Montag, 15. August 2011

Rezension: Don't rest your head

Cover: Don't rest your Head
Verlag: Evil Head Productions
Und damit sind wir jetzt an die Stelle gekommen, die immer wieder mal den einen oder anderen skeptischen Blick in den letzten Jahren erlangt hat, seit sie besteht. Zeitgleich aber auch die immer wieder an Rollenspiele gestellte Fragen auf eine andere Weise beantwortet hat: Was ist wichtiger? Die Geschichte oder die Regeln? Richtig ich rede von der Forge.

Don’t rest your Head (ab jetzt mit DryH abgekürzt) ist eines der Spiele, die aus dem Dunstkreis des Schlachtrufes “System Matters”, der für die Forge zum religiösen Dogma geworden ist, entstanden sind.

Worum es geht? Nun… das ist wieder mal eines dieser komplizierten Spielchen, denn ein klares, einfach zugängliches Setting ist es nicht. In DryH spielt man Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen schlaflos sind. Nicht im Sinne von eine Nacht hin und her wälzen. Eher schon tagelang ohne Unterbrechung ziellos durch die gegend wandeln, nicht mehr in der Lage auch nur ein Auge zu zu tun. Eben das was übrig bleibt, wenn alles den Bach runter zu gehen scheint. Und irgendwann macht es klick im metaphorischen Sinne und die Welt verändert sich endgültig. Eine Tür steht in der Wand, auf die man Jahrelang gestarrt hat und öffnet sich in eine andere Stadt. Gefüllt mit Gefahren und skurrilen Figuren. Und in dieser Welt, in dieser anderen Stadt, müssen die jetzt Erwachten um ihr überleben kämpfen. Denn wie es immer so schön heißt: Alles ist Dein Feind.

Die Charaktererschaffung ist in diesen Bereichen eine für Indi-Rollenspiele Typische Ansammlung von Minimal-Angaben. Die Persönlichkeit definieren sieben Fragen, die oberflächliche und verborgene Eigenschaften in Schlagwörtern fassen, sowie die Spielverlauf schaffenden Werte aus Discipline, Permanend Madness, Current Exhaustion, Responses: Fight or Flight, Exhaustion- und Madness Talents sowie Scars.

Diese sehr stark an noch stärker zusammengestrichene Ruleslight-Regelwerke erinnernde Kombination ist tatsächlich der komplette Charakterbogen-Inhalt, wenn man davon ausgeht, dass die meisten Punkte ebenfalls nur mit einem einzigen Schlagwort versehen werden, so keine Kästchen zum ankreuzen vorhanden sind. Jedoch muss man sich in diesen Rahmenbedingungen erst einmal auch über ein Detail klar werden: DryH ist ein “Storygame”. Das heißt der Schwerpunkt der Crunchanteile, der von den Regelmechaniken abgebildet wird ist nicht wie in den klassischen Rollenspielen normalerweise vertreten eine Bestimmung der Wirkung loser Einzelhandlung, sondern eine im Vorfeld ausgehandelte Szene in ihrer Gesamtheit. (Oder anders Ausgedrückt: Der Würfelwurf definiert nicht einen einzelnen Pistolenschuss, sondern gleich den gesamten Kampf, der den Konflikt darstellt.)

Und um dies Abzubilden gibt es mehrere Elemente, die ein Würfelwurf bestimmt: Basisausgang des Szenarios & Erzählrechte. (DryH hat zwar weiterhin einen “normalen” SL, aber dessen Kompetenzen werden bis zu einem bestimmten Grad von der Würfelmechanik beschnitten.)

Dies wird mit einer bestimmten Anzahl von Mechaniken durchgezogen.
Zuerst währen da die Würfel, die jeweils zu einem bestimmten Anteil in vorher festgemachten Farben definiert werden. Jeder Spieler hat einen Pool an Würfeln, auf die er Zurückgreifen muss, der folgendermaßen aussieht:
3 weiße Würfel für Disziplinen, 6 schwarze Würfel für Exhaustion, 8 rote Würfel für Madness.

Außerdem bedarf es noch einiger Marker als “pocket change”. (Das Buch schlägt Kleingeld vor.)

Dazu kommen noch zwei Schalen, eine hell und eine dunkel.

