Keine Sorge. Das
hier wird jetzt nicht zu einem andauerndem Film-Blog. Aber ich bin
nunmal ein sehr großer Film-Fan und gehe deswegen, wenn ich Zeit
finde, ins Kino. (Vorrausgesetzt der jeweilige Stoff interessiert
mich gerade.)
Von daher hat mich
diesmal Ghost in the Shell hinter dem Ofen hervorgelockt, eine
Realfilmadaption eines der Anime-Klassikers, welche das komplette
„Zeichentrickfilm“-Konzept japanischer Bauart hier im Westen
überhaupt erst Salonfähig gemacht hatte. (Und ja, seit der
Ankündigung des Filmes wurde ein riesiger Buhei um diese Verfilmung
gemacht, wobei nicht zuletzt das Thema „White Washing“ mit der
Wahl Scarlet Johansens als Hauptdarstellerin einer der ganzen Aspekte
dabei war.)
Doch was hat der
Film zu bieten?
Zur Story:
In einer nicht genau
definierten Zukunft ist die Menschheit soweit technologisch
vorangeschritten, dass die Verbesserung des Menschen durch s.g.
Cyberimplantate eine beinahe alltägliche Geschichte ist. Der
Marktführer in diesem Bereich ist die Firma Hanko Robotics, deren
Inhaber/Manager ein Mann Namens Cutter ist.
Bisherig größter
Erfolg, wenn auch einmalig in der Umsetzung ist Major Mira Killian,
überlebende eines Terroranschlages auf ein Boot, deren Gehirn (im
Film größteils als „Ghost“ bezeichnet) in einen künstlichen
Körper (die Shell) eingepflanzt worden ist. Als perfektes Ergebnis
dieses Experimentes wurde Killian Sektion 9 zugeordnet. (Wobei Cutter
von Anfang an klar macht, dass er die Frau nicht als Mensch, sondern
als Waffe betrachtet.)
Im Verlauf der
weiteren Geschichte, in der es immer wieder um Wahrnehmungsstörungen
geht, die Mira erleidet, stößt Sektion 9 auf einen Hacker Namens
Kuze, der ganz gezielt sehr zentrale wissenschaftliche Mitarbeiter
von Hanko angreift und hackt, um an deren Erinnerungen zu gelangen.
Stehts darum bemüht, Informationen zu einem ganz bestimmten
Ereignis, einem „Projekt 2571“, zu erlangen. Und dafür schreckt
Kuze for nichts zurück. Zeitgleich offenbart sich aber mehr und mehr
eine Verbindung zwischen dem Major und dem Hacker.
Der Film ist erstmal
das, was man eine grafische bombastüberlastung an CGI bezeichnen
muss. Am laufenden Meter stolpert man über Straßenszenen, in denen
einem entsprechende Darstellungen von Hologrammen um die Ohren
gehauen werden, die eine Weiterentwicklung der Idee von heutigen,
wenn auch langsam aus der Mode geratenden Neon Werbetafeln
entspricht. (Die Dinger geraten schon allein deswegen aus der Mode,
weil sie mittlerweile eigentlich nur noch die Assoziationen mit dem
Begriff „besonders Billig“ erwecken. Für das heutige Auge
allerdings ist dieses Überangebot an animierten Bildern ohne genauen
Bezug zu irgendwas einfach nur unglaublich überwältigend. Allgemein
zu optischer Überwältigung: Auch wenn man sagen muss, dass die
Geschichte des Realfilmes eine andere ist, als die des Animes, spielt
Ghost in the Shell mit einer unglaublichen Zitate-Flut, welche an den
Anime erinnert. Es sind zu großen Teilen beinahe 1:1 umsetzungen der
entsprechend ikonisch gewordenen Häuserschluchten aus der
Froschperspektive, der Choreographie des Kampfes des Majors mit dem
Müllwagen-Fahrer inmitten des Nassen Hinterhofes und einfach nur der
ikonischen Fallszene, in welcher Motoko ihre optische Tarnung
aktiviert. Als Fan, der den Anime gesehen hat, findet man sich sehr
schnell in der gesammten Bilderwelt dieses Filmes wieder und schwelgt
in Erinnerungen, als man noch die VHS-Kassette in den 90ern sich
angesehen hatte, auf der Wamdue Projects „King of my Castle“ als
Bonusdreingabe aufgespielt war. (Oder meinetwegen auch die DVD mit
der englischen Tonspur, welche lange Zeit hierzulande die einzige
Digitalaufname war, die man wenigstens in der ersten Hälfte der
2000er-Jahre erwerben konnte. Ja, ich spreche da aus leittragenden
Erfahrungen.) Es gibt wirklich unglaublich viele Gemeinsamkeiten
zwischen dem Anime, was Bildzitate angeht. (Inklusive der Tatsache,
dass die nerfigen Fuchikomas – ja, ich weiß das diese
verunglückten Running-Gags in Spinnenform eine riesige Beliebtheit
bei den Fans des Mangas genießen – wieder nur in Form des
„Panzers“ auftreten.)
