Montag, 6. Februar 2017

Rezension: China Mieville – Kraken

Cover: China Mieville
Kraken
Verlag:PAN Books
Die Geschichte des Buches Kraken dreht sich um Billy Harrow, einem Mitarbeiter des British Museum of Natural History in London. Der Mann ist ein besonders Fähiger Präparator, der eine ungewöhnliche Begabung hegt, die Entsprechenden Ausstellungsstücke in Formaldehyd zu konservieren, so dass sie ungewöhnlich beeindruckend in ihren Tanks wirken. Außerdem hegt er seinen Arbeitskollegen gegenüber den Scherz, dass er der Prototyp des ersten Retortenbabys sein. Der Mensch, der noch im stillen Kämmerlein künstlich befruchtet wurde, ehe man mit einem anderen Baby an die Öffentlichkeit ging.
Eines der besonderen Schmuckstücke, die Billy selbst Präpariert hat, ist ein Riesenkalmar, der zeitgleich so etwas wie das besonders touristenwirksame Puplikumsmagnete der Sammlung des Darwin Centers. Der Tank mit diesem Architeuthis dux steht im selben Raum wie die wissenschaftlich natürlich deutlich bemerkenswertere Sammlung an Präparaten, die Darwin von seiner Expedition mit der Beagle mitgebracht hatte, jedoch kriegt diese selbstverständlich deutlich weniger Aufmerksamkeit, als der Riesenkalmar. Während einer seiner üblichen Führung entdeckt billy dann, dass ausgerechnet dieser spezielle Tank mit dem riesigen Tintenfisch unverständlicherweise verschwunden ist.
Dieses Ereignis ruft die FSRC (Fundamentalist and Sect-Related Crimes Unit) der Metropolitan Police auf den Plan, welche seit der großen Milleniums-Panik rund um das Jahr 2000 auf dem Plan steht und seitdem abstruse Weltuntergangskulte untersucht und diesen auch noch irgendwas entgegenstellen will. Diese Polizeieinheit, bestehend aus einem normalem Bullen, einer Frau mit ungewöhnlichen Begabungen und einem Profiler, der der Fähigkeit zu Glauben nachtrauert, stoßen Billy eher unbeabsichtig in eine eher seltsame Richtung und ehe er sich versieht ist er mitten drin in einem Krieg einer Art okkultem Untergrunds voller abstruser Weltuntergangssekten, Stadtmagiern, jahrhundertealten Killern und lebendigen Tättoos, die allesamt ein Ziel haben: Des verschwundenen Riesenkalmars habhaft werden, um die jeweils eigene Version einer Apocalypse in die Tat umzusetzen. Mit anderen Worten: Jeder will die Welt brennen sehen. Nur jeweils aus einem anderen Grund.

Mievilles Geschichten als durchgeknallt zu bezeichnen ist nichts neues, das dürfte bereits aus dem Ansatz der „New Weird“-Zugehörigkeit sich ergeben. Das ist letzten Endes auch das, was diesen sehr stark an Mysterie-Serien der 90er erinnernden Roman letzten Endes ausmacht:
Wir haben Magier, welche die Stadt London selbst Beschwören, lebendige, perosnifizierte Genius Loki von Museen und anderen öffentlichen Plätzen, lebendige Tattoos, Chaos Nazis, die eine etwas andere Agenda verfogen und dabei näher an den Symboliken dran sind, die ihre Vorbilder uminterpretiert haben, einen lebendingen, personifizierten Ozean, etc. Das alles wird mit der Frage nach religiösen Zielen verknüpft und dabei tielweise auch aufgezeigt, dass glaube nicht zwingen Logisch ist, aber am Ende vermutlich doch irgendwie die Welt verändert. Das ganze arbeitet mit diesem Grundsätzlichen, urbanen Setting, welches London mehr oder weniger darstellt, ohne dabei wirklich zu genau ins Detail zu gehen. Man kann vermutlich einige der Namendlich genannten Plätze tatsächlich auf einer Karte wiederfinden, aber im großen und ganzen bleibt die Geschichte Vage. Schon allein, weil die Ortschaft London eigentlich keine direkte Rolle für die Erzählung an sich spielt. (Sie funktioniert zwar in weiten Teilen aufgrund einiger Gruppen deswegen, aber letzten Endes ist der Urbane Raum da eher das zentrale Augenmerk… ach ja: Ein wenig Plotttwisterei macht die konkrete Lokalisation von London auch noch notwenidg.)
Von daher gibt es eigentlich gar nicht so viel bei der ganzen Sache zu erzählen, was in die eine oder andere Richtung bei einer Bewertung anbelangt: Es ist Mieville, der ienfach mal wieder das gemacht hat, was er am besten kann: Verrückte Ideen zusammenspinnen und dabei am Ende eine gute Geschichte erzählen, die eher ungewöhnlich ist. (Und das macht halt eine Menge Spaß zu lesen.)

Fazit
Ich mag Mievilles Art Geschichten zu erzählen. (Aber da können sich vermutlich bereits einige denken.) Ich kann aber auch verstehen, dass diese Vorgehensweise, die Mievilles Geshcichten letzten Endes ausmacht, anderen Leuten zuwieder ist, weil es sie überfordert, sich auf so etwas gänzlich anderes, jenseits der konvetionellen Symbollogik, einzulassen. Kraken ist daher so ein Buch, dessen Wurzeln man durchaus in den 90ern vermutlich einordnen sollte: Hohe Anteile von Mystery, wenn auch mit ein paar etwas anderen Elementen, als man sie normalerweise bei Mulder und Scully erwartet hätte. Außerdem liegen hierbei eher eindeutig die Underdogs im Fokus, was ebenfalls einen etwas anderen Stil ausmacht. (Es gibt in gewisser Weise zwar viele mächtige Individuen, die gegeneinander Krieg führen, aber selbst diese stehen sich eher gegenseitig im Weg, anstelle miteinander zusammenzuarbeiten.) Von daher ist auch das hier nicht mehr dieses Typische 90er Jahre „alle ziehen an einem Strang“ Gedöhns, was eine funktionierende, große Verschwörung voraussetzt. (Nicht zuletzt deswegen, weil große Gruppen nicht ohne Verräter funktionieren.)
Von daher ist gerade das hier das Schöne: In der Geschichte geht es darum, wie jeglicher Versuch der Geheimhaltung den Bach runter geht. (Und das alles aufgrund zunehmendem Fanatismus auf allen Seiten.)
Von daher bleibt als Qualität auf der Haben-Seite festzuhalten: Die Geschichte sprießt geradezu über vor Ideen, sie ist hochgradig Skuril und dabei gut erzählt. Und sie spielt die ganze Zeit über mit dem Thema, wie eine Weltanschauung in der heutigen Zeit funktionieren kann. (Wobei sie grundsätzlich die abstrusesten Beispiele aufgreift.)
Wobei ich eine Sache noch erwähnen muss: Es ist ja durchaus bekannt, dass Mieville seinen Hintergrund mit der Rollenspielszene hat. Kurioserweise erinnert mich das Thema des Romans Teilweise an die Elemente des Rollenspiels Unknown Armies. Das macht es für mich nur umso spanneder, könnte aber für einige Leute auch weiterhin ein Hinweiß auf eine mögliche Überforderung mit dem Roman-Setting sein.

Alles in Allem aber ein runder, sehr Lesenswerter Mieville mal wieder.

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