Dies wirkt sich im Falle eines Konfliktes (der sowohl sozialer auch physischer Natur sein kann) folgendermaßen aus:
Jeder Spieler wirft auf jeden Fall seine Disziplin-Würfel. Zusätzlich dazu kann er aus dem Pool für Exaustion neue Würfel beisteuern, die danach Grundsätzlich auch weiterhin in dem Würfelpool bleiben. Dieses Steigern der Erschöpfung liefert zwar mehr Würfel und dadurch die Möglichkeit, die Erzählrechte für sich zu bestimmen, bringt aber Zeitgleich auch noch ein Problem mit sich: Falls die Erfolge der Erschöpfungswürfel überwiegen, spürt die Spielfigur innerhalb der Szene nur zu stark, dass sie Tagelang übernächtigt ist (was bis zum unerwünschten Moment des Zusammenbruchs geht, der zusätzliche Gefahren im Anschluss mit sich bringt).
Gleiches gilt für die Madness-Würfel. Sie erhöhen die Chance eines Gewinns, aber bei einer überwiegenden Anzahl an Erfolgen nimmt die Spielfigur Schaden auf der psychologischen Ebene.

Demgegenüber kann der SL mit seinen Würfen die Ausgangslage zusätzlich einfärben. Ihm steht ein Pain-Pool zur Verfügung. Dieser liefert einen entsprechenden negativen Einschlag in die Szene, um deren Erzählrechte gebuhlt wird.

Als Abschluss dient dann noch der Pool aus Münzen. Eine Münze vom SL ausgegeben bringt einen eher negativen Touch in die Szene, während eine Münze von den Spielern ausgegeben diesen die Möglichkeit einräumt, Erschöpfung zu regenerieren oder die Szene für sich selbst noch ein wenig zu verbessern. Allerdings sind auch diese Münzen in ihrem Einsatz begrenzt und stehen nicht ständig zur Verfügung, sondern kommen nur unter bestimmten Umständen in die jeweiligen Hope- und Despair-Schalen.

In sofern ist ein Umdenken was die Bedeutung der Metaebene Anbelangt grundsätzlich notwendig.

Dazu werden anschließend noch ein paar Feste Orte in der Mad City, sowie deren vorherrschende Persönlichkeiten unter deren Schergen vorgestellt.

Fazit:

DryH ist wie die meisten Forge-Titel kein Kampagnen-System sondern dient eher der kurzen One-Shot-Abend-Unterhaltung zwischendurch wenn man sich gerade zwischen zwei Kampagnen befindet oder einen Auszeitabend nehmen muss. Das ist ein für manche unvorstellbarer Fakt, aber liegt in den Grundideen der Mechanik begründet.
Dadurch das jede Figur ihre eigenen Beweggründe mitliefert, ist ein Teil der Abenteuergrundlage durchaus auch schon in den Gründen mit inbegriffen, die aus der Schlaflosigkeit resultieren. Für das Basisverständnis muss man sich nämlich durchaus sowohl als Spieler, wie auch als Spielleiter darüber im klaren sein, dass ein Ansatz für die Lösung eines Problems bereits der Ansatz zur Geschichte des Spiels mit beinhaltet (die Bereitschaft zu improvisieren ist also auch beim SL notwendig). Die Mad City als solche liefert nämlich einen kuriosen Ort, der nicht umsonst den Film “Dark City” von 1998 als Inspirationsquelle sein Eigen nennt, aber keine direkten, klassischen Umstände, welche Abenteuer man in einem solchen Setting erlebt.
Dadurch ist das Spiel etwas für kreative Liebhaber des Dramas, die durchaus bereit sind sich selbst ins Unglück zu stürzen und ihre Charaktere eher im Bereich der Verlierer sehen.
Der Begriff einer Dramahandlung mit starken Szenen ist hier eher tragender für das Spielerlebnis, als ein überlegener Held.
Durch diese Punkte bekommt aber die Metaebene mit dem Verhandlungsansatz bei Konflikten, der im Anschluss den Würfelwurf definiert eine wesentlich tragendere Rolle, als sie im herkömmlichen Spielgebrauch sonst vorhanden ist. Klassisches Charakterspiel ist nicht unmöglich, aber der übliche Unterbrecher eines SLs mit “Wirf mal kurz auf Wahrnehmung” ist damit nicht mehr gegeben.
Wer also bereit ist in diesen Rahmenbedingungen sich auf ein Umdenken einzustellen, wird mit DryH eine sehr starke Setting-System-Spielzweck-Verzahnung in die Hände bekommen, mit der einiges Anzustellen ist. Jedoch, wie bereits erwähnt auch eine ungewöhnlich starke Herausforderung bekommen, die eher den negativen Enden in Konsolenspielen wie Silent Hill oder Project Zero als Spielziel nahe kommt. Insofern ist es also durchaus sinnvoll sich noch einmal derartige kaputte Szenarien als zusätzliche Inspirationsquelle anzusehen.

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