Wenn man mich fragt,
welches Buch von Stephen King ich bislang am meisten bedauere, dann
handelt wäre meine Antwort „Es“. Nicht weil das Buch schlecht
ist, sondern weil ich bei bislang drei Anläufen es kein einziges Mal
geschafft habe, diesen Backstein von einem Wälzer zu beenden. (Ich
bin seid ein paar wenigen Wochen in einem vierten Anlauf, habe
derzeit etwa 30% der ebook-Version geschafft und bin damit deutlich
weiter, als es meine bisherigen Anläufe gebracht haben. Tja, es ist
manchmal wirklich schweirig die ganze Zeit einen solchen Wälzer mit
sich rumzuschleppen.) Dennoch hatte ich die erste Verfilmung, die
irgendwann Anfang der 90er erschienen ist, sehr gemocht. (Auch wenn
ich diese Verfilmung natürlich erst deutlich Später auf
VHS-Kassette zum ersten mal zu gesicht bekommen habe.) Jetzt ist
dieses Jahr, wo der Mann, der den Meisten von uns vermutlich so etwas
wie eine Ahnung beigebracht hatte, was Angst ist – Stephen King –
siebzig Jahre alt geworden ist, ein wenig stark geprägt mit
King-Verfilmungen. Zum einen gab es bereits die Verfilmung des
dunklen Turm-Zyklus, die wohl eher mäßig geworden sein soll, zum
anderen aber kam überraschend ein Klipp in meine Filterbubble, der
eine erneute Verfilmung des anderen Opus Magnum ankündigte: ES!
Und dann beginne
jetzt Quasi die Probleme: Wie wir alle bereits bemerkt haben, sind
die 80er zurückgekehrt. Mit „Stranger Things“ wurde eine
Fernsehserie auf den Markt geworfen, die sich der Tropes und Ästhetik
„meiner“ Kindheit bediehnte, dem ganzen ein Übernatürlich Thema
überzog und die moderne Erzählweise heutiger Filme nutzte. ES baut
auf diesem Ansatz auf.
Was der Film zeigt
ist eine Hälfte der Geschichte rund um den „Club der Verlierer“
in Derry: Die Kindheit. (Deswegen heißt es im Abspann auch ES.
Kapitel Eins.) Es beginnt 1987 und spielt dann weiter im Jahr 1988.
Wir erleben den kompletten Anfang der Erzählung bis zum Tod von
Georgie, der für „Stotter Bill“ ein dermaßen traumatisierendes
Ereignis war, wie sie King in seiner urspünglichen Geschichte
verfasst hatte. (Und zeitgleich fühlt man sich von der gesamten
Optik her noch sehr stark an den Auftakt der ersten Verfilmung
erinnert, wie sie Tim Currie damals so einprägsam gespielt hatte.)
Und danach ist sehr vieles anders.
Zuerst einmal
verschiebt sich der Fokus deutlich auf die Einführung der einzelnen
Figuren. Wir sehen den letzten Schultag vor den Sommerferien 1988.
Bill, Eddie und Richie sind bereits beste Freunde, die einfach nur
darüber nachdenken, wie sie die Sommerferien verbringen wollen.
Beverly Marsh wird auf einer Schultoilette von den Schulschönheiten
mit Gülle bekippt (zumindest wäre es meine Vermutung, dass es das
sein soll) und Ben wartet mit einem recht gut gelungenen
Gebäude-Modell am Seiteneingang darauf, ob er sicher Henry Bowers
ausweichen kann. (Ein Element, für das er sich bis zu einem gewissen
Grad zu schämen scheint ist sein Fandom für die US-amerikanische
Boygroup „New Kids on the Block“, welche er auf seinem Walkman
hört.
Beverly Marsh
hingegen kämpft mit einem ganz anderen Problem: Sie ist nicht nur
einfach arm. (Was in der ursprünglichen Geschichte neben ihrem
attraktivem Äußeren ihr zentrales Problem war.) Ihr wird
nachgesagt, dass sie das „Stadtflittchen“ sei, auf dem jeder
schon mal rumgerutscht sei. (Das stimmt zwar nicht, zeigt aber
bereits, dass der Fokus und die Qualität des Bullyings, was an den
Schulen betrieben wird, deutlich näher in die Gegenwart geholt
wird.)
