Montag, 28. Oktober 2013

Die Spiel ist vorbei: Ich bin erschlagen.

Okay. Normalerweise würde ich ja dazu übergehen eine unendlichen Laufbericht, der sich an James Joyce Ulisses orientiert, hier als „NachSpielbericht“ hinzuschreiben, aber irgendwie ist mir dieses Jahr ein wenig die Lust darauf vergangen. (Es fehlten einfach ein paar Gesichter... irgendwie.)

Also, fangen wir erstmal mit meinen persönglichen Grundlagen des ganzen an: Ich bin dieses Jahr zum ersten Mal an einem Sonntag in Essen gewesen. Grund dafür war meine aktuelle Job-Situation, sowie die Tatsache, das am Abend vorher das Monatstreffen der Chronik Schattenspiel in Münster war. Dadurch kam es diesmal zur noch nie dagewesenen Zufalle, dass ich jemanden Begleitet hatte, mit denen ich dann die Spiel gemeinsam „erlaufen“ habe. Caninus und Infernal Teddy von Neue Abenteuer waren meine Schildgefährten, wenn man das mal so ausdrücken will.

Derzeit ist die Situation mit der Spiel ja ein klein wenig verfahren: Durch den Abriss und Wiederaufbau von verschiedenen Hallen hat sich diesmal einiges umverteilt, weil die Messe nicht mehr über den gewohnten Komplex stattfindet, sondern die bislang ungenutzten Hallen 1-3 ihren Boden hergeben durften. Dadurch hatte man jetzt folgenden Effekt gehabt: Zum einen soll jetzt deutlich mehr Fläche zur Verfügung gestanden haben, zu anderen hatten einige Spieler aus der Vampire-Domäne am Samstag das Gefühl gehabt, deutlich schneller über die Spiel zu kommen und alles gesehen zu haben. (Letzteres ist also eine klar negative Qualität gewesen.)

Was soll man dazu jetzt sagen: Beide Punkte könnten stimmen. Allerdings kann das auch gerade mit der umgewöhnung zusammenhängen. In der alten Messeaufteilung war man sehr viel schneller an den „geekigen“ Ständen in Halle 6 und konnte dann mit einem wesentlich aktiveren Ausfiltern in die anderen Hallen vordringen, weil man bei den Rollenspiel-Sachen sich selbst sehr viel schneller zurechtgefunden hat. Jetzt ist es eher so, das man zwar besonders nach den eigenen Ständen aktiv sucht, den Rest aber ausfiltert, während man durch die einzelnen Reihen der Hallen „hetzt“.

Man muss dabei Hinzufügen, dass es für Infernal Teddy die erste Spiel überhaupt war, die er besuchte. Und dafür betrachtet hatte er sich ziemlich geschickt verhalten: Innerhlab kürzester Zeit hatte er einen Stand gefunden, an dem er eines der mittlerweile seltenen Exemplaren von White Wolfs „Aion“-Grundregelwerks erstanden hat. (Zu einem Spottpreis wohlgemerkt.) Für uneingeweihte: Aoin ist der ursprüngliche Name des Rollenspiels „Trinity“, mit dem die weißen Wölfe damals in die Science Fiction eingestiegen sind. Aufgrund von Namensrechten mussten sie aber das gesamte Projekt innerhalb kürzester Zeit umbenennen in den heutigen Namen. Die entsprechenden Bücher, die den ursprünglichen Namen tragen sind also durchaus begehrte Sammlerstücke. (Du hattest doch eine Karte von dem Ladenbesitzer bekommen, Teddy. Stand da auch eine Webadresse drauf?)

Man muss übrigens eines als Fakt betrachten: Der „Teddy“-Effekt, der Infernal Teddy und Moritz voneinander fernhält, ist definitiv weiterhin aktiv. Laut Nik von Mantikore war Moritz definitiv am Sonntag auf der Spiel, aber leider ist er mir nicht über den Weg gelaufen.

