Da hat mich Madame Caninus doch tatsächlich dazu gebracht auf den Buchstabensalat zu reagieren.
Wie sicherlich ein paar Leute sich mittlerweile denken können, sind das Blog-Projekt "Neue Abenteuer" und meinereiner freundschaftlich Verbunden. Dennoch gibt es, wie man sich denken kann, ein paar Grundsätzlich philosophische Unterschiede, die man ja gerade auch hier in meinem Blog daran erkennen kann, dass ich beinahe jeden öffentlichen Hangout, an dem ich teilnehme, verlinke. (Ebenso, wie ich Youtube mit meinen Beiträgen zum Vlogtaculum verseuche, die bis jetzt den einzigen Anteil des Vreitag-Formats darstellen.) Ich will damit jetzt natürlich nicht sagen, dass ausgerechnet ich die Avant Garde des rollenspielenden Onlinesoziologen darstellen würde. Viel mehr bin ich - den Umständen verschuldet - ein kleiner Opportunist, der via der Geekpläusche der Zeitzeugin und Chaosmacherin auf den Kanal von Frank Voigt aufmerksam geworden ist, der ja vor seinem großen Verschwinden aus dem rollenspielaffinem Internet diese wunderschönen Wechselbalg-Streams gelitten hat. (Und das war dann letzten Endes die Verbindung, die mich in den Nerdpol spülte... mit den abertausenden komischen Kommentaren, die seitdem diverse Streams von mir erleiden mussten.) Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe eine sich etablierende Szene vorgefunden, die ich innerhalb kürzester Zeit in ihrer Präsentation analysieren konnte und habe die Möglichkeiten und Potentiale erkannt, die das Medium "Hangout" bot. (Das der Nerdpol mit dem Nerdvana jetzt auch schon seine eigene Fork produziert hat, steht da auf einem anderen Blatt.)
Warum aber jetzt dieser Artikel hier? Caninus hat natürlich prizipiel mit ihrer Kritik recht, aber dafür muss man sich auch noch etwas anderes vor Augen führen: Jedes Medium wechselt den Fokus an Möglichkeiten auf eine sehr speziellen Weise, die eben Medientypisch ist. Da der Kern die Basisidee des Rollenspieles ist, muss man sich dabei ein paar zusätzliche Aspekte vor Augen fürhen: Allein im Bereich des klassischen Pen&Papers gibt es prinzipiell zwei Varianten der Spielweise, die ich jetzt natürlich in ihren entsprechenden Extremen aufzeigen muss, um den entsprechenden Unterschied klar zu machen: Das eine ist eine sehr Brettspielige Version. Spricht: Es existiert eine Battlemap auf dem Tisch und die Interaktion der Spieler findet fest verwurzelt am Stuhl klebend über diese Map eben statt, da man Figuren auf dem Spielfeld bewegt. Das ist eine sehr klassisch ausgelegte Version, welche den Wurzeln von D&D geschuldet ist. (Diese Version lässt sich übrigens tatsächlich letzten Endes 1:1 mit Hilfe von Tools wie Roll20 ins Hangout-Spiel übertragen, weil hier eben nicht der Spieler, sondern der Token des Spielers - auf der analogen Bildfläche am Tisch also die Miniatur - im Fordergrund steht.)
Die andere Form des Extrems ist das performative Spiel, das mMn gerade von Live-Rollenspiel-affinen Individuen genutzt wird. Hierbei wird gerade die räumliche Wahrnehmung mit einem Mal wieder ein Bezugspunkt, in dem man agieren kann. Sprich: Es ist gar nicht mal so selten, dass für die bessere Immersion gerade aufgestanden wird, es zu Körperkontakten kommen kann. (Und ja: Auch das verlassen des Raumes - wenn auch nur für kürzere Zeit um keine zu große Gruppenaufspaltung und Spielunterbrechung herbeizuführen - würde ich vom Selbstberständnis her ebenfalls hier unterbringen. Es gibt einfach manchmal entsprechende IT-Geheimnisse, die vom Rest der Gruppe aus den unterschiedlichsten Gründen vorerst getrennt werden müssen, um einen entsprechenden Überraschungseffekt zu generieren. Der Brettspielende Ansatz kennt das in Form von Zettelverteilung und des allgemeinen hin und her schiebens.) Diese Strategie kann man natürlich in sofern überhöhen, dass man der performative Spielforgehen nochmal selbst in den Spielmechanismus mit einfließen lässt, wie es bei Sea Dracula geschehen ist. (Ob dieses Spiel jetzt allerdings aus der sarkastischen Kritik am performativem Spielgeschehen entstanden ist, ist mir bis Heute nicht klar.)
Jetzt ist der Hangout für sich betrachtet noch einmal ein gänzlich neuer Wechsel des Mediums. Sprich: Sowohl das klassische Pen&Paper als auch das bekannte Live-Rollenspiel hat in seiner Basis bestimmte Aspekte, die für die jeweiligen Spieler bestimmte charakteristische Merkmale ausmachen, die jeweils nicht wegzudenken sind. [Sprich: Pen&Paper lebt von einem besonderen Minimalismus, der sehr viel über beschreibende Aspekte vorraussetzt, während Live-Rollenspiel von der oppulenz des Vorhandenen überzeugt. Zwar ist ein Dogville-Artiges Szenario natürlich auch jederzeit denkbar, allerdings ist es das
nicht, was die meisten Live-Spieler sich wünschen. Gerade Live Spieler haben (vor allem im Vampire-Bereich) einen ziemlich ausgeprägten Hang zur Requisite. Ein Haufen Fahrräder, die in dem Raum aus Lagerungsgründen stehen müssen, werden eher Plotrelevant eingebaut, um Vorhanden zu sein, als das sie mit einem Schild versehen würden, auf dem steht "Diese Fahrräder sind IT nicht vorhanden bitte ignoriert sie." (Ja, das ist ein Erfahrungswert, der so Konkret tatsächlich einmal vorgefallen ist.)]
Durch den Hangout verändert sich der Fokus jetzt durch zwei Dinge: Tendenziell ist man auf seinem jeweils individuellem Bildschirm dazu in der Lage genau das Gesicht in den Fokus zu setzten, das man gerade zur eigenen Beobachtung braucht. (Was allerdings entsprechende Handlungsbereitsschaft in diesem Zusammenhang in den Fordergrund setzt.) Von den Basiseinstellungen her springt nämlich immer die Person ins große Bild, die als letzte ein geräusch erzeugt hat. (Wodurch der Hangout für sich betrachtet in seinem Naturzustand einen Fokus in der Brillage der Audio-Wahrnehmung hat, so das die Reaktion der Sofware eine Annahme des interessantesten Bildes im Geräusch setzt.) In sofern ist einiges am Spiel im Hangout (jenseits irgendwelcher Hilfsmittel wie Dicestream) ersteinmal sehr Einstellungs- und Haltungsgetragen.
