Eigentlich wäre
dieser Artikel vermutlich die unglaublich passenste Gelegenheit, um
am ersten April mal etwas Sinnvolles zu schreiben. Währe da nicht
vollgender Umstand: Am ersten April sind alle damit beschäftigt mit
Äxten bewaffnet durch die Gegend zu laufen und ihren dümmeren
Mitmenschen mit einem lauten, sarkastischem „April, April!“ den
Schädel einzuschlagen. Weil man den ersten April leid ist.
Und dann gibt es den
Umstand, dass es aktuell diesen Unglaublich aktuellen Grund gibt,
warum ich diesen Artikel im Moment schreiben wollte. Die Tage kam bei
mir ein kleines Paket an, dass das nicht ganz zutreffende Endergebnis
eines beinahe über ein Jahrzehnt in mir heimlich vor sich
hingrummelndes Verlangen nach dem entsprechendem Produkt befriedigt.
Fangen wir also erst einmal mit einem Bild an, dass den
entsprechenden derzeitige zustand erkennbar macht.
"My little Pony. Tails of Equestria" von 2017 meets Kindheitserinnerungen auf VHS |
Links auf dem Foto sehen wir die aktuelle, deutsche Übersetzung des „My little Pony: Tails of Equestria“-Rollenspiels, das Ulisses Spiele in Zusammenarbeit mit dem englischen Spieleherrsteller „River Horse“ herausbringt. Das Objekt rechts daneben ist eine typische VHS-Hülle, wie sie bis in die späten 90er noch verwendung gefunden hatte, eher die DVD vollkommen den Markt durchdrungen hatte. (Jetzt fühle ich mich alt, weil ich erst vor kurzem das dritte Filmträger-Medium für den Heimkino-Bereich aufgegriffen habe.) Der punkt bei der Sache ist, dass meine Schwester und Ich, als wir noch klein waren diese Kassette (und zwei weitere, die ebenfalls Pony-Geschichten in Zeichentrickform zeigten) sehr oft rauf und runter gesehen haben. Das waren zwar nicht die einzigen Video-Kassetten in unserem Haushalt, die eigentlich irgendwo in den Bereich Mädchen-Spielzeug-Crosspromotion fielen und von mir geschätzt wurden, aber da der Auslöser für diesen Artikel eben my Little Pony war, kann ich jetzt darauf zurückgreifen. (In einem Paralel-Universum siniert eine andere Form von mir vermutlich gerade über Lady Lockenlicht, Regina Regenbogen oder die Glücksbärchis.) Wie ich mit sehr viel Mühe festgestellt habe muss es so um 2006 herum passiert sein, dass Wizards of the Coast unter dem Titel „Desighn & Development: Here come the Ponies“ einen – soweit wie ich mich erinnern kann – in Cooperation mit Hasbro erstellten Aprilscherz ins Internet setzten, der ein „My little Pony. Role Playing Game“ ankündigte. (Der ursprüngliche Artikel von WotC selbst existiert schon längst nicht mehr. Darum habe ich hier nur auf den Thread in den Blutschwertern verwiesen, in dem der entsprechende Schock von damals sich zum Ausdruck brachte… und meine erste sehr positive Reaktion auf diese Idee auch noch nachzulesen ist.) Immerhin dauerte es danach noch über ein Jahr, bis die Idee deutlich breiteren Anklang fand. (An dieser Stelle muss ich übrigens gerade breit grinsen, dass der zweite Thread zu dem Thema dann ausgerechnet von Infernal Teddy stammte. Anscheinend teilen wir beide schon deutlich länger gemeinsame Interessen, als uns selbst bewusst ist.) Jetzt kann man natürlich einwerfen, dass in der Zwischenzeit einige Fan-Adaptionen wie Unknown Ponies: Failure is Awesome RPG auf Grundlage von Unknown Armies oder auch Ponyfinder für Pathfinder erschienen sind. Aber wie bei allen Dingen im Leben: Gefühlt ist so eine Adaption mit abgefeilter Seriennummer nicht das Gleiche wie ein Produkt mit dem offiziellem Segen des Herstellers.
Und somit habe ich
jetzt über zehn Jahre warten müssen, bis dieser April-Scherz
endlich in die Tat umgesetzt worden ist! ZEHN VERDAMMTE, LANGE JAHRE!