Dafür habe ich aber Sebastian Deutsch (aka Grosi) und die übrige Meute von Prometheus Games mal wieder gesehen. (Plus deren „eingeflogenem“ Mitglied. (Prometheus Games hatten übrigens die „All Rolled Up Gaming Rollen“ als kleine Besonderheit dieses Jahr unterstützt. Und ich hab Grosi gezeigt, dass es ein sehr spezielles Motiv gibt, das man leider nicht so ohne weiteres auf der Spiel erhalten kann. „An Information to die for“, die Rolle mit den Star Wars Greenprints.)
Und Camillo bei Q-Workshop hat Teddy und Caninus gleich die Freundschaft gekündigt, nachdem er herausgefunden hat, dass die beiden auch mich kennen. (Das dürfte für die drei also demnächst ein sehr entspannendes Dresden Files demnächst ergeben. ;) ) … Für uneingeweihte: Camillo hat einen eigenwilligen Humor und wir beide ziehen uns seid wir uns kennen auf den Messen immer wieder ein wenig ironisch-humoristisch auf.
Und ich hab Leronoth zum ersten mal Live und in Farbe kennen gelernt. Wir sind ja beide als aktive Rezensenten drüben bei den neuen Abenteuern aktiv.

Wie dem auch sei: Ich hatte zweimal Kreise gezogen. Als nämlich Teddy und Caninus gingen, habe ich ein paar andere Freunde aufgesucht, die ebenfalls zum ersten Mal auf der Spiel waren. (Einer der beiden ist übrigens ein kleines „Nebenprojekt“ von mir und einer Freundin, was das Anfixen mit dem RPG-Virus anbelangt.)

Und dabei veränderte sich dann auch meine entsprechende Wahrnehmung des ganzen. Ich entdeckte Plötzlich einige Stände, an denen ich vorher einfach nur blind vorbeigerannt war. Jedenfalls haben sich auf dem Weg dann doch noch ein paar Erwerbungen machen lassen, die ich schon etwas länger auf dem Kieker hatte. (Und die mir ansonsten beim Ersten mal drüberlaufen entgangen waren.)

Und „Japanime Games“, die letztes Jahr einen sehr breiten Stand auf der Comic Action hatten, haben sich in deutlich kleinerer Formation nochmal präsentiert. (Diesmal sind sie mir dann aber als Name im Kopf geblieben.)
Der Grund, warum ich jetzt ins Grübeln gerate ist Folgender: Japanime Games vertreiben zwei Deckbuilding Games mit Anime-Optik und versauten Themen/Motiven. „Tanto Cuore“ ist Quasi das Rollenspiel „Maid“ als Kartenspiel. Man ist ein Hausbesitzer und versucht seinen Haushalt mit dem anwerben von Hausmädchen zu bestreiten, die dann auch für Loveinterests mit eingebracht werden. „Kazume Godess“ ist ein Kampf zwischen Göttern der Antike und ihren Gespielinnen.
Beide Spiele leben von dem sehr starken softerotischen Manga-Stil der Illustrationen, welche zum Teil auch sehr explizite Andeutungen von „echi“- und „hetai“-Themen aufzeigen.
Ich erwähne diese beiden Spiele deswegen, weil ich mit einer Freundin ein Gespräch über das Spiel Tanto Cuore geführt hatte, das sie schon als sehr stark „gegen den guten Geschmack“ empfand, während ich doch sehr angetan von dem ganzen bin, was die ästhetische Aufbereitung anbelangt..
Jedenfalls könnte es durchaus passieren, dass ich mir in absehbarer Zukunft dann doch eines von diesen Beiden Kartenspielen zulege. (Gerade weil ich wegen der entsprechenden Aufmachung sowohl dieses Jahr, als auch letztes Jahr schon genau darüber gegrübelt hatte.)

Tja, wir werden sehen. Auf jeden Fall ist die Spiel sehr viel Anders, als man es normalerweise erwartet hat.