Und dann beginnt der
Club der Verlierer immer weiter die übliche Geschichte miteinander
zu erleben, wie man sie sich halbwegs vorstellen kann: Die Jungs
lernen sich kennen und wachsen irgendwie zusammen. Anders als es noch
im Roman der Fall war, kommt abe rnicht die Szene des Dammbaums mit
hinein, sondern es gibt immer wieder einzelne, kleine Momente, wo die
jeweiligen Figuren aufeinandertreffen, während sie auf der Flucht
vor Henry Bowers sind. Insofern scheint eben nicht die Tatsache, dass
die einzelnen Figuren an einem Projekt miteinander die eigenen
Fähigkeiten aufbauen, sondern viel mehr das geteilte Leid unter
Henry Bowers das Element zu sein, dass sie in erster Linie
zusammenführt und anschließend gemeinsame Aktionen, die durch die
Aktivitäten von Pennywise herbeigeführt werden,
Allgemein verändern
sich darüber auch die jeweiligen höllenmomente der jeweiligen
Figuren:
Bill wird von
Georgies Tot heimgesucht und hat darüber eine Bessenheit entwickelt,
mit der er versucht jeden nur erdenklichen Aspekt zu identifizieren,
wie man seinen verschwunden Bruder wiederfinden könnte.
Beverlies Hölle auf
Erden ist zwar auch hier der Vater, jedoch – wie es im Zusammenhang
mit der üblen Nachrede passiert – ist ihr Vater eher ein
angedeuteter Pädophiler, der seine Tochter eventuell Missbraucht.
(Oder kurz davor steht, den finalen Übergriff zu begehen. So ganz
klar kommt das bei dem Film nicht herüber.)
Wichtig ist hierbei
allerdings der neue Fokus auf Henry Bowers, dem mit einem mal
deutlich mehr Hintergrund zugesprochen wird. War Bowers in den
Erzählungen bislang nur angedeuteter Weise ein Opfer seines Vaters
gewesen, dass seinen Frust an schwächeren Auslies, erlebt man in
diesem Film genau diesen Vater (und seine Erziehungsmethoden)
deutlich besser. Alldings verändert sich hierbei die
Täter-Opfer-Rolle auch nochmal dermaßen, dass klar wird, warum
Bowers nur all zu leicht gewissen Einflüsterungen nachgibt.
Und dann wäre das am Ende Pennywise, der tanzende Clown. Das Monster
Es, dass Derry alle siebenundzwanzig Jahre heimsucht. Abgesehen
davon, dass dieser Film einen unglaublichen Aufwand betreibt, um mit
CGI-Effekten das beklemmende Gefühl der Geschichte zu transportieren
und den Zuschauern dieses gefühl von verlorensein durch Zahlreiche
Angstmomente hervorzubringen, die zwar im Kern sicherlich nicht neu
sind, aber unglaublich Überraschend eingesetzt werden, um den
Zuschauern Angst einzujagen, wird in den eigentlichen Momenten, wo
nur der Schauspieler zum Einsatz kommt ein Mann namens Bill
Skarsgård eingesetzt, der wohl erst in den
letzten paar Jahren dem durchschnittlichen Zuschauer aufgefallen sein
dürfte. Und dieser Skarsgård verkörpert einen anderen Pennywise,
als es Currie noch in den neunziger Jahren getan hat. Dieser
Pennywise hat nichts mehr vom klassischen Bozo der Clown an sich,
sondern ist vom ersten Moment an nichts anderes als ein bösartiges
Monster im Clowskostüm, dass dem erwachsenen Zuschauer Angst
einjagdt. Und das in jedem einzelnen Bild,
in dem er Auftritt. Die Kameraführung, die komplette Bildgestaltung
(und weiß der Geier, was da noch alles in der Postproduktion mit
eingeflossen ist): Jedes einzelne dieser ganzen Details sorgt dafür,
dass die einzelnen Auftritte von Pennywise so dermaßen beängstigend
sind. (Wenn man dazu noch die seltsamen Fernsehshows mit
einberechnet, die immer wieder im Hintergrund laufen und wohl das
Kidnerprogramm sein sollen, hat man schließlich das Geüfhl, dass
Pennywise nur der kleinere Avatar eines gewalltigen Bösen darstellt,
welches die Stadt Derry an sich verkörpert.)