Das Mockup-Bild des "My little Pony. Role Playing Game" |
Jetzt möchte ich
natürlich nicht behaupten, dass ausgerechnet der oben erwähnte
April-Scherz der Auslöser für das heutige Buch ist, dass ich in
Händen halten kann. Aber dieses Narativ ist halt eben der passende
Auslöser für eine andere Beobachtung, die ich über die Jahre
gemacht habe, und die mir in dieser Form erst im Hier und Heute der
derzeitigen RPG-Industrie dann tatsächlich und wirklich existierend
über gerade mal ein paar wenige Jahre aufgefallen ist: Wir befinden
uns hier in Deutschland an einem Punkt, wo mit einem mal die für
Aprilscherze aufgemachten Mock-Ups entweder in genau der
entsprechenden Form, oder aber in einer (aus welchen Gründen auch
immer) leicht abgewandelten Form erschienen sind. Und wenn ich mich
jetzt zurücklehne und darüber nachdenke kommt mir halt die Frage:
Woher kommt das jetzt genau? Ich meine: Irgendwann muss sich eine
Änderung im Bewusstsein für diese Art von schlechten Witzen doch
herauskristallisiert haben, dass der kreativen Leistung, die die
Ankündigung eines fiktivem Produktes mit einem mal ein gewisser
Kaufwillen entgegengebracht wird. (Und wenn ich ganz ehrlich bin: ich
werde das Gefühl nicht los, dass DrivethruRPG.com eine ganze Menge
damit zu tun haben könnte. Und White Wolf.) Um eines vorwegzunehmen:
Ich kann keine wirklichen harte Fakten zu dem Thema heraufbeschwören.
Von daher versuche ich hier nur spekulativ eine Erklärung
herbeizuextrapolieren, die für mich zwar schlüssig ist, aber
vermutlich durch ein paar andere Links nochmal anders dargestellt
werden kann.
Bekannt ist, dass
Drivethrurpg.com von wenigstens einem der Gründer von White Wolf
mitbegründet worden ist. Und es ist fast schon auffällig, dass die
Fusion von Drivethrurpg.com und rpgnow.com zu „Onebookshelf“
ausgerechnet im selben Jahr passiert, indem der Verlag White Wolf vom
Computerspiele-Hersteller CCP aufgekauft wird. (Es gab also zumindest
in der Anfangszeit zwischen diesen Beiden Firmen vermutlich noch
persönliche Kontakte und damit verbunden auch Interessen, die über
die professionelle Geschäftsbeziehung hinaus gingen.) Ich erwähne
das jetzt nur, weil die ersten, praktischen Aprilscherze auf dieser
Ebene tatsächlich einen White Wolf-Bezug im weitesten Sinne haben.
Mir fielen Spontan nämlichen Scion:
Extras - Supplemental (Yet Can Be Somewhat Useful On Occasion) Scions
von 2013 und die Dudes
of Legend von 2010
ein. (Zumindest sind das PDFs deren Existenz als April-Scherze ich in
den entsprechenden Jahren aktiv mitbekommen habe.) Außerdem fiel mir
auch noch ein, dass ich im Zusammenhang mit den Dudes in einem
entsprechendem Forum noch den Nebensatz „traditionell aufwendig
gestalteter April-Scherz von White Wolf“ mal gelesen habe… und
stolperte daher bei weiterem Suchen über „Shadows
of Iceland“ aus dem Jahre 2008. Der Punkt bei all diesen Sache
ist der, dass hier zwar „nur“ Ausschnitte aus fiktiven
Publikationen, die niemals so wirklich erscheinen würden,
präsentiert werden, die gewählte Form der Präsentation, die White
Wolf hier betrieben hat, aber dermaßen aufwendig ist, dass sie
tatsächlich davon überzeugen kann, man hätte hier ein echtes
Produkt vor sich. Allein die Existenz dieser PDFs setzt aber sehr
viele Faktoren vorraus, wobei die basalsten natürlich auf den
wirtschaftlichen Punkten stehen, die immer noch dazu führen, dass
PDFs an sich kein Wert im eigentlichem Sinne beigemessen wird: Es ist
im Verhältnis zur regulären Druckerfahne unglaublich viel
einfacher, diese Dinger zu Layouten und über den elektronischen
Vertriebsweg ist der Kostenfaktor, den die Bereitstellung einer Kopie
des PDFs ausmacht, vermutlich vergleichsweise Gering. Unabhängig
davon bedarf es allerdings noch all der anderen Faktoren, die da
ebenfalls noch mit reinkommen: Jemanden, der bereit ist die
Arbeitsstunden der Leute zu bezahlen, die Arbeit in die Erstellung
dieser PDFs stecken, so diese nicht in selbstausbeuterischem Herzblut
selber freiwillig Stunden darauf werfen. Das betrifft sowohl
Layouter, als auch Redakteuere und Autoren und last, but not least,
die Illustratoren. White Wolf bediehnte sich aus irgendeiner dieser
möglichen Quellen und erschuf dadurch schräge Ideen, die vermutlich
sogar in gewissem Grad am Spieltisch einsetzbar wären. (Manchmal
stelle ich mir das wie bei dem Computerspieleentwickler Ubisoft vor,
wo ausgebrannte Spieleentwickler, die Schreikrämpfe kriegen, sobald
sie nur noch eine Code-Zeile Assasins-Creed sehen müssen, einfach
ins „Erholungsteam“ gesteckt werden mit dem Auftrag etwas
vollkommen anderes zu erstellen, was ihrer Seele gerade gut tut und
dann solche Perlen wie Child
of Light entstehen. Nur das hier halt ein April-Scherz am Ende
stehen muss, der die Arbeit, die man ansonsten macht, nicht ganz so
verbissen sieht.) Und auf diese Weise stellt man dann fest, dass
urplötzlich ein hochwertiges Produkt entstehen kann, dass aber in
einem eigentlich negativem Kontext besetzt ist. (Seien wir mal
ehrlich: So wie die meisten von uns vermutlich mit „Aprilscherzen“
sozialisiert wurden ist es eher ein Wunder, dass „Aprilscherz“
von unserer Generation nicht Synonym zu „Arschloch“ benutzt
wird.)
