Montag, 5. Februar 2018

Rezension: Chastity. Theatre of Pain (written by Brian Polido)

Cover: Chastity. Theatre of Pain
Verlag: Chaos Comcis
Ich glaube ich habe schon mal irgendwo erwähnt, dass ich in den 90ern eher zufällig ziemlich schnell begeistert worden bin, als ich über die Serie „Lady Death“ von Chaos Comics gestolpert bin. Die Simple Idee, klassische Horror-Figuren unterschiedlicher Natur zu nehmen und von ihren Motiven und Handlungen her so aufzustellen, dass sie wie Superhelden Funktionierten, hatte was. (Dummerweise ging Chaos Comics dann relativ schnell Anfang der 2000er-Jahre pleite und ich sah mich erstmals gezwungen Sachen nachzukaufen, die ich „damals“ links liegen gelassen hatte. Was aus verschiedenen Gründen auch nicht immer so gut ging.) Tja, was soll ich sagen: Vampire und Horror sind ja in gewisser Weise immer noch mein Steckenpferd geblieben und als ich vor kurzem mal wieder über Chaos Comcis gegooglet habe las ich mit deutlichem Interesse, dass die IPs aus der damaligen Zeit ein kurzes Aufleben unter dem Regime von Devils Due Publishing/Dynamite Entertainment hatten. (Leider bei weitem nicht so erfolgreich wie noch zu Chaos Bestzeiten, aber was solls?) Jedenfalls habe ich das als Antrieb genommen mal wieder Dinge zu verfollständigen, die ich irgendwann mal angefangen hatte. (Und die Folge daraus ist, dass ich einen gewalltigen Einkauf von Chastity-Heften später euch jetzt mit diesen Zeilen langweile.)

Das lustige an der ganzen Sache ist nur, dass wir heute, gut 20 Jahre nach dem ersten Auftritt von Chastity eine gänzlich andere (und auch auf ganz andere Weise unheimliche) Herangehensweise an das Thema Vampire haben und das ausgerechnet die beiden Origin-Storys von Chastity diese beiden Herangehensweisen auf der Meta-Ebene betrachtet geradezu sarkastisch widerspiegeln. Ich habe mir irgendwann mal vorgenommen hier auf dem Blog nur Sammelbände zu besprechen, weswegen es eine sehr positive Überraschung war, dass ich (als Ergänzung zu dem ganzen Heftkäufen über die einschlägen Vertriebsplatformen) eine TPB-Ausgabe von „Theatre of Pain“ aufgabeln konnte, was die Origin-Story Chastitys darstellt, wie sie sich Brian Polido, damals kreativer Kopf von Chaos Comics, ursprünglich gedacht hat.

Die Geschichte von Chastity springt gelegentlich hin und her und macht einige Rückblenden. Von daher machen wir mal einfach einen Versuch: Das Ganze beginnt im Jahr 1976, wo eine junge Frau Namens Chastity Marks inmitten der Londoner Punk-Rock-Szene als Roadie für eine Band Namens „The Nobs“ über die Runden zu kommen versucht. Und jetzt wird es spannend: Während sie vom Manager der Gruppe mal wieder dazu drangsaliert wird neue Drumsticks aus dem Band-Transporter zu holen wir sie von einem fetten, schmierigen Typen überfallen, der es aber nicht – wie man es normalerweise in einer solchen Situation erwarten würde – auf ihre Unterwäsche abgesehen hat, sondern auf ihre Halsschlagader. Schwer verwundet schleppt sich Castity von dannen und wir erfahren im Anschluss ein wenig mehr über sie.
Chastity war Wochen zufor noch in Toledo Ohio und lebte ein weniger glückliches Leben unter der fuchtel ihres (vermutlich) alkoholkranken, agressiven Vaters, wobei sie davon träumte als Schauspielerin an der Rouyal Shakespear Academy angenommen zu werden. Nach einem weiteren, letzten Übergriff ihres Vaters brach sie von zu Hause aus und setzt sich über einen kurzen Zwischenstopp in New York nach London ab… nur um dort dann Mittellos vor den Türen der großen Schauspielschule zurückgewisen zu werden. (In gewisser Weise schlägt man ihr die Tür vor der Nase zu.)
Was dann folgt ist eben jener Weg in den Punk-Rock, der zu dem Ereignis führt, an dem Castity eigentlich ausgeblutet auf dem Gehsteig irgendeiner Londoner Seitenstraße hätte verrecken sollen…

