Zornhau
ruft drüben auf seinem Blog zum Karnevald er Rollenspielblogs zum
„Genreübertretendem“ Thema Western auf… und schwups stehe ich
hier mal wieder mit gehobener Augenbraue und überlege, wie ich
diesmal meinen Widerspruch ein wenig freundlicher formuliere, als ich
es vermutlich noch – durch gegenseitiges Anstacheln bedingt – vor einigen Jahren getan hätte. (Zornhau und ich haben da so
unsere Vergangenheit in verschiedenen Foren.)
Der Punkt bei der
Sache ist nämlich, dass wir in unserem Hobby – auf der Suche nach
„Helden“-Geschichten – sehr schnell einen zu engen Fokus auf
bestimmte Elemente setzen und dabei dann aus einem Genre, dass genau
das Gegenteil von Helden-Elementen darstellt, mit einem mal eine
Heldenreise heraufstilisieren. (Man könnte auch sagen: Im Internet
steht, dass die Bundeskanzlerin eine Reptiloidin
sei. Entsprechend auf diese Aussage empfängliche Personen suchen
dann nach entsprechenden Hinweisen, die diese Wahrheit bestätigen
würden.) Von daher würde ich persönlich von Vornherein mit der
These aufwarten, dass eher andere Genres, die eher typisch sind für
die Heldenreise, ihre Lesart ins Westerngenre übertragen haben.
Das hat allerdings
einen bestimmten Grund, der aus dem Umstand kommt, dass man
Heutzutage „den Western“ unter dem Aspekt eines Entstehungsmythos
von Amerika untersucht. (Und Amerikas Geschichte ist in letzter
Konsequenz eine Geschichte der Zivilisierung, der Industrialisierung
und in allerletzter Konsequenz: Des positivem Rechts.) Und damit
fangen jetzt also die eigentlichen Probleme an. (Ich werde
gelegentlich auf den einen oder anderen Film eingehen, der aus dem
Western-Genre direkt entstammt… inklusive neuester
Tarantino-Auslegungen, aber das sei hier nur am Rande erwähnt.)
Ich gehe davon aus,
dass das Basis-Klischee der White- and Black-Hats allgemein bekannt
sein sollte? Diese Idee aus der frühen Western-Zeit, die durch
einen Farbcode Gut von Böse zu trennen suchte? Der Punkt, der diesen
Farbcode unter gewissen Umständen so notwendig macht ist eher darin
zu sehen, dass hier nicht Gut gegen Böse aufeinandertreffen, sondern
lediglich zwei gleiche Positionen eine Meinungsverschiedenheit
klären. Der Grund, warum ich diesen Ansatz so lese, ist der, dass
das Genre des Western immer eine gewisse Lösung als Höhepunkt
sucht, um aus einer vertrackten Situation herauszukommen: Die Gewallt
auf öffentlicher Straße, unabhängig von jeglicher Justiz. Der
Grund dafür ist darin zu sehen, wie die Zivilisation innerhalb des
Westerns funktioniert: Mit dem Aufkommen der Eisenbahn werden immer
schneller Informationen übertragen. Das heißt aber auch: Durch den
maschinell bedingten, schnelleren Austausch ist auch ein erfassen von
Straftaten innerhalb eines juristischen Kontext möglich, wo vorher
„nur“ das Recht des Schnelleren mit der Waffe gezählt hatte.
Gerechtigkeitsempfinden anstelle von Recht. Das bedeutet aber auch:
Siedlungen im Westen sind in erster Linie Ansammlungen von
ausgestoßenen. Mal mehr oder weniger in der Lage sich zu
verteidigen. (Und aufgrund bestimmter Ehrencodices eher nicht in der
Lage sich zu verteidigen, wenn die Leute mit den schwarzen Hüten
auftreten.)
Das Bedeutet aber in
letzter Konsequenz aber nicht, dass die entsprechenden
Moralvorstellungen der „Siedler“ keine Hilfe von weniger
Moralisch gefestigten Persönlichkeiten aufweisen.
Technisch gesehen
scheint der Western als Genre sogar eher darauf aufzubauen, dass
irgendwie jeder mit einem Revolver bewaffnete Mensch abrechnungen mit
dem Gegenüber zu tun hat.
Wenn wir uns
Beispielsweise den Klassiker „Pale
Rider“ mit Eastwood ansehen, so gibt es hier anscheinend die
Geschichte einer Abrechnung zwischen dem Prediger und „Marshall
Stockburn“, die aber auf Basis der Rache, die eiskalt serviert
wird, entsteht. Überhaupt ist die Unabhängigkeit und das „einsamer
Wolf“-Syndrom der meisten Western-Helden weniger ein romantischer
Aspekt, sondern viel mehr eine Notwendigkeit: Am Ende von „The
Searchers“ verlässt die von John Wayne verkörperte Rolle des
Ethan Edwards wieder die Zivilisation, weil er zum einen die
Überreste seiner Blutsverwandten wieder zusammengesetzt hat, aber
zum anderen aufgrund seines eigenen Hasses gegenüber den
amerikanischen Ur-Einwohnern nicht mehr in diese zivilisierte Gruppe
passt. Nicht zu vergessen, dass laut Meinung des Texas Rangers vor
Ort sehr viele Steckbriefe auf den Mann passen könnten. Ähnlich
verhält es sich auch mit dem Prediger, dessen Namen und
Vergangenheit man niemals erfährt, der aber die Liebe des Mädchens
Megan zurückweist. (Den Grund dafür erfährt man indirekt in
Tarantinos „Django
Unchained“: Die Frau zwingt einen Menschen zur Sesshaftigkeit
und zum verweilen. Am Ende holt einen solchen „treusorgenden
Familienvater“, der weit außerhalb der zivilisierten Welt lebt und
seine Tochter großzieht das positive Recht in Form von Djangos Kugel
ein… soviel zur Dekonstruktion.)
