Cover: Naoki Urasawa Herr Doktor Tenma Monster 01 Verlag: EMA:adult |
Monster war, als es
hier in Deutschland 2002 erschien, von Anfang an etwas ungewöhnliches.
Wir alle kennen die üblichen Setting-Versatzstücke, die Maga-Reihen
allgemein ausmachen. Entweder sind es „unbekannte“ Orte in einem
eigenen Universum (wobei hier auch eine wie auch immer geartete
Zukunft mit eingeschlossen gemeint ist) oder aber Konkret ein Japan
der jeweiligen kontemporären Gegenwart. Das Setting des im
Thriller-Genre angesiedelten Mangas Monster war mit einem mal ein
kontemporäres Deutschland (okay, im weiteren verlauf wohl insgesamt
ein Mitteleuropa) und es wird genau deswegen gerne erzählt, dass
Urasawa eine Zeit lang konkret in Düsseldorf gelebt habe und daher
dieses außergewöhnliche Setting gewählt habe. (Wenn man sich
heutzutage im Nachklang die entsprechenden Wikipedia-Artikel über
Urasawa dann durchliest scheint das zwar nur ein moderner Mythos zu
sein, dessen Narativ gerne weiterverwendet wird, aber was solls?
Manchmal sind auch falsche Anekdoten schöne Geschichten.)
Also: Worum geht es?
Den Anfang der
Geschichte stellt ein Ereignis im Jahre 1986 da, Handlungsort ist das
bereits erwähnte Düsseldorf. Dr. Kenzo Tenma ist ein
vielversprechender Nachwuchsarzt, der als Hirn-Chirurg wahre Wunder
vollbringt (irgendwie erinnert das alles ein wenig an die
Origin-Story von Doktor Strange). Privat ist er mit der Tochter des
Leiters der Klinik in der er Tätig ist verbandelt. Problem bei der
Sache ist nur, dass eine Reihe von Ereignissen dazu führt, dass sein
Gewissen aktiv ist, während sein Chef eher eine Pragmatische
Machtposition anstrebt. Dementsprechend wird Tenma aus Operationen
abgezogen, bei denen er durchaus bessere Chancen gehabt hätte, einen
Erfolg zu erzielen, um dafür Personen zu behandeln, die aufgrund
ihrer Popularität oder Einfluß-Position oberflächlich betrachtet
„wichtiger“ sind. Die Zäsur bei diesem Handeln entsteht erst in
dem Augenblick, wo er sich gegen den Befehl seines Vorgesetzten dazu
entscheidet einen mit einer Kugel schwer verletzten Jungen dem
Bürgermeister von Düsseldorf vorzuziehen. (Der junge Überlebt,
allerdings bleibt seine Zwillingsschwester, die Blutüberströhmt bei
dem Vorfall, bei dem die Eltern der beiden umkamen, als einziges
unverletztes Familienmitglied aufgefunden wurde, vollkommen apatisch
und traumatisiert.)
Scheinbar ist damit
Tenmas Karriere endgültig beendet, da der Klinik-Leiter ihm
verspricht, alles in seiner Macht stehende dafür zu nutzen, den
Nachwuchs-Chirurgen zu vernichten.
Eine plötzliche
Veränderung bei dieser ganzen Geschichte stellt urplötzlich der Tod
der kompletten Klinik-Leitung durch vergiftete Bonbons da. Die
Zwillinge sind verschwunden und Tenma scheint von den leitenden
Ermittlern erst einmal genauer durchleuchtet zu werden.
Schnitt ins Jahr
1995: Dr. Kenzo Tenma ist inzwischen zum Chef-Chirurgen avanziert.
