Cover: John Normen Der Krieger Die Chroniken von Gor 01 Verlag: Basilisk Verlag |
Ein Autor, der
einen philosophischen Hintergrund hat und eine Geschichtenzyklus, der
stellenweise inhaltlich fast schon desadsche-Züge aufweist? Immer
her damit! So, oder so ähnlich, müssen meine Gedankengänge um
2003/04 herum gewesen sein, als ich in einem der Internet-Foren, in
denen ich damals unterwegs war, zum ersten mal etwas über John
Normans „Gor-Zyklus“ gehört habe. Die Idee einer „klassischen
Fantasy“-Reihe, die in gewissem Kontext BDSM-Züge aufweist, war
für mich damals noch ziemlich ungreifbar, vor allen da ich noch
ziemlich frisch von den ersten Eindrücken einer Lektüre Nietzsches
und de Sades beindruckt war, wobei letzterer eher deswegen auf meinem
Lektürestapel gelandet ist, weil ich mich durch die „Dialektik der
Aufklärung“ für ein Seminar gekämpft hatte. (Etwas über ein
Jahrzehnt und die gehirnzersetzenden Lektüre einiger Beispiele aus
dem Bereich „Romantasy“, sowie des ersten Bandes „50 Shades of
Grey“-Trilogie später, frage ich mich eher, wieso ich damals so
naiv war.)
Jedenfalls war es
damals fast unmöglich an Bände aus der Reihe heranzukommen. (Das
Problem, dass die Bücher hierzulande nur zu großen Teilen gekürzt
erschienen sind und trotzdem sofort auf dem Index landeten, sowie der
umstand, dass die entsprechenden ungekürzten, englischen
Veröffentlichungen deswegen hierzulande auch nicht zu haben waren,
war durchaus ein entsprechend Hindernis.) Und irgendwann hatte ich
den Namen „Gor“ als solchen auch vergessen, so das am Ende
eigentlich nur die Erinnerung an ein paar Fetzen übrigblieb, die ein
interessantes Setting zumindest versprachen.
Ich war jedenfalls
sehr überrascht, als ich irgendwann im letzten Monat eher zufällig
den Vorschlag für ein ebook bei einer einschlägigen Plattform
erhielt, welches eine vollständige Neuübersetzung des Gor-Zyklus
von John Norman beim Basilisk-Verlag versprach. (Anscheinend hat sich
irgendjemand darum bemüht, die entsprechenden Bücher wieder vom
Index der BPjM zu bekommen.)
Von daher: Ja, ich
bin mir bewusst, dass ich hier ein Buchreihe zu besprechen anfange,
die nicht ganz unproblematisch ist aus dem heutigen Kontext (der
immerhin eine gewaltige Shit-Storm-Lawine der Entrüstung über das
Thema Seximus in allen Bereichen später darstellt und immer wieder
über ein weiteres soziales Netzwerk nachrückt.) Nein: Ich halte die
Buchreihe nicht mal annähernd für Problematisch genug, um sie nicht
zu lesen. (Zumindest nicht in der Hinsicht, als das man verschämt
hinter vorgehaltener Hand maximal darüber reden könnte.)
Zum Setting: Gor ist
ein Planet, der in etwa die Auflaufbahn der Erde teilt, dabei
allerdings stehts auf der anderen Seite der Sonne sich befindet, so
das dieser Planet, der gelegentlich auch als „Gegen-Erde“
bezeichnet wird, immer vor neugierigen Blicken verborgen ist.
Herrscher des
Planeten sind die s.g. „Priesterkönige“, welche – zumindest
wird es in diesem ersten Band so dargestellt – zurückgezogen in
einem bestimmten Gebirge leben, so das sie von keinem lebenden
Menschen jemals gesehen worden sind, jedoch greifen sie auf die eine
oder andere Weise immer wieder sichtbar in den Verlauf der
Zivilisation des Planeten ein. (Die plakative Subtilität, die dazu
genutzt wird, hat den Priesterkönigen jedenfalls einen
göttergleichen Status eingebracht, so das sie die zentrale, religiös
verehrte Instanz der Bevölkerung Gors sind.)
