Montag, 26. Dezember 2016

Rezension: Katsuhiro Otomo: Herrscher über das Chaos (Akira 09)

Cover: Herrscher über das Chaos
Akira 09
Verlag: Carlsen Comics
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich die Reihe jetzt endlich einmal wirklich verstanden habe. Im Grunde stümpere ich mich deshalb jetzt mit diesen Rezensionen einfach weiterhin von Band zu Band und gebe dabei meine Leseeindrücke einfach weiter.
Technisch betrachtet muss zwischen dem letzten Ereignis aus Band 8 und dem Auftakt von Band 9 ein wenig Zeit vergangen sein: So wie es aussieht hat Tetsuo das Chaos nach der großen Explosion, die Akir averursacht hat ausgenutzt, um einige „Getreuen“ um sich zu schaaren und auf diese Weise eine Art „absolutistische Theokratie“ aufzubauen. Der Punkt bei der Sache ist, dass er zwar die „Staatsgeschäfte“ seines „großen Tokioter Reiches“, wie er das Konstrukt nennt, durchführt, an der Spitze aber als Heiligenfigur Akira auf einem Thron sitzt und als „Erleuchteter“ von der Masse (gemeinhin als „das Volk“ bezeichnet“) angebetet wird, während er Wunder aller Art vollzieht.
Der Punkt bei der Sache ist: Tokio liegt in Schutt und Asche, das Ganze hat einen sehr postapocalyptischen Tatsch... und Tetsuo und seine Mannen sind dabei nicht anderes als Warlords, die die Bevölkerung mit Drogen und Lebensmitteln bei Laune halten. (Wir müssen uns hierbei kritisch vor Augen halten, dass es absolut unklar ist, woher er die entsprechenden Medikamente nimmt. Sie scheinen nur in rauen Mengen vorhanden zu sein und sind dabei Notwenditg, um noch einmal jenseits der ganzen Geschichte besondere Aktionen durchzuführen.)
Letzten Endes verfolgt Tetsuo dabei anscheinend zwei Ziele: Zum einen versucht er mit Hilfe der von ihm verwendeten Drogen Menschen zu identifizieren, die ähnlich von ihm ebenfalls latente Fähigkeiten besitzen und auf diesem Weg soweit gepuscht werden, dass ihre Eigenarten an die Oberfläche treten. Auf diese Weise erhält er eine Art Eingreiftruppe von Elite-Individuen, die sehr spezielle Fähigkeiten zur Schau stellen. (Aber nichts destotrotz noch kaputter sind, als er.)
Zum anderen tut er das, was jeder durchgeknallte Pseudo-Diktator gerne macht: Er lässt sich einen Harem an Frauen auf der Straße zusammenpicken (und nennt das ganze dann „naturalisiertes Bürgertum“, setzt diese unter Drogen und macht aus ihnen willige Sexsklavinnen, von denen am Ende wohl nur noch leere Hüllen übrig bleiben.
Auf der anderen Seite existiert dann mit Mutter Miyako eine Art gegengewicht zu Tetsuos Reich. Miyako ist, wie wir aus den vergangenen Bänden bereits erkannt haben, ebenfalls ein Individuum mit einem Zahlenbranding in der Handfläche. (Nur anscheinend wohl nicht mächtig genug, um für das Milität von Interesse gewesen zu sein.) Sie scheint mit ihren Anhänger den Opfern der Katastrophe ebenfalls helfen zu wollen, wenn auch mit deutlich weniger Größenwahn, was nichts daran ändert, dass sie ebenfalls von ihren Anhängern als Heiligenfigur angebetet wird.
Dazwischen gibt es allerlei unklares „in den Tag hineinleben.“ Wir beobacht Menschen, die sich einfach nur mit der Situation abgefunden haben und jetzt eine Art flurierende Tauschwirtschaft erschafft haben. (Bargeld ist nichts mehr wert, aufgrund der Situation.)
Die Soldaten der Armee haben größtenteils ihre Würde und ihr Ziel verloren. Einzig der Colonel scheint bei der ganzen Frage hier nach einer Chance zu suchen, dass Chaos wieder zu beenden.
Kei und ihre direkten Freunde versuchen den überlebenden Greisen zu helfen, die irgendwie noch am Leben sind, aber anscheinend schlimmste Qualen erleiden.

Und man erfährt noch angedeutet hier und da ein wenig über die Beziehung zwischen Tetsuo und Kaneda... und das Kaneda wohl die ganze Zeit über von Tetsuo für irgendetwas beneidet worden ist.

Am Ende kommt es dennoch erneut wieder zu größeren Auseinandersetzungen, bei denen keiner so wirklich weiß, was jetzt eigentlich wirklich Sache ist.

Dieser Band hier ist weniger Verwirrend als die Bände bis hier. Auch wenn die Handlung nach wievor verworren ist und man sich die meiste Zeit über fragt, worauf das Ganze jetzt wirklich hinaus will. Ich will es so formulieren: Innerhalb dieses Bandes geht es auf das Aufeinandertreffen zweier absolut unterschiedlicher Ausrichtungen von Religiosität hinaus. Bei der einen stehen die weltlichen Bedürfnisse des Puppenspielers im Fordergrund, der eine sehr effektive Galliosnfigur für die Massen geschaffen hat. Bei der anderen gibt es tatsächlichen diesen aufopfernden Aspekt, der innerhalb der gesammten Hektik tatsächlich versucht den „Gläubigen“ einen Halt zu geben.
Und dazu kommen noch diverse Gedankenexperimente mit ins Spiel, wie die Frage nach dem eigenen Selbstbild, das übrig bleibt, wenn man aus einer sehr strengen Führer-Organisation kommt (der Armee) und plötzlich ohne befehle auf sich allein gestellt ist. (Die Antwort darauf ist in ihrer pessimistischen Darstellung unglaublich überzeugend.)

Fazit

Ich weiß gar nicht so genau, was ich hier sagen soll: Dieses Spiel mit den charakterristiken von Offenbarungs-Kulten ist in gewisser Weise seltsam. Dazu kommt noch die Handlung des kompletten Mangas bis hierhin eben so dermaßen unglaublich Ziellos wirkt. (Respektive: Sehr viel der Handlung eben nur dazu da war, um zu diesem Punkt hinzuführen.) Insofern frage ich mich langsam wirklich, was auf der Metaebene bei diesen ganzen Anspielungen auf verschiedene Thematiken eigentlich gedacht wurde. Ich mag diesen Band zwar, weil er gerade innerhalb der bis hierhin doch sehr verwirrenden Ziellosigkeit aufgrund seiner Gradlinigkeit dann doch wieder hervorsticht, bin mir aber letzten Endes dann doch nicht sicher, ob die Ziellosigkeit bis hierhin jetzt geplant war, um den Leser zu verwirren, oder tatsächlich auf die entsprechende Ziellosigkeit des Autors hinter dem Werk zurückzuführen ist.

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