Montag, 11. Mai 2015

Karneval der Rollenspielblogs: Beziehungskiste


Hallo und herzlich willkommen zu meinem ersten Beitrag im Ramen des Karnevals der Rollenspielblogs. (Warum ich für Einstiege aller Art immer solch verquere Themen wie romantische Ambitionen oder Ähnlichem aussuche ist mir selbst nicht mehr so ganz klar.)

Jetzt muss ich, bevor ich diesen Artikel ausführe, noch ein kurzes Geständnis machen: Ich nutze diesen Auftakt nicht, um einen konkreten Fokus von Artikel zu schaffen, sondern halte erst einmal ein paar basale Meta-Überlegungen fest, die ich eventuell zu einem späteren Zeitpunkt weiter ausschmücken werde. (Sprich: Das hier sollte eher als potentieller Auftakt für weitere Artikel verstanden werden, als ein tatsächlich reiner Schnellschuß, der ins Blaue gezielt wurde.)

Das Problem der Beziehung

Ich will nicht behaupten, dass ich hier jetzt einen empirisch Nachgewiesenen, 100% abgesicherten Themenkomplex aufgreife. Viel mehr geht es mir um eine persönliche Beobachtung, die auf eine mögliche Tendenz innerhalb der Gruppenlandschaft hinweist. Meine Ausgangsthese hier lautet also: Romantische Ambitionen der Charaktere werden vermieden. (Dabei spielt es noch nicht mal eine Rolle, ob es sich dabei um eine entsprechende Ambition zu einem SLC oder zwischen zwei Spielercharakteren geht.)
Dazu gibt es jetzt zwei mögliche Erklärungsansätze:

1. Sex ist ein Witz

Seien wir mal ehrlich: Das Thema ist uns tendenziell nur unangenehm. Das komplette Spiel mit und um den Akt ist eine Anhäufung von Stolperfallen, peinlich berührten Errötungen und anderen Mitteln, mit denen man am liebsten im Boden versinken würde. Insofern ist das Klischee des soziophoben Rollenspielers durchaus bis zu einem bestimmten Grad aufrecht erhalten. Insofern wird dieser für die meisten romantischen Beziehungen vermutlich eher essentielle Part aus unterschiedlichen Gründen ausgeklammert oder zur Lachnummer am Tisch werden. (Und auch wenn man es nicht unbedingt immer zugeben wird: Ziel sehr vieler Spieler ist dann doch das emulieren bestimmter Erfolgserlebnisse im Kopfkino. Schon allein deswegen wird die eigene Betroffenheit in diesem Bereich sehr schnell zu pubtärem Gekicher verkommen.)
Aber das nur am Rande. Wichtiger ist da eigentlich Punkt Zwei:

2. Machtdispositive

Und dieser ist dann doch deutlich schwieriger zu begreifen. Ich nutze den Begriff des Machtdispositivs, wie ihn der französische Philosoph Michelle Foucault geprägt hat, deswegen hier, weil er eine ganze Menge sehr eng verketteter Beziehungsgeflechte umschreibt, die direkt aufeinander einwirken und dadurch aufeinander einwirken. (Man könnte es noch platter eventuell so Formulieren, dass mehrere „Willen zur Macht“ aufeinander Einwirken. Denn letzten Endes ist jede Beziehung eine Verflechtung derartige Dispositionen.)
Was bedeutet das? Kurz ausgedrückt: Jeder Spieler verfolgt am Spieltisch bestimmte Interessen, um „sein Spiel“ voranzutreiben. (Der Spielleiter – ob man ihn jetzt Meister, Storyteller oder Fischbrötchen nennt – hat in diesem Bereich die gleichen Ambitionen, wie jeder andere Spieler auch.) Der Spielleiter hat in diesem Fall zusätzlich neben seinem eigenen Spaß aber auch eine sehr komplexe zusätzliche Rolle im Rahmen der Aufmerksamkeitsverteilung: Innerhalb der Rollenspieltheorie spricht man von Spotlights und der Verteilung von eben diesen.
Spotlights sind die jeweiligen Situationen, in denen ein Spieler auf der einen oder anderen Weise „glänzen“ kann, weil ihm die Aufmerksamkeit gebührt. Im Idealfall sind diese Situationen aber so beschaffen, dass auch andere Spielercharaktere in diesen Momenten nicht zu kurz kommen.
In der Spotlightverteilung verschiebt sich im Falle von Beziehungen jetzt aber deutlich zu Ungunsten aller Spieler, die nicht Part der Beziehung sind. (Natürlich nur, solange die entsprechende Beziehung zwischen zwei Spielercharakteren stattfindet.) Das heißt, dass hier zwei Spieler am Tisch sich automatisch besondere Momente schaffen und schaffen müssen, um die angestoßene Thematik romantischer Ambitionen sowohl zu verdeutlichen, als auch zu intensivieren. (Und das bedeutet natürlich, dass beide Spieler sehr viele Momente brauchen, die letzten Endes im Wechselspiel „ihren“ Charakteren gehören. Das bedeutet, dass hier zusätzlich zu der Spotlightverteilung des Abenteuerfokusses eben auch noch ein weiterer Ressourcenräuber in Form der Beziehung mit ins Spiel kommt. Das kann zu einem Problem werden, solange man die Praxis der ungeteilten Runde am Spieltisch betreibt. (Zur Erklärung: Als ungeteilte Runde bezeichne ich eben die Spielpraxis, welche auf den Aspekt der physischen Rundentrennung in bestimmten Situationen verzichtet. Das heißt, dass auf der Meta-Ebene jedes Geheimnis von Vornherein offen den Spielern gegenüber besteht, wenn ein Charakter falsches Spiel betreibt und seinen wahren Herrn aufsucht. Dies wird in einigen Runden dadurch vermieden, dass Spieler und Spielleiter vorübergehend des Raum verlassen, um gesonderte Aktionen außerhalb des Bewusstseins der gesammten Runde zu thematisieren. Dies kann dann auf lange Sicht Auswirkungen auf die Art haben, wie die Spielercharaktere sich in der gesamten Konstellation der Gruppendynamik verhalten. Und da solche Optionen sehr vielfältig gestaltet sein können, ist diese Praxis für entsprechende Runden nichts ungewöhnliches. Das Problem ist nur: Es gibt durchaus einige Runden, die aufgrund möglicher toter Zeitpunkte diese Praxis vollständig vermeiden und eben auf der Meta-Ebene mit offenen Karten „spielen“.*) Man muss also gerade hier einen Mittelweg finden, um ein ungestörtes Miteinander eben dieses doch etwas komplizierten Themenkomplexes zu finden, solange es nicht um One-on-One-Sessions geht.

