genau diese Umstände führen erneut dazu, dass eine Expedition von Abenteurern in selbige geschickt wird um herauszufinden, warum eine dermaßen große Horde an Echsenwesen aus der entsprechenden Richtung für Ärger sorgt und schließlich über ein Dorf der Echsenmenschen stolpert, die Drachen als Götter anbeten.
(Hierbei muss man allerdings erwähnen, dass eine Karte des Echsenmenschendorfes Ssirres aufgrund irgendwelcher mysteriöser Umstände nicht ins Heftchen geschafft hat. Mittlerweile steht sie zumindest auf dem Blog von Moritz Mehlem zum Download bereit. Die Website des Mantikare-Verlag soll wohl noch folgen.)

Das alles ist weitestgehend in der üblichen LabLord-Manier mit Zufallsbegegnungen und den dazugehörigen weiteren Daten versehen, auch wenn letzten Endes das Vorhandensein der beiden anderen deutschen Produkte vorausgesetzt wird. (Mit Azurmolch, Donnerbaum und Mantiskrieger werden aber auch drei neue Monster für LabLord vorgestellt werden.)

Fazit

Zugegeben: Viel ist es nicht, was auf den 32 Seiten an eigentlichem Material zu finden ist. Jedoch muss man dabei hinzufügen, dass es sich hier vermutlich um eine Reaktion auf die in letzter Zeit sehr laut gewordenen, kritischen Stimmen handelt, die LabLord und damit auch die komplette Spielweise ausschließlich als System für Dungeoncralws hinstellen (wenn man sich das Regelwerk durchsieht scheint es auch für diesen Zweck geziehlt abgestimmt zu sein).
Allerdings heißt die Grundthematik (anders als in den meisten Abenteuern der Larm-Chroniken) hier nicht „Dumme Kreatur macht Rabatz in Höhlensystem“. Ein Dungeoncrawl als Möglichkeit ist zwar weiterhin enthalten, ähnlich wie die Möglichkeit alles durch simple, stumpfe Gewallt zu lösen, jedoch ist das nicht der Hauptgrund hinter der ganzen Idee. Das Abenteuer ist mehr auf die Aspekte Interaktion und Verhandlungsgeschick ausgelegt, um scheinbar auch andere Interessensgebiete der unterschiedlichen Spieler und Spielleiter hier zu bedienen.

Ob dieses Abenteuer wirklich ein tolles Erlebnis ist, muss sich in der Praxis zeigen. Einfach so aus dem Handgelenk geschüttelt, wie den durchschnittlichen Dungeoncrawl, bekommt man das Abenteuer sicher nicht, aber es dürfte auch nicht zu viel Aufwand für einen SL sein, um das Ganze vorzubereiten. Insofern handelt es sich bei Drachen über Larm durchaus um ein nettes Abenteuermodul.
Unschön an der ganzen Geschichte ist allerdings die Tatsache, dass ein Monster auf der Wegstrecke auftauchen kann, das den Kampagnen-Band der Larm-Chroniken voraussetzt. Dadurch dass Larm zwar in gewisser Weise als einziges Settingbuch für LabLord in Deutschland derzeit (noch) als vorhanden erwartet werden kann, ist dieser Umstand nicht ganz so schlimm. Da aber LabLord selbst ja ein generisches System für jede beliebige Welt sein will und Drachen über Larm durchaus kein so zentral ausschließlich in Larm funktionierendes Abenteuer ist, wäre es durchaus schön gewesen, wenn die wilden Hunde als solche entweder auch noch im Abenteuer mit Werten hinterlegt worden wären, oder aber anderweitig zugänglich gemacht würden. (Je mehr Abenteuer erscheinen desto komplizierter wird es langfristig einfach, wenn jedes Abenteuer erstmal wieder einige zuvor erschienene Publikationen voraussetzt, in denen man dann „nur“ mal eben irgendein Vieh nachschlagen muss.) Wie gesagt: Das ist Zukunftsmusik, aber bei solchen „Kleinigkeiten“ sind dann langfristig die Details der interessante Part.