Dann und das ist dabei auch noch direkt das tragende Problem an der ganzen Angelegenheit: Dadurch, dass man nicht den ganzen Körper physisch an einem Ort hat, sondern der Fokus auf den Kamera-Ausschnitt begrenzt ist, wird mit einem mal das performative Vorgehen innerhalb dieses Ramens unglaublich zentral. Die Haltung vor der Kamera und die damit zur Schau gestellten Mimiken werden durch die Reduktion der ganzen Angelegenheit zu einem - für den Beobachter und Spieler - sehr zentralem Element des Spieles. Man arbeitet also reduzierter, was die Hilfsmittel angeht, nutzt aber diese reduzierten Hilfsmittel konzentrierter, im besten Falle "Bilddarstellender". (Ich will nicht schauspielender schreiben, weil das nochmal einen anderen Eindruck mit sich bringt, der hier gerade nicht gemeint ist. Darum der Neologismus. Ich meine damit einfach, dass die entsprechende spielende Person durchaus schauspielende Mittel einsetzt, aber eben selbstreflektiert mit dem eingenen Bildschirmfeld dabei spielt.)
Das Hauptproblem, dass dabei bestehen bleibt ist natürlich die Nebenkommunikation. Caninus Kritikpunkt war dabei ja in gewisser Weise der Punkt, dass nur noch die Chatfunktion übrig bliebe (ob jetzt Hangoutchat oder Instantmessage via Skype, ICQ, oder was auch immer sein mal dahigestellt) und aufgrund der Länge bestimmter abklärender Momente eben nichts anderes übrig bliebe. Dieser Kritikpunkt stimmt im eingeschrängten Feld, das man am Tisch mit solcher Kommunikation anders verfahren könnte, aber es gibt immer noch mindestens zwei weitere Ansätze, das Ganze zu sehen: Der Erste ist, das man vorrübergehend einen aktiven "Klärungskanal" schafft, über den man sich unterhält. Das setzt dann allerdings die Nutzung eines zweiten Voice-Chat-Programmes sowie die Option des Stummschalten des Hauptkanals vorraus.
Der andere Punkt ist halt eben die irrige Annahme, dass man die schriftliche Variante überhaupt nicht ergreift, weil sie länger dauern würde. Eher sieht es meiner Erfahrung nach so aus, dass man reduzierter und aufs wesentliche fokussierter dabei vorgeht. (Das Ganze setzt natürlich ein schnelles Verständnis der jeweils tippenden Parteien vorraus, aber Prinzipiell wird damit gearbeitet.)
Mein Punkt für diesen Artikel hier ist Gewiss nicht, dass Hangout-Rollenspiele vollständige 1:1-Übertragungen des Tischgefühls sind. Sie sind aber auch nicht schlechter als das Erlebnis des Tischrollenspiels. Sie sind derzeit noch neu in unserem Kosmos und beginnen (zumindest hier in Deutschland) erst einmal an Bedeutung zu erlangen, weswegen sie Zeitgleich auch noch ein Ausloten der jeweiligen ästhetischen Möglichkeiten verlangen.
Daher ist auch eine konsequent negative Sicht auf das Ganze nicht unbedingt angebracht, da wir ja schließlich alle noch in der Phase des erforschens hierbei sind.
Montag, 16. März 2015
Montag, 9. März 2015
David Jones: Agent des Spind-Raumes. Ein SLC-Konzept für Unknown Armies
Wenn ein Schiff auf dem Meeresgrund versinkt, begeben sich die Seelen der ertrinkenden Seeleute in „Davey Jones Locker“. Ein Locker ist aber, wenn man es übersetzt auch ein Spind. Und in Spinde lagert man etwas zwischen, mit dem man noch indifferent ist, was den weiteren Gebrauch anbelangt. (Halten wir das Bitte im Hinterkopf, ehe ich weiter ausführe.)
Ich bin ein großer Fan des Filmes „Easy Rider“, der ja mehr oder weniger alles, was ein Road-Movie ausmacht in sich vereint. Jedoch weißt der Film auch einen sehr spezifischen Nachteil aus: Die Reise, welche die Wandlung des eigenen Ichs ausmacht (respektive, des Ichs der Protagonisten in dem Film) braucht explizit die Weite der Landschaft, in welcher man interagiert, um neue Erfahrungen zu machen. Das alles geht aber deutlich Weiter, als nur das Aufeinandertreffen mit Personen, die eine andere Perspektive auf die eigene Kultur zur Interaktion mit sich bringen. Die Wandlung findet auch in der obtischen Wahrnehmung der Landschaft statt. (Für jemanden, der jetzt nicht sofort versteht was ich meine: Werft mal einen Blick aus dem Fenster eines fahrenden Zuges, sofern ihr das nächste mal in absehbarer Zeit in einem solchen euch befindet.) Die Landschaft verzerrt sich. Wird, je mehr man den bloßen Eindruck auf sich wirken lässt zu einer Ansammlung von schnell verzerrenden Strichen. (Im Idealfall kann man eine Kamera mit sehr geringer Blendenzahl und etwas längerer Blendenzeit einmal aus dem Fenster des fahrenden Zuges einen Schnappschuß machen lassen. Das Phänomen, dass dabei entsteht unterstreicht die eigene Wahrnehmung nur noch einmal.) Was hier nicht unbedingt allen Personen sofort klar ist: Dadurch, dass sich entsprechende Person eines Reisenden innerhalb dieser Wahrnehmung befindet, wechselt er durch den Vorgang der Reise den Raum. Ist also innerhalb des dromologischen Raumes der Geschwindigkeit anzutreffen, wie es der französische Philosoph Paul Virilio einmal beschrieben hat. Bekannt geworden ist im Zusammenhang mit seiner Dromologie aber auch der Begriff des dromologischen Stillstandes, in dem es um eine Art von Selbstblockade geht.
Und jetzt sind wir fast an dem Punkt angelangt, den meine Gedanken genommen hatten, als ich auf die Idee für diesen speziellen SLC kam, um den es in diesem heutigen Artikel gerade geht.
Der Punkt bei der Sache ist, dass wir alle in unserem Leben mit bestimmten Problemen zu kämpfen haben, die von uns Entscheidungen verlangen, welche wir in der Regel vor uns her schieben. (Manche davon bis zur Katastrophe.) Jetzt gibt es allerdings in unserer urbanen Welt aus irgendeinem Grund zwei Figuren, die wir sehr häufig bei einer Reflexion solcher Dinge als zuhörendes Ohr heranzwingen: Den Barkeeper... und den Taxi-Fahrer.
Ich muss hinzufügen: Ich mag das uncanonische Gerücht das Kain in Los Angeles Taxi fährt und blutjungen Vampiren ihre Möglichkeiten aufzeigt, in welchem Namen sie das einmal gestartete Massaker zu Ende führen können. Sie in dieser Hinsicht zu einer entscheidung zwingt. Aber wie gesagt: Da dieses Gerücht letzten Endes bereits von offzieller Seite her Dementiert wurde, finde ich eher Notwendig, dass wenigstens eines meiner Lieblingssysteme seinen Taxi-Fahrer bekommt.
