Montag, 8. Mai 2017

Rezension: John Norman: Der Krieger (Die Chroniken von Gor 1) [kindle-edition]

Cover: John Normen
Der Krieger
Die Chroniken von Gor 01
Verlag: Basilisk Verlag
Ein Autor, der einen philosophischen Hintergrund hat und eine Geschichtenzyklus, der stellenweise inhaltlich fast schon desadsche-Züge aufweist? Immer her damit! So, oder so ähnlich, müssen meine Gedankengänge um 2003/04 herum gewesen sein, als ich in einem der Internet-Foren, in denen ich damals unterwegs war, zum ersten mal etwas über John Normans „Gor-Zyklus“ gehört habe. Die Idee einer „klassischen Fantasy“-Reihe, die in gewissem Kontext BDSM-Züge aufweist, war für mich damals noch ziemlich ungreifbar, vor allen da ich noch ziemlich frisch von den ersten Eindrücken einer Lektüre Nietzsches und de Sades beindruckt war, wobei letzterer eher deswegen auf meinem Lektürestapel gelandet ist, weil ich mich durch die „Dialektik der Aufklärung“ für ein Seminar gekämpft hatte. (Etwas über ein Jahrzehnt und die gehirnzersetzenden Lektüre einiger Beispiele aus dem Bereich „Romantasy“, sowie des ersten Bandes „50 Shades of Grey“-Trilogie später, frage ich mich eher, wieso ich damals so naiv war.)
Jedenfalls war es damals fast unmöglich an Bände aus der Reihe heranzukommen. (Das Problem, dass die Bücher hierzulande nur zu großen Teilen gekürzt erschienen sind und trotzdem sofort auf dem Index landeten, sowie der umstand, dass die entsprechenden ungekürzten, englischen Veröffentlichungen deswegen hierzulande auch nicht zu haben waren, war durchaus ein entsprechend Hindernis.) Und irgendwann hatte ich den Namen „Gor“ als solchen auch vergessen, so das am Ende eigentlich nur die Erinnerung an ein paar Fetzen übrigblieb, die ein interessantes Setting zumindest versprachen.
Ich war jedenfalls sehr überrascht, als ich irgendwann im letzten Monat eher zufällig den Vorschlag für ein ebook bei einer einschlägigen Plattform erhielt, welches eine vollständige Neuübersetzung des Gor-Zyklus von John Norman beim Basilisk-Verlag versprach. (Anscheinend hat sich irgendjemand darum bemüht, die entsprechenden Bücher wieder vom Index der BPjM zu bekommen.)
Von daher: Ja, ich bin mir bewusst, dass ich hier ein Buchreihe zu besprechen anfange, die nicht ganz unproblematisch ist aus dem heutigen Kontext (der immerhin eine gewaltige Shit-Storm-Lawine der Entrüstung über das Thema Seximus in allen Bereichen später darstellt und immer wieder über ein weiteres soziales Netzwerk nachrückt.) Nein: Ich halte die Buchreihe nicht mal annähernd für Problematisch genug, um sie nicht zu lesen. (Zumindest nicht in der Hinsicht, als das man verschämt hinter vorgehaltener Hand maximal darüber reden könnte.)