Den einzigen, den ich nicht geschafft habe zu sprechen, obwohl ich es eigentlich wollte, war Scorpio. Der war aber auch dermaßen bei Ulisses überlaufen, dass man das echt vergessen konnte. Naja, vielleicht ein anderes Mal.

Das ist übrigens meine Ausbeute.
Demnächst wohl auch hier und da verissen.


Montag, 14. Oktober 2013

Rezension: Fieberglasträume

Cover: Fieberglasträume
Cyberpunk. Abgesehen von einem Album von Billy Idol handelt es sich hierbei ja um ein Sub-Genre der Science Fiction, welche in den frühen 1980er Jahren mit der Neuromancertrilogie von William Gibson begründet und weitestgehend hinsichtlich seiner Tropes formuliert worden ist.
Grundlage dieses speziellen Genres ist dabei eine nahe gelegene Zukunft, in der sich zumeist wenige Konzerne in einer liberalen Marktwirtschaft in Reinkultur die Welt untereinander aufgeteilt haben. Das in dieser Welt das Individuum von gesellschaftlicher Seite keine Rolle spielt, sollte jedem bewusst sein. Das besondere des Cyberpunk-Genres ist dabei dann allerdings, dass es gerade seinen Blick auf das Individuum in einer solchen distopischen Zukunft wirft und dabei eine entsprechende Spekulation über das gelingen oder auch Misslingen des entsprechenden Einzellebens unter solchen Bedingungen aufgreift.
Wichtig dabei sind, dass die tragenden Elemente für eine solche Beachtung (auch wenn sie sich seid den 80ern zum Teil sehr verändert haben) eine überhöhte Selbstdarstellung der Modifikation und Perfektion des eigenen Körpers auf Chrombasis mit beinhält. Zusätzlich gehört auch noch die zweite Realität des Cyberspace ebenfalls von Anfang an dazu, welche von den damaligen Vorstellungen tatsächlich nicht nur die Idee einer Subkultur, sondern vielmehr einer zweiten, wahrnehmbaren Realität, die parallel zur wirklichen Welt existiert, darstellt.
Das alles wird dabei von dem Konzept des Anti-Helden getragen, der innerhalb einer graustufigen Welt die Wahl zwischen Pest und Cholera hat, um sein überleben zu sichern. Spätestens seit Mitte der 90er gilt gerade deswegen das komplette Konzept des Cyberpunks als Tod, da die während der 80er noch unvorstellbare Grausamkeit aus Ängsten und Chancenlosigkeit längst zur alltäglichen Realität geworden ist. Der Cyberspace ist das Internet eines SecondLives geworden. Und die Cyberdecks rauben in Armbanduhrenform zu tausenden im Bus einem den letzten Nerv, während sie Beethovens 9te Spielen, um Aufmerksamkeit ihres jeweiligen Controllers zu erlangen.

Fieberglasträume ist eine Kurzgeschichtensammlung von 2013, die Frank Hebben und Adre Skora herausgebracht haben, welche trotz dieser ganzen Bedingungen genau dieses Genre aufgreift und insgesamt fünfzehn Autoren versammelt, die ihre jeweilige Version dazu beitragen.

Gehen wir erstmal den optischen Aspekt an: Das Cover von Cristoph Jaszczuk zeigt eine Nackte vercyberte Frau, deren obere Kopfhälfte scheinbar gegen einen Cyberhelm ausgetauscht wurde, welche sich in kniender Haltung holographische Bildschirme überwacht. Unterhaltsam ist dabei der Rücken der Frau, da hier scheinbar die Informationen, die sonst durch die Rückenwirbel laufen, hier via Funkenschlag über einzelne Dioden wie bei einem Tessler-Generator übertragen werden. Das alles befindet sich auf einem Hintergrund mit verschiedenen, orangefarbenen Schattierungen. Die Nacktheit dieser Figur dürfte zwar – dank optischer HBO-Verseuchung – nur noch wenige Leute wirklich verstören, ist aber durchaus für das Genre des Cyberpunks immer noch auf gesonderte Weise ziemlich wichtig. (Hieran erkennt man wieder einmal die Instrumentalität, die letzten Endes alles innerhalb des Cyberpunk-Genres haben kann.)
Zusätzlich dazu sind nochmal weitere fünfzehn Illustrationen im Buch enthalten, welche stilistisch zwischen Graffiti-Comic und modernem Comicstil sich bewegen. Geschmacklich dürfte sich also um diese jeweiligen Farbtafeln am meisten gestritten werden.