Und da währen wir jetzt an genau der Stelle angelangt, wo es interessant wird:
David Jones ist ein Agent des Hauses der Renunziation. Um genau zu sein: Es ist ein Agent des Locker Rooms, der von seinem Ausgewählten verlangt, dass sie ihren Opfern die Zeit geben, um überfällige Unentschlossenheiten in die endgültigen Gewissheiten von Entscheidungen zu verwandeln. Jedoch füllt Jones diesen Auftrag nicht ganz Freiwillig.
Ursprünglich war Jones ein kleiner Straßenkrimineller, der sich mit zum Teil schweren Gaunereien über Wasser hielt. Bis zu jenem verhängnisvollem Tag, wo er ein Taxi anhielt, den Fahrer mit der Waffe bedrohte, und um seinen Vorderungen Nachdruck zu verleihen in die Motorhaube des Wagens schoß. Ohne es zu wissen, hatte Jones damit nämlich eine symbiose zwischen Fahrzeug und Fahrer zerstört: Der Wagen fuhr, solange das Herz des Fahrers schlug. Und der Fahrer lebte, solange das Herz, welches in der Motorhaube des Taxis eingelassen war, anstelle eines Motors, unbeschädigt blieb. Jones unglücklicher Glückstreffer sorgte also dafür, dass er zu seiner Stellung kam. Denn mit einem mal erschien wie aus dem Nichts eine übergroße Garagentür, aus der einige seltsame Gestallten in gerade Legionenhafter Anzahl herauswangten, nach ihm griffen und das letzte, was er spürte, bevor Jones das Bewusstsein verlohr wahr, wie sich eine unerbittliche Pranke in seinen Brustkorb grub.
Er wachte inmitten eines geradezu unendlichen Raum aus Spinden auf. Er lag auf einer Holzbank, die sehr unbequem war, neben ihm das Tagebuch seines Vorgängers, dass eine ähnliche Geschichte erzählte, wie die, die Jones egrade erlebt hatte, und was danach passierte: Jones war jetzt der Taxi-Fahrer. Der Agent des Spind-Raumes. Seine Aufgabe würde es sein auf ewig durch die Gegend zu fahren und unentschlossene in den Temporaum zu locken. Wenn sie einmal das Taxi bestiegen hätten, würden sie es entweder nie verlassen, oder mit der Gewissheit, endlich einen Entschluss gefasst zu haben, den es umzusetzen gälte. Aber da einige Menschen dann doch zu sehr zum zögern neigen, holt sie eher der frühzeitige Tod ein, als dass sie ihre selbstgestellte Aufgabe ergreifen.
Die Opfer des Spindraums sind der Inhalt der Spinde. Hier liegen unzählige, ewig unentschlossene und warten auf den jüngsten Tag. Sie kommen nur raus, wenn der Motor des Taxis wieder einmal ausfällt und ersetzen in ihrer Zombieform den gerade frisch verschiedenen Fahrer durch seinen Nachfolger.
Jones bleibt nicht viel anderes Übrig, als jetzt genau dieser speziellen, neuen Bestimmung zu folgen. Verlässt er sein Herz (also das Taxi), indem er aus einem Radius tritt, welcher es ihm gerade mal erlaubt die notwendigsten Dinge wie einen schnellen Imbiß zu sich zu nehmen, erleidet er die Symptome eines schweren Herzinfarktes, die erst dann aufhören, wenn er sich mühsehlig und unter wimmernd zurück zu seinem Wagen geschleppt hat.
David Jones hat sich seitdem an seine Rolle gewöhnt. Er fährt durch die Straßen, hält an, wenn jemand seinen Wagen an die Straße winkt, und beginnt mit seinem Fahrgast eines dieser sehr langen Gespräche, die dazu führen sollen, dass dieser am Ende der fahrt sein Ziel kennt. Und falls das nicht der Fall ist: Nun, nach Feierabend steht rätselhafter Weise immer ein neuer, leerer Spind bereit.
Ich bin ein großer Fan des Filmes „Easy Rider“, der ja mehr oder weniger alles, was ein Road-Movie ausmacht in sich vereint. Jedoch weißt der Film auch einen sehr spezifischen Nachteil aus: Die Reise, welche die Wandlung des eigenen Ichs ausmacht (respektive, des Ichs der Protagonisten in dem Film) braucht explizit die Weite der Landschaft, in welcher man interagiert, um neue Erfahrungen zu machen. Das alles geht aber deutlich Weiter, als nur das Aufeinandertreffen mit Personen, die eine andere Perspektive auf die eigene Kultur zur Interaktion mit sich bringen. Die Wandlung findet auch in der obtischen Wahrnehmung der Landschaft statt. (Für jemanden, der jetzt nicht sofort versteht was ich meine: Werft mal einen Blick aus dem Fenster eines fahrenden Zuges, sofern ihr das nächste mal in absehbarer Zeit in einem solchen euch befindet.) Die Landschaft verzerrt sich. Wird, je mehr man den bloßen Eindruck auf sich wirken lässt zu einer Ansammlung von schnell verzerrenden Strichen. (Im Idealfall kann man eine Kamera mit sehr geringer Blendenzahl und etwas längerer Blendenzeit einmal aus dem Fenster des fahrenden Zuges einen Schnappschuß machen lassen. Das Phänomen, dass dabei entsteht unterstreicht die eigene Wahrnehmung nur noch einmal.) Was hier nicht unbedingt allen Personen sofort klar ist: Dadurch, dass sich entsprechende Person eines Reisenden innerhalb dieser Wahrnehmung befindet, wechselt er durch den Vorgang der Reise den Raum. Ist also innerhalb des dromologischen Raumes der Geschwindigkeit anzutreffen, wie es der französische Philosoph Paul Virilio einmal beschrieben hat. Bekannt geworden ist im Zusammenhang mit seiner Dromologie aber auch der Begriff des dromologischen Stillstandes, in dem es um eine Art von Selbstblockade geht.
Und jetzt sind wir fast an dem Punkt angelangt, den meine Gedanken genommen hatten, als ich auf die Idee für diesen speziellen SLC kam, um den es in diesem heutigen Artikel gerade geht.
Der Punkt bei der Sache ist, dass wir alle in unserem Leben mit bestimmten Problemen zu kämpfen haben, die von uns Entscheidungen verlangen, welche wir in der Regel vor uns her schieben. (Manche davon bis zur Katastrophe.) Jetzt gibt es allerdings in unserer urbanen Welt aus irgendeinem Grund zwei Figuren, die wir sehr häufig bei einer Reflexion solcher Dinge als zuhörendes Ohr heranzwingen: Den Barkeeper... und den Taxi-Fahrer.
Ich muss hinzufügen: Ich mag das uncanonische Gerücht das Kain in Los Angeles Taxi fährt und blutjungen Vampiren ihre Möglichkeiten aufzeigt, in welchem Namen sie das einmal gestartete Massaker zu Ende führen können. Sie in dieser Hinsicht zu einer entscheidung zwingt. Aber wie gesagt: Da dieses Gerücht letzten Endes bereits von offzieller Seite her Dementiert wurde, finde ich eher Notwendig, dass wenigstens eines meiner Lieblingssysteme seinen Taxi-Fahrer bekommt.
