Donnerstag, 24. März 2016

Last day on Earth: Eine Kurzgeschichte

Ich habe vor Jahrenwährend meiner Schulzeit einen Kurs in kreativem Schreiben mitgemacht. ("Literatur" wie man das Unterrichtsfach damals nannte.) Damals sind einige Geschichten entstanden, von denen ich heute aufgrund von Festplattenkrashs und anderen Unfällen eigendlich alles verlohren glaubte. (Von der Tatsache, dass ich damals mit ClarisWorks geschrieben habe, einer obskuren Textverarbeitung, die heute keiner mehr kennt, mal ganz zu schweigen.) Fakt ist jetzt aber, dass ich mehr oder weniger durch zufall neulich ein Forum wiederentdeckt habe, in dem ich seid... 2004, glaube ich, nicht mehr untergekommen war.

Lange Rede, kurzer Sinn: In der Datenbank jenes Forums schlummerte nicht nur mein alter Account noch immer, sondern tatsächlich zwei dieser verlorenen Machwerke, die ich mir sofort auf Festplatte und die Dropbox gezogen habe.
Und da ich diese Woche immer noch nicht ganz mit der Selbstbeweihräucherung durch bin (und dieser Text dann doch zu sehr aus dem Rahmen fällt, was ich sonst am Montag so präsentiere), denke ich mal, dass ich zumindest etwas aus der Vergangenheit ans Licht der Öffentlichkeit wieder zerren kann. (Zumal ich die Geschichte immer noch zu schön finde, um sie nicht zu Präsentieren.)

Naja. Ich hoffe mein damaliges Geschreibsel gefällt euch. (Oder auch nicht.) Falls doch: Hinterlasst einen Kommetar. (Likes kann man hier im Blog ja eh nicht aufzeigen.)

Last Day On Earth (von Hauke Weymann)