Insofern versucht Drachen über Larm einen Spagat zwischen der großen Klopperei und mehr Möglichkeiten für Charakterspiel, als es zuvor der Fall war. Gerade Zweiteres setzt aber auch die entsprechende Bereitschaft sowohl von Seiten des SLs als auch der Spieler voraus. Aber dadurch, dass genau diese Möglichkeiten als Lösungsansätze direkt mit eingeplant worden sind, sieht man auch, dass die bereits in Foren langsam aufkommende Kritik zumindest ernstgenommen wurde und hier neue Ansätze LabLord zu nutzen aufgezeigt werden. (Für einige andere Leute fehlt da zwar die Feingranulierung im Bereich der Attribute, aber es ist machbar). In diesem Bereich ist es zwar keine großartige Story mit vielen Kniffen und großen Wendungen, sollte aber immerhin ein paar nette Spielabende mit sich bringen.

Sonntag, 17. April 2011

Rezension: China Mieville - Die Stadt & Die Stadt

Cover: China Mieville - Die Stadt & Die Stadt
Verlag: Bastei Lübbe
In der britischen fantastischen Literatur scheint es im Moment eine lose Bewegung zu geben, die aktiv versucht alte Zöpfe abzuschneiden und dabei neue Ideen und eine andere Entwicklung in die Fantasy allgemein zu bringen. „New Weird “, wie sich dieser eher lose Autorenverbund selbst zu schimpfen scheint versucht dabei aktiv die bislang stilbildenden (und leider auch allzu häufig beschränkend einseitigen) Bildmittel in andere Richtungen zu bringen.

Die Stadt & die Stadt fällt in gewisser Weise in genau diesen besonderen Bereich hinein, indem der Roman ein Szenario als Setting präsentiert, das Simpel wie verwirrend zugleich ist. Der Titel gebende Aspekt des Romans, das Basisszenario, sind zwei miteinander benachbarte Städte. Allerdings nicht in dem Rahmen, wie wir es normalerweise mit dem Begriffen benachbart oder auch geteilt verbinden. Ähnlich wie Berlin vor der Wände kann man nämlich durchaus sagen, dass beide Städte in gewisser Weise zusammengehören, aber nicht indem sie irgendwo geografisch aneinander ragen, sondern indem sie zeitgleich denselben Bereich füreinander beanspruchen. Das sieht so aus, dass die eine Straßenseite der einen Stadt gehört, während die andere der anderen angehört. Das Ganze geht sogar soweit, dass ein Stockwerk eines Gebäudes in der einen Stadt sich befindet, während das andere sich in der anderen Aufhält.
Und um diesen unglaublich komplexen Bereich von belebt und unbelebt zu unterstreichen sind die Bewohner der beiden Städte von Klein auf dazu konditioniert aneinander vorbei zu leben, einander nicht zu sehen. Eine laute Einkaufsstraße in der einen Stadt kann dadurch zu einem menschenleeren Elendsviertel in der anderen Stadt werden. Wobei keiner der in dem entsprechendem Szenarien lebenden Personen auch nur im geringsten über den Zustand im jeweils anderen Szenario bewusst wird, während er „dort“ ist.

In dieses für den Alltagsverstand absurde Szenario lässt Mieville die Leiche einer jungen Frau auftauchen, die beide Städte miteinander zu verbinden droht, da sie in der einen ermordet wird, aber in der anderen abgelegt wurde. Und der weitere Verlauf beschreibt die Ermittlungen des Kommissars Borlú , der mit genau diesem Rätsel konfrontiert wird, dass jemand einen Bruch zwischen den beiden Städten geschaffen hat, indem er die Grenze überschritten hat ohne das dabei Alarm entstand, sowie eine komplette Beschreibung dieser obskuren Welt mit allen ihren gesamtgesellschaftlichen Winkelzügen, die diese Ermittlungen behindern und schwieriger machen.

Und wie es am Ende des Klappentextes heißt: „Will Borlú den Fall lösen, bleibt ihm nur ein
einziger Weg: Er muss allein in die verbotene Zwillingsstadt, um das Ungesehene sichtbar zu
machen … “

Das ganze klingt abstrus, ich weiß. Aber gerade dieses Moment des rein Absurden ist der treffende Aspekt, der dieser Geschichte ihre unglaubliche Stärke verleiht. Das fantastische Element in dieser Gesamtsituation ist nämlich nicht irgendein übernatürlicher Faktor, sondern lediglich der Hinweis auf eine ungewöhnliche Einstellungssache. Eine Frage nach Bewusstseinszuständen, wenn man so will, denn alles, was innerhalb dieser Geschichte passiert ist gänzlich gewöhnlich. Wir haben hier im Grunde einen gewöhnlichen Krimi in einer fantastischen, aber ansonsten alltägliche Gesellschaft. Und das macht die stärke des Romans aus, weil er nicht krampfhaft versucht überall übernatürliche Wesenheiten hinein zu pressen.

