Montag, 12. Januar 2015

Der „Bullenkopf“: Eine Örtlichkeit für Unknown Armies

Ich denke, bevor ich ein wenig mehr über den Bullenkopf schreibe, sollte ich ein paar Gedankengänge im Vorraus bereitlegen: Es ist bekannt, dass ich Unknown Armies seid ein paar Jahren zu meinem absoluten Lieblingssystem erklärt habe. Das Problem dabei ist, dass UA immer einen sehr komplexen Spagat macht: Zum einen sucht es sich in postmoderner Hinsicht sehr alte, sozilogisch-gesellschaftliche Konzepte, wie wir sie im Grunde alle kennen, die es dann aber auf unsere moderne Popkultur bezogen radikal neu erfasst und uminterpretiert. (Das passenste Beispiel dafür ist die Videokassette der nackten Göttin, die ja bekanntermaßen als Generations-Ware gehandelt wird. Das Kopieren des Videos wird, dadurch dass die Generationen natürlich ihren üblichen Effekt auf die Kopien haben, und somit „auratisch“ im benjaminschen Sinne etwas abfallendes bekommen, selbst mit einem mal zu einer rituellen Handlung. In dieser Hinsicht würde eine DVD-Kopie des Gottesbeweiß der Sekte der nackten Göttin natürlich jeglichen Effekt verlieren.) Das diese ziemlich kompizierte Vorgehensweise natürlich auch ein probleme mit sich bringt, dürfte früher oder später jedem aufgefallen sein, der sich der tatsache stellen musste, dass UA einem ein sehr starkes, aber nicht unbedingt selbst erzählendes Setting vor die Füße wirft, dessen Schnippsel man anschließend selbst zu einer eigenen Sandbox ausarbeiten muss. (Der Name Bullenkopf hat diese Kneipe deswegen bekommen, weil ich in einer kurzen Kampagne, in der ich den Ort als solchen zum ersten Mal eingesetzt habe, dringend eine Kneipe brauchte, die Tatsächlich in Münster vor Ort existent war. Meine Version unterscheidet sich zwar eindeutig vom dem realen Bullenkopf, ich habe den Namen aber als Variable in meinen Notizen aufrechterhalten.)

Ein weiterer Faktor in diesem Bereich ist, dass Macht eben nicht über den Vorstellungsramen einer (angenommenen) Elite aufgebaut wird, sondern sich gerade aus der Lebensweise von gesellschaftlichen Underdogs heraus aufbaut. In gewisser Weise dreht es sich bei UA eher um die „Arbeiterklasse“, als um die „Industriebarone“.
Wenn man sich diese Faktoren einmal zusammengesucht hat, stellt sich anschließend eine Frage: Was ist „neutraler Grund“ auf dem sich die Macher des okkulten Untergrundes treffen würden?
Und da kommt mir eine der ältesten Klischee-Begegnungsstädten des Rollenspiel-Genres als solches sehr gelegen: Die Taverne. In dieser Hinsicht ist der Bullenkopf in seinen öffentlichen Räumen eben eine solche. (Eher ein etwas heruntergekommen wirkender Schuppen, mit minimal zwielichtigem Ruf, als das beliebte Eck-Ding.)

Warum jetzt ausgerechnet der Bullenkopf sich als Treff- und Sammelpunkt für die Macher eingerichtet hatte, kann keienr mehr sagen. Das allerdings niemand den fragilen Frieden innerhalb der Lokalität stört, wird mit grimmiger Sicherheit durch den Hausherren, August Macke, weitestgehend garantiert.

Die hinteren Räumlichkeiten des Bullenkopf sind ein wenig anders, als man es normalerweise erwarten würde. Macke hat hier ein kleines Reich geschaffen, in dem er ständig irgendwelche Sachen lagert, um sie weiter zu handeln, solange es um physische Gegenstände geht. Aber sein größtes Gut sind dabei nicht unbedingt Artefakte aller Art. (Auch wenn er durchaus hin und wieder damit protzt, dass der Palast aus Pappe schon einmal als Handelsgut durch seine Hände gegangen ist.) Die wichtigste Wahre, die hier mit dem Hausherren persönlich gehandelt werden kann, sind Informationen. Dafür hat er einen kleinen, spartanisch eingerichteten Raum als Büro geschaffen, wo sich ein Schreibtisch befindet, der ständig von Papieren überzuquellen scheint. Und wenn Macke hinter seinem Schreibtisch sitzt, seine Gäste (& Bittsteller) vor sich sitzend, befindet sich noch eine weitere Tür in seinem Rücken. Diese Tür führt in einen Raum von der Größe einer Besenkammer. Nur das in diesem Raum nichts anderes steht als ein alter, rostiger Eimer, der ständig mit einer beinahe Ölähnlichen Flüssigkeit befüllt zu sein scheint.