Die Thematisierung der Beziehung in einer Spielwelteigenen Logik

Lustigerweise bieten aber gerade die Systeme der World of Darkness in wenigstens zwei Fällen grundlegende Lösungsansätze, wie das Beziehungsmoment sogar sehr treffend thematisiert werden kann. (Hierbei muss man aber im Hinterkopf behalten, dass die WoD nach White Wolfs eigenen Äußerungen Systeme und Spielwelten schaffen wollte, in denen es um das persönliche Drama geht. Etwas, dass von der „System does Matter“-Fraktion bis heute gänzlich ignoriert wird, solange man sich entsprechende Diskussionen über die Spielweise in den einschlägigen Foren ansieht und den immer wieder auftauchende Vorwurf der „Superheroes with Fangs“ vor Augen führt. Diese Diskussion wird niemals abgeschlossen werden, weil hier zwei grundverschiedene Welten von Einstellungen aufeinanderprallen, von der die regelsystemseitigorientierte Fraktion mit einem unglaublichen Mangel an Empathie aufwartet, der immer und immer wieder den entsprechenden Faktor der „Cool Powerz“ als überbetonten Aspekt hochhält, ohne davon abzukommen, dass gewisse Fähigkeiten in dieser Spielweise eventuell zwar Notwendig sind, um das alienhafte der Spielercharaktere zu betonen, nicht aber der ausschlaggebende Motivator für diese Form von Spielen sind.) Ich werde hier jetzt auf zwei Komplexe eingehen. Der eine betrifft beide Vampire-Linien gleicher Maßen, der andere ist nur für Werewolf: The Apocalypse stimmig. (Zumal ich Forsaken bislang auch nicht kenne.)

Vampire

Unabhängig davon, dass Vampire das Paradebeispiel ist, was die WoD-eigene Thematik anbelangt, dass sich die Psyche eines Menschen mit einem mal mit dem Schaden auseinandersetzen muss, etwas anderes zu sein, hat gerade Vampire einen sehr interessanten Themenaspekt der romantisierten Beziehung in sich vereint, der anscheinend vielen Leuten gar nicht so bewusst ist.
Die Grundlegende Thematik des Spiels der Vampire-Charaktere ist ja der Verlust der eigenen Sterblichkeit zu Gusten eines ewigen Lebens in ständiger Wachsamkeit um die eigene Integrität durch den Kampf gegen die eigene, innere Bestie. (Um jetzt Freud zu bemühen: Während die sterbliche Gesellschaft eigentlich darum bemüht ist, dass Überich zu kultivieren und zu einem dominanten Faktor zu machen, ist das Vampirdasein ein ständiger Kampf gegen das Es, welches droht, das Ich für sich vollständig zu beeinspruchen, während das Überich depressiv in der Ecke hockt und kraftlos jammert.) In dieser Hinsicht geht es in Vampire um ständige Selbstdisziplin und Kontrolle. Sowohl des eigenen Ichs, als auch des eigenen Umfeldes. Zeitgleich sind die Vampire-Spiellinien aber auch zu großen Stücken von Autorinnen wie Ann Rice inspiriert. Sprich: Es geht hierbei auch um unerfüllte Liebe und Sehnsucht. (Letzten Endes wurde der Vampir in seiner ewig Gleichbleibenden Art nicht zuletzt spätestens ab Mitte der 90er immer stärker zu einem Symbol ewiger Liebe umgedeutet.)
Das Thema in der Vampire Spiellinie ist dann aber, solange es um romantische Beziehungen geht, deutlich archaischer. Da das Problem besteht, dass ein Vampir ständig die Kontrolle braucht, was sein Umfeld anbelangt, zumal er seiner eigenen Art nicht trauen kann und gegenüber der sterblichen Welt die Maskerade waren muss, ist Romantik in letzter Konsequenz nur einer einzigen Gruppe überlassen, was die Ambitionen eines Vampirs betrifft: Den Ghoulen. Sprich: Was man sich hier erschafft ist nicht einfach ein Diener. Der Blutsklave ist der devote Geliebte eines Vampirs. (Wie bereits gesagt: Aufgrund des Kampfes gegen die innere Bestie ist das zentrale Merkmal, das alle Charaktere in Vampire ausmacht, letzten Endes Kontrolle.) Der Vampir muss dabei Dominant sein, der Ghoul devot/unterworfen. (Ansonsten muss es langfristig in der Katastrophe enden.) Da Romantik hierbei eher durch Aufmerksamkeit definiert wird, zieht der unterworfene Ghoul hierbei eher aus den extremen Praktiken von Belohnung und Bestrafung seine Wertschätzung. (Und für den Vampiren ist das der Weg, seinem romantischen Konterpart die notwendige Wertschätzung überhaupt auszudrücken.) Insofern ist dieser Vorgang eher etwas, dass in der Praxis eher für die Spielweise der vorübergehenenden Rundentrennung Sinnvoll ist.

