Montag, 3. April 2017

Review: Ghost in the Shell (2017)

Keine Sorge. Das hier wird jetzt nicht zu einem andauerndem Film-Blog. Aber ich bin nunmal ein sehr großer Film-Fan und gehe deswegen, wenn ich Zeit finde, ins Kino. (Vorrausgesetzt der jeweilige Stoff interessiert mich gerade.)
Von daher hat mich diesmal Ghost in the Shell hinter dem Ofen hervorgelockt, eine Realfilmadaption eines der Anime-Klassikers, welche das komplette „Zeichentrickfilm“-Konzept japanischer Bauart hier im Westen überhaupt erst Salonfähig gemacht hatte. (Und ja, seit der Ankündigung des Filmes wurde ein riesiger Buhei um diese Verfilmung gemacht, wobei nicht zuletzt das Thema „White Washing“ mit der Wahl Scarlet Johansens als Hauptdarstellerin einer der ganzen Aspekte dabei war.)

Doch was hat der Film zu bieten?
Zur Story:
In einer nicht genau definierten Zukunft ist die Menschheit soweit technologisch vorangeschritten, dass die Verbesserung des Menschen durch s.g. Cyberimplantate eine beinahe alltägliche Geschichte ist. Der Marktführer in diesem Bereich ist die Firma Hanko Robotics, deren Inhaber/Manager ein Mann Namens Cutter ist.
Bisherig größter Erfolg, wenn auch einmalig in der Umsetzung ist Major Mira Killian, überlebende eines Terroranschlages auf ein Boot, deren Gehirn (im Film größteils als „Ghost“ bezeichnet) in einen künstlichen Körper (die Shell) eingepflanzt worden ist. Als perfektes Ergebnis dieses Experimentes wurde Killian Sektion 9 zugeordnet. (Wobei Cutter von Anfang an klar macht, dass er die Frau nicht als Mensch, sondern als Waffe betrachtet.)
Im Verlauf der weiteren Geschichte, in der es immer wieder um Wahrnehmungsstörungen geht, die Mira erleidet, stößt Sektion 9 auf einen Hacker Namens Kuze, der ganz gezielt sehr zentrale wissenschaftliche Mitarbeiter von Hanko angreift und hackt, um an deren Erinnerungen zu gelangen. Stehts darum bemüht, Informationen zu einem ganz bestimmten Ereignis, einem „Projekt 2571“, zu erlangen. Und dafür schreckt Kuze for nichts zurück. Zeitgleich offenbart sich aber mehr und mehr eine Verbindung zwischen dem Major und dem Hacker.