Diese Priesterkönige
holen stelen gelegentlich Menschen von der Erde, um sie nach Gor zu
entführen, weswegen in verschiedenen Stellen der goreanischen Kultur
sich durchaus marginale Einflüsse finden lassen. Technisch
betrachtet ist die „Kultur“ von Gor aber dann doch das, was man
als Fantasy mit sehr archaischem Einschlag betrachtet. (Konkret
betrachtet: Ich war stellenweise wirklich am Überlegen, ob hier
nicht ein paar von den Klischees, die „Conan“ gesetzt hat nicht
letzten Endes Pate standen.) Die Bevölkerung Gors lebt zu einem wohl
nicht unbestreitbaren Teil in verfeindeten Städten. Technologisch
gesehen befindet man sich weitestegehnd auf einem Stand, der zwar das
Schwert kennt, aber keinerlei Industrialisierung. Ein mehr oder
weniger starres Kastensystem gibt den einzelnen Menschen einen Platz
in dieser Welt. Übergroße Monster am Boden und in der Luft dienen
als Reittiere, weswegen auch die entsprechenden Starken assoziationen
mit einer ausgeprägten Barbarei da sind. (Allerdings gibt es
durchaus phantastische technologische Einflüsse, die aber durch die
Pristerkönige stark reglementiert werden. Das heißt, jene als
Götter angesehenen Wesen haben von Anfang an einen Einfluss darauf
gehabt, was genau an Technologischen Errungenschaften genutzt werden
„darf“ - weswegen das Schwert die zentrale Waffe auf Gor zu sein
scheint und ein Darwinismus männlicher Stärke vorherrscht. Krieger
verstehen sich dennoch einem Ehrenkodex verpflichtet.)
Spannendes Element
dabei ist allerdings der unterschied der Geschlechter: Männer gelten
als Dominat, während Frauen eher als Besitz definiert werden. Zwar
gibt es den Status der freien Frau, jedoch muss diese gewisse
Repressionen erleiden. Die scheinbar Verbreitetere weibliche Rolle
ist die der unterworfenen Sklavin. Effektiv gibt es tatsächlich eine
entsprechende Kultur ritueller Unterwerfung von Frauen. Wenn eine
Frau von einem Mann in die Knie geht und die Handgelenke mit dem
Worten „Ich unterwerfe mich dir“ überkreuzt, so hat Dieser nur
zwei Optionen: Die Unterwerfung zu akzeptieren, oder die Frau zu
töten, da er ansonsten selbst zum Geächteten würde. Außerdem
werden Sklavinnen für ihren Status gebrandmarkt und mit einem
Eisenreifen, auf dem die Besitzverhältnisse erklärt werden,
versehen. (Unter diesen Bedingungen betrachtet ist auch
Vergewaltigung nichts per se unübliches, jedoch sollte dies nur hier
am Rande noch erwähnt werden.)
Die Geschichte von
„Der Krieger“ ist jetzt ein aus der Ich-Perspektive erzählter
Bericht von Tarl Cabot, einem britischen Staatsbürger, der in den
vereinigten Staaten von Amerika als Dozent an einem College arbeitet.
Während eines in der Winterzeit stattfindenden Ausfluges in die
Berge wird er durch einige seltsame Umstände von einer fliegenden,
in silbernem Licht eingetauchten Flugscheibe nach Gor verfrachtet.