Werewolf: The Apocalypse

Ich sehe bei diesem Punkt schon die Fragezeichen: Romantische Ambitionen bei Werewolf: Die Ökoterroristen? Und meine Antwort ist: Ja, gerade hier sind romantische Ambitionen einer der zahlreichen möglichen Nebenschauplätze, die das Spiel bietet. Das Schlagwort lautet nämlich Metis in diesem Fall. Der Punkt, der hierbei eine so zentrale Rolle spielt ist, dass eine Beziehung von zwei Werwölfen eine direkte Folge in der Spielwelt zur Folge hat. Und das wiederum bietet anderen Spielern die Möglichkeit zu reagieren und zu interagieren. (Sprich: Da die Romanze zwischen zwei Werwölfen einen Verstoß gegen die Litanei darstellt, bietet sich hier eine ziemlich drastische Grundlage, um zumindest für die Garou der Gegenwart, eine Reflexionsebene der „eigenen Wertevorstellungen“ zu geben. Und das wiederum kann eine gute Grundlage der Interaktion mit den einzelnen Gruppenmitgliedern darstellen, aber auch mit der Umwelt der dargestellten Spielwelt.

Fazit

Wie bei vielen Dingen im Leben eines Rollenspielers ist es gerade bei Romanzen also ein spezielles Thema, dass man sich als Spieler zuerst bewusst macht, was man da eigentlich spielt. Die Bezihung muss nämlich irgendwie Thematisiert werden, egal an welchem Punkt die Spielhandlung letzten Endes einsetzt. (Sprich: Ist die entsprechende Figurenkonstellation bereits von Anfang an in einer Beziehung, oder ist einer der Nebenschauplätze der Kampagne, dass die Figuren zusammenfinden.
Auf jeden Fall muss man sich darüber im Klaren sein, dass man mit dem Beziehungsschild „Aufmerksamkeit“ schreit. Und man muss sich darüber im klaren sein, welche Art die entsprechende Beziehung letzten Endes ist. („Romantisch“ ist klar. Aber ich nutze nicht umsonst WoD-Beispiele, um aufzuzeigen, dass es auch da sehr drastische Unterschiede gibt.)
Und man muss sich im klaren sein, wann geeignete Zeitpunkte geschaffen werden können, um den Ganzen Komplex für die Spielpraxis der eigenen Runde sinnvoll zu thematisieren. (Auch wenn durchaus der Störfaktor „der Rest der Truppe“ IT hin und wieder ein nützliches Versatzstück zu bereicherung des Spiels sein kann.)


*Ich will hier keine Wertung abgeben, welche Verfahrensweise die bessere sei. Ich selbst gehöre zur Fraktion der Geheimniskrämer, weil ich darin bestimmter Vorteile für den Spaß aller sehe, aber ich kann durchaus verstehen, warum unter bestimmten Spielweisen die andere Methode als akzeptabler wahrgenommen wird. Das ist letzten Endes eine reine, subjektive Vorliebe also. Es wird nur für die Gruppenzusammenfindung eventuell auf lange Sicht etwas problematisch, wenn diese beiden Einstellungen miteinander kollidieren, weswegen man sich darüber bewusst sein sollte, dass sie existieren und ihre gleichberechtigte Koexistenz haben.



Danke an dieser Stelle an Zeitzeugin Guddy, dass sie es erlaubt hat, den von ihr speziell für dieses Thema entworfenen Header zu benutzen.

1 Kommentar: