Montag, 26. Januar 2015

"Nerdrage": Rettet eure Kultur. Rettet eure Kunst.

Okay, ich sprenge mal eben ein wenig arg den Ramen, den dieser Blog eigentlich gesetzt hat. (Aber wie heißt es so schön: Erst wenn man seine Grenzen zu überschreiten versucht, kann man überhaupt an sie stoßen.)

Worum geht es mir eigentlich? Wie ihr sichelrich mitbekommen habt, ist ein großes Interesse meinerseits neben dem ganzen eindeutig „geekigen“ Zeugs, dass ich die meiste Zeit hier Thematisiere gerade die bildende Kunst. (Sei es jetzt im Zusammenspiel von Beziehungen auf zwischenmenschlicher Ebene, wie es Yasmina Rezas „Kunst“-Drama aufgebaut hat, oder aber sehr konkret an Fallbeispielen wie dem duisburger David, wo ich zumindest nach Möglichkeiten suche, die entsprechenden Positionen ein wenig zu beleuchten und aufzuzeigen, warum solche – zum Teil im öffentlichen Raum stehenden Projekte – eben mehr sind als ein simples „Das kann ich auch.“.)

Wer außerdem ein wenig aufgepasst hat, dürfte jetzt gerade mitbekommen haben, dass ich selbst in NRW derzeit mein „Dasein friste“. Und hier passiert gerade etwas, dass man einfach nur als ungeheuerlich letzten Endes betrachten kann. Im letzten Jahr wurde bekannt, dass die Westspiel, eine Tochtergesellschaft einer Landeseigenen Unternehmensgruppe, die dem Finanzministerium unterstellt ist, über zwei Warhol-Werke verfügte, die sie jetzt zum Verkauf anbot, da der entsprechende Marktwert angestiegen war. (Die Westspiel wollte damit ihre roten Zahlen ausbügeln.) Weniger Kunstinteressierte haben wohl zu dem Zeitpunkt mit den Schultern gezuckt und diese Nachricht einfach übersprungen haben. Das Problem bei der ganzen Geschichte ist nur: Die ursprüngliche Anschaffung dieser beiden Gemälde war mit Steuermitteln geschehen. Faktisch wurde hier also tatsächlich Kulturgut des Staates veräußert. (Und ich will jetzt nicht hören, dass eine GBR, oder was auch immer die Westspiel jetzt ist, halt haushalten müsse.)
Letzten Endes bedeuten gerade solche Einkäufe, wie die beiden Warhols sie darstellten, immer, dass hier im Rahmen eines kulturellen Bildungsauftrags wichtige Kulturgüter erworben werden, welche jenseits sämtlichem Marktgeschmacks der Bevölkerung auf die eine oder andere Weise zugänglich gemacht werden, damit auf diesem Weg der kulturelle Dialog und Diskurs gefördert werden kann. (Der Punkt bei solchen Handlungen ist gerade, dass man tatsächlich bemüht darum ist, die Werke hochwertiger Künstler zu erwerben, um langfristig einen möglichst guten Kunsthistorischen Querschnitt zu ermöglichen. Ein Weg dafür ist, Kunst in dem geschützten Mikrokosmos des Museums unterzubrigen, wie es hier in NRW die Kunstsammlung mit dem K20 und K21 in Düsseldorf macht. Das sind natürlich Prestigeträchtige Objekte, in denen Kunst als Kunst sofort wahrgenommen wird. (Und wo man auch die Frage aufwerfen kann, ob alles im Museum automatisch Kunst ist. Aber ich will hier keinen Ausflug in die Welt der Dadaisten machen.) Eine weitere Möglichkeit ist es eben, Kunst in die Räume des alltäglichen Lebens zu integrieren und sie dadurch mehr Leuten zugänglicher zu machen, die sie dann entweder bewusst oder unbewusst wahrnehmen können. (Ein prominentes Beispiel dafür wäre der „Livesafer“ von Niki de Saint Phalle in Duisburg, der von der dortigen Bevölkerung über die Jahre eine gewisse „Hassliebe“ eingesammelt hat. (Der Spitzname „geiler Geier“ hat sich über die Jahre ausgebildet. Der Punkt bei der Sache ist aber, dass diese Hassliebe es aber letzten Endes ist, dass die Duisburger zeitgleich diesen Farbklecks in ihrer Innenstadt unglaublich zu schätzen lernen. Bis hin zur Identifikation, dass sich langfristig Wiederstand bilden würde, wenn das gute Stück irgendwann entfernt werden sollte.) Das ist halt der Punkt, der dazu führt, dass innerhalb von bestimmten Einrichtungen die dem Land irgendwo unterstellt sind auch besondere Werke auftauchen. (Zumal hier im Rahmen des Bildungsauftrages, den das Land besitzt, die Kulturförderung durchgeführt werden kann.) Leider haben eben diese speziellen Faktoren diverse Leute vergessen, welche Dollarzeichen mit Werten verwechseln.
Kurz: Die Bilder der Westspiel wurden verkauft und die Kunstszene hier in NRW erhielt einen gewaltigen Schlag in die Magengrube.