Der Film ist erstmal das, was man eine grafische bombastüberlastung an CGI bezeichnen muss. Am laufenden Meter stolpert man über Straßenszenen, in denen einem entsprechende Darstellungen von Hologrammen um die Ohren gehauen werden, die eine Weiterentwicklung der Idee von heutigen, wenn auch langsam aus der Mode geratenden Neon Werbetafeln entspricht. (Die Dinger geraten schon allein deswegen aus der Mode, weil sie mittlerweile eigentlich nur noch die Assoziationen mit dem Begriff „besonders Billig“ erwecken. Für das heutige Auge allerdings ist dieses Überangebot an animierten Bildern ohne genauen Bezug zu irgendwas einfach nur unglaublich überwältigend. Allgemein zu optischer Überwältigung: Auch wenn man sagen muss, dass die Geschichte des Realfilmes eine andere ist, als die des Animes, spielt Ghost in the Shell mit einer unglaublichen Zitate-Flut, welche an den Anime erinnert. Es sind zu großen Teilen beinahe 1:1 umsetzungen der entsprechend ikonisch gewordenen Häuserschluchten aus der Froschperspektive, der Choreographie des Kampfes des Majors mit dem Müllwagen-Fahrer inmitten des Nassen Hinterhofes und einfach nur der ikonischen Fallszene, in welcher Motoko ihre optische Tarnung aktiviert. Als Fan, der den Anime gesehen hat, findet man sich sehr schnell in der gesammten Bilderwelt dieses Filmes wieder und schwelgt in Erinnerungen, als man noch die VHS-Kassette in den 90ern sich angesehen hatte, auf der Wamdue Projects „King of my Castle“ als Bonusdreingabe aufgespielt war. (Oder meinetwegen auch die DVD mit der englischen Tonspur, welche lange Zeit hierzulande die einzige Digitalaufname war, die man wenigstens in der ersten Hälfte der 2000er-Jahre erwerben konnte. Ja, ich spreche da aus leittragenden Erfahrungen.) Es gibt wirklich unglaublich viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Anime, was Bildzitate angeht. (Inklusive der Tatsache, dass die nerfigen Fuchikomas – ja, ich weiß das diese verunglückten Running-Gags in Spinnenform eine riesige Beliebtheit bei den Fans des Mangas genießen – wieder nur in Form des „Panzers“ auftreten.)
Und ich meine damit ganz bestimmt nicht den zentralen Twist in der Story. (Warum höre ich hier gerade das große Spoiler-Ächzen?) Der Punkt bei der Sache, dass man um den Major eine weitere, neue Ebene strickt, welche der Geschichte ein Novum bringt, war letzten Endes notwendig, um dieser Verfilmung hier eine Existenzberechtigung zu verleihen. (So sehr ich Scarlet Johanson als Schauspielerin allgemein und in der optischen Gestalltung in dieser Rolle im speziellen auch über die Jahre zu schätzen gelernt habe, sie allein hätte eine Vollkommene 1:1-Umsetzung des Anime-Drehbuches definitiv nicht retten können.)
Der Punkt bei der ganzen Sache, der mich ein wenig mit diesem gemischten Gefühl aus durchaus vorhandener Begeisterung, aber auch gegebener Skepsis zurück lässt ist folgender: Ghost in the Shell hat eine Meta-Ebene, in der sich sehr viele um Fragen nach Leben und Identität dreht. Zugegeben waren diese in ihrer gegebenen Struktur sehr stark verschlüsselt worden, solange es sich um die ursprüngliche Anime-Verfilmung handelt. (Und eventuell fehlt einem westlichen Konsumenten wie mir dabei sogar der zentrale kulturelle Schlüssel, um die Nachricht hinter den ganzen Ereignissen vollständig zu begreifen, weil mir ein vertiefter Einblick in die entsprechende Denkweise der östlichen Kultur im allgemeinen und Japan im speziellen fehlt.) Meine Interpretation des Animes war dabei bislang immer, dass hier mit einem Gedankenspiel gearbeitet wurde, dass die zentrale Frage „Was bedeutet Leben?“ im Kern enthielt.
Die Realverfilmung hier ist jetzt deutlich Plakativer durch eine ganze Reihe neuer Szenen auf der Meta-Ebene in einen zwar unterschiedlichen, wenn auch Artverwandten Fokus gerückt worden: Während Major Kusanagi also noch die Frage nach der Definition des Lebens nachrannte (und dabei in gewisser Weise ein Brainchild gebahr) ist Major Killian jetzt eher eine Deklination nach der Frage der eigenen Identität. Also dieser eine zentrale Funke, der letzten Endes das „Selbst“ definiert. (Und der mit so vielen Beispielen schon durchexerziert wurde. Inklusive dem sehr plakativen Moment, der die Idee darstellt, dass ein anderer Name eine andere Person sei.)
Jede dieser einzelnen Szenen, die der Real-Film-Major für sich hat und die mal mehr oder mal weniger dezent mit bestimmten Eigenschaften spielen, in denen Killian sich mit ihrem eigenen Ich und Selbst auseinandersetzt, zeigen in gewisser Weise ein Erforschen der eigenen Bedürfnisse auf. (Ich finde es in diesem Zusammenhang übrigens unglaublich Schade, dass ausgerechnet diese sehr plakative Kuss-Szene zwischen Killian und irgendeiner Prostituierten, die die ersten Trailer ausgemacht hatte, noch rausgeschnitten wurde. Außer natürlich ich hatte während der Filmforführung einen spontanen Blackout gehabt.)
Aber genau das ist dann auch der Punkt bei der Sache: Dieses gesammte Konstrukt aus Sexualität, Erinnerungen, Taten, Name und sonstigen Dingen, die das Ich fokussieren, sind zwar auch Teile, die bei der Frage nach dem Leben mitschwingen, aber nur zum Teil partiell das gesamte Gebilde solcher Gedankenkonstrukte ausmachen. Und der Realfilm atmet genau diese Themen. Und das ist letzten Endes Stärke wie Schwäche des Ganzen. Ich vermute bezweifle, dass diese Entscheidung zufällig gefallen ist. In den 90ern war die Angst vor neuen Entwicklungen bezüglich künstlicher Intelligenzen noch deutlich größer als Heute. Das damals noch relativ junge Internet erweckte in den zahlreichen Metaphern, die sich manchmal bis heute noch gehalten Haben, leichte Assoziationen an den großen, unfaßbaren, übergeordneten Feind „Skynet“ aus den Terminator-Filmen. Und heute sind wir in unserer Lebenswelt immer mehr an einer wesentlich stärkener Zereisprobe mit der Frage nach der Uniformität gestrandet. Die Frage „Was macht mich eigentlich aus?“ ist in der gesammten Philosophie rund um den Glücksbegriff, der so zentral wie noch nie war, immer mitenthalten. Und das ist wohl letzen Endes auch das, was die Produzenten von der Realverfilmung eventuell – so man ihnen nicht nur simple Geldgier vorwerfen will – dazu gebracht hat, diesen Fokus zu setzen, anstelle der eher transhumanistischen Sichtweise der Definition von Leben. Von daher haben beide Filme – zumindest aus der Perspektive der jeweiligen Zeit, in der sie entstanden sind – durchaus eine entsprechende Existenzberechtigung. (Und sei es nur, dass der Realfilm eventuell Anime stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt und dadurch die Zugänglichkeit der Inhalte, die sich an ein eher herangewachsenes Publikum richten, hier im Westen eventuell leichter Zugänglich wird.)
Insofern bleibt eigneltich nur noch eine sehr lakonische Festellung: Der Film ist überaus Lohnenswert. Und sei es nur wegen der atemberaubenden Bilder.