Gehen wir jetzt also weg von den optischen Spielereien und wenden uns dem eigentlichen Inhalt zu, den einzelnen Geschichten, die sich auf insgesamt 336 Seiten ausweiten.

Peter Hohmanns „Back to Basics“ ist das, was der Titel verspricht: Eine klassische Geschichte, welche um einen Konzernagenten dreht, der kurz vor Neujahr im Auftrag seines Chefs zum Babysitten abkommandiert wird. Kernthema dabei ist die übliche soziale Vereinsamung und der Widerspruch zwischen Onlinern und Offlinern.

Sven Köpplings „Kabelgott“ hat dabei als Thema die Welten der Onliner. Wobei hierbei weniger das offensichtliche Thema des Lebens in einem „Second Live“ das tragende Element ist, sondern mehr der Umgang mit den AGBs, die mittlerweile mit jedem Service im Internet verbunden sind. Die prägende Idee, die hierbei den Plot ausmacht ist dabei ein äußerst interessantes Spiel mit der Moral, die entspringt, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes seine Seele ohne mit der Wimper zu zucken verkauft. Allerdings liegt innerhalb des Plots gerade dabei aber auch das Problem mit dieser Geschichte verbunden: Der Sense of Wonder wird arg überstrapaziert, wenn die virtuelle Handlung aus der Interaktion mit den AGBs zu realen Folgen in der (fiktiven) tatsächlichen Welt führt.

Jens Ulrichs „Das Netzwerk“ greift die Idee der sozialen Vereinsamung innerhalb des Cyberpunkgenres auf und spielt damit, wenn es doch zur unberechenbaren Komponente der zwischenmenschlichen Beziehung kommen sollte.

Niklas Peineckes „Animatoo“ ist ein Spiel mit der Idee der beweglichen Bilder auf menschlicher Haut. In gewisser Weise wird hierbei eher sarkastisch mit der Idee gespielt, dass bewegte Bilder den Verstand umnebeln. Aber auch die alte, konservative Weisheit „Was nichts kostet, taugt auch nichts“ anders wiederbelebt. Ähnlich wie bei Kabelgott werden hier noch einmal die Alpträume neuer Technologien dargestellt, welche auch neue Gefahren offenbaren.

Andre Wieslers „Shogun und Sparkle-Schoko“ ist nocheinmal eine Reminiszenz an die Willkür mit der sich Teams innerhalb des Genres Cyberpunk bilden können. Jeder Grund ist meistens genausogut wie der Andere, aber meistens sind die Motive auf einige, wenige Grundsätze zu reduzieren: Geld, Überleben oder Rache.

Thorsten Küper greift in „Dementers Garden“ das vermutlich erfrischenste Konzept auf, um eine ziemlich coole Geschichte zu eröffnen: Man nehme die schlimmsten, morallosesten Wissenschaftler, sperre sie in ein einziges Laboratorium ein, aus dem sie niemals entkommen können und schaue was sie dabei anstellen. Das hierbei gerade Waffen entstehen, die am Ende dazu neigen sich zu verselbstständigen, sollte jedem bewusst sein. Genauso wie jedem bewusst sein sollte, was passiert, wenn solche Waffen in den bewussten Umlauf gebracht werden. Alles der Quote wegen.