Zum Setting: Gor ist ein Planet, der in etwa die Auflaufbahn der Erde teilt, dabei allerdings stehts auf der anderen Seite der Sonne sich befindet, so das dieser Planet, der gelegentlich auch als „Gegen-Erde“ bezeichnet wird, immer vor neugierigen Blicken verborgen ist.
Herrscher des Planeten sind die s.g. „Priesterkönige“, welche – zumindest wird es in diesem ersten Band so dargestellt – zurückgezogen in einem bestimmten Gebirge leben, so das sie von keinem lebenden Menschen jemals gesehen worden sind, jedoch greifen sie auf die eine oder andere Weise immer wieder sichtbar in den Verlauf der Zivilisation des Planeten ein. (Die plakative Subtilität, die dazu genutzt wird, hat den Priesterkönigen jedenfalls einen göttergleichen Status eingebracht, so das sie die zentrale, religiös verehrte Instanz der Bevölkerung Gors sind.)
Diese Priesterkönige holen stelen gelegentlich Menschen von der Erde, um sie nach Gor zu entführen, weswegen in verschiedenen Stellen der goreanischen Kultur sich durchaus marginale Einflüsse finden lassen. Technisch betrachtet ist die „Kultur“ von Gor aber dann doch das, was man als Fantasy mit sehr archaischem Einschlag betrachtet. (Konkret betrachtet: Ich war stellenweise wirklich am Überlegen, ob hier nicht ein paar von den Klischees, die „Conan“ gesetzt hat nicht letzten Endes Pate standen.) Die Bevölkerung Gors lebt zu einem wohl nicht unbestreitbaren Teil in verfeindeten Städten. Technologisch gesehen befindet man sich weitestegehnd auf einem Stand, der zwar das Schwert kennt, aber keinerlei Industrialisierung. Ein mehr oder weniger starres Kastensystem gibt den einzelnen Menschen einen Platz in dieser Welt. Übergroße Monster am Boden und in der Luft dienen als Reittiere, weswegen auch die entsprechenden Starken assoziationen mit einer ausgeprägten Barbarei da sind. (Allerdings gibt es durchaus phantastische technologische Einflüsse, die aber durch die Pristerkönige stark reglementiert werden. Das heißt, jene als Götter angesehenen Wesen haben von Anfang an einen Einfluss darauf gehabt, was genau an Technologischen Errungenschaften genutzt werden „darf“ - weswegen das Schwert die zentrale Waffe auf Gor zu sein scheint und ein Darwinismus männlicher Stärke vorherrscht. Krieger verstehen sich dennoch einem Ehrenkodex verpflichtet.)
Spannendes Element dabei ist allerdings der unterschied der Geschlechter: Männer gelten als Dominat, während Frauen eher als Besitz definiert werden. Zwar gibt es den Status der freien Frau, jedoch muss diese gewisse Repressionen erleiden. Die scheinbar Verbreitetere weibliche Rolle ist die der unterworfenen Sklavin. Effektiv gibt es tatsächlich eine entsprechende Kultur ritueller Unterwerfung von Frauen. Wenn eine Frau von einem Mann in die Knie geht und die Handgelenke mit dem Worten „Ich unterwerfe mich dir“ überkreuzt, so hat Dieser nur zwei Optionen: Die Unterwerfung zu akzeptieren, oder die Frau zu töten, da er ansonsten selbst zum Geächteten würde. Außerdem werden Sklavinnen für ihren Status gebrandmarkt und mit einem Eisenreifen, auf dem die Besitzverhältnisse erklärt werden, versehen. (Unter diesen Bedingungen betrachtet ist auch Vergewaltigung nichts per se unübliches, jedoch sollte dies nur hier am Rande noch erwähnt werden.)

