Samstag, 16. September 2017

[RPG-Blog-O-Quest] September 2017: „Charaktere“

Dadadam… da wären wir mal wieder bei der Blog-o-Quest angelangt. Dieses mal ausgerichtet von Timberwere, die sich rund um das Thema „Charaktere“ ein paar Gedanken gemacht hat, wie sie die Teilnehmer dazu zwingt, sich Gedanken zu machen.
Und da ich gerade in einer ziemlichen Down-Phase mich befinde, die dazu führt, dass alles blöd ist – obwohl ich mich gerade mal wieder zur Fleisarbeit zwinge, die diesen Blog über längere Notzeiten mit Inhalt füllen können muss – stürze ich mich dann auch mal ins Getümmel und versuche ein paar nicht all zu stammelnde Antworten zu geben. (Obwohl ich halt eindeutig eher der Meist-Zeit-Spieler mit Diva-Allüren bin.)


1. Nach welchen Gesichtspunkten und aufgrund welcher Inspirationen baust du deine Charaktere?
Das ist doch wirklich mal eine sehr gute Frage. (Wenn ich jetzt nur darauf eine besonders gewitzte Antwort wüsste.) Ich glaube, wenn man die Artikel-Serie der SLC-Konzepte hier auf dem Blog gelegentlich mitliest kann man sich denken, dass ich ein ziemlich assoziativ agierender Chaot bin.
Das ist von der Methode her etwas, dass ich mir von meinem zweiten Kunst-Professor Henk Visch während meines Studiums in Münster abgeguckt habe. Es geht dabie anfangs gar nicht so sehr darum, was jetzt eigentlich der erste, sehr zentrale Schritt ist, sondern das ein Auslöser für eine Idee nicht all zu Starr mit eindeutigen Kathegorien direkt verknüpft ist.
Sehr häufig fängt es mit einem Bild im Kopf an. (Wobei dieses Bild sehr oft eine Verbindung verschiedener Teil-und-Versatzstücke aus unterschiedlichen anderen Medien, die ich bereits konsumiert habe sein kann. Oder auch shclicht und ergreifend eine lose verknüpfung zweier Themengebiete ist, die mich aus irgendeinem Grund gerade bewegen.)
So ganz klar ist das halt eben nicht immer im ganzen erklärbar (und wenn man meinen nicht wirklich immer ganz eindeutigen Medienkonsum hinzunimmt auch stellenweise eher verwirrend, wenn man die Sprünge mit einberechnet, die dabei auch noch – aus dem assoziativen Gedangengang betrachtet natürlich vollkommen logisch – folgen.)
Ich will mal versuchen an zwei Beispielen zu erklären, wie ein solcher Charakter zustande kommen kann. (Das ich immer mit dem Bewusstsein arbeite, einen Charakter zu erstellen, muss man wohl gar nicht großartig erklären.)