Dummerweise ist das aber nicht der Fall und Chastity erwacht erneut inmitten der Gesellschaft der Vampire. Unter der Fuchtel der Countess, die entdeckt, dass Chastity eine besondere Fähigkeit hat, wird sie zu einer Assasine ausgebildet. Erhält unzählige Aufträge, andere Vampire zu töten, ohne zu wissen was es damit auf sich hat. (Zur Erklärung: Anscheinend gibt es innerhalb der Welt von Chaos Comics so etwas wie einen sechsten Sinn bei den Vampiren, der dazu führt, dass sie einander Erkennen können. Chastity, eventuell durch ihre Geschichte geprägt, ist ein gewaltiges, schwarzes Loch, das nicht als Vampir erkannt werden kann.)
Dummerweise stellt sich aber im Verlauf heraus, dass Chastity auf der falschen Seite steht und jetzt einen Weg finden muss, die ihr bis dahin unbekannte Vampir-Gesellschaft zu verstehen und sich aus ihr frei zu kaufen.

Was wir hier haben ist eine Geschichte, die sehr stark auf dem Drama-Charakter der 90er lebte und in sehr vielen Aspekten noch das klassische Vampir-Bild mit grausamen, blutrünstigen Monstern enthielt. Wenn auch mit bestimmten Romanzen-Aspekten hier und da angereichert. Von daher stimmt es schon, dass die 90er bereits einen Ansatz zum Vampir als begehrenswertes Wesen hatten (oder als begehrendes Subjekt) jedoch nicht in der Katastrophalen Weise, wie es diese Glitzerviecher der 2000er in der Popkultur wurden. Hinzu kommt, dass hier eine sehr starke Vampir-Gemeinde von Internationalem Ausmaß angedeutet wird, die unter schweren Erfahrungen einen brüchigen Frieden mit besonderem, ans Religiöse angelehnte, Traditionen zu leben scheinen. (Und damit einige Anleihen an die WoD aufgezeigt werden. Es ist zwar nicht bekannt, ob Chastity hier wirklich stellenweise von Inspiriert wurde, allerdings hat White Wolf zumindest Chaos Comics nicht verklagt. Anders als Beispielweise die Macher der Fernsehserie „Clan der Vampire“ oder „Underworld“, die tatsächlich entsprechende, rechtliche Probleme zumindest Kurzfristig erleben mussten.) Zusätzlich kommt halt noch die Tatsache hinzu, dass die entsprechende Geschichte mit der Punk-Szene verbunden ist und zwangsweise in die Gothic-Szene hineinläuft. Innerhalb dieses Comics gibt es bereits sehr viele Anleihen, die stilistisch auf diese Richtung hinweisen. (Letzten Endes sieht man das auch schon auf dem Cover, welches Chastity in drei „Lebenssituationen“ darstellt.)

Abgerundet werden diese Rund 80-Seiten, welche die Gleichnamige Miniserie „Theatre of Pain“ in den Ausgaben 1-3 zusammenträgt um einige Desighnentwürfe, stellenweise nur Bleistiftskizzen, stellenweise aber auch schon geinkte Zeichnungen, die allesamt den Werdegang der Figur von der Idee zum fertigen Äußeren Prsäsentieren, sowie der typischen zusammenfassung an Covern am Ende des Bandes, welche leider bei weitem nicht den vollständigen Einblick bieten, der insgesamt damals an Variant-Covern für diese Mini-Serie produziert worden ist. (Gerade Chaos Comics waren einer der berüchtigten Verlage, die Zig „Sammler-Minieditionen“ eines Comicheftes herausgehauen hatten und dabei durchaus eine ganze Menge Cover zusätzlich in kleiner Stückzahl druckten um auf diesem Weg einen besseren Schnitt für ihre Produkte zu generieren. Das war während der 90er durchaus noch ein wesentlich präsenteres Phänomen als auf dem heutigen US-Comicmarkt, da damals ein Hoch in der Comic-Sammlerkultur existierte und Zeitweise das „Produkt“ Comic als Spekulationsware gehandelt wurde, das eingelagert hinter dicken Tresotüren die Finaz-Grundlage für ganze Fonts bildete.)

Fazit


Ich liebe diese Form von Drama, welches diese doch sehr spezielle Origin-Story ausmacht. Vieles zeigt noch Vampire, die im dunklen agieren und in blutrünstiger Absicht übereinander herfallen. Wer das mag, wird mit den 90er Chaos Comcis vermutlich insgesamt sehr viel Freude haben, da das ganze Konzept, auf das die einzelnen Figuren damals hinausliefen immer wieder diesen doch sehr eigensinnigen, besonderen Charakter hatte, der die Frage stellte, wie man Monster als Helden begreifen kann, ohne ihnen das finstere Moment dabei zu nehmen.

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