Seitdem bestand halt eben die große Angst, dass weitere Aktionen dieser Art folgen könnten. (Der Punkt bei dieser Sache ist nämlich, dass Steuergelder immer auf verschiedene Budgets aufgeteilt werden, und Museen, sowie andere Einrichtungen, immer nur einen kleinen Teil des gesammten Kuchens erhalten. Sprich: Was in dem einen Topf fehlt, mag in eine anderen Topf zu viel vorhanden sein.) In dieser Hinsicht hatte sich über die Jahrzehnte ein gewisses „Mezähentum“ aufgebaut.
Wirtschaftlich stärker orientierte Einrichtungen mit hoher Gewinnausschüttung konnten sich zu Weilen die Anschaffung eines teureren, qualitativ hochwertigen Kunstnamens leisten. Die Folge davon war, dass eine entsprechende Einrichtung das jeweils interessante Werk erwarb (wohl gemerkt: Aus Steuergeldern, denn der Privatisierungsblödsinn war zu dem jeweiligen Zeitpunkt noch nicht ausgebrochen) zwar die Besitzrechte behalten musste – immerhin war das Kunstwerk je aus dem jeweils eigenem Budgettopf erworben worden – aber es der Öffentlichkeit als Dauerleihgabe zur Verfügung stellte, indem es es einem Museum zur Verfügung übertrug. (Gewisse Vorteile hatte die jeweilige Einrichtung natürlich ebenfalls daraus, seien sie jetzt fiskaler oder prestigeträchtiger Natur gewesen.) Dieses gegenseitige Aushelfen auf kulturpolitischer Ebene hatte ohne Privatisierung über Jahrzehnte hervorragend funktioniert.

Das Problem ist jetzt, dass mit der Privatisierung eben weiterhin Besitzrechte in den Tochterfirmen des Landes verblieben sind und sich das plötzlich rächt. Kulturelle Neandertaler mit lobotomisierten Schädeln stellen mit einem mal fest, dass sie über Wertgegenstände verfügen, die sie nicht haben. Zeitgleich haben sie aber Ausgaben und andere Bedürfnisse, die dringend getilgt werden müssen. (Und ob diese Ausgaben nicht eher in Form des jährlichen Ferraris zu sehen sind, als im Rahmen einer wie auch immer gearteten „wirtschaftlichen Verbesserung ihres Unternehmens“ muss man auch erst einmal in Frage stellen.)
Jedenfalls ist der Punkt bei der ganzen Sache, dass jetzt mit einem mal Unmengen kulturell Wichtiger Artefakte als „Eigentum“ zurückgefordert werden, um sie auf dem Privatmarkt zu verschachern. (Das Schlimme bei der Sache ist, dass auf diesem Weg unsere Museenszene mit einem mal leergeräumt zu werden droht.) Unzählige sehr wichtige Objekte drohen aus dem Land zu verschwinden, weil sie eben nicht endgültig in den Besitz des Landes zurückübertragen werden. (Wo sie hingehören.) Sondern auf dem Weltmarkt meistbietend verschachert werden sollen. (Was für uns auf dem Streetlevel als Bürger ungemein schlecht wäre, auch wenn es nicht jedem sofort klar sein dürfte, warum.)

Vorerst existiert eine Notlösung, weil das Land NRW als solches mit einem mal deutlich heftigeren Gegenwind erfährt, als es noch bei den Warhols der Fall war. (Zu dem Zeitpunkt waren es nur ein paar wenige interessierte Kulturschaffende, die aber durch ihren Protest angefangen haben, die Mehrheit erstmalig für das Thema zu sensibilisieren.) Aber die Gefahr, dass die Portigon doch noch ihren Willen kriegen könnte, ist leider sehr groß. Vorerst einmal ist ein verfahren eingeleitet worden, um festzustellen, ob es sich bei der Portigon-Sammlung um nationale Kulturgüter handelt. (Etwas, das ich zumindest ohne den vollständigen Katalog gesehen zu haben, mit „ja“ beantworten würde.)

In der Zwischenzeit muss aber der Gegenwind weiterhin vergrößert werden. Wenn die Portigon erfolg mit ihrem vorhaben bekommen sollte, wäre das der kulturelle Ausverkauf, weil gerade die von Museen aufwändig kuratierten Schätze durch diese Kuratierung ihren Bekanntheitsgrad steigern konnten. (Und ich will hier nicht zum Häuten der Verantwortlichen von Portigon auffordern, auch wenn diese Barbaren es verdient hätten.)

Ich selbst kenne aktuell nur diese beiden Petitionen: Eine vom Künstlerbund E.V und ein offener Brief, auf dem man auch unterzeichnen kann. Das ist zwar noch nicht viel, aber zumindest ein Anfang. (Und die öffentliche Debatte muss hier leider deutlich größer endlich einmal geführt werden, sonst würden wir bald alle nach dem FDP-Prinzip verraten und verkauft werden.)

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