Montag, 4. Juni 2018

Rezension: Naoki Urasawa: Herr Doktor Tenma (Monster 01)

Cover: Naoki Urasawa
Herr Doktor Tenma
Monster 01
Verlag: EMA:adult
Monster war, als es hier in Deutschland 2002 erschien, von Anfang an etwas ungewöhnliches. Wir alle kennen die üblichen Setting-Versatzstücke, die Maga-Reihen allgemein ausmachen. Entweder sind es „unbekannte“ Orte in einem eigenen Universum (wobei hier auch eine wie auch immer geartete Zukunft mit eingeschlossen gemeint ist) oder aber Konkret ein Japan der jeweiligen kontemporären Gegenwart. Das Setting des im Thriller-Genre angesiedelten Mangas Monster war mit einem mal ein kontemporäres Deutschland (okay, im weiteren verlauf wohl insgesamt ein Mitteleuropa) und es wird genau deswegen gerne erzählt, dass Urasawa eine Zeit lang konkret in Düsseldorf gelebt habe und daher dieses außergewöhnliche Setting gewählt habe. (Wenn man sich heutzutage im Nachklang die entsprechenden Wikipedia-Artikel über Urasawa dann durchliest scheint das zwar nur ein moderner Mythos zu sein, dessen Narativ gerne weiterverwendet wird, aber was solls? Manchmal sind auch falsche Anekdoten schöne Geschichten.)

Also: Worum geht es?

Den Anfang der Geschichte stellt ein Ereignis im Jahre 1986 da, Handlungsort ist das bereits erwähnte Düsseldorf. Dr. Kenzo Tenma ist ein vielversprechender Nachwuchsarzt, der als Hirn-Chirurg wahre Wunder vollbringt (irgendwie erinnert das alles ein wenig an die Origin-Story von Doktor Strange). Privat ist er mit der Tochter des Leiters der Klinik in der er Tätig ist verbandelt. Problem bei der Sache ist nur, dass eine Reihe von Ereignissen dazu führt, dass sein Gewissen aktiv ist, während sein Chef eher eine Pragmatische Machtposition anstrebt. Dementsprechend wird Tenma aus Operationen abgezogen, bei denen er durchaus bessere Chancen gehabt hätte, einen Erfolg zu erzielen, um dafür Personen zu behandeln, die aufgrund ihrer Popularität oder Einfluß-Position oberflächlich betrachtet „wichtiger“ sind. Die Zäsur bei diesem Handeln entsteht erst in dem Augenblick, wo er sich gegen den Befehl seines Vorgesetzten dazu entscheidet einen mit einer Kugel schwer verletzten Jungen dem Bürgermeister von Düsseldorf vorzuziehen. (Der junge Überlebt, allerdings bleibt seine Zwillingsschwester, die Blutüberströhmt bei dem Vorfall, bei dem die Eltern der beiden umkamen, als einziges unverletztes Familienmitglied aufgefunden wurde, vollkommen apatisch und traumatisiert.)
Scheinbar ist damit Tenmas Karriere endgültig beendet, da der Klinik-Leiter ihm verspricht, alles in seiner Macht stehende dafür zu nutzen, den Nachwuchs-Chirurgen zu vernichten.
Eine plötzliche Veränderung bei dieser ganzen Geschichte stellt urplötzlich der Tod der kompletten Klinik-Leitung durch vergiftete Bonbons da. Die Zwillinge sind verschwunden und Tenma scheint von den leitenden Ermittlern erst einmal genauer durchleuchtet zu werden.

