Cover: Masters of Umdaar Deutsche Ausgabe Verlag: Uhrwerk Verlag |
Ich bin in den
frühen 80ern geboren. Das heißt: Theoretisch hätte ich eine ganze
Menge Fernsehserien im „alten“ Tele5 sehen können, wenn ich
nicht ausgerechnet an einer Hauptverkehrsstraße groß geworden währe
ohne jegliche Verbindungen ans Kabelfernsehen, das dieser Sender
vorausgesetzt hatte. (Die Folge daraus war, dass Besuche bei meinen
Großeltern Mütterlicherseits reine Festtage waren, weil ich genau
diese Trickfilme dann sehen konnte, die mir normalerweise verwehrt
waren.) Allerdings: Irgendwann bin ich auf einem Flohmarktbesuch über
bestimmte Action-Figuren gestolpert, die sich als teil der „Masters
of the Universe“-Reihe entpuppten (und wie ich sehr viele Jahre
später von meiner Mutter erfuhr meinte irgendwann einmal ein damals
verkaufender Junge, dass dieser „Kram“ doch längst wieder out
sei) was dann zur Folge hatte, dass meine Eltern mir zumindest über
die Videoteken in Moers (und mit zwei Video-Rekordern, die sie sich
irgendwie geleistet hatten) eine ganze Menge Geschichten dieser
speziellen Figuren zusammensammelten. (Später kam dann natürlich
auch noch She-Ra: The Prices of Power in meinem Dunstkreis hinzu,
aber das ist eine Geschichte für etwas anderes.)
Der Punkt bei der
Sache ist: In meiner Erinnerung waren diese ganzen
Zeichentrick-Fernsehserien unglaublich großes Kino. (Mir ist
bewusst, dass hier die nostalgisch verklärte Wahrnehmung eines
Kindes die Erinnerung eines mittlerweile zynischen Mannes in den
Dreißigern definiert, aber das Ganze muss ich vorweg einbringen,
bevor ich mich mit dem eigentlichen Gegenstand der heutigen
Besprechung auseinandersetze.)
Masters of Umdaar
ist eines der Settings aus den „Worlds of Adventure“, die Evil
Had Publishing über Patreon in der Herstellung finanziert, welches
es beim Uhrwerk Verlag in die Übersetzung in die deutsche Sprache
geschafft haben. Die Besonderheit bei diesem Setting sind letzten
Endes zwei Punkte. Der Erste ist (und warum ich mit diesem sehr
nostalgisch-anekdotenhaftem Blick an die Sache gehe) ist tatsächlich
im Setting an sich gelegen: Masters of Umdaar ist ein Spiel, dass all
die starken Elemente aufgreift, die wir spontan mit den
entsprechenden Zeichentrickfilmen aus den 80ern in Verbindung
bringen. Hier haben sehr Eindeutig diese leicht verklärten
Erinnerungen an Serien wie „He-Man and the Masters of the
Universe“, „She-Ra: Princess of Power“ oder auch meinetwegen
„Thundercats“ Pate gestanden. (Zumindest gehe ich davon aus, dass
heutzutage niemand mehr Freiwillig diese alten Serien sich ansieht,
um die eigenen Erinnerungen nicht mit der Realität eines heutigen
Geschmacks zerschmettert zu sehen. Jedenfalls würde ich heutzutage
lieber nur noch die Action-Figuren in meinen Besitz wieder bringen,
als nochmal die Serien zu sehen.)
Der Punkt bei der
Sache ist, dass die Namensgebende Welt Umdaar das Überbleibsel einer
einmal von einer hochtechnisierten Rasse (den s.g. Demiurgen)
„zivilisierten“ Welt ist. Das Problem bei der Sache ist nur:
Dieser Eingriff der Demiurgen in die Welt hatte nur so lange Bestand,
bis sie irgendwann erneut verschwanden. Die Folge war ein totaler
Verfall sämtlicher Kultur, bis sich bestimmte Individuen erhoben und
despotisch die Macht an sich Rissen. (Und somit zu den „Meistern
von Umdaar“ wurden.) Allerdings muss man dabei erwähnen: Dass, was
jetzt von diesen Meistern regiert wird ist im Idealfall als eine
Kulturelle Mischform irgendwo zwischen Barbarei und
antik-mittelalterlicher Dekadenz angesiedelt, die mit einem Haufen
Technik gespickt wurde, welche die Demiurgen hinterlassen haben. (Was
zumindest mich stärker an He-Man und She-Ra direkt denken lässt,
als an die Thundercats. Wobei ich hinzufügen muss, dass ich von
dieser spezifischen Serie nur eine Folge jemals gesehen habe und dahe
rnicht weiß, ob ich hier nicht in meiner Erinnerung Elemente von
Marshal Brave Star und eventuell Saber Rider mit einfließen lasse,
die dafür sorgen, dass ich das Setting der Thundercats immer als
deutlich modernere Gegenwart in Erinnerung habe.) Die Charaktere
selbst in diesem Setting sind s.g. „Archäonauten“. In Gewisser
Weise irgendwas zwischen Abenteuer und Rebellen, auf der Suche nach
weiteren Hinterlassenschaften der Demiurgen, die sie im Kampf gegen
die Meister von Umdaar einsetzen können. (Das ist echt
gewöhnungsbedürftig, dass die in diesem Setting erwähnten
„Meister“ die Schurkenliga als Skelletor oder Hordak abbilden
sollen.)