Sarah Arlena Zahn (Ragabash der Fianna, Rang Cliath): Auch wenn ich noch nie ein großartiger Club-Gänger war und auch rein optisch nicht unbedingt dem gängigen Klischee entspreche fühle ich mich seid den späten 90ern durch die „Join-me-Welle“, welche der Song der Band HIM ausgelöst hat, mit der s.g. „schwarzen Szene“ und ihrem Stempel, den sie auf die Pop-Kultur aufgeprägt hat, verbunden. (Am ehesten würde ich mich als reflektierten Pop-Goth bezeichnen, was einige militantere Geister schon wieder als „Style over Substance“ darzustellen versuchen würden.) Wenn man den populäreren Medien, die sich in Form von Musik-Magazinen mit dieser soziokulturellen Strömung (ich hasse den abwertenden Begriff „Sub-Kultur“) beschäftigen (und einigen Beobachtungen meinerseits) folgt, so gibt es innerhalb der Gothic-Szene einige Verknüpfungen mit der Fetish-Bewegung. (Lack-Leder und Latex sind halt durchaus ansprechende Provokationen optischer Natur.) Und von da aus betrachtet ist es dann, wenn man noch Show-Einlagen einiger Bands mit in Betracht zieht, wohl nur ein kleiner Schritt sich ins Thema BDSM einzulesen. (Und damit meine ich weniger karikierende Darstellungen des Komplexes wie die entsprechenden Szenen aus manchen Filmen darstellen, sondern das gesammte Thema rund um Moral, Verhaltenskodixes und Michel Foucaults Betrachtungen zum Thema Identität und Sex.)
Der Punkt bei der ganzen Sache ist nur: Als ich das erste mal mit der Möglichkeit Werewolf: The Apocalypse zu spielen konfrontiert wurde kamen bei der Umschreibung des Ragabash spontan Ideen in diese gesammte Richtung auf. Und auf diesem sehr verqueren Gedankengang kam dann schließlich das Konzept hinter Sarah Arlena Zahn zustande. (Auch wenn der Aspekt der „Domina“ nicht wirklich in unserer Runde so ganz zum tragen kam.) In Kombination mit einem Fragenbogen, den uns unsere SL damals in die Hand drückte entstand dann eine etwas seltsame, wenn auch Recht komplexe Persönlichkeit.
Medjed: Medjed ist ein Shadowrun-Charakter, den ich aktuell gelegentlich bespiele, wenn sich die Runde online trifft. Ich tendiere dazu Elfen zu spielen, wenn das Setting diese hergibt. Und den Anfang machte im Grunde ein Bild in meinem Kopf. Was ich da vor Augen hatte war eine Person in einem langen Ledermantel, wallendes, langes, weißes Haar, dass allerdings stellenweise die kalgeschorenen Eigenschaften eines Undercuts aufwies und somit mehr wie eine Pferdemähne wirkte. Und diese kalten, reflektieren Spiegel, welche das Bild sind, was mir letzten Endes von den Augen Mollys aus der Neuromancer-Trilogie im Gedächtnis geblieben sind. Ich weiß nicht, wo diese Versatzstücke jeweils genau in dieser Form her kommen. (Ich kann nur spekulieren, dass hier manche Aspekte aus den X-Men-Comics und dem ersten Matrix-Film entstammen, allerdings hat das sehr genau in dieser Hinsicht funktioniert, dass ich am Ende eher danach gesehen habe, wie man ein solches Bild mit Hilfe der Shadowrun 5-Regeln nachbilden kann.