Und da währen wir jetzt an genau der Stelle angelangt, wo es interessant wird:
David Jones ist ein Agent des Hauses der Renunziation. Um genau zu sein: Es ist ein Agent des Locker Rooms, der von seinem Ausgewählten verlangt, dass sie ihren Opfern die Zeit geben, um überfällige Unentschlossenheiten in die endgültigen Gewissheiten von Entscheidungen zu verwandeln. Jedoch füllt Jones diesen Auftrag nicht ganz Freiwillig.
Ursprünglich war Jones ein kleiner Straßenkrimineller, der sich mit zum Teil schweren Gaunereien über Wasser hielt. Bis zu jenem verhängnisvollem Tag, wo er ein Taxi anhielt, den Fahrer mit der Waffe bedrohte, und um seinen Vorderungen Nachdruck zu verleihen in die Motorhaube des Wagens schoß. Ohne es zu wissen, hatte Jones damit nämlich eine symbiose zwischen Fahrzeug und Fahrer zerstört: Der Wagen fuhr, solange das Herz des Fahrers schlug. Und der Fahrer lebte, solange das Herz, welches in der Motorhaube des Taxis eingelassen war, anstelle eines Motors, unbeschädigt blieb. Jones unglücklicher Glückstreffer sorgte also dafür, dass er zu seiner Stellung kam. Denn mit einem mal erschien wie aus dem Nichts eine übergroße Garagentür, aus der einige seltsame Gestallten in gerade Legionenhafter Anzahl herauswangten, nach ihm griffen und das letzte, was er spürte, bevor Jones das Bewusstsein verlohr wahr, wie sich eine unerbittliche Pranke in seinen Brustkorb grub.
Er wachte inmitten eines geradezu unendlichen Raum aus Spinden auf. Er lag auf einer Holzbank, die sehr unbequem war, neben ihm das Tagebuch seines Vorgängers, dass eine ähnliche Geschichte erzählte, wie die, die Jones egrade erlebt hatte, und was danach passierte: Jones war jetzt der Taxi-Fahrer. Der Agent des Spind-Raumes. Seine Aufgabe würde es sein auf ewig durch die Gegend zu fahren und unentschlossene in den Temporaum zu locken. Wenn sie einmal das Taxi bestiegen hätten, würden sie es entweder nie verlassen, oder mit der Gewissheit, endlich einen Entschluss gefasst zu haben, den es umzusetzen gälte. Aber da einige Menschen dann doch zu sehr zum zögern neigen, holt sie eher der frühzeitige Tod ein, als dass sie ihre selbstgestellte Aufgabe ergreifen.
Die Opfer des Spindraums sind der Inhalt der Spinde. Hier liegen unzählige, ewig unentschlossene und warten auf den jüngsten Tag. Sie kommen nur raus, wenn der Motor des Taxis wieder einmal ausfällt und ersetzen in ihrer Zombieform den gerade frisch verschiedenen Fahrer durch seinen Nachfolger.
Jones bleibt nicht viel anderes Übrig, als jetzt genau dieser speziellen, neuen Bestimmung zu folgen. Verlässt er sein Herz (also das Taxi), indem er aus einem Radius tritt, welcher es ihm gerade mal erlaubt die notwendigsten Dinge wie einen schnellen Imbiß zu sich zu nehmen, erleidet er die Symptome eines schweren Herzinfarktes, die erst dann aufhören, wenn er sich mühsehlig und unter wimmernd zurück zu seinem Wagen geschleppt hat.
David Jones hat sich seitdem an seine Rolle gewöhnt. Er fährt durch die Straßen, hält an, wenn jemand seinen Wagen an die Straße winkt, und beginnt mit seinem Fahrgast eines dieser sehr langen Gespräche, die dazu führen sollen, dass dieser am Ende der fahrt sein Ziel kennt. Und falls das nicht der Fall ist: Nun, nach Feierabend steht rätselhafter Weise immer ein neuer, leerer Spind bereit.
Montag, 2. März 2015
Rezension: Akihisa Ikeda: Rosario + Vampire Band 2
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Cover: Akihisa Ikeda Rosario + Vampire Band 02 Verlag: Tokyopop |
Zusätzlich darüber hinaus wird die Zuordnung der Reihe zum „Harem“-Genre gefeßtigt, da mit Yukari Sendo ein dritter, weiblicher Charakter eingeführt wird, der ebenfalls in den Bereich „Romance Interest“ fällt, mit den zugeordneten elf Jahren aber sowohl den problematischen Bereich des in Japan wohl nicht ganz so unverbreiteten „Lolicomplex“ in sich vereint, aber auch den hyperaktiven Part von frühpubertärem Verschossenseins aufbringt.
Theatisch bleibt es dabei in der völlig überdrehten Art von Beziehungsgeflecht, das bereits den ersten Band ausgeacht hat. Und natürlich spielt dabei weiterhin gerade Mokka in ihren zwei Gestallten eine sehr besondere Rolle. (Wenn an das Ganze so ansieht, ist sie mit ihrem versiegelten selbst letzten Endes ein überbemühtes Sinnbild des Wandels der Persönlichkeit innerhalb dieses sehr spezifischen Zeitraus. Auf der einen Seite das unerfahrene und verträumte Mädchen mit den versiegelten Kräften und sobald der Rosario entfernt wurde, wird aus Moka die herangewachsene Frau mit aller sexuellen Aggressivität, die ihr zur verfügung steht.)
Fazit
Ich will nicht zu viel schreiben. Letzten Endes bleibt diese Serie dann doch Geschmackssache. Schön ist allerdings, dass hier in gewisser Weise mit einer Karikatur, welche die Yokai High ja letzten Endes darstellt, auf Ideen eingegangen wird, die innerhalb der 90er Jahre irgendwie auf anderer Ebene die westliche Welt popkulturell geprägt haben. (Es wäre zu interessant, wenn man herausfinden könnte, in wieweit „unsere“ Fernsehserie Buffy eventuell in die Inspirationsphase für diese Magareihe mit eingeflossen ist.
Was cih letzten Endes überrascht hat ist, wie „früh“ im Serienkosmos ausgerechnet der Kunstunterricht thematisiert worden ist. (Auch wenn das Ganze hier fast nur über den handwerklichen Aspekt verläuft.) Ich glaube im europäischen Raum würde so etwas fast follständig verschluckt und unter den Teppisch gekehrt werden. (Schon allein aufgrund des hohen Unverständnisses, dass viele Individuen de Bildungsauftrags der Schule im Allgemeinem und dem Kunstunterricht im speziellen, gegenüber bringen.)
Zwar bleibt alles irgendwo oberflächlich in seiner Art der Darstellung, aber dies ist angesichts der einzelnen Figuren sogar eher wünschenswert, weil man auf diesem Weg die überdrehten Momente leichter einbringen kann.