Der zweite Besondere
Aspekt an diesem Settingband ist etwas, dass ich an anderer
Stelle mal als „oldschoolig“ beschrieben habe, weswegen mir
jemand in den Kommentare einen Rüffel geben wollte. (Wobei ich mein
entsprechendes Argument von damals auch weiterhin hier rüberretten
werden: In diesem sehr speziellen Aspekt bedient sich „Masters of
Umdaar“ einer oldschooligen Desighnmechanik.) Die
Charaktererschaffung bedient sich Zufallstabellen. (Und auch sehr
viele weitere Hilfsmittel innerhalb des Bandes, die sich dann aber
eher an den SL richten, sind ebenfalls in Zufallstabellen
zusammengefasst.) Das klingt angesichts der eigentlich sehr hohen
Eigenkontrolle, die Fate einem normalerweise innerhalb der
Charaktererschafufng lässt zuerst abstrus, macht aber auf der
anderen Ebene dann doch wieder Sinn: Die Zufallstabellen der
Charaktererschaffung geben nämlich weniger solche klassischen
Werte-Äquivalente wie man sie von D&D her kennt, sondern
erschaffen in ihren Würfelwürfen eher „Rassen“ und deren
rasseneigenen Fähigkeiten. (Ich wünschte ich könnte hier Bilder
von Action-Figuren aus den 80ern zeigen, die ich damals besessen
habe. Allerdings sind diese Entweder auf dem Floh-Markt verkauft
worden, oder aber in Umzugskisten auf dem Dachboden gelandet, an die
ich im Moment nur sehr schwer herankomme. Zugriff hätte ich nur auf
einen Vintage-Hordak, der aus einer der neueren Figuren-Serien
stammt, die seit Mitte der 2000er anscheinend wieder für solche
Freaks wie mich als Sammelobjekte aufgelegt werden. Der Punkt bei der
Sache ist, dass die He-Man mitstreiter damals aus einer gewalltigen
Ansammlung aus Chimären, Robotern und sonstigen Wesen bestanden. Und
das macht es halt so schwierig, diesem gesammten Konzept eine
gewisse, verständliche Genre-Bezeichnugn angedeien zu lassen, weil
man selbst mit entsprechenden Geschichten groß geworden sein muss,
um sich wirklich etwas darunter vorstellen zu können.) Dazu kommen
dann noch die Fate-Typischen Dinge wie Aspekte (in diesem Fall wählt
man insgesamt vier aus – drei davon definieren den Charakter, einer
beschriebt die Beziehung zu einem Gruppenmitglied), Stuns und
dergleichen. Das macht die Charaktererschaffung auf einer Ebene
verhältnismäßig flink, sorgt aber auch dafür, dass die Gruppen
eventuell trotz aller Gemeinsamkeiten auf der theoretischen Ebene
nicht unbedingt immer zusammenpassen. (Das ist jetzt zugegebenermaßen
Erfahrung aus dem konventionellem Spiel, aber: Man kann noch so sehr
dafür sorgen, dass die Charakterkonzepte aufeinander abgestimmt
sind, am Ende hat man dann einen Haufen extrem guter Spieler, die
hoffnungslos disfunktionale Charaktere spielen.)
Aber auch der Teil
der am Ende für den Spielleiter bestimmt ist, hat so seine
„kleineren Eigenheiten“: Zum einen wird mit den Regeln von
„Cliffhangern“ ein Element eingeführt, dass Szenen mit
besonderen Schwierigkeinten Charakterisiert, bei denen die Spieler –
um dem den inspirierenden Vorbildern von Umdaar gerecht zu werden –
verschiedene Lösungsmöglichkeiten in einer Szene haben, die genau
definiert sind und in einer Art tortendiagramm erfasst werden. (Die
Spieler haben dabei fünf Anläufe, um diese Szene zu lösen/zu
besiegen.)
Dann gibt es noch
mit „Die Sternenklingen von Su‘ul“ ein kleines Abenteuer, das
in mehrere Szenen aufgeteil wurde und einen entsprechenden Einstieg
bilden soll, was das Gefühl für das Setting kriegen anbelangt.)
Und der Rest des
Buches sind dann weiterführende Inspirationshilfen und
Zufallstabellen-Baukästen für alles Mögliche. Insgesamt ist hier
also alles da, um in einer kurzweiligen Weise schnell mal einen
One-Shot in Umdaar zu bestreiten.