„Fazit“

Ein Fazit kann ich in diesem Sinn nicht wirklich geben, denn mit diesem Buch hat Mieville sich in eine Kategorie gebracht, die man so nur aus dem Film kennt, die aber auch nur auf einen Namen reduziert werden kann: David Lynch. Anders als Lynch ist der Handlungsbogen von Die Stadt & Die Stadt jederzeit zwar zu 100% nachvollziehbar. Gleich wie bei Lynch ist man am Ende des Romans allerdings hell auf begeistert, kann aber nur mit wenigen Hinweisen was an dem Buch toll ist sich erklärender Weise zu verständigen versuchen. Den Daumen genau drauf zu drücken ist aber kaum möglich. Vermutlich ist gerade der zur Philosophie des Existentialismus zählende Idee des Absurden, die Mieville hier überall durchblicken lässt, ähnlich wie die eher amüsant wirkenden Aspekte die an die Forschungsergebnisse der menschlichen Wahrnehmung oder auch an den von Virilio formulierten „Transitraum“ erinnern mögen. Wirklich fest sagen kann man es nicht.
Fest sagen kann man nur eines: Das Buch weiß zu begeistern. Und in diesem Sinne möchte ich „Die Stadt & Die Stadt“ wirklich jedem ans Herz legen, der bereit ist sich auf wirklich ungewöhnliche Ideen einzulassen.

Rezension: Die Larm-Chroniken (Labyrinth Lord Abenteueranthologie)

Cover: Die Larm Chroniken
Verlag: Mantikore Verlag
Nachdem der Manticore Verlag mit der deutschen Ausgabe von Labyrinth Lord sein erstes Rollenspiel auf den Markt gebracht hat, stellt Moritz Mehlem mit „Die Larm Chroniken“ die erste Abenteuer-Sammlung für den deutschen Markt auf, welche Anfänger-Charakteren auf den Stufen 1 bis 5 das Geschehen innerhalb einer Spielwelt zur Seite stellt.

Larm ist ein kleines Dörfchen am Fluss Dolm in den Bekannten Landen und soll vom Grundansatz her ein Auftakt und Rückzugpunkt für Anfängerrunden darstellen, von dem aus sich die Charaktere aus ins Abenteuer stürzen können. Aber wie es immer so schön heißt: Anfänger-Helden sind noch in den Lehrjahren. Und dementsprechend bietet auch dass Dörfchen Larm erst einmal einigen kleineren Zwist und ein paar Überraschende Handlungen, mit dehnen sich die Gruppe beschäftigen kann.

Insofern ist es wenig überraschend, dass das erste Kapitel sich ausschließlich um eine Ortsbeschreibung dreht: Welche wichtigen Personen gibt es? Wo sind diese anzutreffen? Wer treibt es mit wem und woraus resultieren dabei welche Probleme, sind im Grunde die Schlagwortfragen, die dabei geklärt werden. Und aus diesen Umständen entspringen dann teilweise (kombiniert mit ein paar Zufallstabellen) der eine oder andere Auftakt, um sich in die ersten Erlebnisse einer möglicherweise tödlich endenden Abenteurer-Karriere zu stürzen.
Die darauf aufbauenden Unterkapitel liefern dann anschließend ein paar Örtlichkeiten, die wirklich vor Gefahr nur so strotzen: „Die Mühle“ ist von einer Rattenplage zu befreien, ehe Larm das Brot ausgeht, während „Der vergessene Tempel des Thaxon“ von Untoten bereinigt werden muss, welche das Heiligtum einer mittlerweile beinahe in die Vergessenheit anheim gefallenen Gottheit besetzen. Und falls man das halbwegs mit heiler Haut überstanden hat, geht es noch darum ein Goblinlager auszuspionieren, dessen Bewohner die Umgebung unsicher machen.

