Cover: Andy Weir Der Marsianer Verlag: Heyne Verlag |
Stell dir vor, auf
einem lebensfeindlichem Planeten zurückgelassen worden zu sein,
nachdem der Rest deines Forschungsteams dich für Tod gehalten hat.
Du kannst dich ausschließlich von Kartoffeln ernähren und die
einzige Möglichkeit der Zerstreuung, die dir zur Verfügung steht
ist die schlimmste psychische Foltermethode aus dem Bereich
Audiosmog, die es direkt nach Wham!s „Last Christmas“ und dem
kompletten Hip-Hop-Genre gibt: Disko!
Das genau ist das
Szenario, in dem sich der Astronaut Mark Watney auf dem Mars
wiederfindet. Andy Weirs Roman „Der Marsianer“ beschreibt im
groben Watneys Berichte über seinen Überlebenskampf auf dem Mars.
Ich sage deshalb Bericht, weil der Orman sich in großen Teilen dem
Genre des Tagebuch-Romans anrechnen lässt. Jenseits davon gibt es
ein paar Meta-Erzählungen, die spezielle Ereignisse Beschrieben,
welche Dinge spontan Änderns, die direkt auf dem Mars passieren.
Darüber hinaus noch einige Szenen, die in der üblichen,
dialogischen Erzählform geschrieben sind und sowohl Ausblicke auf
die Erde, als auch auf das alltägliche Leben der Crew auf dem
Rückweg, die glaubt, dass sie ein Team-Mitglied wahlweise verloren
und/oder hintergangen haben.
Das Spannende bei
dieser ganzen Geschichte ist, dass eigentlich nichts spannendes
passiert. In der komplette Geschichte geht es darum, dass jeder Ort
grundsätzlich eine Todesfalle ist, außer jenen Bereichen, die von
hermetisch abgeriegelten Wänden umgeben sind. Folglicherweise geht
es in erster Linie die ganze Zeit darum, hermetische Räume
aufrechtzuhalten, zu flicken und erneut von Forne zu beginnen. Das
heißt, dass hier im großen und ganzen – abgesehen von Watneys
gewaltigem Zynismus, der aus jeder einzelnen Zeile seines Berichtes
tropft - es im Grund genommen um Zahlen geht. Watney geht es bei all
seinen Handlungen darum, in irgendeiner Weise Mathematisch
festzuhalten, wie er überleben kann. Das heißt, dass man die meiste
Zeit über damit beschäftigt ist, zu erfahren, welche
Wahrscheinlichkeiten etwas bedingen. Von daher erfährt man deutlich
mehr über Ackerbau, Monokulturen, Chemie und Bakteriologie. Im Kern
tauchen ständig irgendwelche Details auf, in denen es sich um eine
weitere Improvisation oder irgendwelche anderen Aushilfen handelt,
die nur ein paar Tage mehr aus dem Leben herausholen. Auch wenn
dieser Punkt am Ende dann „nur“ überleben ist.
Insofern ist „Der
Marsianer“ in erste Linie eine sehr interessante Charakterstudie
über eine Person, die in jeder Situation nichts weiter als ein
Arschloch ist. Im Grunde zeigt Watneys Zynismus über die gesamte
Situation einfach nur einen unglaublichen Willen zum Leben an, der
von einer riesigen Situation an Problemen nicht zurückschreckt. Und
genau das macht vieles so unglaublich interessant. Man verfolgt einen
sehr seltsamen Überlebenskampf, der in dieser Form zwar nur sehr
schwierig vorstellbar scheint, dessen erläuterungen in jeder Form
aber nachvollziehbar sind. Und das macht die Ganze Angelegenheit so
ungewöhnlich. Aus meiner Sicht sind Tagebuchromane so ziemlich die
schlimmste und langweiligste Erzählform, die es gibt. Die
Genrekonvention sieht normalerweise so aus, dass sich der jeweilige
Autor in Details verrennt, die weder zur Spannung, noch zum
Plottverlauf irgendwas beitragen. In diesem Fall aber beweist Weir
eine unglaubliche Disziplin, was zu Detail-Armut führt. Diese Armut
an Details zeigt dann schon wieder eine eigene Spannung. Keine
verblümten Ausschmückungen, nur das notwendigste in Kombination mit
einer Menge Gereiztheit. Letzten Endes muss man wohl in diesem Fall
der Punkt sein, der den eigenen Witz innerhalb der ganzen der
gesammten Erzählung ausmacht.
Fazit
Nehmen wir einfach
mal die Sache als das hin, was sie ist: Eine sehr seltsame
Geschichte, die es tatsächlich schafft ein eigentlich verunglücktes
Genre zum ersten Mal einen interessanten Aspekt abzugewinnen. Wenn
man darüber hinaus noch die sehr fokussierte Lösung als Weg der
Erzählung betrachtet, die überhaupt erst die gesamte Geschichte
vorantreibt, dann erkennt man auf die eine oder andere Weise diesen
sehr seltsamen Faktor an, der aus einer beinahe lagnweiligen
Aneinanderreihung an Ereignissen doch noch etwas „spannendes“
macht. Und das einfach nur, indem man die Dramatik des Umfelds mit
einbezieht. Das ist sehr seltsam, weil es auf eine überraschende
Weise Neugierde weckt.
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