2. Was fällt dir am Leichtesten bzw. am Schwersten beim Charakterbau und warum?
Ganz Ehrlich? Nachteile im Sinne der WoD-Definition einzuschränken fällt mir unglaublich schwer. Das habe ich zumindest im Zusammenhang mit einer Apocalypse-Runde in den Dark Ages erlebt. (Es mag eventuell auch daran liegen, dass White Wolf in vielerlei Hinsicht darum bemüht haben sehr attraktive Ansätze gerade in diese Nachteile reinzuschaffen, die der von ihnen Hochgehaltenen Attitüde des Storytellings zu Gute kamen.) Und falls sich jetzt jemand fragt: Ja, ich schätze die WoD in sehr vielen Bestandteilen sehr stark.
Falls man aber einige Freunde von mir fragen sollte, was mir besonders schwer fällt, könnten diese Eventuell mit der Idee um die Ecke kommen, dass ich ein Problem damit habe einen anderen Charakter-Archetypen als die „Kampf-Lesbe“ zu spielen. (Weis der Deivel warum.)
3. Recycelst du gelegentlich Charaktere, die du in einer früheren Runde schon einmal gespielt hast, für neue Runden und warum oder warum nicht?
Es gab da mal einen Gangrel, dessen Basis-Konzept ich für einen Maskerade-Oneshot geschaffen hatte, der ehrlich gesagt vom Trash-Faktor her Hoffnungslos in die Hose gegangen ist (also ich konnte es als Trash noch gerade eben akzeptieren, aber es entsprach einfach nicht so ganz meiner WoD-Vorstellung) und der dann Anschließend nochmal in dem Charakter, den ich für die leider nicht sonderlich alt gewordene Requiem-Runde beim Kamel nochmal verwendet habe, aufgegangen ist. Ansonsten ist das eher schwierig, weil meine Charaktere sehr oft auch aus meinem gerade wieder einmal entsprungenem jüngsten Medien-Konsum irgendwo mit entstehen. (Was jetzt nicht heißen soll, dass ich aktuell sonderlich viele vampirische Schulmädchen in Japan spiele.) Es ist halt so, dass die meisten Charaktere, die ich nutze sehr stark auch von meiner aktuellen Gefühls- und Interessenslage abhängen. Von daher macht es das eher Schwierig eine alte Idee nochmal neu zu verwenden, wenn es doch so viel „neuen geilen Scheiß“ gibt, der irgendwo einfließen muss.
Auf der anderen Seite: Bis jetzt bin ich eher Selten dazu gekommen den Posten des eSeLs auszufüllen. In einer UA-Runde, die für alle Beteiligten vermutlich in nicht all zu guter Erinnerung geblieben sein dürfte, sind aber zwei Avatare aufgetaucht: Einmal der Herrenlose Mann und einmal der Rebell. (Namendlich hörte man auf die Namen Stefan Steinberger und Marco Anderson.)
Wenn ich jetzt erwähne, dass Stefan Steinberger die Fähigkeit „Perforation“ auf dem Charakterblatt hatte müsste zumindest Caninus hellhörig werden. Hier sind tatsächlich zwei Charaktere, die ich vorher mal im Spiel hatte, erneut in einer etwas anderen Situation aufgetaucht.
Ansonsten gab es mal bei den Blutschwertern vor Jahren zu den System-Foren jeweils entsprechenden „Rollenspiel-Talk“-Unterforen, in dem ich eine Daeva im entsprechendem nWoD-Talk geschrieben hatte. (Und im Hintergrund hier existieren ein paar wirre Notizen, die die Ruhrgebietsstadt „Duisburg“ betreffen. Kurz gesagt: Es könnte in einer entsprechenden Interpretation dieser Stadt meinerseits einen Nachtclub im Rotlichmillieu geben, der eine etwas eigensinnige Betreiberin hat.)
4. Wie stehst du zum Charaktertod? Darf dein Charakter sterben bzw. unter welchen Umständen?
Ich glaube hier werden wir nur bedingt einig werden, weil der entsprechende Interpreationsspielraum an solchen Stellen ein wenig Fragwürdig ist: Die Behauptung ist ja, dass der Charaktertod in einer willkürlichen Situation entstehen kann und dabei Aufgrund der besonderen Herausforderung des Kampfes überhaupt das zentrale Element entsteht, dass aus dem Charaktertod etwas besonderes macht. In diesem Fall würde meine Antwort ein klares: Nein! darstellen. Das liegt aber auch daran, dass ich eher in der Geschichtenonkel-Ecke des Ringes hocke und daher irgendwie einen besonderen Aspekt haben möchte, der die ganze Sache mit dem Tod rechtfertigt. (Sprich: Ich bin kein Freund des Charaktertods aufgrund der Herausforderung wegen. Wenn ich die Herausforderung suchen würde, würde ich Marathonlaufen und nicht Rollenspielen.)
Auf der anderen Seite: Es gab da einen Kampf, der aufgrund einer vollkommen verzweifelten Situation in Dark Ages Werewolf entstand: Mein Rudel wollte einen entführten Menschen (der zu allem Umständen auch noch der Love-Interest meiner Shadowlord war) aus den Fängen eines Vampirs befreien. Wir versuchten also am Tag in dessen offizielle Behausung einzudringen und waren den Silberwaffen der Wachen unterlegen. Hätten die hinteren Teammitglieder die beiden im Kampf gefallenen nicht aufgegriffen und die Flucht gesucht, wäre das eine akzeptable Szene für einen Charaktertod gewesen… so wurde meine Shadowlord am Ende zur Blutzgebundenen Dienerin oder Ghoulin des entsprechenden Vampirs um in der Nähe ihres Loveinterests zu sein, was auf lange Sicht noch wesentlich befriedigenderes Drama war.)