Und ab hier gerate
ich so langsam aber sicher ins Schwimmen mit meinen Überlegungen:
Die deutsche Szene ist ein wenig anders aufgestellt, als die
Internationale, wage ich mal ganz wagemutig zu behaupten. Wir sind
ungeheuer klein und es ist verhältnismäßig einfach die „obere
Ebene“ eines Verlages kennen zu lernen. (Und wenn man manchen
Ausführungen hier und da im Netz glauben schenkt ist es die Hürde
um vom Fan zum Macher zu werden sogar relativ gering.)
Man muss ein bißchen
Zeit investieren und bereit sein etwas Mobilität in die ganze
Angelegenheit zu stecken. (Und auch wenn mir der Gedanke überhaupt
nicht gefällt, dass ich einer der absurden Knotenpunkte in der
Vernetzung der Szene sein könnte, muss ich Thomas Michalski in einem
Punkt recht geben, den er bei einem Gespräch auf der letzten RPC
zwischen uns beiden versucht hatte zu untermauern: Ich selbst kenne
mittlerweile einige Leute… Himmel, ich weis bis heute nicht, wie
die Freudschaftsanfrage von Markus Plötz auf Facebook zustande kam,
die vor einiger Zeit bei mir aufgeplöppt ist.)
Innerhalb dieser
doch noch verhältnismäßig familiären Atmosphäre ist es
anscheinend bis zu einem gewissen Grad möglich einzuschätzen wann
eine Reaktion ernst gemeint sein könnte und wann nicht. Und das
verwandelt dann mit einem mal bestimmte Dinge in kalkulierbare
Irritation. Ich erwähne das, weil um 2013/2014 herum mit einem mal
eine seltsame, parallele Entwicklung zustande kam. Das erste ist das
Abenteuer „Namenlose Nacht. Orgien in den Thermen“, welches
aufgrund des mitschwingenden Themas eine Altersempfehlung ab 18
Jahren bekommen hatte. Das erwähne ich jetzt nicht, weil dieses Buch
einem Aprlscherz entsprungen ist, sonder weil etwa um März 2014
herum Ulisses-Spiele eine Werbestrategie
einschlug, die den Verdacht nahelegte, es hier mit einem Aprilscherz
zu tun zu haben… zumindest soweit es die entsprechenden
Veröffentlichungen auf Facebook betraf. (Mir ist heutzutage
natürlich auch bewusst, dass die erste Ankündigung für den Band
aus dem Dezember
des vorangegangenen Jahres stammt.)
Wichtiger ist in dem
Zusammenhang eher etwas anderes: Der Uhrwerk Verlag, seines Zeichens
bekannt für das Baby-Blaue Splittermond kündigte mit einem mal eine
Girly-Edition
in Rosarot an. Und das weckte von der MockUp-Qualität her wohl
tatsächlich zum ersten mal diese Begehrlichkeit des Besonderen. Denn
man sah hier tatsächlich zum ersten mal eine „besondere“
Edition, die von dem was sie versprach, auf der optischen Ebene,
tatsächlich das wechselte, was Splittermond zu solch einem
fürchterlichem, klischeehaftem Jungsspiel machte. Und das war etwas,
dass die Leute tatsächlich haben wollten: Diese für die
vollkommende Selbstironie angefertigte Ausgabe, die alles Blau im
Zierlayout entfernte. (Und deswegen fragte man anscheinend auch
häufiger danach.) Was dann kam, war natürlich nicht ganz das, was
man sich innerlich erhofft hatte, aber es war tatsächlich eine
Wirklichkeit
gewordene, pinke Edition.