Die Geschichte von „Der Krieger“ ist jetzt ein aus der Ich-Perspektive erzählter Bericht von Tarl Cabot, einem britischen Staatsbürger, der in den vereinigten Staaten von Amerika als Dozent an einem College arbeitet. Während eines in der Winterzeit stattfindenden Ausfluges in die Berge wird er durch einige seltsame Umstände von einer fliegenden, in silbernem Licht eingetauchten Flugscheibe nach Gor verfrachtet. Hier wird er in der freien Stadt Ko-ro-ba durch ein unsäglich hartes Training darauf forbereitet als Krieger im Auftrag dieser Stadt den „Heimstein“ einer anderen Stadt zu stehlen, deren Herrscher sich gerade dazu anschickt ein den ganzen Planeten vereinigendes Imperium aufzubauen und dadurch den Status Quo der unabhängig voneinander existierenden, miteinander verfeindeten, freien Städte in Frage stellt. (Hierbei muss man Wissen, dass der „Heimstein“ auf Gor so etwas wie die symbolischen Herrschaftsinsignien über einen bestimmten Herrschaftsraum darstellen. Die Eroberung des Heimsteins einer Stadt nimmt dieser Stadt also auf symbolischer Ebene deren Identität als unabhängiges Gebilde und zwingt sie in die „Sklaverei“ unter der Glagge des Eroberers. Dementsprechend ist aber auch der Verlust eines solchen Heimsteins das schlimmste, was einem Herrscher passieren kann.) Technisch sieht der Plan dann aber auch vor, dass Tarl eine direkte Verwandte des Herrschers dieser Stadt erschlägt und seine Flucht damit zu verschleiern versucht, indem er eine Sklavin, welche bereit ist sich zu opfern, deren Stelle einnehmen lässt. Jetzt kommt es allerdings dazu, dass Tarl Cabot nicht nur ein Krieger Gors ist, sondern ein Mensch von der Erde, der die Ehrenhaftigkeit der Kriegerkaste mit diversen Werten von seiner Heimatgesellschaft untergräbt und sich dadurch zu einem unglaublich dummen Barbaren mausert. Herzensgut, aber dumm. Er lässt die Sklavin verfrüht in ihrer Heimatstadt frei, stürzt sich dadurch allein auf seine Mission, was dazu führt, dass er zwar in einem tollkühnen Manöver den Heimstein der verfeindeten Stadt an sich bringt, dafür aber die etwas tolldreiste Tochter des verfeindeten Herrschers ebenfalls gleich mitschleift, weil diese sich an die versehentlich aufgeklappte Trittleiter seines Tarls (ein übergroßer, monströser Raubvogel der als Reittier genutzt wird) klammert und der Rest des Romans geht danach eigentlich nur noch darum, warum alles von da an den Bach runter geht. (Und warum trotz alledem alles irgendwie am Ende irritirenderweise „Gut“ ausgeht.)