Der definierende
Punkt bei dieser Sache ist aber, dass dieses Außerhalb der
Zivilisation und ohne Kind und Kegel leben ein ständiges Problem
darstellt: Die Zivilisation braucht Platz. Und den holt sie sich
andauernd. (Wodurch die Eisenbahn ins Spiel kommt.) Anders
ausgedrückt kann man auch sagen: Die Helden des Western müssen,
gerade weil sie ihre Probleme mit Recht (und Moral) haben außerhalb
des Rechts-Raumes leben. Das heißt übersetzt: Die Geschichte des
Western ist keine Heldenreise. Es handelt sich hierbei fiel mehr um
eine Ansammlung von Geschichten der ständigen Verteibung von
„Verbrechern“. Das hat dann aber auch direkt etwas zur Folge:
Irgendwann holt die Zivilisation Einen ein. Wodurch auch das „Recht
des Stärkeren“ mit einem mal jegliche Bedeutung verliert und gegen
das positive Recht ausgetauscht wird. (Aus diesem Grund verlieren
aber auch Wertvorstellungen ihren Platz in dieser neuen Welt. Und das
stellenweise aus gutem Grund. Gelegentlich verraten einige Personen
sogar ihre Prinzipien, weil sie einsehen, dass ihr entsprechendes
Leben nichts ist, dass auf lange Sicht „gesund“ für die Mehrheit
der Menschheit ist, was dazu führt, dass man den Fortschritt der
Zivilisation beschleunigt, wie es John Wayne in
„The
Man Who Shot Liberty Valance“ tat.)
Was dann aber auch bedeutet, dass die letzten Rechnungen teilweise
exakt in dem Moment beglichen werden müssen, in dem die Zivilisation
den Westen entwildert,
wie
es Harmonica in „Once
Upon a Time in the West“ an Frank vollzieht… und kurz darauf
die Eisenbahn tatsächlich in den Bahnhof einfährt.
Der
letzte Moment, der dann noch übrig bleibt ist der Augenblick, an dem
die Zivilisation alles bedeckt und die Revolvermänner keinen
Rückzugsort mehr haben. Als „The
Shootist“, der danach noch übrig bleibt, gibt es eigentlich
nur noch eine Möglichkeit: Sich selbst und alle, die noch übrig
sind von diesem seltsamen, alten Ehrencodex aus der Gleichung zu
nehmen. Auf die Weise, die man kennt: Mit
den letzten Kugeln, die noch im Revolver enthalten sind.
Was
heißt das jetzt für andere Genres?
Mit
D&D gesprochen: Man befindet sich weniger auf der gesetzestreuen
Ebene des Systems, sondern spielt mehr mit den Nuancen des Bösen…
oder
man ist durch die Bank weg Chaotisch.
Von
daher ist auch dieser ständige „Das nächste
Firefly“-Rollenspiel-Geblöke, mit dem derzeit einige SciFi-RPGs auf
sich aufmerksam machen wollen purer Blödsinn. Durchschnittlich fehlt
den Meisten
nämlich das ständige Zusammenspiel aus Zivilisation und Flucht.
(Reines Entdecken ist da doch zu wenig.)
Das
heißt in diesem Fall aber auch, dass jegliche
Form von „Abenteuerromantik“ des Wilden Westens immer unter dem
Aspekt Recht kontra Überzeugung zu betrachten ist: Welcher Grund für
einen Rachefeldzug besteht? Wer hat einen Vorteil bei einer Handlung
der Charaktere? Welche Rechtsgrundlage führt letzten Endes dazu,
dass die entsprechenden Personen gegen
das Recht verstoßen? Und vor allem: Welche Entbehrungen
durchleiden sie, um ihre Art zu leben aufrecht zu erhalten?
Von
daher: Ja, ich glaube dass man Western-Thematiken durchaus schaffen
könnte, um sie in anderen Genres aufzubauen. Aber ich glaube auch,
dass den meisten Leuten nicht wirklich bewusst ist, was genau die
Meta-Ebene am Ende sein könnte, auf der man Western dann wirklich
definiert.
Habe mich auch bisher vom Karneval rausgehalten, da ich mit Western nicht so übermäßig viel anfangen kann (und seine Themen auch nicht als von ihm erfunden oder definiert sehe, Kolonisierung z.B. gibt's seit der Antike), aber dieser Aspekt der "Flucht vor dem positiven Recht" ist ein sehr interessanter Aspekt, danke dafür.
AntwortenLöschenNichts zu danken. Manchmal muss halt eben mal wieder den Hammer zum Philosophieren rauspacken. ^^
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