Montag, 16. Februar 2015

Die vergessenen Puppen des Otto Dix - Ein SLC-Konzept für Unknown Armies

So... wieder mal etwas zum Thema Unknown Armies. Was habe ich diesmal im Gepäck? Puppen?
Also fangen wir mal ganz am Anfang an: Ende der 90er gab es in den USA eine selten häßliche Puppe, die mit einer besonderen Mechanik ausgestattet war: Sie konnte Spagetti essen. Das ist aber nicht der Grund, warum sie mir im Gedächtnis geblieben ist. Viel mehr gab es eine Puppe aus dieser Serie, die einen speziellen Appetit auf Menschenhaar entwickelte und ihrer kleinen Besitzerin im wahrsten Sinne des Wortes die Haare vom Kopf fraß. Außerdem summt mir immer mal wieder der Samsas Traum Song „Der Wald der vergessenen Puppen“ durch den Kopf herum.
Diese beiden Faktoren hatten mich vor einiger Zeit mal für eine Unknown Armies Runde zu einem etwas eigenwilligen Konzept inspiriert, dass ich hier im groben vorstellen möchte.

Otto Dix ist ein sehr alter Mann. Er hat – seinen eigenen Aussagen nach - einen Weltkrieg auf dem Schlachtfeld erlebt. Heutzutage allerdings sitzt er im Rollstuhl, ist eher auf Hilfe angewiesen. Währen da nicht seine Hände, die mit fast schon unglaublichem Geschick immer noch alte Uhren des klassischen Typs jederzeit zusammensetzen können. Und seine fast schon seltsame Vorliebe für seltsam gestaltete Puppen. Im okkulten Untergrund gilt Dix als ein Mechanomant, der seine besten Zeit schon lange hinter sich hat. Dennoch beäugen einige Macher das Werk des Otto Dix immer noch mit äußerstem Interesse. Viele haben schon mitbekommen, dass die Uhrmacher gerade dann, wenn sie gegen die Sterblichkeit noch ankämpfen aus irgendeinem Grund mit einem mal wagemutig werden und dann erst recht großartiges Vollbringen.

Was diese Macher aber nicht wissen ist, dass Dix tatsächlich schon lange an dem kuriosesten aller Lebenswerke arbeitet, weil er seine Puppen-Uhrwerke erschafft. Diese kleinen Wesen sind von einer seltsamen Selbstständigkeit beseelt, deren Gefahr eher daraus resultiert, dass sie als besondere Tarnung ein dermaßen harmloses Äußeres präsentieren. In Wirklichkeit sind sie kleine Killermaschinen, die von einem ungewöhnlich großem Verstand getrieben werden. Jederzeit in der Lage sich selbst aufzuziehen, indem sie eine sehr komplexe koreografie einer Teepartie in kleinen Gruppen vollziehen. (Und aus irgendeinem Grund scheinen sie gerade als Horde von einem ungewöhnlichem Schwarmbewusstsein geleitet zu werden.) Dix hat allerdings eine Sache gänzlich vergessen: Er liegt im sterben. Die Erinnerung an seine eigene Vergänglichkeit hat er allerdings Aufgegeben, um seinem Meisterwerk unter den Puppen Leben einzuhauchen. Diese Anführerin der Puppen beobachtet mit zunehmender Besorgnis den Zustand ihres Herrn. Sie wird sich nicht zu erkennen geben, weder ihm, noch sonst jemandem. Aber sie ist darum bemüht ihrem Volk aus Uhrwerken (und natürlich dem kleinen Wischmopp-Artigen „Hundeuhrwerk“) einen neuen Platz zum Dasein zu bringen. Daher schickt sie immer ein paar Kundschafter aus, um mögliche Kandidaten, ob eingeweiht oder nicht, auf die Probe zu stellen. Denn wer auch immer letzten Endes die Puppen beherbergen „darf“ wird sich unbewußt der Tatsache stellen müssen, eine unglaublich seltsame Armee aus treuen, wenn auch gruseligen Laibwächtern auf seiner (oder ihrer) Seite zu haben, die für „Mamma“ alles tun würden. (Dix hatte ein paar Puppen kleinere Wachswalzen mit diesem einen Wort eingebaut, einfach um die Option von moderneren, sprachlich begabten Puppen zu imitieren.)

Der Einsatz dieses sehr speziellen Konzeptes ist ein wenig kompliziert. Es bietet sich am ehesten an, dass man Dix eventuell selbst in seinen letzten Tagen irgendwie im Leben eines SCs auftauchen lässt. Dieser wird sich dann der tatsache stellen müssen, einem manchmal hochgradig verwirrt wirkendem Mann gegenüber zu stehen, manchmal einem sehr klarem, aber zynischem Verstand zu begegnen. Und er muss sich – falls er Dix zu Hause besucht – einer Menge wiedersprüche stellen. Das Haus von Dix ist sehr schmal. Das Erdgeschoß besteht aus einem Flur mit Treppe, die ins obere Stockwerk führt, wobei die Küche dieses Hauses im oberen Stockwerk sich befindet. Dix selbst aber sitzt im Rollstuhl und kann die Stufen nicht erklimmen. Das Erdgeschoß hat dann ein winziges Schlafzimmer und eine Art Wohnraum, der eventuell mal gemütlich gewesen ist, jetzt aber vollgesotpft ist mit den Werkzeugen eines Uhrmachern und den Einzelteilen, die ein Puppenmacher sein Eigen nennt. Dazwischen wuselt ein kleines Fell-etwas herum und ein Haufen Puppen steht an allen möglichen Orten verteilt. (Besonders Aufmerksame Charaktere mögen dabei eventuell das Gefühl haben, dass einige Puppenköpfe sich von selbst drehen und sie anschließend anstarren... oder sollte das nur Einbildung sein?)

Erst in den darauffolgenden Tagen und nächten wird es wirklich interessant, weil die Puppen den Charakter zu verfolgen beginnen und sich mal mehr, mal weniger offensichtlich zeigen. Irgendwann sitzt dann jedenfalls eine Puppe in der Wohnung des SCs auf dem Küchentisch und wartet auf diesen. Hier passiert dann entgültig die Tatsache, dass die Puppe sich selbstständig bewegend durch die Wohnung schleicht und ihre mögliche „Mutter“ (Puppen haben immer nur Mütter, wie wir wissen. Dieser eigentlich weiblich konnotierte Begriff wird von mir hier also als generisches Neutrum genutzt.) zu beobachten und eventuell auf die Probe zu stellen. Und schließlich werden nach und nach weitere Puppen in die Wohnung eindringen. Sich entweder selbstständig offen zeigen oder aus dem verborgenem heraus beobachten. (Wie gesagt: Der SC muss sich in der Logik der Puppen als „würdig“ erweisen.)

Falls dieser Puppenterror irgendwann zu viel wird, sollte der SC vermutlich zu Dix erneut nach Hause kommen und dabei einen Mann vorfinden, der zunehmend immer verwirrter wird, von Tag zu Tag. Und ihn schließlich entschlafen vorfinden.
Die Frage ist jetzt also: Wie hat sich der Charakter den Puppen gegenüber verhalten? Sind sie seine Treuen gefährten? Oder hat er sich eventuell einen schlimmen Feind gemacht und weiß es nur noch nicht, dass die Anführerin der Puppen sich dazu entschlossen hat, dass die schlimmste Waffe des Otto Dix sich gegen den SC gerichtet hat?

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