Danach folgen wieder einzelne, kurze Abenteuer, die sich aber mehr aus dem kuscheligen Umfeld der Siedlung Larm herausbewegen und die Umgebung zumindest teilweise in Augenschein nehmen. In „Der Schrein des Grimic“ erforscht man auf der Suche nach einem übergroßen Rubin einen aufgegebenen Schrein, der mit tödlichen Fallen gespickt ist und in die Festung des Bergkönig ein Kobold mit seiner Bande Unruhe stiftet.

Wirklich interessant ist eigentlich zentral das Kapitel „Der Fluß Dolm“.
Das Abenteuer ist in sofern nämlich etwas anderes, weil hier ein gesonderter NSC in Form der Tochter des Bürgermeisters von Larm in den Vordergrund geschoben wird, die man zu ihrer Hochzeit (oder besser Verlobung) über den Fluss geleitet werden, um ihren späteren Ehemann kennen zu lernen. Wie das Leben aber so spielt, ist die Dame davon wenig begeistert und der Fluss will es den Spielern auch nicht einfacher machen, um diese Aufgabe zu erfüllen. Wilde Monsterstämme, Flusspiraten und sonstige Probleme inklusive.

Und zum Abschluss gibt sich mit „Die Rückkehr des Bergkönigs“ Glgnfz der Kobold noch einmal die Ehre. Diesmal terrorisiert er die Gegend um Larm von einer alten Zollstation aus, und bietet immer noch mehr als genug Ärger.

Ich verkürze das ganze um ein paar Details, denn die meisten Abenteuer laufen auf das gleiche Prinzip hinaus, dass man fast schon als Archetyp des Labyrinth Lord Abenteuers mittlerweile bezeichnen kann: Den Dungeon Crawl. Annähernd jedes Abenteuer endet früher oder später in einem Kampf in irgendeinem Labyrinth aus Gängen, Fallen und Gegnern die man bekämpfen muss. Prinzipiell ist nichts dagegen einzuwenden, fraglich ist nur, ob tatsächlich dauerhaft und ständig die Runden darauf abfahren werden. Da dieser Band aber bereits für den Anfang zu einem gewissen Grad alles vereinfacht und damit auf eine simple Weise erst einmal die grundlegende Herangehensweise für diese Umstände bereitstellt steht sich dort sicher nichts gegenseitig im Wege. Das soll jeder für sich entscheiden.

Das interessanteste Abenteuer in dem gesamten Bereich steht allerdings fest. „Der Fluß Dolm“. Insgesamt ist das Abenteuer zwar mit dem Flussverlauf einer stringenten Linearität unterworfen, die nur leicht dadurch aufgelockert wird, dass ein paar unberechenbare Faktoren ins Spiel gebracht werden, indem man pro Flussabschnitt jeweils ihre Ereignisse auswürfelt und dementsprechend als SL sich vorbereitet. Der Punkt, der hier heraus sticht ist allerdings ein anderer: Es wird ein NSC ins Zentrum gerückt, der noch nach dem großen Abenteuer selbst sucht und nur bedingt von der Idee begeistert ist, bald am Gängelband leben zu müssen.
Hier bietet sich wirklich Potential zur Interaktion zwischen den Spielern und der Welt, die der SL so lebendig wie ihm nur eben möglich gestalten kann. Immerhin ist alles wohl und wehe der Scs von der Laune der „kleinen Göre“ abhängig. Gerade das kann insgesamt zu sehr viel Chaos, aber auch zu einigem Spaß führen.

Fazit

Was haben wir also hier? Einen Abenteuerband für den blutigen Anfänger. Im Guten wie im Schlechten. Die einzelnen Abenteuer an sich machen einen grundsoliden Eindruck, auch wenn nicht alle unbedingt durch eine unglaubliche Fülle an Ideenreichtum sprudeln. Grundsätzlich muss man nämlich durchaus sagen, dass der Geschmack des Dungeoncrawls nicht sonderlich vielschichtig ist, sondern eher für den simplen, schnellen Spaß zwischendurch, bei dem es nicht sonderlich auf viel Interaktion ankommt. Fans des Hack&Slay dürften also durchaus auf ihre Kosten kommen. Ähnlich wie solche, die einige, mehr oder weniger simple Rätsel mögen.
Für die anderen, die sich ein wenig mehr Interaktionsmomente wünschen, dürfte bei einem Spielleiter, der sich die Mühe macht entsprechende Möglichkeiten auszuschmücken hingegen das bereits herausgestellte „Der Fluß Dolm“ einen interessanten zweiten Blick wert sein.