Und ich meine damit
ganz bestimmt nicht den zentralen Twist in der Story. (Warum höre
ich hier gerade das große Spoiler-Ächzen?) Der Punkt bei der Sache,
dass man um den Major eine weitere, neue Ebene strickt, welche der
Geschichte ein Novum bringt, war letzten Endes notwendig, um dieser
Verfilmung hier eine Existenzberechtigung zu verleihen. (So sehr ich
Scarlet Johanson als Schauspielerin allgemein und in der optischen
Gestalltung in dieser Rolle im speziellen auch über die Jahre zu
schätzen gelernt habe, sie allein hätte eine Vollkommene
1:1-Umsetzung des Anime-Drehbuches definitiv nicht retten können.)
Der Punkt bei der
ganzen Sache, der mich ein wenig mit diesem gemischten Gefühl aus
durchaus vorhandener Begeisterung, aber auch gegebener Skepsis zurück
lässt ist folgender: Ghost in the Shell hat eine Meta-Ebene, in der
sich sehr viele um Fragen nach Leben und Identität dreht. Zugegeben
waren diese in ihrer gegebenen Struktur sehr stark verschlüsselt
worden, solange es sich um die ursprüngliche Anime-Verfilmung
handelt. (Und eventuell fehlt einem westlichen Konsumenten wie mir
dabei sogar der zentrale kulturelle Schlüssel, um die Nachricht
hinter den ganzen Ereignissen vollständig zu begreifen, weil mir ein
vertiefter Einblick in die entsprechende Denkweise der östlichen
Kultur im allgemeinen und Japan im speziellen fehlt.) Meine
Interpretation des Animes war dabei bislang immer, dass hier mit
einem Gedankenspiel gearbeitet wurde, dass die zentrale Frage „Was
bedeutet Leben?“ im Kern enthielt.
Die Realverfilmung
hier ist jetzt deutlich Plakativer durch eine ganze Reihe neuer
Szenen auf der Meta-Ebene in einen zwar unterschiedlichen, wenn auch
Artverwandten Fokus gerückt worden: Während Major Kusanagi also
noch die Frage nach der Definition des Lebens nachrannte (und dabei
in gewisser Weise ein Brainchild gebahr) ist Major Killian jetzt eher
eine Deklination nach der Frage der eigenen Identität. Also dieser
eine zentrale Funke, der letzten Endes das „Selbst“ definiert.
(Und der mit so vielen Beispielen schon durchexerziert wurde.
Inklusive dem sehr plakativen Moment, der die Idee darstellt, dass
ein anderer Name eine andere Person sei.)
Jede dieser
einzelnen Szenen, die der Real-Film-Major für sich hat und die mal
mehr oder mal weniger dezent mit bestimmten Eigenschaften spielen, in
denen Killian sich mit ihrem eigenen Ich und Selbst auseinandersetzt,
zeigen in gewisser Weise ein Erforschen der eigenen Bedürfnisse auf.
(Ich finde es in diesem Zusammenhang übrigens unglaublich Schade,
dass ausgerechnet diese sehr plakative Kuss-Szene zwischen Killian
und irgendeiner Prostituierten, die die ersten Trailer ausgemacht
hatte, noch rausgeschnitten wurde. Außer natürlich ich hatte
während der Filmforführung einen spontanen Blackout gehabt.)
Aber genau das ist
dann auch der Punkt bei der Sache: Dieses gesammte Konstrukt aus
Sexualität, Erinnerungen, Taten, Name und sonstigen Dingen, die das
Ich fokussieren, sind zwar auch Teile, die bei der Frage nach dem
Leben mitschwingen, aber nur zum Teil partiell das gesamte Gebilde
solcher Gedankenkonstrukte ausmachen. Und der Realfilm atmet genau
diese Themen. Und das ist letzten Endes Stärke wie Schwäche des
Ganzen. Ich vermute bezweifle, dass diese Entscheidung zufällig
gefallen ist. In den 90ern war die Angst vor neuen Entwicklungen
bezüglich künstlicher Intelligenzen noch deutlich größer als
Heute. Das damals noch relativ junge Internet erweckte in den
zahlreichen Metaphern, die sich manchmal bis heute noch gehalten
Haben, leichte Assoziationen an den großen, unfaßbaren,
übergeordneten Feind „Skynet“ aus den Terminator-Filmen. Und
heute sind wir in unserer Lebenswelt immer mehr an einer wesentlich
stärkener Zereisprobe mit der Frage nach der Uniformität
gestrandet. Die Frage „Was macht mich eigentlich aus?“ ist in der
gesammten Philosophie rund um den Glücksbegriff, der so zentral wie
noch nie war, immer mitenthalten. Und das ist wohl letzen Endes auch
das, was die Produzenten von der Realverfilmung eventuell – so man
ihnen nicht nur simple Geldgier vorwerfen will – dazu gebracht hat,
diesen Fokus zu setzen, anstelle der eher transhumanistischen
Sichtweise der Definition von Leben. Von daher haben beide Filme –
zumindest aus der Perspektive der jeweiligen Zeit, in der sie
entstanden sind – durchaus eine entsprechende Existenzberechtigung.