Hier wird er in der freien Stadt Ko-ro-ba durch ein unsäglich hartes
Training darauf forbereitet als Krieger im Auftrag dieser Stadt den
„Heimstein“ einer anderen Stadt zu stehlen, deren Herrscher sich
gerade dazu anschickt ein den ganzen Planeten vereinigendes Imperium
aufzubauen und dadurch den Status Quo der unabhängig voneinander
existierenden, miteinander verfeindeten, freien Städte in Frage
stellt. (Hierbei muss man Wissen, dass der „Heimstein“ auf Gor so
etwas wie die symbolischen Herrschaftsinsignien über einen
bestimmten Herrschaftsraum darstellen. Die Eroberung des Heimsteins
einer Stadt nimmt dieser Stadt also auf symbolischer Ebene deren
Identität als unabhängiges Gebilde und zwingt sie in die
„Sklaverei“ unter der Glagge des Eroberers. Dementsprechend ist
aber auch der Verlust eines solchen Heimsteins das schlimmste, was
einem Herrscher passieren kann.) Technisch sieht der Plan dann aber
auch vor, dass Tarl eine direkte Verwandte des Herrschers dieser
Stadt erschlägt und seine Flucht damit zu verschleiern versucht,
indem er eine Sklavin, welche bereit ist sich zu opfern, deren Stelle
einnehmen lässt. Jetzt kommt es allerdings dazu, dass Tarl Cabot
nicht nur ein Krieger Gors ist, sondern ein Mensch von der Erde, der
die Ehrenhaftigkeit der Kriegerkaste mit diversen Werten von seiner
Heimatgesellschaft untergräbt und sich dadurch zu einem unglaublich
dummen Barbaren mausert. Herzensgut, aber dumm. Er lässt die Sklavin
verfrüht in ihrer Heimatstadt frei, stürzt sich dadurch allein auf
seine Mission, was dazu führt, dass er zwar in einem tollkühnen
Manöver den Heimstein der verfeindeten Stadt an sich bringt, dafür
aber die etwas tolldreiste Tochter des verfeindeten Herrschers
ebenfalls gleich mitschleift, weil diese sich an die versehentlich
aufgeklappte Trittleiter seines Tarls (ein übergroßer, monströser
Raubvogel der als Reittier genutzt wird) klammert und der Rest des
Romans geht danach eigentlich nur noch darum, warum alles von da an
den Bach runter geht. (Und warum trotz alledem alles irgendwie am
Ende irritirenderweise „Gut“ ausgeht.)
Der Schreibstil des
Geschichte ist „ordentlich“ gemacht, wenn auch stellenweise etwas
dröge. Sobald man sich allerdings ersteinmal darauf eingestellt hat,
lässt sich das Ganze sehr flüssig und schnell herunterlesen. (Auch
wenn ich ohnehin ein Anhänger der Theorie bin, dass das deutlich
schnellere „Umblättern“ der ebook-Reader den Lesefluß an sich
erhöht.) Zusätzlich kommt hinzu, dass „Der Krieger“ in seiner
physischen Ausgabe gerade mal über 194 Seiten verfügen soll. (Das
ist für heutige Verhältnisse, wo Autoren scheinbar nicht mehr auf
den Punkt zu kommen können scheinen, erschreckend wenig. Dennoch hat
es einen sehr großen Vorteil: Die Geschichte an sich ist
verhältnimäßig schnell durchgelesen und man hat auf diese Weise
die Möglichkeit für sich zu entscheiden, ob man dem Gor-Zyklus eine
Chance geben möchte.
Diese Entscheidung
ist allerdings auch eher bitter Notwendig: Denn egal, wie man die
Intentionen des Autors auch immer werten mag, eine Fantasy-Welt zu
erschaffen, die im Kern aus heutiger Sicht insofern sexistisch ist,
dass sie das heldenhaft überdramatisierte Gegenstück männlicher
Dominaz und weiblicher Unterwerfung thematisiert. (Und damit
eigentlich nur aus der Perspektive des Ich-Erzählers einen
Unterschied zu regulärer, moderner Romantasy darstellt, welche die
Rolle der passiven Frau, die als Lustobjekt benutzt wird aus der
Ich-Perspektive einer Frau beschreibt, darstellt.) Bermerkt man dem
Plot an seinen verwendeten Topoi doch sehr stark an, dass die
gesammte Geschichte irgendwann Anfang der 70er entstanden ist. (Um
das näher zu erklären: Es gibt eine Szene, wo dem „Helden“
alles genommen wird und dann Anschließend der Dieb zu einem nur
marginal späterem Zeitpunkt dem Helden wieder über den Weg läuft,
allerdings ohne dessen Ausrüstung, weil Unfähig das entsprechende
Reittier zu bedienen. Ganz zu schweigen, wie Zufällig dann die
Wiederbeschaffung der verloren geglaubten Ausrüstung ausfällt. Das
ist als Trope in den 90ern so ausgelutscht gewesen, dass man das
Stilmittel in den Kurz-Krimis von Tageszeitungen als
Rauswerfer-Pointe nutzte. Hier allerdings ist es tatsächlich noch
dermaßen „Frisch“ von der Idee her, dass man es irgendwo Mitten
in der Geschichte einsetzt, um große Teile des weiteren Plots
überhaupt erst in Gang zu bringen.)
