Cover: Chastity. Theatre of Pain Verlag: Chaos Comcis |
Ich glaube ich habe
schon mal irgendwo erwähnt, dass ich in den 90ern eher zufällig
ziemlich schnell begeistert worden bin, als ich über die Serie „Lady
Death“ von Chaos Comics gestolpert bin. Die Simple Idee, klassische
Horror-Figuren unterschiedlicher Natur zu nehmen und von ihren
Motiven und Handlungen her so aufzustellen, dass sie wie Superhelden
Funktionierten, hatte was. (Dummerweise ging Chaos Comics dann
relativ schnell Anfang der 2000er-Jahre pleite und ich sah mich
erstmals gezwungen Sachen nachzukaufen, die ich „damals“ links
liegen gelassen hatte. Was aus verschiedenen Gründen auch nicht
immer so gut ging.) Tja, was soll ich sagen: Vampire und Horror sind
ja in gewisser Weise immer noch mein Steckenpferd geblieben und als
ich vor kurzem mal wieder über Chaos Comcis gegooglet habe las ich
mit deutlichem Interesse, dass die IPs aus der damaligen Zeit ein
kurzes Aufleben unter dem Regime von Devils Due Publishing/Dynamite
Entertainment hatten. (Leider bei weitem nicht so erfolgreich wie
noch zu Chaos Bestzeiten, aber was solls?) Jedenfalls habe ich das
als Antrieb genommen mal wieder Dinge zu verfollständigen, die ich
irgendwann mal angefangen hatte. (Und die Folge daraus ist, dass ich
einen gewalltigen Einkauf von Chastity-Heften später euch jetzt mit
diesen Zeilen langweile.)
Das lustige an der
ganzen Sache ist nur, dass wir heute, gut 20 Jahre nach dem ersten
Auftritt von Chastity eine gänzlich andere (und auch auf ganz andere
Weise unheimliche) Herangehensweise an das Thema Vampire haben und
das ausgerechnet die beiden Origin-Storys von Chastity diese beiden
Herangehensweisen auf der Meta-Ebene betrachtet geradezu sarkastisch
widerspiegeln. Ich habe mir irgendwann mal vorgenommen hier auf dem
Blog nur Sammelbände zu besprechen, weswegen es eine sehr positive
Überraschung war, dass ich (als Ergänzung zu dem ganzen Heftkäufen
über die einschlägen Vertriebsplatformen) eine TPB-Ausgabe von
„Theatre of Pain“ aufgabeln konnte, was die Origin-Story
Chastitys darstellt, wie sie sich Brian Polido, damals kreativer Kopf
von Chaos Comics, ursprünglich gedacht hat.
Die Geschichte von
Chastity springt gelegentlich hin und her und macht einige
Rückblenden. Von daher machen wir mal einfach einen Versuch: Das
Ganze beginnt im Jahr 1976, wo eine junge Frau Namens Chastity Marks
inmitten der Londoner Punk-Rock-Szene als Roadie für eine Band
Namens „The Nobs“ über die Runden zu kommen versucht. Und jetzt
wird es spannend: Während sie vom Manager der Gruppe mal wieder dazu
drangsaliert wird neue Drumsticks aus dem Band-Transporter zu holen
wir sie von einem fetten, schmierigen Typen überfallen, der es aber
nicht – wie man es normalerweise in einer solchen Situation
erwarten würde – auf ihre Unterwäsche abgesehen hat, sondern auf
ihre Halsschlagader. Schwer verwundet schleppt sich Castity von
dannen und wir erfahren im Anschluss ein wenig mehr über sie.
Chastity war Wochen
zufor noch in Toledo Ohio und lebte ein weniger glückliches Leben
unter der fuchtel ihres (vermutlich) alkoholkranken, agressiven
Vaters, wobei sie davon träumte als Schauspielerin an der Rouyal
Shakespear Academy angenommen zu werden. Nach einem weiteren, letzten
Übergriff ihres Vaters brach sie von zu Hause aus und setzt sich
über einen kurzen Zwischenstopp in New York nach London ab… nur um
dort dann Mittellos vor den Türen der großen Schauspielschule
zurückgewisen zu werden. (In gewisser Weise schlägt man ihr die Tür
vor der Nase zu.)