Und seitdem sind
einige andere Aprilscherze aus ähnlichem Kontext auch mit einem mal
Wirklichkeit geworden. OrkenspalterTV (die ja in gewisser Weise eines
der zwei Medien sind, die der Szene Gesichter gaben und dadurch
zusammenwachsen ließen) wurden mit ihrem „Sexy
Heinz Kalender“ in die Verlegenheit gebracht, diesen
Tatsächlich in die Tat umzusetzen: Zwei Mal!
Und Ulisses ist mit
DSA auch ziemlich Tatkräftig dabei, diesem neuen Trend in die Tat
umzusetzen: Zum einen wäre da das Rahjasutra,
welches mir als erstes über den Weg lief. Das Deluxe
Heldendokument für Geweihte Zauberer ist erst von diesem Jahr
und – oh Wunder – tatsächlich käuflich zu erwerben. Und der
bislang noch größte Timegab sind die „Wege
der Vereinigung“ von 2012. Anscheinend schreibt im Hintergrund
tatsächlich jemand an dem Scheiß, wie man im Ulisses
Spiele Videopodcast 42 von der diesjährigen RPC erfahren konnte.
Bis hierhin habe ich
nur die ganze Zeit beispiele gesammelt, dass die Sachen tatsächlich
in die Tat umgesetzt worden sind, die wirklich auf einem Aprilscherz
entstanden sind. (Und auch wenn der Sexy Heinz Kalender am ende mehr
Mhaire Stritter, als Heinz zeigte, in teilweise unglaublich guten
Ergebnissen.) Und mein Erklärungsmuster dabei ist nicht unbedingt
ein allzu gutes. Meiner Vermutung nach hat diese Welle an
Begeisterung über April-Scherze eher etwas mit dem gefühlt
durchschnittlichem Alter der Szene von Mitte Dreißig zu tun. Und der
Tatsache, dass die Nerds doch irgendwie immer mal die Außenseiter
waren. (Und das wir so langsam aber sicher den „traditionellen
Scheiß“, den die April-Scherze nunmal sind, nicht mehr leiden
können.) Die meisten von uns dürften mal mehr und mal weniger
„Disposible Income“ zur verfügung haben. Und wie ich schon
sagte: Die Mehrheit von uns steht dem April-Scherz in etwa so
gegenüber, wie der entsprechende CEO von Globotech im Film Small
Soldiers den Versprechen der Werbefilm-Industrie. Aus dieser
Perspektive entspringt ein gewaltiger Zynismus, weil die Kreativ
schaffende Minderheit von uns allen auf einmal gefühlt mehr Energie
in Dinge steckt, die sie nicht verwirklichen Wollen und deren
Basis-Idee dann deutlich besser Klingt, als alles, was sie
„normalerweise“ Umsetzen. Also entscheidet der Geldbeutel in
Kombination mit der Internetkommunikation über dem kleinen
Dienstweg. Die Leute verlangen nach etwas, das eigentlich nur als
Fiktion gedacht war. Und aus einem eventuellem Mockup wird
Wirklichkeit. Eine immer besser aussehende Wirklichkeit. (Wir alle
haben ja mittlerweile Mitbekommen, dass in der deutschen RPG-Szene
Auflagen im dreistelligen Bereich eher Standard als Ausnahme sind,
und Verkaufszahlen im niedrigen, vierstelligem Bereich sogar verdammt
gut ausfallende Produkte darstellen.)
Und von daher bin
ich jetzt bei meinen eigenen Überlegungen gerade in einer
Zwickmühle, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, auf dem richtigen
Weg zu sein: Wir befinden uns gerade in einer unglaublich spannenden
Zeit, wo mit einem mal, auf eine ganze eigene Weise, mehr Diversität
entsteht. Das Problem ist nur: Diese Diversität entspringt nicht der
Begeisterung für etwas, sondern dem Frust an etwas. Wir suchen nach
der Realisierung von Träumen und sind es leid, dass die besseren
Träume bislang immer eben keine Substanz dahinter hatten. Und das
hat sich dann so langsam über das letzte Jahrzehnt verändert, dass
immer öfter anscheinend offen Ausgesprochen wurde, dass die
entsprechende Idee lieber realisiert gesehen würde. Und dadurch
springt dann die produktive Kraft der Wunschmaschine
an, die jetzt zum ersten mal seid langem in der Szene dazu führt,
dass die Träume über den schlechten Witz zu realisierten
Begehrlichkeiten wurden.
Wie sieht es beim
Rest der hier versammelten Meute im Internet aus? Habt ihr einen
dieser Aprilscherze euch schon öfter mal gewünscht? Habt ihr einen
davon im Nachhinein erworben? Oder habt ihr sogar zu der kritischen
masse gehört, die den Wunsch ausgesprochen hatten, die Fiktion
Realität werden sehen zu wollen?
An den tagen, an denen es mir wirklich nicht gut geht denke ich tatsächlich darüber nach aus unserem blog ein Katzenblog zu machen...
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