Dadurch dass die Larm-Chroniken allerdings ein Sammelband verschiedener, älterer Publikationen von Melem ist, erkennen solche, die sich bereits etwas länger mit Labyrinth Lord beschäftigt haben sicherlich die entsprechenden Titel wieder, und können dadurch selbst entscheiden, ob sich die Anschaffung für sie jeweils lohnt. Der Rest, der sich nach der ersten Lektüre des GRWs von LL immer noch gefragt hat, was man mit diesem Spiel eigentlich tun soll, sei diese Abenteuer-Sammlung ans Herz gelegt. Ich denke man kann mit den Larm-Chroniken durchaus einen eigenen, gründlichen Eindruck über Möglichkeiten und Verfahrensweisen (sowie die Beschränkungen) von LL erfahren und dadurch für sich entscheiden, ob sich das Spiel für einen selbst lohnt. Der eine oder andere One-Shot und damit spaßeshalber durchgeführte, kurzweilige Spielabend sollte auf jeden Fall drin sein.

Spielleiter, die sich etwas trauen und ihre Spieler auch gerne im positiven quälen, werden allerdings wohl tatsächlich nur mit der Fahrt auf dem Dolm ihren Spaß haben. Diese Abenteuer begeistert durchaus, verlangt aber einiges an Planung im Vorfeld, um die entsprechenden Szenen auch wirklich ausgeschmückt zu bekommen, was die Tochter des Bürgermeisters anbelangt. Zumindest vielen mir auf Anhieb einige Dinge ein, die man da testweise ausprobieren könnte.

Insofern ist der gesamte Band zwar keine Kost die jedem schmecken mag, aber durchaus für Freunde des Dungeoncrawls sicherlich zu empfehlen. Und zumindest ein brauchbarer Einstieg in die „Welt“ von Labyrinth Lord.

Sonntag, 6. März 2011

Rezension: Labirynth Lord. Herr der Labyrinthe

Cover: Labyrinth Lord
Herr der Labyrinthe
Verlag: Mantikore Verlag
Jetzt wird es ein wenig kompliziert. Das Problem bei der Sache ist nämlich: Wo fängt man hierbei an? Vieles ist bereits gesagt worden, manches ist mehr oder weniger erahnbar. Labyrinth Lord (von hier an weiter LabLord) ist eine Geschichte für sich, die einige Ecken und Kanten vorweist.

Ende 2008 gab es im Internet einen von Moritz Mehlem (ansonsten unter dem Pseudonym glgnfz geläufig) gestarteten Aufruf, der durch mehrere Internetanlaufstellen ging, ein bis dahin vollständig unbekanntes System zu übersetzen. Hierbei handelte es sich um LabLord. Die erste Übersetzung erschien noch unter dem PoD-Siegel bei Lulu. Mittlerweile hat das Spiel mit dem Mantikore Verlag in Form einer überarbeiteten Edition mit neuem Cover eine feste Heimat gefunden, die auch in den normalen Laden gelangen kann. Um diese neue Auflage geht es in dieser Rezension.

Und genau da beginnen die Probleme für diese Rezension: Was ist LabLord denn jetzt eigentlich? Kurz gesagt: Neu ist die Idee hinter LabLord nicht. Will es auch gar nicht sein. Wenn man in Computersprache spricht und dabei ein Bild aus dem Grundregelwerk benutzen will: LabLord ist die Emulation eines älteren Spieles. Es handelt sich hierbei um den Nachbau einer der ersten D&D-Fassungen, wie sie Anfang der 80er als Boxen verkauft worden sein sollen.

Und damit stolpert man dann in Urzeiten, die von niemandem so überhaupt erlebt worden sind. (Oder irgendwie in der Art.) Die Charaktererschaffung klingt zumindest bereits nach den entsprechenden Untiefen, die man selbst nur aus Legenden kennt.