Was dann folgt ist
eben jener Weg in den Punk-Rock, der zu dem Ereignis führt, an dem
Castity eigentlich ausgeblutet auf dem Gehsteig irgendeiner Londoner
Seitenstraße hätte verrecken sollen…
Dummerweise ist das
aber nicht der Fall und Chastity erwacht erneut inmitten der
Gesellschaft der Vampire. Unter der Fuchtel der Countess, die
entdeckt, dass Chastity eine besondere Fähigkeit hat, wird sie zu
einer Assasine ausgebildet. Erhält unzählige Aufträge, andere
Vampire zu töten, ohne zu wissen was es damit auf sich hat. (Zur
Erklärung: Anscheinend gibt es innerhalb der Welt von Chaos Comics
so etwas wie einen sechsten Sinn bei den Vampiren, der dazu führt,
dass sie einander Erkennen können. Chastity, eventuell durch ihre
Geschichte geprägt, ist ein gewaltiges, schwarzes Loch, das nicht
als Vampir erkannt werden kann.)
Dummerweise stellt
sich aber im Verlauf heraus, dass Chastity auf der falschen Seite
steht und jetzt einen Weg finden muss, die ihr bis dahin unbekannte
Vampir-Gesellschaft zu verstehen und sich aus ihr frei zu kaufen.
Was wir hier haben
ist eine Geschichte, die sehr stark auf dem Drama-Charakter der 90er
lebte und in sehr vielen Aspekten noch das klassische Vampir-Bild mit
grausamen, blutrünstigen Monstern enthielt. Wenn auch mit bestimmten
Romanzen-Aspekten hier und da angereichert. Von daher stimmt es
schon, dass die 90er bereits einen Ansatz zum Vampir als
begehrenswertes Wesen hatten (oder als begehrendes Subjekt) jedoch
nicht in der Katastrophalen Weise, wie es diese Glitzerviecher der
2000er in der Popkultur wurden. Hinzu kommt, dass hier eine sehr
starke Vampir-Gemeinde von Internationalem Ausmaß angedeutet wird,
die unter schweren Erfahrungen einen brüchigen Frieden mit
besonderem, ans Religiöse angelehnte, Traditionen zu leben scheinen.
(Und damit einige Anleihen an die WoD aufgezeigt werden. Es ist zwar
nicht bekannt, ob Chastity hier wirklich stellenweise von Inspiriert
wurde, allerdings hat White Wolf zumindest Chaos Comics nicht
verklagt. Anders als Beispielweise die Macher der Fernsehserie „Clan
der Vampire“ oder „Underworld“, die tatsächlich entsprechende,
rechtliche Probleme zumindest Kurzfristig erleben mussten.)
Zusätzlich kommt halt noch die Tatsache hinzu, dass die
entsprechende Geschichte mit der Punk-Szene verbunden ist und
zwangsweise in die Gothic-Szene hineinläuft. Innerhalb dieses Comics
gibt es bereits sehr viele Anleihen, die stilistisch auf diese
Richtung hinweisen. (Letzten Endes sieht man das auch schon auf dem
Cover, welches Chastity in drei „Lebenssituationen“ darstellt.)
Abgerundet werden
diese Rund 80-Seiten, welche die Gleichnamige Miniserie „Theatre of
Pain“ in den Ausgaben 1-3 zusammenträgt um einige Desighnentwürfe,
stellenweise nur Bleistiftskizzen, stellenweise aber auch schon
geinkte Zeichnungen, die allesamt den Werdegang der Figur von der
Idee zum fertigen Äußeren Prsäsentieren, sowie der typischen
zusammenfassung an Covern am Ende des Bandes, welche leider bei
weitem nicht den vollständigen Einblick bieten, der insgesamt damals
an Variant-Covern für diese Mini-Serie produziert worden ist.
(Gerade Chaos Comics waren einer der berüchtigten Verlage, die Zig
„Sammler-Minieditionen“ eines Comicheftes herausgehauen hatten
und dabei durchaus eine ganze Menge Cover zusätzlich in kleiner
Stückzahl druckten um auf diesem Weg einen besseren Schnitt für
ihre Produkte zu generieren. Das war während der 90er durchaus noch
ein wesentlich präsenteres Phänomen als auf dem heutigen
US-Comicmarkt, da damals ein Hoch in der Comic-Sammlerkultur
existierte und Zeitweise das „Produkt“ Comic als Spekulationsware
gehandelt wurde, das eingelagert hinter dicken Tresotüren die
Finaz-Grundlage für ganze Fonts bildete.)
Fazit
Ich liebe diese Form
von Drama, welches diese doch sehr spezielle Origin-Story ausmacht.
Vieles zeigt noch Vampire, die im dunklen agieren und in
blutrünstiger Absicht übereinander herfallen. Wer das mag, wird mit
den 90er Chaos Comcis vermutlich insgesamt sehr viel Freude haben, da
das ganze Konzept, auf das die einzelnen Figuren damals hinausliefen
immer wieder diesen doch sehr eigensinnigen, besonderen Charakter
hatte, der die Frage stellte, wie man Monster als Helden begreifen
kann, ohne ihnen das finstere Moment dabei zu nehmen.
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