Schnitt ins Jahr 1995: Dr. Kenzo Tenma ist inzwischen zum Chef-Chirurgen avanziert. Manche munkeln zwar bereits, dass er ebenso zum Klinik-Leiter aufsteigen könne, aber dieser Posten ist erst einmal in weite Ferne gerückt. Das besondere ist, dass die Ereignisse, die vor neun Jahren überhaupt erst dazu geführt haben, dass er seinen jetzigen Posten einnehmen konnte, ihn jetzt in Form eines neuen Patienten einholen: Adolf Junkels. Junkels ist ein Schlossknacker, der bei einem Auto-Unfall schwer verletzt wurde. Tenma wird hinzugezogen, um den Mann zu retten. Er begegnet dabei einem BKA-Ermittler, der vor neun Jahren den Fall an der ermordeten Klinik-Leitung übernommen hatte und immer noch an diesem dran ist. Wie sich heraus stellt, war Junkels nur einer von mehreren Helfershelfern, die für eine Person arbeiteten, die Junkels nur als „das Monster“ bezeichnet. Bei einer Art Showdown begegnen sich Tenma und das Monster erneut, der Junkels vor den Augen des Arztes hinrichtet und sich dabei als „Johann“ herausstellt. Jener Junge, den Tenma vor neun Jahren gerettet hatte.

Grundlegend ist die Geschichte ersteinmal das, was ein erster Band immer sein sollte: Ein Auftakt. Wir haben hier eine Reihe, die typischerweise mit allem Rumbandelt, was das Genre Thriller so ausmachen kann. Ein Psychopathen mit nicht vollkommen durchsichtigen Motiven, ein Geheimnis, dass vermutlich irgendwann aufgeklärt werden könnte und vor allen Dingen eines: Einen Mann ohne jeglichen kriminalistischen Sachverstand, der in die ganze Sache hineingezogen wird. (In diesem Fall sich noch nicht einmal richtig an die Polizei wenden kann, weil diese auf Basis von gewissen Indizien eher davon ausgeht, dass die entsprechende Person der Hauptverdächtige sein muss.) Fakt ist jedenfalls, dass hier einiges abzuwarten bleibt, wie sich die gesammte Geschichte noch entwickeln wird.

Das besondere bei der ganzen Angelegenheit ist dabei aber immer noch der Handlungsort der gesamten Geschichte: Es ist einfach zu seltsam, dass ausgerechnet so ein zurückgebliebenes Nest wie es ausgerechnet Düsseldorf ist mit einem mal zum Handlungsort wird. (Überhaupt, dass ein japanischer Mangaka auf die Idee kommt, seine Erzählung ausgerechnet in Deutschland stattfinden zu lassen ist extrem überraschend.) Jetzt muss man halt abwarten, in wieweit hier wirkliche Detailversessenheit am Ende das ganze ergänzt. Da bei dieser Geschichte allerdings schon einiges an Zeit verstrichen ist dürfte auch der kulturelle Blick aus der heutigen Perspektive noch zusätzlich interessant werden. Die 90er waren halt technologisch ein drastisch anderer Platz gewesen, als wir es heutzutage, zwanzig Jahre später, noch unbedingt erinnern können.

Rein grafisch muss man allerdings eines festellen: Man bemerkt, dass die stilistische Darstellung, die das Comic-Medium „Manga“ nutzt, auf einer sehr reduzierten Ebene liegt. Wenn man nicht wüsste, dass der Protagonist der Reihe Japaner ist, könnte man es anhand der Zeichnungen nicht erkennen. (Hier ist also ganz klar die Exposition der Dialoge das leitende Medium.) Letzten Endes gibt es zwar eindeutige Unterschiede, welche die jeweiligen Figuren voneinander unterscheidbar machen, allerdings nicht in der Hinsicht, dass man eine asiatische Person wahrnimmt, die von einer Gesellschaft von Individuen des kaukasischen Typs umgeben ist. (Das ist allerdings keine Kritik an der Qualität der Zeichnungen.)

Fazit


Monster ist nach all den Jahren immer noch ein sehr spannender Titel. Die ungewöhnliche Umgebung und die seltsame Verwebung der Figuren zueinander könnten auf lange Sicht noch ein paar spannende Veränderungen mit sich bringen. Insgesamt bleibt es aber abzuwarten, was sich Urasawa damals für eine Geschichte ausgedacht hat.

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