Womit wir allerdings
bei einem Punkt ankommen, den man anmerken muss: Das Büchlein hat
gerade einmal 89 Seiten. Diese sind vollgepackt mit Generikern aller
Art, aber das war es dann auch schon: Umdaar ist eine Welt mit einer
grob umrissenen Vergangenheit und einem „Ist“-Zustand, der über
den Worten „Despotische Herrscher“, „unterdrücktes Volk“,
„Wiederstand aus Archäonauten, die nach Artefakten suchen, um sich
gegen die despotischen Herrscher zu stellen“ letzten Endes nicht
hinausgeht. Und hier komme ich dann wieder mal mit meinen Zahlreichen
Action-Figuren-Analogien aus den 80ern um die Ecke. Bei den „Masters
of the Universe“-Figuren lag in der Packung immer ein kleiner Comic
dabei, der eine Geschichte mit der gerade erworbenen Figur erzählte.
Anders als in der Fernsehserie waren diese Geschichten aber nicht in
irgendeinem zusammenhängendem Kontext zu sehen sondern konnten sich
gelegentlich sogar extrem wiedersprechen. Das verbindende Element
dabei war allerdings meistens die Figur des „He-Man“, der ein
Abenteuer erlebte und dabei entweder die neue Figur zur Seite
gestellt bekam, gegen sie antreten musste oder ihr sonstwie über den
Weg lief. Das heißt, dass die Welt Umdaar in keiner Weise feste
Elemente hat, sondern sich ständig und andauernd im Geist der Gruppe
weiterentwickelt und urplötzlich neue Landstriche entwickelt, die
gerade für das jeweilige Abenteuer von Nöten sind. (Nach dem
Abenteuer im „Sumpf der Verzweiflung“ kommt also ein Abstecher in
die „Wüste des Grauens“ und danach versammelt man sich vor dem
„Eispalast der Schneekönigin“… irgendwie fällt mir gerade
auf, dass dieser gesammte Settingentwurf deutlich mehr Aspekte auf
der methodischen Ebene in sich vereint, welche die Oldschool-Szene
für sich hochhält, als es für mich zuerst den Eindruck hatte.) Das
verbindende Element all dieser Abenteuer ist also schlicht und
ergreifend der Umstand, dass die Charaktere hier Abenteuer erleben,
die auf einer Welt spielen, die zufällig gerade Umdaar heißt. Und
eine andere Gruppe kann jederzeit einen Erfahrungsaustausch mit
dieser Gruppe machen über die Abenteuer auf Umdaar, aber eigentlich
ist das dann so, als würden sich in der Welt der Konventionellen
Rollenspiele D&D-Spieler mit Spielern von Vampire: The Requiem
unterhalten. Der springende Punkt bei der Sache ist aber, dass man
von Abenteuer zu Abenteuer wechselt und das Umdaar des ersten
Abenteuers nicht unbedingt das Umdaar des nächsten Abenteuers ist.
(Das klingt jetzt gerade sehr stark nach der Fernsehserie „Sliders“
aus den 90ern.)
Von daher würde ich
aus meiner persönlichen Perspektive Umdaar nicht unbedingt als
Kampagnen-Setting nutzen wollen. Das ist etwas für One-Shots.
Schnelle, aber inspirierte Spiele zwischendurch, die sich mal wieder
in diesem Gefühl der Nostalgie bewegen wollen, dass die Erinnerung
an all diese großartigen Fernsehserien der Kindheit in einem
erweckt.
Fazit
„Masters of
Umdaar“ macht den Eindruck eines sehr lohnenswerten Settings für
Zwischendurch. Der starke Ansatz über Zufallstabellen viele Dinge zu
verwenden kann für ein schnelles, stellenweise stark improvisiertes
Spiel überaus Hilfreich sein und die Welt Umdaar verspricht mit
ihrer dann doch sehr groben Beschreibung viel Platz für stark
individualisierte Abenteuer in hochgradig eigenen Szenarien.
Allerdings ist dabei gerade der SL gefordert, der das notwendige
Gefühl braucht um dieses Non-Setting zum Leben zu erwecken und
entsprechend für die Spieler begreifbar zu machen. (Es gibt hier
halt keinen auf dreisigtausend Seiten ausgewälzten Weltenband.)
Das, was Umdaar dann
am Ende aber aus macht, werden tatsächlich die Charaktere und ihre
Handlungen im Setting sein, dass sie es überhaupt erst miterfinden,
indem die Spieler in ihm erzählen. Insofern baut sich hier ganz klar
eine sehr spezielle Form von Abenteuer-Spiel auf, dass einen
bestimmten Charakter erfüllen muss. (Und der wiederrum dürfte
vermutlich nur eine sehr spezielle Gruppe von Spielern ansprechen.
Aber genau das ist hierbei nicht so sehr das Problem, Serienjunkies
der 80er sind zwar nur ein Teil der Szene, aber diese dürften das
Setting um so mehr zu schätzen wissen.)
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