Das zusätzliche Element der kindlichen Neugierde, welche mit Yukari dann in die Gruppe mit einfließt ist zwar auf der einen Ebene bedenklich, verursacht aber auf der anderen gewisse Aspekte, die zum Schmunzeln einladen. Insofern bleibt die Serie zwar eindeutig eine Geschmacksfrage, aber aufgrund ihrer eideutigen Comedy-Elemente und dem typisch-japanischen Charme von zu viel Beschleunigung, bleibt es immer noch eine sehr gute, kurzweilige Serie.
Montag, 23. Februar 2015
Rezension: Warren Ellis: Transmetropolitan Band 1: Back on the street
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Cover: Transmetropolitan 01: Back on the Street Verlag: Vertigo |
Worum geht es? Nach fünf Jahren Auszeit wird der freie Journalist Spider Jerusalem unter Androhung einer Klagewelle von seinem Verleger aus seinem Einsiedlerdasein auf einem Berg zurück in die Stadt getrieben. Da eines seiner beiden Bücher poitischer Natur sein soll, muss er sich direkt auf der Straße, dem Moloch einer zukünftigen Metropole umtun und dort mit Hilfe seiner einzigen Waffe: ausgeprägter Mysatorpie die Welt mit der Wahrheit konfrontieren.
Zusätzlich dazu bekommt er eine genmanipulierte, kettenrauchende Katze als Haustier, die er von der Straße aufliest und eine Assistentin, die ihn zum Arbeiten anhalten soll und ihm dabei behilflich zu Seite stehen muss, wann immer er über die bis jetzt verborgenen Entwicklungen stolpert, die er in den 5 Jahren Einsiedlertum einfach vergessen hat.
Dabei stellt er sich einer Gruppe genetisch veränderter Halb-Aliens, einer Hochgradig korrupten Polizei, dem Fernsehen und so etwas, dass man als religiösem Pluralismus bezeichnen könnte.
Das er sich dabei Grundsätzlich mit allem und jedem Anlegt und zusätzlich natürlich auf „die Schnauze“ kriegt, sollte schon allein anhand der misantrophen Einstellung von Spider Jerusalems klar sein.
Fazit
Erst einmal: Es ist natürlich klar, dass die Serie Transmetropolitan nicht gerade zur Kathegorie „leichte Kost“ gehört. Hier werden Kraftausdrücke en Masse genutzt, sowie sehr expliziet mit der Kathegorie Sinnlose gewallt gespielt. (Es ist also wirklich nicht weiter verwunderlich, dass diese Serie unter dem Vertigo und nicht im DC-Hauptlabel überhaupt erscheinen konnte.) Das schöne dabei ist aber etwas anderes: Die Serie beschreibt in einer Bildgewalt die Probleme eines Cyberpunk-Settings, wie es bisher nur wenige vernünftig hinbekommen haben. Da die Serie in eine nahe Zukunft als Schuaplatz gelegt wurde, ist es nicht weiter verwunderlich, dass hier mit dem Thema des urbanen Settings unter den Rahmenbedingungen von Überbevölkerung und individueller Unterdrückung bis ins letzte Glied thematisiert werden. Ganz großes Tennis dabei ist aber, dass der Underdog der Antihelden dieses Settings nicht ein gewöhnlicher Verbrecher ist, sondern eben einer der letzten Journalisten, die noch an so etwas wie der Wahrheit als absolutem Wert interessiert sind. Dadurch kommen nämlich ein paar besondere Faktoren zusammen: Zum einen beobachtet man eine eher ausgebrannte Person dabei, wie sie sich (und ihr Umfeld) noch mehr zu Grunde richtet, zum anderen aber auch, was es gerade bedeutet, wenn man sich gegen das establischment stellen muss, aber einen funktionalen Teil der Gesellschaft miemt. (Das so etwas in der heutigen Zeit der eher glattgebügelten, eher mit dem Establishment eher konform gehenden Medien fast schon unglaubwürdig scheint, ist dabei natürlich eine eher traurige Vorstellung. Aber: Gerade dadurch dass Spider Jerusalem so ein Saftsack ist, macht die Geschichte für sich betrachtet irgendwie schon Glaubwürdig.)
Als Auftakt ist der Band damit definitiv gelungen, es bleibt abzuwarten, ob Ellis mit den nachfolgenden Titeln auch halten kann, was er verspricht. (Auch wenn davon auszugehen ist, dass das der Fall ist.)
Montag, 16. Februar 2015
Die vergessenen Puppen des Otto Dix - Ein SLC-Konzept für Unknown Armies
So... wieder mal etwas zum Thema Unknown Armies. Was habe ich diesmal im Gepäck? Puppen?
Also fangen wir mal ganz am Anfang an: Ende der 90er gab es in den USA eine selten häßliche Puppe, die mit einer besonderen Mechanik ausgestattet war: Sie konnte Spagetti essen. Das ist aber nicht der Grund, warum sie mir im Gedächtnis geblieben ist. Viel mehr gab es eine Puppe aus dieser Serie, die einen speziellen Appetit auf Menschenhaar entwickelte und ihrer kleinen Besitzerin im wahrsten Sinne des Wortes die Haare vom Kopf fraß. Außerdem summt mir immer mal wieder der Samsas Traum Song „Der Wald der vergessenen Puppen“ durch den Kopf herum.
Diese beiden Faktoren hatten mich vor einiger Zeit mal für eine Unknown Armies Runde zu einem etwas eigenwilligen Konzept inspiriert, dass ich hier im groben vorstellen möchte.
Otto Dix ist ein sehr alter Mann. Er hat – seinen eigenen Aussagen nach - einen Weltkrieg auf dem Schlachtfeld erlebt. Heutzutage allerdings sitzt er im Rollstuhl, ist eher auf Hilfe angewiesen. Währen da nicht seine Hände, die mit fast schon unglaublichem Geschick immer noch alte Uhren des klassischen Typs jederzeit zusammensetzen können. Und seine fast schon seltsame Vorliebe für seltsam gestaltete Puppen. Im okkulten Untergrund gilt Dix als ein Mechanomant, der seine besten Zeit schon lange hinter sich hat. Dennoch beäugen einige Macher das Werk des Otto Dix immer noch mit äußerstem Interesse. Viele haben schon mitbekommen, dass die Uhrmacher gerade dann, wenn sie gegen die Sterblichkeit noch ankämpfen aus irgendeinem Grund mit einem mal wagemutig werden und dann erst recht großartiges Vollbringen.