Personen im Bullenkopf

August Macke

August Macke ist ein alter, im Laufe seienr Karriere zynisch gewordener Avatar des Händlers. Der Mann ist um die 50, sein Haar geht langsam aber immer auffälliger zurück und er blickt aus trüben Augen in die Welt. Jedoch sollte man ihn niemals unterschätzen: Macke weiß sehr genau, was seine Informationen eventuell wert sein können. Aber lässt auch mit sich verhandeln, was den Preis angeht, wobei er immer aus einer Position des überlegenen heraus vorgeht.
Sollte jemand technische Fähigkeiten besitzen, kann es passieren, dass er einfach nur für das, was er wissen will, einen Raum voller alter, defekter Voksempfänger reparieren muss. Es kann aber auch sein, dass sich Macke die Schuld abarbeiten lässt. (Sein derzeitiger Barkeeper ist so ein Fall.)

Der Barkeeper

Eigentlich heißt der Mann Franz Marc und war, bevor er in die Fänge von Macke geraten ist, Quantenphysiker gewesen. Dummerweise kann Macke aber nichts mit jemandem Anfangen, der „Schweißfüße beschleunigt“. Dementsprechend wurde Marc von seinem neuen Herrn dazu gezwungen, seine Schuld, über die beide Stillschweigen bewahren, als Barkeeper und Auktionator abzuarbeiten. (Wie lange er in Leibeigenschaft ist, und wie lange er es noch bleiben muss, kann keiner Sagen. Irgendwie gehört Marc schon viel zu lange zum festen Inventar des Bullenkopfs, dass sich keiner mehr an eine Zeit davor erinnern kann.)

Der rostige Eimer

Der rostige Eimer ist so etwas wie ein zusätzliches Kapital von August Macke: Es handelt sich hierbei um einen Portal-Schlüssel in einen Anders-Raum, der aus irgendeinem Grund nur aus unendlichem Platz zu bestehen scheint. Macke hat hier unzählige Dinge eingelagert. Und wann immer jemand den notwendigen Preis bereit ist zu bezahlen, lagert er auch als teure Serviceleistung weitere Dinge für andere hier ein. Es ist ein geben und nehmen, durch das der Händler aber auch seine Funktion als neutrale Partei weiter ausbauen konnte.

Besonderes Ereignis: Die Parade der wandelnden Toten

Alle 24 Stunden passiert im Bullenkopf ein besonderes Ereignis. Mit einem mal ströhmt jeden Abend eine kleine Gruppe Leute herein, die eher so Aussieht, als wären sie dem Tode näher, als dem Leben. Und genau das ist der Fall: Wenn man sich die Personen nämlich näher anschaut so sieht man an ihnen offene, klaffende Löcher von Schußverletzungen, Auswüchse von nekrotisiertem Gewebe, Entzündungen von Krankheiten und ähnlichen Dingen, die längst in einem Stadium sind, dass die Person eigentlich Tod sein müsste. Eigentlich!
August Macke ist aus irgendeinem Grund in der Lage jeden Abend eine Portion des Elixier Vitae anzubieten. (Siehe hierzu auch die entsprechenden Einträge in Postmoderne Magie und dem Szenarioband Weep.) Da das Elixier aber nur 24 Stunden wirkt und es immer genügend Seelen gibt, die ein wenig mehr Zeit brauchen, versteigert er diese eine Portion pro Abend und die wandelden Toten, welche die Zeit davor gebraucht haben, um so viel Geld wie nur eben Möglich zusammenzuraffen und sich ihre Zeit erneut zu erkaufen, um nur einen einzigen Tag weiter zu leben, ströhmen in Schaaren herbei, bieten so viel Geld, wie sie nur eben können und sterben noch während der Auktion, während der eine glückliche Gewinner anschließend geht, um erneut 24 Stunden damit zu verbringen, so viel Geld wie nur eben Möglich zusammenzuraffen.
Die Laichen der Autionsverlierer werden von Macke angeblich nicht entsorgt, sondern sind selbst Handelsware ab dem Moment, wo sie auf seinem Boden verreckt sind. Er behauptet gerne, das er die Körper an die medizinsche Fakultät verkauft, wo sie im Anatomie-Unterricht von Studenten seziert werden. (Allerdings muss man dabei eine Sache bedenken: In den Mülleimern des Bullenkopf finden sich jeden Abend unmengen Geldscheine. Da Macke seine Rolle als Händler sehr ernst nimmt verliert Geld für ihn jeglichen Wert, solange es nicht durch Handel in seinen Besitz gelangt.)

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