Und dann wären da
noch die Figuren selbst, bei denen ich mir nicht ganz sicher bin, ob
da nicht bereits das „ironische“ der Hipster-Bewegung irgendwie
vorweg genommen worden ist. Sicher: Allein die weibliche
Haupt-Nebenrolle erfüllt alle Bedingungen, um eine Verfilmung des
Buches theoretisch eine USK ab 18 zu verpassen. (Nach der Devinition:
Jeder kriegt das Mädchen.) Aber auf der anderen Seite: Der männliche
Protagonist ist auf eine dermaßen männliche Weise dämlich, das man
sich manchmal wirklich fragt, warum sich patriachale Strukturen
historisch durchgesetzt haben. Wir haben hier zwar einen Barbaren und
Überkrieger, der im Kampf – trotz mangelnder Erfahrung von x
Jahrzehnten, ehe er zum ersten mal nach Gor kam – einfach jeden
noch so erfahrenen Kämpfer kurzerhand in die Tasche steckt. Dafür
ist dann aber besagte weiblichen Nebenhauptrolle so charakterisiert,
dass sie trotz aller Sterotype des „schwachen Geschlechts“
sämtliche Register auf eine Weise ziehen kann, das sie den anfangs
noch verhassten Helden nicht nur an mehreren Stellen irgendwie das
Leben rettet (oder durch ihr verhalten indirekt dazu beiträgt, dass
er glänzen kann), sie spielt sogar ungemein clever mit den jeweils
etablierten Konventionen, die für das Setting und die Rolle der Frau
in diesem stehen, das sie selbst ebenfalls in gewisser Weise mit
heiler Haut davonkommen kann. (Was zwar indirekt dann auch wieder mit
der männlichen Heldenhaftigkeit des männlichen Protagonisten zu tun
hat, aber den dann wiederrum bei mir als Leser in einem noch
lächerlicherem Licht stehen lässt.) Insgesamt muss man sich also
wirklich darauf einlassen können, dass hier mit einem Haufen
schlechter Klischees nur so um sich geworfen wird, was eine
archaische, männliche-dominaten Barbaren-Welt betrifft.
Fazit
Ich spreche hier
keine Empfehlung aus, auch wenn mich das Buch sehr unterhalten hat.
Die Geschichte ist aus meienr heutigen Perspektive dafür einfach zu
stupide stellenweise aufgebaut, als das ich mir wirklich sicher bin,
ob das was ich über das Fandom des Gor-Zyklus mittlerweile weiß,
nicht eher ein Missversätndnis der mögliche Aussage der Geschichte
ursprünglich war. Es ist jedenfalls interessant zu sehen, dass wenn
in irgendeiner Weise eine sexuelle Konnotation mit phantastischen
Elementen auch nur ansatzweise Vereint wird, die jeweiligen
Bedürfnisse der etweigen Ziegruppen gar nicht mal soweit voneinader
entfernt sind. (Auch wenn die weibliche Zielgruppe der Romantasie
anscheinend eine deutliche explizitere Ausformulierung des
eigentlichen Aktes zu bevorzugen scheint.) Insofern ist das hier eine
unglaublich Klischee-Überladene Story, voller aus heutiger Sicht
unglaublich unüberzeugender Tropes.
Und auch wenn der
Mann eigentlich als der Held dargestellt ist: Irgendwie finde ich
hier die darstellung der weiblichen Figur um ein fielfaches
spannender.
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