Was diese Macher aber nicht wissen ist, dass Dix tatsächlich schon lange an dem kuriosesten aller Lebenswerke arbeitet, weil er seine Puppen-Uhrwerke erschafft. Diese kleinen Wesen sind von einer seltsamen Selbstständigkeit beseelt, deren Gefahr eher daraus resultiert, dass sie als besondere Tarnung ein dermaßen harmloses Äußeres präsentieren. In Wirklichkeit sind sie kleine Killermaschinen, die von einem ungewöhnlich großem Verstand getrieben werden. Jederzeit in der Lage sich selbst aufzuziehen, indem sie eine sehr komplexe koreografie einer Teepartie in kleinen Gruppen vollziehen. (Und aus irgendeinem Grund scheinen sie gerade als Horde von einem ungewöhnlichem Schwarmbewusstsein geleitet zu werden.) Dix hat allerdings eine Sache gänzlich vergessen: Er liegt im sterben. Die Erinnerung an seine eigene Vergänglichkeit hat er allerdings Aufgegeben, um seinem Meisterwerk unter den Puppen Leben einzuhauchen. Diese Anführerin der Puppen beobachtet mit zunehmender Besorgnis den Zustand ihres Herrn. Sie wird sich nicht zu erkennen geben, weder ihm, noch sonst jemandem. Aber sie ist darum bemüht ihrem Volk aus Uhrwerken (und natürlich dem kleinen Wischmopp-Artigen „Hundeuhrwerk“) einen neuen Platz zum Dasein zu bringen. Daher schickt sie immer ein paar Kundschafter aus, um mögliche Kandidaten, ob eingeweiht oder nicht, auf die Probe zu stellen. Denn wer auch immer letzten Endes die Puppen beherbergen „darf“ wird sich unbewußt der Tatsache stellen müssen, eine unglaublich seltsame Armee aus treuen, wenn auch gruseligen Laibwächtern auf seiner (oder ihrer) Seite zu haben, die für „Mamma“ alles tun würden. (Dix hatte ein paar Puppen kleinere Wachswalzen mit diesem einen Wort eingebaut, einfach um die Option von moderneren, sprachlich begabten Puppen zu imitieren.)
Der Einsatz dieses sehr speziellen Konzeptes ist ein wenig kompliziert. Es bietet sich am ehesten an, dass man Dix eventuell selbst in seinen letzten Tagen irgendwie im Leben eines SCs auftauchen lässt. Dieser wird sich dann der tatsache stellen müssen, einem manchmal hochgradig verwirrt wirkendem Mann gegenüber zu stehen, manchmal einem sehr klarem, aber zynischem Verstand zu begegnen. Und er muss sich – falls er Dix zu Hause besucht – einer Menge wiedersprüche stellen. Das Haus von Dix ist sehr schmal. Das Erdgeschoß besteht aus einem Flur mit Treppe, die ins obere Stockwerk führt, wobei die Küche dieses Hauses im oberen Stockwerk sich befindet. Dix selbst aber sitzt im Rollstuhl und kann die Stufen nicht erklimmen. Das Erdgeschoß hat dann ein winziges Schlafzimmer und eine Art Wohnraum, der eventuell mal gemütlich gewesen ist, jetzt aber vollgesotpft ist mit den Werkzeugen eines Uhrmachern und den Einzelteilen, die ein Puppenmacher sein Eigen nennt. Dazwischen wuselt ein kleines Fell-etwas herum und ein Haufen Puppen steht an allen möglichen Orten verteilt. (Besonders Aufmerksame Charaktere mögen dabei eventuell das Gefühl haben, dass einige Puppenköpfe sich von selbst drehen und sie anschließend anstarren... oder sollte das nur Einbildung sein?)
Erst in den darauffolgenden Tagen und nächten wird es wirklich interessant, weil die Puppen den Charakter zu verfolgen beginnen und sich mal mehr, mal weniger offensichtlich zeigen. Irgendwann sitzt dann jedenfalls eine Puppe in der Wohnung des SCs auf dem Küchentisch und wartet auf diesen. Hier passiert dann entgültig die Tatsache, dass die Puppe sich selbstständig bewegend durch die Wohnung schleicht und ihre mögliche „Mutter“ (Puppen haben immer nur Mütter, wie wir wissen. Dieser eigentlich weiblich konnotierte Begriff wird von mir hier also als generisches Neutrum genutzt.) zu beobachten und eventuell auf die Probe zu stellen. Und schließlich werden nach und nach weitere Puppen in die Wohnung eindringen. Sich entweder selbstständig offen zeigen oder aus dem verborgenem heraus beobachten. (Wie gesagt: Der SC muss sich in der Logik der Puppen als „würdig“ erweisen.)
Falls dieser Puppenterror irgendwann zu viel wird, sollte der SC vermutlich zu Dix erneut nach Hause kommen und dabei einen Mann vorfinden, der zunehmend immer verwirrter wird, von Tag zu Tag. Und ihn schließlich entschlafen vorfinden.
Die Frage ist jetzt also: Wie hat sich der Charakter den Puppen gegenüber verhalten? Sind sie seine Treuen gefährten? Oder hat er sich eventuell einen schlimmen Feind gemacht und weiß es nur noch nicht, dass die Anführerin der Puppen sich dazu entschlossen hat, dass die schlimmste Waffe des Otto Dix sich gegen den SC gerichtet hat?
Also fangen wir mal ganz am Anfang an: Ende der 90er gab es in den USA eine selten häßliche Puppe, die mit einer besonderen Mechanik ausgestattet war: Sie konnte Spagetti essen. Das ist aber nicht der Grund, warum sie mir im Gedächtnis geblieben ist. Viel mehr gab es eine Puppe aus dieser Serie, die einen speziellen Appetit auf Menschenhaar entwickelte und ihrer kleinen Besitzerin im wahrsten Sinne des Wortes die Haare vom Kopf fraß. Außerdem summt mir immer mal wieder der Samsas Traum Song „Der Wald der vergessenen Puppen“ durch den Kopf herum.
Diese beiden Faktoren hatten mich vor einiger Zeit mal für eine Unknown Armies Runde zu einem etwas eigenwilligen Konzept inspiriert, dass ich hier im groben vorstellen möchte.
Otto Dix ist ein sehr alter Mann. Er hat – seinen eigenen Aussagen nach - einen Weltkrieg auf dem Schlachtfeld erlebt. Heutzutage allerdings sitzt er im Rollstuhl, ist eher auf Hilfe angewiesen. Währen da nicht seine Hände, die mit fast schon unglaublichem Geschick immer noch alte Uhren des klassischen Typs jederzeit zusammensetzen können. Und seine fast schon seltsame Vorliebe für seltsam gestaltete Puppen. Im okkulten Untergrund gilt Dix als ein Mechanomant, der seine besten Zeit schon lange hinter sich hat. Dennoch beäugen einige Macher das Werk des Otto Dix immer noch mit äußerstem Interesse. Viele haben schon mitbekommen, dass die Uhrmacher gerade dann, wenn sie gegen die Sterblichkeit noch ankämpfen aus irgendeinem Grund mit einem mal wagemutig werden und dann erst recht großartiges Vollbringen.