Ich weiß: In diesem Thema bin ich eine komplizierte… was ist das männliche Pendant zu „Zicke“?
5. Was bedeutet Charakterentwicklung für dich?
Uha… jetzt kommen wir in dieses komische Gebiet von „Wo willst du mit diesem Charakter eigentlich hin?“ und „Und willst du nicht endlich mal die ganzen EP ausgeben, die sich da auf deinem Charakterbogen angesammelt haben“… in Kombination mit tausend Beispielen, die allesamt beweisen, dass die mir zur Verfügung stehenden Optionen stinklangweilig sind. (Mal ganz im ernst: Was soll an „Ich laufe einer Person und sehe dabei aus wie Frank Sinatra“ so toll bei Verdunklung sein?)
Ja, manchmal ist Charakterentwicklung schlicht und ergreifend der zentrale Punkt auf dem Charakterbogen, den man endlich ausfüllen kann, weil das einen bestimmten Aspekt, den man bis dahin nicht ausfüllen konnte, endlich abrundet. (Aktuelles Beispiel ist meine Salubri in der derzeitigen „Vampire: Dark Ages“ über Hangout, wo ich direkt bei der Charaktererschaffung gesagt habe: Die ersten EP-Ausgaben gehen in Valeren 3.)
Auf der anderen Seite gibt es dann aber auch diese Szenen, die du nicht auf dem Charakterblatt auspunkten kannst. Für mich war das bei meiner derzeitgien Shadowlord-eventuelldochnicht-Ragabash Michaela „Mik“ Darboven, die in einer möglichen Zukunft der Ereignisse spielt, welche die weiter oben erwähnte Sarah Arlena Zahn durchlebt hat, nur um ein Beispiel zu nennen, der Moment, wo sie in ihrem jugendlichem „Leichtsinn“ (die Charaktere hatten zu diesem Zeitpunkt gerade mal ihre erste Verwandlung knapp hinter sich gebracht) einer Metis-Theurgin ihre Liebe gestand. Und mit einer unglaublich panischen Reaktion abgewiesen wurde. (Wir spielen – theoretisch – mit dieser Charakterkonstellation zehn Jahre nach diesen Ereignissen zu Zeit weiter und hingen das letzte Mal, als wir uns als Runde versammelt hatten, in einem Caern in Alabama fest, den wir wieder aufbauen müssen, nachdem wir von Wendigo himself den Auftrag dazu erhalten haben. Nur das die kleine Soap-Opera halt nochmal in die Verlängerung dabei gehen kann. Keine Ahnung, ob Mik nicht eventuell doch noch ihre Arme um ihre Liebste schließen kann, nur um dann nie wieder loszulassen. *evilgrin*
Bonusfrage: Der ___ Charakter, den ich je ____, war ____, weil ____

Die größte Katastrophe von Charakter war ein Ramielit in Engel, weil ich mich nicht in das Setting hineindenken kann (obwohl ich wirklich jeden Aspekt kenne, inklusive Kindersoldaten) und damit im Grunde genommen am Spieltisch effektiv vollkommen gelähmt war. (Das war auch das einzige mal, wo ich wirklich eine radikale Auszeit von einer Runde genommen habe.)

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank für deine Teilnahme und die sehr interessanten Einsichten!

    Für die Charaktererschaffung mit einem Bild im Kopf anzufangen, halte ich für einen sehr gelungenen Ansatz, denn das ist schon mal sehr viel wert.
    Und was den Charaktertod angeht, sind wir da gar nicht so weit auseinander; ganz ähnlich sehe ich das tatsächlich auch. :)

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