Man
bemerkt wohl, dass ich von dem Film insgesamt in der Art, wie er
gemacht wurde, unglaublich begeistert bin.
Allerdings:
Es gibt leider einige Stellen, die wirken unglaublich konstruiert und
gehetzt. Dadurch, dass hier sehr stark von der Vorlage abgewichen
wurde, um Es als Film zu erzählen, veränderte man natürlich
dadurch auch das ganze Konstrukt „Es“ zu einem gewaltigen Grad.
Und daurch verändern sich auch bestimmte
Vorbedingungen: Ich kann jetzt nur darüber spekulieren, dass die
Zielgruppe der zynisch gewordenen Millenials nicht mehr undbedingt
etwas mit einem Pennywise anfangen kann, der dadurch, dass er seine
Macht über seine Opfer aus deren Vorstellung bezieht, auch durch die
Vorstellungswelt dieser Opfer innerhalb der ersten Begegnung
verwundbar gemacht wird. So ist hier nicht mehr die Sichtweise auf
einen bestimmten Gegenstand eine mögliche Lösung, Es zu besiegen,
sondern nur noch stumpfe Gewallt, aber trotzdem bleibt ein
unglaublich Bildgewaltiger Film übrig, der in einer Zeit spielt, an
die wir uns noch teilweise selbst sehr gut erinnern können.
Ich
kann jetzt natürlich nur spekulieren, aber ich schätze mal, dass
das Buch Es, als es damals erschienen ist, seine Zielgruppe bei den
Lesern hatte, die ihre Kindheit tatsächlich zu den beschriebenen
Zeitangaben erlebt hatten, die der ursprüngliche Club der Verlierer
als Kindheit erfasste, stellt der Film jetzt uns als die
entsprechenden Kameraden an die Seite der Hauptfiguren.
Fazit
Wenn
ich eine Vermutung äußern soll: Ich glaube, dass man recht früh
erkannt hatte, dass dieser Film nur funktionieren kann, wenn man die
beiden Zeitebenen trennt. Wir alle haben den gewalltigen Wälzer vor
Augen, den Es als Taschenbuch darstellt. Wir wissen, wie gehetzt
letzten Endes die 90er Verfilmung war. Und selbst hier haben wir
gesehen, wie unglaublich viel umgeschrieben und neu interpretiert
werden musste, damit die Geschichte auf der großen Leinwand
funktioniert. (Und dabei haben wir es hier sogar mit einem Streifen
von Überlänge zu tun.)
Was
am Ende übrig bleibt ist ein runder, in sich abgeschlossener,
beängstigender Grusel-Schocker, der auf die gesammte Trickkiste
zurückgreift. (Leider inklusive gewisser Jump-Scares, die in den
letzten Jahren immer mehr überproportional eingesetzt worden sind,
aber leider ist der subtile Horror über die Jahrzehnte Horror-Kino
konsums immer schwieriger geworden einzufangen.) Folglicherweise
bleibt eigentlich nur das Spiel mit der Erwartungshaltung, soweit man
das Ganze dann nutzt. Und das hat der Film
sehr gut dann getroffen. Die Darsteller sind hervorragend gewählt,
das Kostümdesighn ist definitiv nicht das, was man normalerweise
erwarten würde. Und über Skarsgård habe
ich glaube ich schon genug geschwärmt. Es bleibt also abzuwarten, ob
sich das erste Kapitel von Es genug an den Kino-Kassen rentiert, um
überzeugen zu können, dass Kapitel zwei Produziert wird. (Und das
sie dann mit ähnlich viel Liebe zum Detail diesen zweiten Teil
produzieren werden.) Aber selbst wenn nicht: Dieser Film, erstes
Kapitel hin oder her, ist überzeugend genug, um allein für sich
stehen zu können.
Von
daher bin ich in letzter Zeit selten dermaßen begeistert aus dem
Kino herausgekommen, wie in diesem Fall.
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