Was diese Macher aber nicht wissen ist, dass Dix tatsächlich schon lange an dem kuriosesten aller Lebenswerke arbeitet, weil er seine Puppen-Uhrwerke erschafft. Diese kleinen Wesen sind von einer seltsamen Selbstständigkeit beseelt, deren Gefahr eher daraus resultiert, dass sie als besondere Tarnung ein dermaßen harmloses Äußeres präsentieren. In Wirklichkeit sind sie kleine Killermaschinen, die von einem ungewöhnlich großem Verstand getrieben werden. Jederzeit in der Lage sich selbst aufzuziehen, indem sie eine sehr komplexe koreografie einer Teepartie in kleinen Gruppen vollziehen. (Und aus irgendeinem Grund scheinen sie gerade als Horde von einem ungewöhnlichem Schwarmbewusstsein geleitet zu werden.) Dix hat allerdings eine Sache gänzlich vergessen: Er liegt im sterben. Die Erinnerung an seine eigene Vergänglichkeit hat er allerdings Aufgegeben, um seinem Meisterwerk unter den Puppen Leben einzuhauchen. Diese Anführerin der Puppen beobachtet mit zunehmender Besorgnis den Zustand ihres Herrn. Sie wird sich nicht zu erkennen geben, weder ihm, noch sonst jemandem. Aber sie ist darum bemüht ihrem Volk aus Uhrwerken (und natürlich dem kleinen Wischmopp-Artigen „Hundeuhrwerk“) einen neuen Platz zum Dasein zu bringen. Daher schickt sie immer ein paar Kundschafter aus, um mögliche Kandidaten, ob eingeweiht oder nicht, auf die Probe zu stellen. Denn wer auch immer letzten Endes die Puppen beherbergen „darf“ wird sich unbewußt der Tatsache stellen müssen, eine unglaublich seltsame Armee aus treuen, wenn auch gruseligen Laibwächtern auf seiner (oder ihrer) Seite zu haben, die für „Mamma“ alles tun würden. (Dix hatte ein paar Puppen kleinere Wachswalzen mit diesem einen Wort eingebaut, einfach um die Option von moderneren, sprachlich begabten Puppen zu imitieren.)
Der Einsatz dieses sehr speziellen Konzeptes ist ein wenig kompliziert. Es bietet sich am ehesten an, dass man Dix eventuell selbst in seinen letzten Tagen irgendwie im Leben eines SCs auftauchen lässt. Dieser wird sich dann der tatsache stellen müssen, einem manchmal hochgradig verwirrt wirkendem Mann gegenüber zu stehen, manchmal einem sehr klarem, aber zynischem Verstand zu begegnen. Und er muss sich – falls er Dix zu Hause besucht – einer Menge wiedersprüche stellen. Das Haus von Dix ist sehr schmal. Das Erdgeschoß besteht aus einem Flur mit Treppe, die ins obere Stockwerk führt, wobei die Küche dieses Hauses im oberen Stockwerk sich befindet. Dix selbst aber sitzt im Rollstuhl und kann die Stufen nicht erklimmen. Das Erdgeschoß hat dann ein winziges Schlafzimmer und eine Art Wohnraum, der eventuell mal gemütlich gewesen ist, jetzt aber vollgesotpft ist mit den Werkzeugen eines Uhrmachern und den Einzelteilen, die ein Puppenmacher sein Eigen nennt. Dazwischen wuselt ein kleines Fell-etwas herum und ein Haufen Puppen steht an allen möglichen Orten verteilt. (Besonders Aufmerksame Charaktere mögen dabei eventuell das Gefühl haben, dass einige Puppenköpfe sich von selbst drehen und sie anschließend anstarren... oder sollte das nur Einbildung sein?)
Erst in den darauffolgenden Tagen und nächten wird es wirklich interessant, weil die Puppen den Charakter zu verfolgen beginnen und sich mal mehr, mal weniger offensichtlich zeigen. Irgendwann sitzt dann jedenfalls eine Puppe in der Wohnung des SCs auf dem Küchentisch und wartet auf diesen. Hier passiert dann entgültig die Tatsache, dass die Puppe sich selbstständig bewegend durch die Wohnung schleicht und ihre mögliche „Mutter“ (Puppen haben immer nur Mütter, wie wir wissen. Dieser eigentlich weiblich konnotierte Begriff wird von mir hier also als generisches Neutrum genutzt.) zu beobachten und eventuell auf die Probe zu stellen. Und schließlich werden nach und nach weitere Puppen in die Wohnung eindringen. Sich entweder selbstständig offen zeigen oder aus dem verborgenem heraus beobachten. (Wie gesagt: Der SC muss sich in der Logik der Puppen als „würdig“ erweisen.)
Falls dieser Puppenterror irgendwann zu viel wird, sollte der SC vermutlich zu Dix erneut nach Hause kommen und dabei einen Mann vorfinden, der zunehmend immer verwirrter wird, von Tag zu Tag. Und ihn schließlich entschlafen vorfinden.
Die Frage ist jetzt also: Wie hat sich der Charakter den Puppen gegenüber verhalten? Sind sie seine Treuen gefährten? Oder hat er sich eventuell einen schlimmen Feind gemacht und weiß es nur noch nicht, dass die Anführerin der Puppen sich dazu entschlossen hat, dass die schlimmste Waffe des Otto Dix sich gegen den SC gerichtet hat?
Montag, 9. Februar 2015
Rezension: Akihisa Ikeda: Rosario + Vampire 01
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Cover: Rosario + Vampire Band 01 Verlag: Tokyopop |
Worum geht es?
Tsukune Aono, 15 Jahre alt, ist ein dermaßen durchschnittlicher Schüler, dass er durch sämtliche Prüfungen für weiterführende Schulen geflogen ist und jetzt nur von einer ungewöhnlichen Privatschule aufgenommen wird, die etwas seltsam in ihren Eigenschaften ist. Was das bedeutet? Nun, zum einen ist die Schule in einer Zwischendimension... und zum anderen ist sie eigentlich ausschließlich für Yokai vorgesehen, die hier lernen sollen, wie sie unter Menschen vernünftig Leben können. (Kurze Erklärung: Yokai sind eigentlich japanische Monster und Dämonen. Im hiesigen Setting handelt es sich dabei um jede Form an mystischem Ungeheuer, das jemals einem kranken Gehirn weltweit entsprungen ist und sich im Bereich der Sagen breitgemacht hatte.)
Das Hauptproblem für Tsukune ist es jetzt seine wahre Identität als Mensch zu verbergen, da er ansonsten laut Schulregeln umgebracht werden müsste.
Hilfreich für ihn ist dabei, dass seine erste Begegnung an diesem Ort ein Mädchen Namens „Moka Akashiya“ ist. Ihres Zeichens Vampir und damit süchtig nach Tsukunes Blut. Und darüberhinaus auch noch Trägerin des Titelgebenden Rosarios. Dieser Rosenkranz bannt Mokas Kräfte und sorgt dafür, dass, wann immer das Kreuz von ihrem Halsband entfernt wird, Mokas zweite, unterdrückte Persönlichkeit zum Vorschein kommt, die über alle Fähigkeiten verfügt, welche Notwendig sind, um das Chaos, dass manchmal an dieser Schule herrscht, gewaltsam zu lösen. (Kurz gesagt: Beide Frauen sind in gewisser Weise so etwas wie „Love interests“ von Tsukune.)
Fazit
Für den Augenblick, da es sich bei diesem Band nur um den Auftakt einer etwas längeren Reihe handelt, will ich mich noch ein wenig zurückhalten, da gerade die Romance-Comedy aus der Manga Sparte meistens ein wenig überzeichnend in ihrem zwanghaft lustigen Ansätzen ist. (Zumindest nach europäischem Empfinden.) Es ist sehr abgedreht, versucht einige Gesetzmäßigkeiten des Szenarios zu etablieren und dabei nicht zu ernst zu wirken. (Okay, letzteres ist gelogen: Wer hier nach Ernst sucht braucht ein Mikroskop.) Aber gerade dieses Überzogene, bei dem auch sehr viel mit dem Thema des Heranwachsen und gerade der Angst vor dem anderen Geschlecht thematisiert wird, macht irgendwo den besonderen Reiz aus. Das Japan in diesem Zusammenhang ein wenig anders Tickt, ist ja hinlängst bekannt. Von daher: Wer Spaß an einer „kleinen“ Romance-Komödie mit anleien in Richtung endlos Erzählung hat kann hier etwas finden, das für den leichten Konsum zwischendurch geeignet ist.
Montag, 2. Februar 2015
Rezension: Hailey Lind – Kunstfehler. Die Fälle der Annie Kincaid Band 1
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Cover: Hailey Lind Kunstfehler Die Fälle der Annie Kincaid Band 1 Verlag: Feder & Schwert |
Diesmal handelt es sich um einen 380 Seiten starken Krimi aus dem Hause Feder & Schwert.
„Kunst“ ist deswegen hier ein Thema (neben der Tatsache, dass das Wort im Titel auftaucht), weil es sich bei der Protagonistin der Erzählung, Annie Kincaid, um eine Fauxfinisch-Malerin handelt, die in ihrer Jugend unter dem Einfluss ihres Großvaters auf die schiefe Bahn geraten war und einige (ihrer eigenen Darstellung nach) durchaus sehr vorzeigliche Fälschungen alter Bilder angefährtigt und auf dem Markt plaziert hatte. Jetzt, Jahre später, hängt ihr diese „Jugendsünde“ immer noch nach, auch wenn sie auf die Bitte eines alten Freundes hin nur ein Bild auf seine Echtheit hin überprüfen soll. (Es geht dabei namentlich um das Bild „Die drei Weisen“ des italienischen Barockmalers Caravaggio.)
Das Problem, dass sich daraus ergibt, ist, dass anschließend ein Mord in dem entsprechendem Museeum passiert, mehr als ein Carravagio im falschen zustand im Umlauf sind und darüber hinaus auch noch einige Zeichnungen existieren, die Anni unbedingt wiederbeschaffen muss. (All das garniert mit einigen Gaunern, die parallel zueinander die gleichen Ziele mit unterschiedlichen Bedürfnissen verfolgen.)
Und irgendwo mittendrin hockt auch noch ihr Großvater, der ihr Einst das Fälscher-Handwerk beigebracht hatte.
Die Handlung wäre damit umschrieben, kommen wir jetzt zum scheinbar problematischen Teil. (Und ich meine damit nicht, dass die eigentliche Zielgruppe anscheinend weiblicher Natur ist. Der „Romantik“-Faktor (ehrlich gesagt muss man das eher als Notgeilheit bezeichnen) verhält sich hier glücklicher Weise in erträglichen Ramenbedingungen.
Problematischer sind hier die in dem Buch überall propagierten Kunstbegriffe. Zum einen wäre das der Begriff des „Fälscherhandwerks“ selbst. Jedes einzelne Kapitel des Romans wird mit einem Auszug aus einem unvollendeten Manuskripts des selbsternannten Meisterfälschers George LeFleur begonnen, der mit sehr aufgebrachter Polemik die „Stil-Fälschung“ als eigenständige Kunstform zu verteigen versucht.. (Zur Erklärung: Im Bereich der Kunsttheorie gibt es ein paar wenige Essays, die sich mit der Fälschung als Kunstwerk beschäftigen und dabei zwischen Werksfälschung – als Fälschungen bekannter Werke im Sinne von bloßem Abmalens – und Stilfälschungen – im Sinne von neuen Arbeiten, die die Arbeitsweise bekannter Künstler nachempfinden – unterscheiden.
Paralel dazu läuft nebenbei in der Handlung ein geradezu unangenehm reaktionärer Kunstbegriff, bei dem die „Altmeister“ als einzig wahre, ewig überzeugende Handwerker hochgehalten werden, während alles spätestens nach 1945 als „minderwertig“ abgetan wird. (Was in sofern unschön ist, weil auf diesem Weg nicht mal im Ansatz die Bereitschaft gezeigt wird, sich auf die Frage einzulassen, was Personen an diesen Werken faszinieren kann. Außerdem wird bei dem „kanonisierten“ Altmeistern nur zu gerne übersehen, dass hier ein kunsthistorisches Ausmisten im neunzehnten Jahrhundert stattgefunden hat, was die Museen anbelangt.)
Das Ganze wird dann noch mit einem Ansatz an immer wieder mal auftauchenden Szenen untermalt, die irgendwie absurd-komisch auf ihre Weise sind... wo man allerdings beim Lesen das Gefühl nicht los wird, dass sie insgesamt dann doch eher ernstgemeint sein sollen. (Ich weiß nicht, ob dies einem Versuch geschuldet ist, das Gangstertum ins Lächerliche zu ziehen, oder aber die Vorstellung untermauern soll, dass „Künstler“ - welcher Definition auch immer man da folgen meint zu müssen – doch eher als unfähig jenseits ihrer ästhetischen Lebenswelten dargestellt werden sollen. Das Ganze riecht irgendwie nach einer eigenwilligen Politik der Charakterisierung der jeweiligen Figuren, die sich mir allerdings nicht vollständig erschließen will.
Fazit
Ich bin nicht vollständig zufrieden mit diesem Buch, wie man sich sicher bis hierhin denken kann. Was ich durchaus sehr toll finde, ist der zum Teil doch eher gewagte Versuch, mit einem selbstbewussten Ansatz der Stilfälschung betreibenden Individuen zu spielen. Was mir weniger gefällt ist der doch sehr biedere, reaktionäre Kunstbegriff, der hierbei die Grundlage sein soll.
Und die Tatsache, dass immer wieder absurd-komische Platitüden an Szenen aufgebaut werden, welche mit dem Klischee des „Typs mit der Kanone“ spielen, der – angeblich – immer dann auftauchen soll, wenn man als Autor in seinem eigenen Plott nicht mehr weiter weiß, ist auch nicht gerade erbauend. Jenseits dieses Ganzen muss man aber sagen, ist die Idee allein, mit einem Künstler – welcher Definition auch immer – in der Hauptrolle als ermittelnde Person einen Krimi zu beginnen und darauf aufbauend bestimmte Lebensweisen zu spinnen, die durchaus der Realität zum Teil entsprechen können. (Aber nicht müssen.) Insofern bin ich wirklich zwiegespallten, was das hier angeht. Ich werde mir wohl auf jeden Fall noch den zweiten Band zulegen, um meine Meinung in irgendeine Richtung am Ende entweder zu refidieren oder zu bestätigen, aber für den Augenblick bin ich doch ein wenig enttäuscht, dass hier etwas, dass durchaus Potential hätte haben können auf diese Weise in eine unfreiwillige Lachnummer sich umwandelt.
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