In das „Gesetz der Zone“ beschreibt Michael Rösner einen kurzen Augenblick, in dem jemand von ganz Unten die Chance hat Rache nehmen zu können, an jemandem, der ganz Oben auf der Spitze der Konzernleitung hockt. Und wie dann trotzdem, Genre-Typisch, alles in die Binsen geht.

Frank Hebben und Christian Günther haben sich mit den beiden „Zeit der Asche“ Geschichten zusammengetan und beschreiben mit #Rheingold und #Hanse einen künstlich von einer Zitadelle heraufbeschworenen Konflikt zwischen zwei unterschiedlichen Parteien aus genetisch degenerierten Wesen in einer postapokalyptischen Zukunft. Diese beiden Geschichten sind vermutlich die Highlights dieses Bandes, weil sie einen sehr eigensinnigen Weg gehen. Das ganze wird durch eine abgehackte Erzählweise unterstrichen, in der jeder einzelne Satz für sich selbst betrachtet eine Art kurze Momentaufnahme ist. Als wäre die Aufmerksamkeit der jeweiligen „Protagonisten“ nur für Sekundenbruchteile jeweils vorhanden und würde daher nur die jeweilige Impression des Momentes wiedergeben.

„Mindswitch“ von Frank Werschke würde ich am ehesten als technologiebasierte Zombiecalypse-Geschichte umschreiben. Hierbei wird wieder einmal der kleine Hacker zum Opfer der Großen, weil er sich aufgrund seiner eigenen Arbeit als zu gefährlich für die Großen erwiesen hat, um am Leben zu bleiben, aber sein Verstand insgesamt zu ersetzbar ist, um ihn gerade eben nicht umzubringen. (Wie gesagt: Das Individuum in einer Cyberpunk-Gesellschaft spielt keine Rolle.)

Jan-Tobias Kitzel umschreibt in "Saints Glory die Notwendigkeiten von Brot und Spielen, welche seit den Römern bekannt sind. Das Cyberpunk-Genre lebt davon, dass gerade in seinen Welten die Stars der jeweiligen Zeit in absolut blutigen, illegalen Kämpfen geboren werden um Medienwirksam genutzt zu werden.

Peer Bieber bricht mit allen Traditionen in „Die drei Tage des Hiob“. Hier geht es eher um die Apokalypse der Gesellschaft, die sich auf bestimmten Fundamenten gebildet hat, indem mit nur einem einzigen, kleinem Detail wie einem Code alles umgestürzt wird. Und zeitgleich nutzt Bieber dabei verschiedene Ideen, die man eher der transhumanistischen Literatur zuordnen würden, wenn auch nur mit angedeuteten Versatzstücken.

Ingo Schulze feiert mit „Grenzkinder“ sein Debüt in diesem Buch. (Zumindest soweit man den Autorenbeschreibungen trauen darf.) Sein Plot ist der eines einsamen Schützen, der sich nach Jahre langer Vorbereitung schließlich auf den einsamen Fahrt der Rache begibt um eine alte Schuld zu sühnen. Das alles zwischen Rockerkriegen und dem Traum des ewigen Heavymetal-Festivals.

Bei David Grashoffs KALI fragt man sich beim Lesen hingegen, ob der Autor – so sehr ich seine Art Geschichten zu erzählen mag – wirklich in diesem Band gut aufgehoben ist. Grashoff verzichtet weitestgehend auf eine überproportionierte Darstellung von Technik, bis diese, subjektiv betrachtet, vollständig in den thematischen Hintergrund tritt und beschreibt eher eine einzelne Szene, die den direkten Augenblick der Rache eines Individuums darstellt, das gegen eine obskure Sekte vorgeht. Man bemerkt hierbei durchaus stark, dass es sich um die Geschichte eines Autoren handelt, der – zumindest mir – bislang eher im „Grusel und Horror“-Genre mit ernsteren Texten bekannt war. Das er darüber hinaus auch lustig kann spielt hierbei ja keine Rolle.