Manche munkeln zwar bereits, dass er ebenso zum Klinik-Leiter
aufsteigen könne, aber dieser Posten ist erst einmal in weite Ferne
gerückt. Das besondere ist, dass die Ereignisse, die vor neun Jahren
überhaupt erst dazu geführt haben, dass er seinen jetzigen Posten
einnehmen konnte, ihn jetzt in Form eines neuen Patienten einholen:
Adolf Junkels. Junkels ist ein Schlossknacker, der bei einem
Auto-Unfall schwer verletzt wurde. Tenma wird hinzugezogen, um den
Mann zu retten. Er begegnet dabei einem BKA-Ermittler, der vor neun
Jahren den Fall an der ermordeten Klinik-Leitung übernommen hatte
und immer noch an diesem dran ist. Wie sich heraus stellt, war
Junkels nur einer von mehreren Helfershelfern, die für eine Person
arbeiteten, die Junkels nur als „das Monster“ bezeichnet. Bei
einer Art Showdown begegnen sich Tenma und das Monster erneut, der
Junkels vor den Augen des Arztes hinrichtet und sich dabei als
„Johann“ herausstellt. Jener Junge, den Tenma vor neun Jahren
gerettet hatte.
Grundlegend ist die
Geschichte ersteinmal das, was ein erster Band immer sein sollte: Ein
Auftakt. Wir haben hier eine Reihe, die typischerweise mit allem
Rumbandelt, was das Genre Thriller so ausmachen kann. Ein
Psychopathen mit nicht vollkommen durchsichtigen Motiven, ein
Geheimnis, dass vermutlich irgendwann aufgeklärt werden könnte und
vor allen Dingen eines: Einen Mann ohne jeglichen kriminalistischen
Sachverstand, der in die ganze Sache hineingezogen wird. (In diesem
Fall sich noch nicht einmal richtig an die Polizei wenden kann, weil
diese auf Basis von gewissen Indizien eher davon ausgeht, dass die
entsprechende Person der Hauptverdächtige sein muss.) Fakt ist
jedenfalls, dass hier einiges abzuwarten bleibt, wie sich die
gesammte Geschichte noch entwickeln wird.
Das besondere bei
der ganzen Angelegenheit ist dabei aber immer noch der Handlungsort
der gesamten Geschichte: Es ist einfach zu seltsam, dass ausgerechnet
so ein zurückgebliebenes Nest wie es ausgerechnet Düsseldorf ist
mit einem mal zum Handlungsort wird. (Überhaupt, dass ein
japanischer Mangaka auf die Idee kommt, seine Erzählung ausgerechnet
in Deutschland stattfinden zu lassen ist extrem überraschend.) Jetzt
muss man halt abwarten, in wieweit hier wirkliche Detailversessenheit
am Ende das ganze ergänzt. Da bei dieser Geschichte allerdings schon
einiges an Zeit verstrichen ist dürfte auch der kulturelle Blick aus
der heutigen Perspektive noch zusätzlich interessant werden. Die
90er waren halt technologisch ein drastisch anderer Platz gewesen,
als wir es heutzutage, zwanzig Jahre später, noch unbedingt erinnern
können.
Rein grafisch muss
man allerdings eines festellen: Man bemerkt, dass die stilistische
Darstellung, die das Comic-Medium „Manga“ nutzt, auf einer sehr
reduzierten Ebene liegt. Wenn man nicht wüsste, dass der Protagonist
der Reihe Japaner ist, könnte man es anhand der Zeichnungen nicht
erkennen. (Hier ist also ganz klar die Exposition der Dialoge das
leitende Medium.) Letzten Endes gibt es zwar eindeutige Unterschiede,
welche die jeweiligen Figuren voneinander unterscheidbar machen,
allerdings nicht in der Hinsicht, dass man eine asiatische Person
wahrnimmt, die von einer Gesellschaft von Individuen des kaukasischen
Typs umgeben ist. (Das ist allerdings keine Kritik an der Qualität
der Zeichnungen.)
Fazit
Monster ist nach all
den Jahren immer noch ein sehr spannender Titel. Die ungewöhnliche
Umgebung und die seltsame Verwebung der Figuren zueinander könnten
auf lange Sicht noch ein paar spannende Veränderungen mit sich
bringen. Insgesamt bleibt es aber abzuwarten, was sich Urasawa damals
für eine Geschichte ausgedacht hat.
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