Der Schreibstil des Geschichte ist „ordentlich“ gemacht, wenn auch stellenweise etwas dröge. Sobald man sich allerdings ersteinmal darauf eingestellt hat, lässt sich das Ganze sehr flüssig und schnell herunterlesen. (Auch wenn ich ohnehin ein Anhänger der Theorie bin, dass das deutlich schnellere „Umblättern“ der ebook-Reader den Lesefluß an sich erhöht.) Zusätzlich kommt hinzu, dass „Der Krieger“ in seiner physischen Ausgabe gerade mal über 194 Seiten verfügen soll. (Das ist für heutige Verhältnisse, wo Autoren scheinbar nicht mehr auf den Punkt zu kommen können scheinen, erschreckend wenig. Dennoch hat es einen sehr großen Vorteil: Die Geschichte an sich ist verhältnimäßig schnell durchgelesen und man hat auf diese Weise die Möglichkeit für sich zu entscheiden, ob man dem Gor-Zyklus eine Chance geben möchte.
Diese Entscheidung ist allerdings auch eher bitter Notwendig: Denn egal, wie man die Intentionen des Autors auch immer werten mag, eine Fantasy-Welt zu erschaffen, die im Kern aus heutiger Sicht insofern sexistisch ist, dass sie das heldenhaft überdramatisierte Gegenstück männlicher Dominaz und weiblicher Unterwerfung thematisiert. (Und damit eigentlich nur aus der Perspektive des Ich-Erzählers einen Unterschied zu regulärer, moderner Romantasy darstellt, welche die Rolle der passiven Frau, die als Lustobjekt benutzt wird aus der Ich-Perspektive einer Frau beschreibt, darstellt.) Bermerkt man dem Plot an seinen verwendeten Topoi doch sehr stark an, dass die gesammte Geschichte irgendwann Anfang der 70er entstanden ist. (Um das näher zu erklären: Es gibt eine Szene, wo dem „Helden“ alles genommen wird und dann Anschließend der Dieb zu einem nur marginal späterem Zeitpunkt dem Helden wieder über den Weg läuft, allerdings ohne dessen Ausrüstung, weil Unfähig das entsprechende Reittier zu bedienen. Ganz zu schweigen, wie Zufällig dann die Wiederbeschaffung der verloren geglaubten Ausrüstung ausfällt. Das ist als Trope in den 90ern so ausgelutscht gewesen, dass man das Stilmittel in den Kurz-Krimis von Tageszeitungen als Rauswerfer-Pointe nutzte. Hier allerdings ist es tatsächlich noch dermaßen „Frisch“ von der Idee her, dass man es irgendwo Mitten in der Geschichte einsetzt, um große Teile des weiteren Plots überhaupt erst in Gang zu bringen.)
Und dann wären da noch die Figuren selbst, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, ob da nicht bereits das „ironische“ der Hipster-Bewegung irgendwie vorweg genommen worden ist. Sicher: Allein die weibliche Haupt-Nebenrolle erfüllt alle Bedingungen, um eine Verfilmung des Buches theoretisch eine USK ab 18 zu verpassen. (Nach der Devinition: Jeder kriegt das Mädchen.) Aber auf der anderen Seite: Der männliche Protagonist ist auf eine dermaßen männliche Weise dämlich, das man sich manchmal wirklich fragt, warum sich patriachale Strukturen historisch durchgesetzt haben. Wir haben hier zwar einen Barbaren und Überkrieger, der im Kampf – trotz mangelnder Erfahrung von x Jahrzehnten, ehe er zum ersten mal nach Gor kam – einfach jeden noch so erfahrenen Kämpfer kurzerhand in die Tasche steckt. Dafür ist dann aber besagte weiblichen Nebenhauptrolle so charakterisiert, dass sie trotz aller Sterotype des „schwachen Geschlechts“ sämtliche Register auf eine Weise ziehen kann, das sie den anfangs noch verhassten Helden nicht nur an mehreren Stellen irgendwie das Leben rettet (oder durch ihr verhalten indirekt dazu beiträgt, dass er glänzen kann), sie spielt sogar ungemein clever mit den jeweils etablierten Konventionen, die für das Setting und die Rolle der Frau in diesem stehen, das sie selbst ebenfalls in gewisser Weise mit heiler Haut davonkommen kann. (Was zwar indirekt dann auch wieder mit der männlichen Heldenhaftigkeit des männlichen Protagonisten zu tun hat, aber den dann wiederrum bei mir als Leser in einem noch lächerlicherem Licht stehen lässt.) Insgesamt muss man sich also wirklich darauf einlassen können, dass hier mit einem Haufen schlechter Klischees nur so um sich geworfen wird, was eine archaische, männliche-dominaten Barbaren-Welt betrifft.

Fazit

Ich spreche hier keine Empfehlung aus, auch wenn mich das Buch sehr unterhalten hat. Die Geschichte ist aus meienr heutigen Perspektive dafür einfach zu stupide stellenweise aufgebaut, als das ich mir wirklich sicher bin, ob das was ich über das Fandom des Gor-Zyklus mittlerweile weiß, nicht eher ein Missversätndnis der mögliche Aussage der Geschichte ursprünglich war. Es ist jedenfalls interessant zu sehen, dass wenn in irgendeiner Weise eine sexuelle Konnotation mit phantastischen Elementen auch nur ansatzweise Vereint wird, die jeweiligen Bedürfnisse der etweigen Ziegruppen gar nicht mal soweit voneinader entfernt sind. (Auch wenn die weibliche Zielgruppe der Romantasie anscheinend eine deutliche explizitere Ausformulierung des eigentlichen Aktes zu bevorzugen scheint.) Insofern ist das hier eine unglaublich Klischee-Überladene Story, voller aus heutiger Sicht unglaublich unüberzeugender Tropes.

Und auch wenn der Mann eigentlich als der Held dargestellt ist: Irgendwie finde ich hier die darstellung der weiblichen Figur um ein fielfaches spannender.  

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