Michael K. Iwoleit beschäftigt sich in „Der Sturz“ schließlich mit den anderen Persönlichkeiten des Cyberpunk-Genres, wenn auch wieder eher im tranhumanistischem Sinne, möchte man meinen: Es geht um die KIs. Transhumanistisch möchte ich die Geschichte insoweit bezeichnen, weil die künstlichen Intelligenzen innerhalb dieser Geschichte als eigene Kultur beschrieben werden, welche erstmals mit den Menschen als ihren ursprünglichen Schöpfern in Kontakt tritt um ein Beisammenleben zu verhandeln. Die Geschichte beschreibt den mühsamen Weg des Botschafters dieser KI-Kultur, wie er nach einem Treppensturz eben diese wieder hinaufkrabbelt und die einzelnen Erinnerungen, welche über seine Gliedmaßen fragmentarisch verteilt sind, wieder zusammenklaubt, während er seinen eigenen Avatarkörper Stück für Stück Symbolhaft wieder zusammensetzt. Durchaus eine sehr schöne Geschichte mit einem fiesen Plott der Marke „Ich-weiß-das-du-weißt-das-ich-weiß“.

Fazit

Grundsätzlich muss man wohl die Problematik des Cyberpunk-Genres weiterhin offen halten: Wir erleben des Cyberpunk in seiner schlimmsten Variante mit all seinen Tropes gerade selber. Uns fehlt zwar der blitzende Chrom, aber dafür hantieren wir mit anderen Dingen herum, die diesen nicht minder ersetzen. Macht es also Sinn Geschichten in diesem Genre zu verfassen? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten.
Fieberglasträume erfindet in diesem Bereich sicherlich nicht das Rad neu und hier werden in den einzelnen Positionen nur bedingt gewisse Spekulationen zu unserem Leben in der technologisierten Welt beschrieben. Unterhalten kann der Band mit seinem Spiel der bereits bekannten Tropes natürlich trotzdem.
Womit wir dann natürlich beim zentralsten Problem eines solchen Bandes angekommen sind: Eine Kurzgeschichtensammlung wie diese, welche verschiedene Autoren unter einem Banner vereint ist immer von durchwachsener Qualität verbunden. Das stellt man natürlich auch bei Fieberglasträume erneut fest. Die einen Autoren schreiben direkt nur zur reinen Unterhaltung. Andere experimentieren mit Sprache herum und versuchen auf diese Weise für den Leser eine besondere Erfahrung zu verschaffen. Und wiederum andere machen sich wirklich Gedanken, wie man eventuell doch noch dem ganzen etwas neues abgewinnen kann. Das macht den Band nicht schlecht, sorgt aber natürlich dafür, dass niemand vollständig zufrieden mit dem Gesamtwerk sein wird. (Und ich weiß, dass gerade ich im Science Fiction-Bereich mittlerweile ein ziemlich mäkeliger Leser geworden bin.) Man muss diesen Band also solche Sammelbände immer als Einladung begreifen: Lerne verschiedene Autoren kennen und halte nach denen, die dir besonders gefallen haben, anschließend die Augen offen.
Unter diesem Blickwinkel betrachtet lohnt sich gerade Fieberglasträume besonders, weil man hier einige sehr interessante, nicht aus einem Guss wirkende Positionen vorfindet, die sich jeweils sehr stark unterscheiden und voneinander abheben. Daher kann ich zumindest für meinen Teil nicht sagen: Das ist absolut gut oder absolut schlecht. Es entspricht den Erwartungen und bietet auf jeden Fall einige gute Anregungen für die weitere Lektüresuche. (So die entsprechenden Autoren denn anderweitig auch noch veröffentlicht haben, was ja gerade bei Ingo Schulze eher schwierig ist, der sich ansonsten ja nur im Rollenspielsektor bislang herumgetummelt hat.)