(Und sei es nur, dass der Realfilm eventuell Anime stärker in den
Fokus der Öffentlichkeit rückt und dadurch die Zugänglichkeit der
Inhalte, die sich an ein eher herangewachsenes Publikum richten, hier
im Westen eventuell leichter Zugänglich wird.)
Insofern bleibt
eigneltich nur noch eine sehr lakonische Festellung: Der Film ist
überaus Lohnenswert. Und sei es nur wegen der atemberaubenden
Bilder.
Da ich leider auch
etwas zum großen Buhei bezüglich des Themas „Whitewashing“
irgendwo am Rande auch noch mitbekommen habe, muss ich wohl letzten
Endes dann auch hier ein paar Zeichen darauf verschwenden: Unabhängig
davon, wie man die soziologische Ebene „Hollywood“ im Sinne von
rassistischen Resentiments auch deuten mag: Amerika hat leider diesen
nicht zu verachtenden Faktor, dass Amerikaner nur Filme sehen wollen,
die „ihre“ Schauspieler zeigen. Und dieser Film ist immerhin für
den Westen produziert worden. Insofern ist es auf mehreren Ebenen
ohnehin schon ein riesiges Wagnis gewesen – egal wie populär
aktuell Comic-Adaptionen im Kino auch sein mögen – dass man sich
an einen so alten, japanischen Stoff gewagt hatte. (Und zumindest ich
wüsste aktuell keine halbwegs populäre Schauspielerin asiatischer
Herkunft, welche in amerikansichen Produktionen einen ähnlichen Ruf
genießt wie ihn Scarlet Johansen hat.) Von daher wäre es nett
gewesen, wenn man auf eine Person asiatischer Herkunft hätte
zurückgreifen können, aber das bleibt aus rein wirtschaftlicher
Betrachtungsweise ein eher illusorischer Wunsch.
Auf der anderen
Seite gibt es aber auch einen Grund, der ästhetischer Natur ist, und
außerdem aufzeigt, dass die Entscheidung richtig war, auf eine
digitale Überarbeitung von Johansens Züge hin zu einer eher
asiatisch scheinenden Herkunft zu verzichten. Der Punkt bei dieser
Angelegenheit ist das asiatische Schönheitsideal. (Oder zumindest
das, was hier im Westen als asiatisches Schönheitsideal gepredigt
wird.) Wenn man sich Charakter-Desighns in Manga- und Anime ansieht,
so scheint, dass bestimmte Charakteristika in übertriebener
Ausartung eher dem kaukasischem Typ entsprechen. (Also das Gesocks,
was hier im Westen so rumläuft.) Und man nur in sehr wenigen, sehr
ausgewählten Charakterdesisghns dann tatsächlich eher asiatische
Qualitäten zu erkennen vermeint. Das ist zwar letzten Endes keine
vollkommene Verteidigung der entsprechenden Entscheidung, welche hier
Hollywoods Produzenten getroffen haben. Und es wird auch definitiv
nichts aufheben, was drüben in den Staaten bislang an
racial-prototyping bislang in der Unterhaltungsindustrie verbrochen
wurde, aber es ist mMn defintiv kein Grund, diesen Film jetzt in
irgendeiner Weise zu meiden oder zu verachten.
Fazit
Man sollte sich von
forn herein klar sein, dass dieser Film keine vollkommene
Neuerzählung des alten Anime-Klassikers ist. Wir haben hier weder
eine typische Umsetzung einer 1:1-Interpretation des ursprünglichen
Stoffes, noch handelt es sich um einen absoluten Wildwuchs, der nur
noch mit dem Namen etwas mit dem Vorbild zu tun hat. Viel mehr wird
unglaublich viel Zitiert und Neuinterpretiert, was jeweils auf der
Ebene von Nuancen etwas gänzlich neues ausmacht. Und dennoch machen
dabei genau diese Nuancen mit einem mal eine gänzlich neue
Geschichte aus. Jenachdme mit welchen Erwartungen man an eine
möglichst nahe Gestalltung des Ursprünglichen Stoffes an diesen
Film herangeht könnte es natürlich zu einer ungemein großen
Enttäuschung kommen. Jedoch lohnt sich das optische Element alleine
schon so ungemein, dass es schade wäre, falls man sich den Film aus
welcher idiologischen Perspektive entgehen lässt. Ja, eventuell sind
da ein paar unschöne entscheidungen auf einer soziopolitischen Ebene
im Hintergrund getroffen worden, aber diese entscheidungen definieren
nicht diese Produktion als Endergebnis. Rein von der ästhetischen
Ebene bin ich defintiv äußerst begeistert aus dem Film heraus
gekommen.
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