Zukunft, unzählige Seiten weiter in dem Buch, welches die Menschen als Zeit bezeichnen.
Die Sonne begann langsam aufzugehen und eröffnete den Blick auf die Landschaft um den Felsen auf dem er stand. Vor Jahren hatte er es ohne technische Hilfsmittel geschafft die Spitze zu erklimmen, eine Aufgabe, für die damals Stunden gebraucht hatte. Heute war er mit dem A-Graf-Jet hierher geflogen, denn in zwei Stunden erwartete man ihn auf der Startbahn im nur einen Katzensprung weit entfernten Europa, das eigentlich auf der anderen Seite der Weltkugel lag. Ihn hatte es hierher gezogen, da er noch einmal, ein letztes mal den Sonnenaufgang an diesem speziellen Ort erleben wollte. Die Strahlen der Sonne spendeten ihm nicht wie sonst Trost, denn in seinem Herzen war dieser Tag ein trauriger. An diesem Tag sollte ein Plan erfüllt werden, der vor 300 Jahren gefasst wurde, vor zwei Menschenleben also, denn dieses Alter konnten Menschen mittlerweile dank des medizinischen Fortschrittes erreichen. Dieser Tag sollte der letzte sein, der letzte Tag, an dem ein Mensch seinen Fußabdruck auf der Erde hinterlassen würde. Die Ausschläge der auf die Sonne ausgerichteten Messstationen waren eindeutig. Die Werte waren vergleichbar mit denen von Beteigeuze vor 1000 von Alpha Centauri Proxima vor 500 Jahren. Damals hatten Tiefraumsonden ihre Messungen zur Erde gesandt, welche nun die Menschheit alarmiert hatten. Es gab tausende von Theorien warum es ausgerechnet jetzt schon so weit war, doch alle kamen auf dasselbe Ergebnis - Sol und ihr System würden in einer Super - Nova untergehen. Dies war der Grund für den Plan, der der Menschheit die Flucht aus der Gefahr, die sie Äonen lang Heimat genannt hatten ermöglichen sollte. Die Erde selbst in ein Generationenschiff zu verwandeln wäre allein vom energetischen Aufwand her unmöglich gewesen. Doch mit Luna, ihrem Äonen alten Gefährten war dies anders. Und so kam es, dass der Mond zum Kern der größten Metallkonstruktion wurde, die je von Menschenhand geschaffen wurde. Sämtliche technologischen Kenntnisse, die die Menschheit je über die Raumfahrt erlangt hatte, wurden genutzt, doch war man sich immer noch nicht sicher, wo die Reise final enden würde. Doch ohne wirkliches Ziel aufzubrechen war schon immer eine Spezialität von Menschen gewesen, die nichts mehr zu verlieren hatten. Doch dass dies einmal auf die ganze Art zutraf, hatte bis jetzt wohl keiner geglaubt. Während dies durch seine Gedanken ging, wandte er sich von der Szene vor seinen Augen ab und ging zurück zu seinem Jet, startete ihn, aktivierte den Autopiloten und gab sich wieder seinen Gedanken hin.
Natürlich hatte es starke Gegenstimmen gegeben, aber um zu retten was zu retten war, musste man alle Menschen dazu bewegen an einem Strang zu ziehen, notfalls auch mit Gewalt. Und so kam es, dass große teilweise auch charismatische Führer, sowohl von politischer als auch von religiöser Seite zusammen mit ihren nächsten Anhängern als geistesgestört in den geschlossenen Abteilungen von Nervenheilanstalten landeten. Der Plan zur Rettung der Menschheit musste einfach funktionieren, und nichts durfte ihm im Weg stehen. Die verhältnismäßig kurze Zeit wurde intensifst genutzt, um Techniken, die unter Umständen für die Reise nützlich wären, zu verbessern. Unzählige Male mussten Wände der Luna aufgerissen werden, um die Lebenserhaltungssysteme zu verbessern. Eine Bordpositronik wurde durch die nächste ersetzt, tausende Systeme aufeinander abgestimmt, genetische Codes, sowohl von Pflanzen als auch von den wenigen noch nicht ausgestorbenen Tierrassen, archiviert. Zilliarden Terrabyte an Wissen auf Kleinstspeichern geladen. Sollte etwas verloren gehen, so nicht weil man es auf der Erde zurückließ. Panik, Angst und Verzweiflung waren aus den Herzen gebannt worden. Hoffnung auf ein Überleben war das einzige Gefühl, das man sich leisten konnte. Und so veränderte sich der Anblick des Mondes im Laufe der Jahre am Nachthimmel in etwas Kaltes, Metallisches zu dem alle hinaufblickten.
Ein riesiges Stück Metall, das er noch früh genug zu Gesicht bekommen würde, seine Gedanken wurden unterbrochen, als er die 1000 Meilengrenze überflog und die Musik von "Radio verlassene Erde" aus dem Funkempfänger zu dröhnen begann. Dies war die Idee eines Mitglieds seines Teams, das im letzten Transporter die Erde verlassen würde. Dieselbe Person nannte sie auch das "Der-letzte-macht-das-Licht-aus"-Team. . Es ist erstaunlich, dass der Mensch selbst in solchen Situationen noch zu Dingen wie Ironie und Sarkasmus fähig ist. Jedenfalls hatte dieser "Garantiert letzte Radiosender auf Erden" vor ungefähr einer Woche damit begonnen, die Starts der einzelnen Transportschiffe mit der entsprechenden Vergiftung des Äthers mit Musikstücken, die teilweise aus längst vergangenen Jahrtausenden, die entweder düsterer oder melancholischer Stimmung waren, zu begleiten. Dieser "Radiosender" würde zumindest mit dem letzten Start damit anfangen die Klappe zu halten. Wie lange war das noch? - Eine Stunde! - Während er seinen Gedanken nachgegangen war, waren die Lichter des Transporters auf dem improvisierten "Spaceport Ramstein" am Horizont erschienen und kamen mit unglaublich hoher Geschwindigkeit näher. Schon konnte man Details wie einzelne, erleuchtete Luken und Menschen auf dem Landefeld erkennen, welche im Scheinwerferlicht damit beschäftigt waren, letzte Container an Bord des metallischen Himmelsgiganten zu schaffen.
Giganten des Himmels, ja das waren diese Transportschiffe, von denen jedes mehrere Tonnen Güter und bis zu dreihundert Menschen auf einmal zur Luna transportieren konnten, wo sie schließlich als Tochterschiffe angedockt die Reise mit antreten würden. Wenn der titanische Antrieb des Mondes anspringen würde, würde man ein letztes Mal das Gravitationsfeld der Erde nutzen, um sie endgültig zu verlassen.
Nun war es soweit: Stunde X. Er und sein Team betraten den Transporter, der die letzten 50 Menschen vom Planeten brächte und damit das Kapitel Erde im Buch der Menschheit endgültig beendete. Sie suchten ihre Plätze auf, welche allesamt einen Ausblick durch die Luken boten. Neben ihm saß der unentwegt in ein Headmikro plappernde "Radio - Mensch". Schließlich war es dann soweit. Es begann mit lautem Gekreische der anspringenden Maschinerie, gefolgt von der Druckwelle plötzlich freigesetzter Energien, welche sie abheben ließen.
Danach dauerte es nur Minuten und sie hatten sie erreicht - die ewige Nacht des Universums. Er achtete nicht darauf, wie neben ihm das Radioprogramm mit den Worten - "Es ist soweit meine Damen und Herren: Der Mensch hat die Erde verlassen! Also, lasst uns ein letztes Mal die Gläser auf sie anheben - Prosit Mr. Booze." - eingestellt wurde. Er sah nur hinauf, hinauf zu dem Totenschädel ähnlichen Metallgebilde der Luna - dem einstigen Mond der Erde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen