Montag, 6. Juli 2015

Das Problem mit der Sprache.

Ich habe ja jetzt vor Kurzem erst den Vorschlag gemacht, bestimmte Logiklöcher im Verhalten mancher Spieler dadurch zu schließen, indem man sie mit Pokebällen bewirft. Und das alles, um eine Lanze für die Diversität in unserem Hobby zu brechen. Diversität ist jetzt aber auch ein Schlagwort, dass gerade für unsere kleine Szene nicht ganz unproblematisch ist. Immerhin hat das aufrechterhalten dieses speziellen Wertes auch zu Folge, dass die Szene in sich zersplittert und auf diesem Weg mehr Spieler verloren gehen könnten, was die mögliche eigene Position von Spielerfahrung anbelangt.
Im groben ausgedrückt bemerkt man das natürlich sehr gut, wenn man sich innerhalb der Forenlandschaft umsieht und dabei über die Frage nach der Bedeutung von Regeln im Spiel im Auge behält. Grundsätzlich lassen sich in dieser Diskussion zwei Positionen feststellen, von der die eine relativ Friedfertig und im Verlauf der Zeit dann verteidigend-gereitzt auftritt, während die andere Position mit absoluter Agression ihren Standpunkt als den einzig Richtigen hochzuhalten versucht. (Grundsätzlich kommt es dabei zu einem Vorwurf des „Bescheißens von Freunden“ an forderster Front. Und natürlich das entsprechend gegenseitige Unverständnis, dass eben dieser Umstand nicht der Fall ist.) Was hat es damit jetzt auf sich?

Hierbei muss man sich vermutlich ein paar Dinge erst einmal zu Gemüte führen, die diese beiden Positionen so sehr auseinander bringt. Vor einiger Zeit hatten jetzt Thomas Michalski und Michael Mingers im DorpCast entsprechend über ihr jeweiligen Selbstverständnis als Spieler gesprochen und dabei die dazugehörigen Zielsetzungen hinter den entsprechenden Spielweisen reflektiert aufgezeigt. Ich will das gar nicht so sehr breit treten, sondern letzten Endes „nur“ eben auf die entsprechende Definition von Scorpio verweisen: „Der beste Spieler für die Gruppe zu sein.“
Jetzt könnte man sagen: Natürlich das will man doch immer sein, oder etwa nicht?
Der Punkt bei der Sache ist aber, was in diesem Satz nicht ausgedrückt wird: Technisch wird das Spiel hier als Wettkampf betrieben. Man steckt Ziele ab, die errungen werden müssen, um auf diesem Weg einen entsprechenden Erfolg zu erreichen. (Um es mit der X-Box 360, die bei mir im Zimmer steht auszudrücken: Man versucht s.g. „Archivements“ freizuschalten.) Die Ausprägung, die eine solche Formulierung von Spielzielen hat, ist natürlich sehr klar umrissen und entspricht einer Wertung, die man mehr oder weniger derzeit indoktriniert bekommt: Höher, Schneller, Weiter!
Die sehr klar definierten Zielsetzungen, die Sieg und Niederlage dabei ausmachen, entsprechen in der selben Weise dem Gefühl, dass man „haben muss“, wenn man bei Sportfesten in der Schule entsprechende Urkunden nicht erlangt hatte. (Technisch betrachtet ist das gewisser Mangel in der Erziehung unserer Gesellschaft: Wir führen zwar das olympische Lippenbekenntnis „Dabeisein ist alles.“, aber letzten Endes fordern wir bestimmte Ergebnisse ein. Seien das jetzt Medallien im Sport, oder halt die Zähne erschlagener Drachen auf den Schulterplatten der Rüstung des eigenen Charakters.)
Wenn man sich unter dieser Form von Wettkampfdruck sieht ist eine klare Regeldefinition und -auslegung natürlich sehr Sinnvoll. (Immerhin ist die Frage ob man „versagt“ oder „brilliert“ eher über eindeutig erfahrbare Werte festzumachen, weswegen geskriptete Kämpfe gegen den Drachenlord natürlich nicht gerne sieht.)
Hierbei ist eine klare, moralische Vorgehensweise von Seiten des SLs sowie der Spieler natürlich Notwendig, da man sich auf der kompletten Ebene des Wettkampfes in einer klaren, strukturierten, kompetetiven Situation am Spieltisch wiederfindet.
Der Punkt bei der ganzen Angelegenheit, hier kommt die Vokabel des „Bescheißens“ ins Spiel, ist, dass die Diskussion wegen der kompetetiven Vorgehensweise moralisch geführt werden muss. Hier liegt nämlich mit der Moral und damit der Fairness eines von zwei Wertsystemen im Vordergrund, das den Spielstil definiert.

Ich sage deswegen zwei Wertsysteme, weil die „moralisch Entrüsteten“ Leistungsspieler immer Lauter werden, je häufiger sie feststellen müssen, dass ihre Eingeforderten, streng ethisch-korrekten Spielstilziele eben nicht geteilt werden. Potentielle Mitspieler gehen dadurch flöten, das diese nicht zwingend einen Wert auf wirklich hartes Kompetenzgerangel setzen.
Ich will das ganze einmal so darstellen: Ein Kampf darf regelunkonform verloren werden, wenn sich aus der Charakterkonstellation der Spieler – oder auch der interaktion mit der Welt – eventuell im Anschluss eine interessantere Szene zu ergeben scheint, als es im Falle des Sieges der Fall ist. Hierbei geht es nicht um den Adrenalin-Rausch des Wettkampfes, bei dem Sieg oder Niederlage alles ist.
Manche würden dieser Vorgehensweise vermutlich den Begriff „Stimmungsspiel“ andichten, allerdings bin ich mir nicht so ganz sicher, ob der Begriff der „Stimmung“ wirklich hier das tragende Element ist. Das Ausloten bestimmter Situationen, der dadurch resultierende Verlauf des Charakters als verbindendes Element dabei: Vieles davon ist erfahrbar, aber der Wert ist halt eben nicht Wettkampforientiert. Viel mehr ist das ästhetische Moment hier deutlich im Vordergrund.
Und das ist letzten Endes das, wo sich der sprachliche Wiederspruch, respektive das große Missverständnis aufbaut: Man fühlt sich nicht verarscht oder gar beschissen – das würde von vornherein eine entsprechende Zielsetzung von Wettkampfähnlichem Format voraussetzen – weil man gar nicht erst ein Ziel in dieser Richtung verfolgt hat. Daher ist auch die Wertung dieses „Moments des Sieges und der Niederlage“ nicht unbedingt von Bedeutung.

Ich will hierbei ein griffigeres Bild bemühen: Mittlerweile ist die Pokerwelle ja Glücklicherweise vorbei, aber wir alle haben in der „Hochphase“ vermutlich den Fehler gemacht mal versehentlich auf eine entsprechende Übertragung eines Pokertouniers zu zappen. (Sofern ein Fernseher in eigenen Besitz vorhanden war.) Ziel der meisten Spieler hierbei ist ja eher das taktische Bluffen, um an Ende mit den entsprechend eigenen Karten einen Moment zu schaffen, bei dem man eventuell den Pot mit nach Hause nehmen kann. Dieses Spiel ist sehr zielgerichtet. Nehmen wir jetzt aber an, an diesem Tisch sitzt ein Spieler, der seine Karten einfach nur unbeachtet auf dem Tisch liegen lässt und anschließend trotzdem mitgeht, weil er das Gefühl und den Klang der Chips, wie sie in seiner Hand liegen und auf dem Tisch klackern schätzt. Die Frage ist jetzt: Bescheißt dieser Spieler die anderen? Oder setzt er einfach nur in seinem Vorgehen auf andere Qualitäten, die nicht im Wettstreit liegen mögen?

Das Bild greift zwar nicht direkt auf die Diskussion mit den Regeln zu, lässt sich aber analog sehr gut auf dieses Übertragen: Das Wertsystem entsprechender Spieler und Spielleiter ist ein gänzlich anderes. Der Vorwurf des „Bescheißens“ greift nicht, weil die entsprechende Zielsetzung von Anfang an eine andere war und die entsprechenden Konstellationen einfach keinen Wert aus dem Wettkampf ziehen. Sie haben ein ästhetisches Wertesystem als Grundlage, was ihre Ziele angeht.

Und genau hier bricht letzten Endes dann die Diskussion auseinander, weil – zumindest so meine Vermutung – die wettstreitorientierten Spieler ihr Vorgehen als Allgemeingültig ansehen und davon ausgehen, dass genau das es ist, was jeder Spieler am Ende anstreben würde.
Ihre Sprache ist daher in ihren Argumenten geprägt und sie drehen sich mit einem unglaublichem Unverständnis im Kreis um jede andere Vorgehensweise, was entsprechende Zielsetzungen anbelangt. Da die jeweiligen Wertsysteme grundverschieden sind, allerdings alternativ zueinander existieren, können sie hervorragend nebeneinander Existieren, wohl aber kein Urteil bezüglich eines besser und schlechter als das jeweils andere betreiben. Dementsprechend ist ein normativer Anspruch, der diesen Werturteilen zugrunde liegt, auch vollkommen hirnrissig.

Das einzige, was man jeweils versuchen kann, ist, letzten Endes Verständnis für den jeweils anderen Standpunkt zu erlangen und sich der Tatsache zu stellen, dass man eben doch nicht automatisch in jeder Gruppe „gut“ aufgehoben ist.

Ja: Das sorgt für Zersplitterung der gesammten Szene in ihrer letzten Konsequenz. (Oder eventuell auch für eine deutlich höhere Bereitschaft an Kompromissfindungen.) Jedenfalls machen die Ganzen vorurteilsbehafteten Hassdiskussionen wenig Sinn, da sie nie zu einem Ziel, sondern nur zu andauerndem Streit auf der hochvokalen Ebene der Foren führen werden.

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