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Cover: Thilo Corzilius Lang lebe die Nacht Verlag: Feder & Schwert |
Die Frage, die sich jetzt stellt ist also: Würde phantastische Literatur jenseits dieser beiden großen Margen überhaupt funktionieren? Zumindest scheint sich diese Frage Thilo Corzilius gestellt zu haben und hat eine Geschichte geschrieben, die jenseits dieser beiden genannten Extremen stattfindet: Im Deutschland des Jahres 1818.
Ausganslage der ganze Erzählung, die 254 Seiten umfasst, ist ein Moment, wo sich ein geistig scheinbar zermürbter, alter Mann an einem Teich hockend mit einem Schwan unterhält.
Und im Anschluss springt die gesamte Erzählung auf die drei Protagonisten Lucien, Hagen und Salander. Diese drei haben, jeder für sich betrachtet, spezielle Gründe, um sich in diesem chaotischen Preußen, das in der Zeit nach den Napoleonischen Kriegen wieder zur Ordnung zurückzufinden versucht, gegen das Übernatǘrliche zu kämpfen.
Zu dem Zeitpunkt der Handlung ruft sie ein Hilferuf des örtlichen Grafens von Eulenbach nach Leyen, wo seltsame Todesfälle sich in der letzten Zeit häuften, ohne das eine natürliche Erklärung dafür gefunden werden konnte.
Was die drei Vorfinden, sind aber nicht nur Tote, sondern vielmehr ist die Ortschaft Leyen das Zentrum einer Menge seltsamer Ereignisse, die dazu führen, dass sich hier sprechende Tiere, Gestaltwandler und die Echos nur allzu menschlicher, finsterer Regungen zu einem Sturm zusammenbrauen, welcher nichts als Chaos und Vernichtung zu hinterlassen droht.
Was also bietet diese Geschichte. Zuerst einmal, das sollte offensichtich sein, ein etwas anderes Setting, als das gewohnte. Prinzipiell geht dabei natürlich der Umstand, dass das unerwartete einen verstörenden Faktor für sich bietet, bei dem der Leser zumeist deutlich kritischer nach nicht überzeugenden Faktoren sucht... hier aber natürlich nicht finden kann. Corzilius als Autor hat insofern zumidnest seine Hausaufgaben gemacht, dass er kein übermäßiges Auftreten von übernatürlichen Ereignissen schafft. Magie wird zwar als funktional vorhanden aufgestellt, aber: Ihr auftreten, das noch durch einen, wenn auch schon lange nicht mehr so stark vorhandenen, Aberglauben geprägt ist, wird als ungewöhnliches Ereigniss, denn als alltäglich auftretendes Moment beschrieben. Insofern ist der Schock und Terror, der sich hinter einem Todesgeiger verbergen kann, zumindest erklärbar. Und das Ungewöhnliche hinter einem derartigen Autreten bleibt erhalten. Und in diesem Sinne sind auch die jeweiligen Figuren zu deuten, solange man ihre jeweiligen Berührpunkte mit dem Übernatürlichen deutet. Jeder hat eine einmalige Geschichte zu erzählen, welche ihn mit entsprechenden Ereignisse in Kontakt gebracht hatte, die dafür sorgten, dass die drei in der erzählten Gegenwart ihrem Tätigkeitsfeld nachgehen. Gerade weil keiner von ihnen im Bereich der übernatürlichen Kontakte eine gewaltarme Erfahrung gemacht hatte.
Würde man die Geschichte allerdings unter den stilistischen Mitteln bewerten wollen, so muss man hier von einem übernatürlichem Abenteuerroman reden. Die Figuren erinnern flüchtig in ihren Antriebsmotiven und Handlungsmethoden den einschlägigen Vorbildern, welche in diesem Genre anzutreffen waren. Ich meine damit nicht das in alten Abenteuerromanen all zu viel übernatürliches anzutreffen war. Viel mehr geht es mir hierbei darum, dass hier drei Eingeweihte mit speziellen Fähigkeiten und den dazugehörigem Hintergrundwissen in Ereignisse hineingeraten und Ziele verfolgen, die in ein jeweils positives Ende für alle beteiligten hinauslaufen wird. (Inklusive finsterer Geheimnisse, die aus einer dunklen Vergangenheit zu stammen scheinen.) In diesem Sinne fühlt man sich entfernt an die Erzählungen eines Alexander Dumas erinnert. (Nicht vollständig, aber die Anspekte sind da.)
Fazit
Funktioniert die Geschichte? Das ist ja gerade bei einem derartigen "alternate History with Goo"-Experiment immer sehr zentral zu betrachten.
Das Problem bleibt auf jeden Fall bestehen: Wir haben hier mit einer, für den konventionellen Leser unvertraute Hintergrundwelt. Die klassische Leserschaft von mittelalterfantasy wir hier mit einem gewissen Maß an bürgerlichkeit Konfrontiert, das nicht zuletzt auch von dem bereits Verbreiteten Schießpulver geprägt ist. Insofern fehlt eine gewisse, romantisierte Betrachtung an Hygienemangel und Hungersnöten. (Ach ja: Und der Mangel an Pestausbrüchen darf natürlich auch nicht vergessen werden.) Insofern fehlt innerhalb dieses Szenarios natürlich der Ansatz zu den üblichen, gewohnten Klischees, welche fast schon so lieb gewonne zu sein scheinen. Diesen Tatsachen muss man sich als Leser bewusst sein, ehe man auf ein solche Buch zurückgreift.
Wenn man aber mit klassischen Abenteuergeschichten etwas anfangen kann und sich eventuell für diese historische Phase interessiert, so bekommt man auf dem Weg die Möglichkeit, sich mit ein paar phantastischen Ansätzen einer anderen Art von Phatasie anzunähern, die eher in Richtung der urban Phantasie geht, aber nicht gleich auf Detektivstorys aufbaut. (Ich sage, dass es in die Richtung der urban Phantasie geht, weil hier deutlich mit dem zivilisatorischen Ansatz experimentiert wird, den die nicht pornografischen Geschichten dieses kontemporären Genres auszuloten versuchen, ohne direkt in der Gegenwart verwurzelt zu sein.)
Dieser Punkt macht meiner Ansicht nach den Reiz der Geschichte aus. Der Versuch, die bereits bekannten Motive der phantastischen Subgenres in einem bisher nicht direkt damit verbundenen Zeitrahmen zu setzen, sorgt natürlich in seinem ungewohnten Ramen dafür, verschiedene Details neu und eventuell anders zu betrachten. Das Problem dabei ist aber auch, dass die entsprechenden Elemente zum Teil eben dermaßen vertraut sind, das man sie in dem neuen Ramen gerade weil er anders ist, als störend erachtet. (Und bekanntlich ist Geschmack das, was auf ewig zum Streit führen wird.)
In diesem Sinne ist diese Geschichte einen Blick wert, jedoch müssen sich betroffene Leser der Tatsache stellen, dass sie eben nicht in ihrer Zeitsetting sich aufhalten.
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