Da ich leider auch etwas zum großen Buhei bezüglich des Themas „Whitewashing“ irgendwo am Rande auch noch mitbekommen habe, muss ich wohl letzten Endes dann auch hier ein paar Zeichen darauf verschwenden: Unabhängig davon, wie man die soziologische Ebene „Hollywood“ im Sinne von rassistischen Resentiments auch deuten mag: Amerika hat leider diesen nicht zu verachtenden Faktor, dass Amerikaner nur Filme sehen wollen, die „ihre“ Schauspieler zeigen. Und dieser Film ist immerhin für den Westen produziert worden. Insofern ist es auf mehreren Ebenen ohnehin schon ein riesiges Wagnis gewesen – egal wie populär aktuell Comic-Adaptionen im Kino auch sein mögen – dass man sich an einen so alten, japanischen Stoff gewagt hatte. (Und zumindest ich wüsste aktuell keine halbwegs populäre Schauspielerin asiatischer Herkunft, welche in amerikansichen Produktionen einen ähnlichen Ruf genießt wie ihn Scarlet Johansen hat.) Von daher wäre es nett gewesen, wenn man auf eine Person asiatischer Herkunft hätte zurückgreifen können, aber das bleibt aus rein wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein eher illusorischer Wunsch.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch einen Grund, der ästhetischer Natur ist, und außerdem aufzeigt, dass die Entscheidung richtig war, auf eine digitale Überarbeitung von Johansens Züge hin zu einer eher asiatisch scheinenden Herkunft zu verzichten. Der Punkt bei dieser Angelegenheit ist das asiatische Schönheitsideal. (Oder zumindest das, was hier im Westen als asiatisches Schönheitsideal gepredigt wird.) Wenn man sich Charakter-Desighns in Manga- und Anime ansieht, so scheint, dass bestimmte Charakteristika in übertriebener Ausartung eher dem kaukasischem Typ entsprechen. (Also das Gesocks, was hier im Westen so rumläuft.) Und man nur in sehr wenigen, sehr ausgewählten Charakterdesisghns dann tatsächlich eher asiatische Qualitäten zu erkennen vermeint. Das ist zwar letzten Endes keine vollkommene Verteidigung der entsprechenden Entscheidung, welche hier Hollywoods Produzenten getroffen haben. Und es wird auch definitiv nichts aufheben, was drüben in den Staaten bislang an racial-prototyping bislang in der Unterhaltungsindustrie verbrochen wurde, aber es ist mMn defintiv kein Grund, diesen Film jetzt in irgendeiner Weise zu meiden oder zu verachten.

Fazit


Man sollte sich von forn herein klar sein, dass dieser Film keine vollkommene Neuerzählung des alten Anime-Klassikers ist. Wir haben hier weder eine typische Umsetzung einer 1:1-Interpretation des ursprünglichen Stoffes, noch handelt es sich um einen absoluten Wildwuchs, der nur noch mit dem Namen etwas mit dem Vorbild zu tun hat. Viel mehr wird unglaublich viel Zitiert und Neuinterpretiert, was jeweils auf der Ebene von Nuancen etwas gänzlich neues ausmacht. Und dennoch machen dabei genau diese Nuancen mit einem mal eine gänzlich neue Geschichte aus. Jenachdme mit welchen Erwartungen man an eine möglichst nahe Gestalltung des Ursprünglichen Stoffes an diesen Film herangeht könnte es natürlich zu einer ungemein großen Enttäuschung kommen. Jedoch lohnt sich das optische Element alleine schon so ungemein, dass es schade wäre, falls man sich den Film aus welcher idiologischen Perspektive entgehen lässt. Ja, eventuell sind da ein paar unschöne entscheidungen auf einer soziopolitischen Ebene im Hintergrund getroffen worden, aber diese entscheidungen definieren nicht diese Produktion als Endergebnis. Rein von der ästhetischen Ebene bin ich defintiv äußerst begeistert aus dem Film heraus gekommen.

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