Montag, 14. Dezember 2015

Regulierungswut? Oder: Gleich kommt die Rollenspielpolizei?


Hmm... da haben wir ja diesmal ein Thema, zu dem man alles und nichts sagen kann im Dezember. (Zumindest solange es nur den Karneval betrifft.) Und vor allen Dingen schreibe ich hier gerade in dem Wissen, dass ich beinahe alles wichtige dazu (aus meiner Warte wohl gemerkt) auf einer deutlich höheren Meta-Ebene bereits einmal gesagt habe.

Aber seis drum: Gehen wir die Metaebenen ein wenig hinunter und rupfen ein paar Hühner der kompetetiven Anstalt. Prinzipiel gilt ja innerhalb einer bestimmten Spielweise das Prinzip des Wettkampfes als oberstes Gebot, welches die Funktionalität der Regeln zum obersten Gebot macht.
(Auf der polemischen Ebene kann man dafür jede Form von Schutzbehauptung heranziehen, jedoch muss man auch ehrlich auf eine Sache hinweisen: Letzten Endes ist diese Spielweise irgendwo ständig inkonsequent, wo sie nicht den Würfel entscheiden lässt.)

Der Punkt bei dieser Form von Spielweise ist, dass jeder Konflikt über das Zufallselement hinaus gelöst wird. Das Problem ist nur: Jede Form von Szene kann unter solchen Problemen als Konflikt betrachtet werden. (Wer von euch hat sich nicht schon mal versehentlich den Ellbogen gestoßen oder den Finger im Reißverschluss eingeklemmt?) Und in solchen Momenten können sehr abstrakte Konfliktmechanismen eben durchaus hilfreich sein. (Können, nicht müssen.) Andererseits brauchen Spieler dieser Spielart irgendwo für ihre eigene Vorstellungswelt auch noch sowas wie einen gefühlten Kleinsterfolg (so meine Beobachtung der in diesem Bereich laufenden Diskussionen), um sich toll vorzukommen. Daher wird das haptische Element aus mehreren Würfelwürfen zu bestimmen eines Ergebnisses irgendwo plötzlich doch noch wichtig.
Aber, und hier wird es dann interessant: Das Selbstbildnis unter diesen Spielern ist ja irgendwo schon darauf ausgelegt, so kompetent wie möglich zu sein. Und da kommt dann das Messerjockel-Syndrom ins Spiel.

Der Messerjockel ist vermutlich noch unter vielen anderen Namen und in anderen Erscheinungsformen in jeder Form von System bekannt, meinen tue ich folgendes:

Ein Küchenjunge, einzig und allein bekleidet mit einem Lendenschurz und bewaffnet mit einem alten, rostigen Obstschälmesser, mit dem er bis kurz vor dem Eindringen der SCs in das Gebäude, in dem der Küchenjunge seinen Lebensunterhalt verdient, noch Kartoffeln geschält hat, reibt die Gruppe von Helden vollständig im Nahkampf auf. (Alleine wohlgemerkt.)

Das mag im komödiantischen Rahmen eines „Kevin allein Zuhaus“ noch passend gewesen sein, jedoch überzeugt es nur sehr wenig bei „Grughbärgh“ dem orkischen Barbaren. Die Frage ist, warum dieser spezielle Ork nicht mit einem einzigen Axt-Schlag mitten auf den Stirnlappen die Bienenstiche der kleinen Rotznase einfach beendet.

Das ist jetzt natürlich die brutalst mögliche, denkbare Lösung dieser Situation. Aber: Je detaillierter das System ist, desto mehr Möglichkeiten existieren, um Messerjockel am Leben zu halten. Und Regelfair muss man diesen Kampf auch austragen, um die Institution der Regeln nicht in Frage zu stellen. Und genau da greift dann die Möglichkeit des SLs als Vermittler zwischen Regelsystem und Spielergruppe. (Etwas, das manche in der ganzen Angst vor „SLs mit Gottkomplexen“ gerne übersehen ist nämlich auch diese spezielle Möglichkeit: In seiner Funktion kann der Spielleiter Momente identifizieren und andere Lösungsmöglichkeiten auswählen, die eben nicht in das „True-Falls“-Schema der „Regelfairness“-Diskussion passen. Regeln können Orientierungshilfe innerhalb bestimmter Situationen bieten. Aber in anderen müssen sie ebenso ausgehebelt und umgedeutet werden, um ein passendes Bild zu erzeugen. Und hier greift ein Phänomen, dass viele Menschen ihren Mitmenschen grundsätzlich absprechen wollen: Der gesunde Menschenverstand. (Um es jetzt etwas hochstrebender zu formulieren: Wenn man jetzt De Sade aufs Rollenspiel übertragen würde, bedeutete das, dass die vollständige Abwesenheit von ethischen Maßstäben tatsächlich zur reinen Befriedigung des eigenen Egos über den Bedürfnissen jeder anderen Person führen würde. Aber mal anders ausgedrückt: Wir sind allesamt immer noch soziale Wesen, so als Menschen und so. Müssen wir wirklich dermaßen Misstrauisch sein, um jedes abweichen von einem wie auch immer gearteten Ehrenkodex gleich als boshafte Egobefriedigung auszuwerten? Im Falle des Zweifels gillt schließlich immer noch die logische Endkonsequenz aus Sartres „Die Hölle, das sind die Anderen.“ (Sprich: Jede Form von unpassender Beziehung kann von uns durchbrochen werden, indem wir die Beziehung beenden.)

Insofern bleibt aus meiner Perspektive eigentlich nur die Feststellung übrig, das Rollenspiel zu viel Eigendynamik entwickeln kann, um wirklich Sinnvoll ein „reines“ Regelanwaltinsestieren aufrecht erhalten zu können. Es gibt Momente, manche davon häufiger als andere, wo die „Regel“ der ach so bittertbösen „gewedelten“ Hand wirlich mehr Bereicherung mit sich bringt, als der starre Umgang mit dem vielleicht bereits bestehenden System. (Selbst wenn dieses eine Antwort für den Moment eventuell bereit halten mag.) Das heißt aber auch nicht, dass man im Anschluss daran eine Bibliothek anlegen muss, um all diese neuen Regelergänzungen auf Papier festzuhalten. Mal bestimmt der SL ad hoc, mal die Runde in der Gemeinsamkeit. Wie gesagt: Der SL ist in diesem Fall nicht länger Schiedsrichter, sondern Vermittler. Den letzten Endes geht es hierbei um Spaß und nicht um Vertragsrecht. Nur muss man dabei ehrlich genug zu sich selbst und allen beteiligten jeweils sein, auf was genau man seinen jeweiligen Erwartungen münzt. Denn auch wenn ich es gerade in diesem Hobby als ein wenig seltsam empfinde: Es gibt ein paar Leute, die anscheinend Brettspielartig durch die Lande ziehen auf der Suche nach der „Gewinnsituation“.

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