Aber genug der schmückenden Worte. Für die Charaktererschaffung wirft man sechs Mal 3W6 und ordnet diese anschließend in der entsprechenden Reihenfolge den dazugehörigen Attributen zu. Daraufhin folgt die Auswahl einer Klasse, für die gewisse Attributs-Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Hier hat man die hübsche Auswahl aus solch vielschichtigen Möglichkeiten wie Dieb, Elf, Halbling, Kämpfer, Kleriker, Magier und Zwerg. (Das System setzt also Rassen und Klassen auf die gleiche Stufe. Dabei werden bestimmte Klischee-Eigenschaften den entsprechenden „Rassenklassen“ von Anfang an zu geschrieben und der Rest muss durch entsprechendes Spiel rübergebracht werden.) Seltsam ist nur, dass die jeweiligen Klassen unter verschiedenen Stufenbeschränkungen leiden. (Elfen gehen bis Stufen 10, Halblinge bis Stufe 8, wohingegen „normale Menschen“ bis Stufe 20 abgebildet sind.)
Der Rest ist danach dann Prinzipiell nur noch Gesinnung und Ausrüstung. (Sowie im Zusammenhang mit entsprechenden Eigenschaften noch Sprüche bei den Zauberwirkern.) Der Rest ist danach, wie man so schön sagt, bekannt. Ein simples Regelsystem, wie man es zu einem Großteil bereits aus anderen Bereichen auch kennt. (Oder dessen Nachfolger man bereits erahnen kann.) Was ein wenig Verwirrung stiftet ist hierbei die Angriffstabelle mit ihren Eigenheiten. Man bestimmt hierbei aus einer Tabelle, die sich aus Klasse und Rüstungsklasse ergibt einen Trefferwurf um festzustellen, wann Schaden überhaupt verursacht wird.

Was darauf noch folgt sind solche netten Dinge wie Monster, die einem begegnen können und ihre Werte. (Sowie Tabellen dafür.) Schätze, die es zu erlangen gilt und natürlich eine mehr oder weniger ausführliche Beschreibungen, die man Labyrinthe erschaffen kann.

Fazit:
Fest steht zumindest schon mal, dass es ein sehr simples System ist, das durchaus seine Macken vorweist. Zeitgleich ist es aber auch ein System, dass sehr schnell erlernt werden kann und dadurch ein paar Stärken vorweist, die nicht zu verachten sind.
Viele der Regeln sind obskur, nach heutigen Begriffen eher vorsintflutlich. Man muss sich also der Tatsache stellen, dass man keine gänzlich durchdachten Regeln aus einem Guss, sondern ein paar kleinere Untersysteme hier und da bekommt, die aufgrund des Umfangs übersichtlich bleiben.
LabLord sollte man also in diesem Bereich auf jeden Fall unter die Liebhaber-Systeme packen, für den Fall dass man ältere Abenteuer „von Damals“ noch einmal auspacken will (oder sich auch zulegen möchte). Oder auch einfach nur in Erinnerungen schwelgen möchte.
Ansonsten sollte man sich auf ein sehr stark vereinfachtes Regelsystem einstellen können und keine größeren Ansprüche an ausgebuffte Charakterkonzepte legen. (Zufalls-Charaktererschaffung kann in dem Bereich immer seltsame Ergebnisse ausspucken.) Und man sollte nicht zu stark mit dem verwöhnten Auge einer heutigen Illustrationskultur im Rollenspielbereich an die Sache herangehen.
Insgesamt erfüllt Lablord also durchaus die selbst gestellten Voraussetzungen und schafft ein Bindeglied mit dem „alte Hasen“ den Nachwuchs auf ihre Seite bringen können.
Was man hierbei bekommt ist also ein Anfänger-Rollenspiel, das Anfänger für das Hobby anziehen soll. Ein simples Spiel für einfache, kurzweilige Momente. Man sollte mit dem Grundregelwerk zumindest in One-Shots und kürzeren Kampagnen seinen Spaß haben. Allerdings, wie bereits erwähnt, endet alles je nach Gruppenzusammenstellung dann und wann rätselhafterweise urplötzlich bei Erreichung bestimmter Stufen. Ich gehe hier für den Anfang einfach davon aus, dass der mit LabLord hochgehaltene Spielstil des Dungeoncrawlings davon ausgeht, dass entsprechende Helden keine höheren Klassen überhaupt erreichen. Es hinterlässt trotzdem ein seltsames Gefühl von unbeantworteten Fragen im Hinterkopf. Für den Zweck, den LabLord erfüllen will, ist es geeignet und damit brauchbar. Der Rest muss sich am Spieltisch zeigen.